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[Bd. 7 S. 299]

20. Kapitel: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Fortgang der
völkischen Neuordnung. Der "Kongreß des Sieges" in Nürnberg.

Die gewaltigste und größte Aufgabe, welche der Regierung Hitlers gestellt war, bestand darin, sechs Millionen Arbeitslose wieder in das soziale und wirtschaftliche Leben der Volksgemeinschaft einzureihen. Die Augen der ganzen Welt waren auf die Tätigkeit der Regierung gerichtet, die der Lösung dieses Problems galt.

Adolf Hitler ging auch sofort daran, diese schwerste Aufgabe zu bezwingen. Es gab genug gemeinnützige Arbeiten, die von Staatswegen ausgeführt werden konnten, ohne der Privatinitiative der Wirtschaft zu schaden: Bodenkultur, Hochwasserschutz, Straßenbauten usw. Schon Anfang März wurden den Städten Millionen aus dem Sofortprogramm der Arbeitsbeschaffung zur Verfügung gestellt, und Mitte März wurden noch 5 935 000 Arbeitslose gezählt, 110 000 weniger als der Höchststand im Winter betrug. In Preußen wurden 60 Millionen für wirtschaftliche Meliorationsarbeiten bereitgestellt, die nichtpreußischen Gebiete erhielten 30 Millionen.

  Plan der Arbeitsdienstpflicht  

Eine besondere Rolle spielte der Gedanke der Arbeitsdienstpflicht. Da seine grundsätzliche Verwirklichung aber nicht sofort möglich war, riefen, um einen Anfang zu machen, Frick und Rust Ende März die Abiturienten auf, sich einem freiwilligen Werkhalbjahr zu unterwerfen. Der Stahlhelmführer Studienrat Mahnken wurde von Seldte als Reichskommissar für Arbeitsdienst in das Reichsarbeitsministerium berufen. Anfang April ordnete Seldte das Arbeitsministerium neu. Der alte Aufgabenbereich verblieb unter dem Staatssekretär Krohn, während eine neue Abteilung für nationale Jugenderziehung dem nationalsozialistischen Oberst Hierl, dem großen Theoretiker der Arbeitsdienstpflicht, unterstellt wurde. Diese neue Abteilung gliederte sich in vier Fachgebiete: Arbeitsdienst, der nach wie vor dem Kommissar Mahnken unterstand, bis dieser Anfang Mai zurücktrat, Sport, [300] Erziehungsfragen und Jugendhilfe. Mit dieser Neuordnung konnte man viel nachdrücklicher die Jugend im großen Gemeinschaftsgedanken der Arbeit erfassen, denn es kam nicht bloß darauf an, durch Arbeitsdienst die Wirtschaft zu entlasten, sondern vor allem auch den Klassengeist durch wahren Sozialismus zu überwinden. Da es keine allgemeine Wehrpflicht mehr gab, war es nötig, eine Einrichtung zu schaffen, welche den Geist der Gemeinsamkeit aller Volksgenossen jedem einzelnen wieder beibrachte, und auch Frauen und Mädchen sollten sich dem Arbeitsdienst unterwerfen.

Zum eigentlichen Träger des Arbeitsdienstgedankens hatte sich ja im Laufe des Jahres der Nationalsozialismus entwickelt. In seinen Lagern vereinigte er seit Juni 1932 bis Mai 1933 an die 82 000 Mann, soviel, wie all die andern Organisationen, Stahlhelm, Deutschnationaler Handlungsgehilfenverband, kirchliche Verbände, zusammen hatten. Bis zum 1. Juli wollte die Partei die ersten 100 000 erreicht haben. Diese nationalsozialistischen Arbeitslager sollten der Grundstock, der Kern werden, um den herum sich die Arbeitsdienstpflicht entwickeln sollte. Tatsächlich unterstellte Seldte Ende Juli 1933 alle Stahlhelmlager dem von Oberst Hierl geführten nationalsozialistischen "Reichsverband deutscher Arbeitsdienstvereine", so daß dieser nun der einzige amtlich anerkannte Dienstträger für den freiwilligen Arbeitsdienst im ganzen Reiche wurde.

Mit einer Tatkraft sondergleichen nahm die Reichsregierung sich ihrer Aufgaben an. Umfassende Aufforstungen in Ostpreußen, Dammbauten in der Nordsee, Flußregulierungen in Baden und Niederschlesien wurden in Angriff genommen. Ende März sank die Arbeitslosenziffer auf 5 598 000, Mitte April auf 5 530 000. Anfang Mai erhöhten die Hütten- und Stahlwerke des Rheinlandes nach Verhandlungen mit dem Reichskommissar für den Erzbergbau ihre Belegschaften. Auch die Landwirtschaft, deren Lage sich besserte und die keine polnischen Arbeitskräfte mehr bekam, stellte in großem Umfange Arbeitskräfte ein. Die Mehreinstellungen betrugen von Mitte April bis Mitte Mai an die 60 000. Ende April zählte man 5 332 000 Arbeitslose, Mitte Mai 5 252 000, Mitte Juni [301] 4 977 000, Ende Juni 4 856 000, Ende Juli 4 468 500, Mitte August 4 334 158, Ende September 3 850 000.

In diesem mächtigen Sinken der Arbeitslosenziffer, das man bisher für unmöglich hielt, kam auch der neue nationalsozialistische Wirtschaftsgeist zum Ausdruck. Die Wirtschaft vermehrte die Arbeitskräfte, weil der Zweck der Wirtschaft nicht mehr wie bisher in einer möglichst hohen Dividende für die Aktionäre erblickt wurde, sondern darin, möglichst vielen Volksgenossen Arbeit, Verdienst und Lebensmöglichkeiten zu schaffen.

Ende April lagen auch die Grundzüge für die Arbeitsdienstpflicht fest, die Oberstleutnant Hierl ausgearbeitet hatte. Am 1. Oktober sollte, zunächst noch freiwillig, der staatliche Arbeitsdienst mit 120 000 Mann eingerichtet werden, dem dann am 1. Januar 1934 die Arbeitsdienstpflicht folgen sollte. Alle, die das 19. Lebensjahr erreichten, sollten darin erfaßt werden, 350 000 Mann.

In seiner großen Rede zum Feiertag der nationalen Arbeit am 1. Mai erklärte Adolf Hitler:

      "Es ist unser unverrückbarer Entschluß, jeden einzelnen Deutschen, er mag sein, wer er will, ob hochgeboren und reich oder arm, ob Sohn von Gelehrten oder Sohn von Fabrikarbeiter, jeden einmal in seinem Leben zur Handarbeit zu führen, damit er sie kennen lernt. Der dünkelhafte Sinn, der sich über die Handarbeiter erhob, muß aufhören, aber auch der Handarbeiter muß einsehen, was der Geistesarbeiter zu leisten hat."

Reichsführerschule des Arbeitsdienstes in Spandau.
[Bd. 7 S. 256b]      Reichsführerschule des Arbeitsdienstes in Spandau.      Photo Scherl.
Um für das große Werk des Arbeitsdienstes die erforderlichen Führer heranzubilden, eröffnete Seldte am 15. Mai in Berlin-Spandau die Reichsführerschule für den Arbeitsdienst. Oberst Hierl führte bei dieser Gelegenheit aus:

      "Ein Führer muß ein ganzer Kerl sein, der sich in seinem Wirkungskreise unbedingt durchzusetzen versteht. Ein Arbeitsdienstführer insbesondere muß ein wahrer Fanatiker der Pflichterfüllung sein, aber nicht nur in seinen Forderungen an die Unterstellten, sondern vor allem auch in seinem eigenen Vorbild. Der rechte Führer aber ist erst der, der nicht nur Macht besitzt über den Willen, sondern auch über die Herzen der von ihm Geführten, denn er soll ja Erzieher sein zum deutschen Sozialismus, d. h. zur wahren deutschen Volksgemeinschaft."

[302] An Arbeit für den neuen Arbeitsdienst sollte es nicht fehlen: allein drei Millionen Hektar Moore und Ödländereien müßten kultiviert werden. Im dritten Vierteljahr 1933 umfaßte der freiwillige Arbeitsdienst eine Viertelmillion junger deutscher Menschen, Männer und Mädchen. Den Studenten, die das vierte Semester beendet hatten, befahl Rust Teilnahme am Arbeitsdienst während der Ferien. Etwa 4000 Studenten beteiligten sich infolgedessen vom 1. August bis 15. Oktober am Arbeitsdienst.

  Gesetz zur Verminderung  
der Arbeitslosigkeit

Auch die private Initiative des Volkes rief Hitler auf, um die Arbeitslosigkeit zu mindern. Grundlegend wurde das Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, das die Reichsregierung am 31. Mai 1933 verabschiedete und dessen Zweck war, große Massen der Arbeitslosen wieder in die Privatwirtschaft zurückzuführen. Das Gesetz enthielt fünf Abschnitte. Der erste handelte von der Arbeitsbeschaffung. Das Reich wollte eine Milliarde Mark in Form von Arbeitsschatzanweisungen zur Förderung von öffentlichen Bauten, privaten Wohnbauten, kleinen Siedlungen, Flußregulierungen, Tiefbauarbeiten usw. zur Verfügung stellen. Im zweiten Abschnitt wurde Steuerfreiheit gewährt für die Ersatzbeschaffung gewerblicher und landwirtschaftlicher Maschinen. Dadurch sollten gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe angeregt werden, neue Maschinen zu kaufen, was wieder eine Belebung der Maschinenindustrie zur Folge hatte. Im dritten Abschnitt wurde eine freiwillige Spende zur Förderung der nationalen Arbeit ausgeschrieben. Ein Gedanke des Reichswirtschaftskommissars Wagner fand hier Verwendung. Wagner hatte Mitte Mai vorgeschlagen, daß für alle Fälle der Steuerhinterziehung und Kapitalverschiebung eine Amnestie verkündet werde, wenn die Missetäter einen Teil ihres flüssigen Vermögens und insbesondere das ins Ausland verschobene Kapital für eine großzügige nationale Arbeitsbeschaffungsanleihe zur Verfügung stellten. So sah dies Gesetz Straffreiheit vor, wenn entzogene Steuern in Form einer Arbeitsspende nachgezahlt würden. Im vierten Abschnitt wurde die Überführung weiblicher Arbeitskräfte in die Hauswirtschaft durch Steuererleichterungen gefördert. Der fünfte Abschnitt sollte die Ehe- [303] schließungen fördern: weiblichen Arbeitskräften wurde im Falle ihrer Verheiratung ein unverzinsliches Ehestandsdarlehen bis zu 1000 Mark gegeben; auf diese Weise sollten im Laufe des ersten Jahres 400 000, im Laufe der nächsten drei Jahre noch 600 000 weibliche Arbeitskräfte aus der Wirtschaft ausscheiden und Männern Platz machen. Die Mittel für diese Ehedarlehen sollten die ledigen Männer und Frauen aufbringen.

In bezug auf den ersten Abschnitt dieses Gesetzes hatte Hitler noch die besonderen Projekte: die Wiederherstellung des deutschen Hausbesitzes und Hausreparaturen, sodann den Bau eines umfassenden deutschen Automobilstraßennetzes von 5000 km Länge, um die Kraftverkehrswirtschaft organisch in das System der Reichsbahn einzuschalten (das Gesetz über den Bau der Straßen für Reichsautobahnen wurde am 30. Juni verkündet und Ende September wurde die Ausführung der ersten Autostraße Frankfurt–Heidelberg begonnen), und schließlich Steuerfreiheit für Mehrproduktion und Mehrbeschäftigung als Produktionsanreiz für die deutsche Privatwirtschaft.

Das neue Gesetz besaß ein wahrhaft monumentales Fassungsvermögen. Dadurch unterschied es sich von allen ähnlichen Gesetzen der Vergangenheit: es zeigte die tatsächliche, praktische Möglichkeit, Millionen Arbeitsloser in kurzer Zeit wieder in die Privatwirtschaft zu übernehmen. Man rechnete damit, daß binnen Jahresfrist 1¼ Millionen Arbeitsloser in den Produktionsprozeß zurückgeführt werden konnten. Das Gesetz, welches die Versprechen der nationalen Regierung einlösen sollte, war außerdem getragen von dem großen sittlichen Grundsatz, daß Menschenarbeit vor Maschinenarbeit gehe. Es wird darin ausdrücklich gesagt: "Alle Arbeiten sind durch menschliche Arbeitskräfte auszuführen, soweit nicht maschinelle Hilfsmittel unerläßlich sind." Die ideelle Bedeutung dieses Gesetzes wuchs noch dadurch, daß die Abrüstungskonferenz Mitte Juni Deutschland die Einführung der Arbeitsdienstpflicht verbot, da Frankreich hier zwei militärische Elemente erkannte: Disziplin und straffe Zusammenfassung in Gruppen!

[304] Die politische und moralische Gewalt des Nationalsozialismus vermochte dem großem Gesetze vom 31. Mai alsbald tatkräftige und nachdrückliche Verwirklichung zu verschaffen. Bereits Mitte Juni sank die Arbeitslosenziffer unter die Fünf-Millionengrenze. Ende Juni betrug sie 4 856 000. Allenthalben regten sich die Hände der Menschen, Arbeiten, die lange vernachlässigt waren, wurden in Angriff genommen. Wie in der Landwirtschaft, so regte sich neuer Wirtschaftsgeist im Bauwesen, in der Maschinenindustrie, in der Automobilindustrie, in der Möbelindustrie. Zahlreiche öffentliche Arbeiten wurden unternommen: Straßen- und Kanalbauten, Wasserregulierungen, Aufforstungen. Die Reichsbahn bemühte sich, Mittel zusammenzubringen, wodurch sie eine Viertelmillion Arbeitslose beschäftigen konnte. Die Spende für die nationale Arbeit brachte im Juni 4 Millionen Mark. Organisationen und Verbände, sowie die einzelnen Volksgenossen brachten ihre Opfer, und es war niemand so arm, daß er nicht auch sein Scherflein gab. Zum ersten Male zeigte sich in der Freiwilligkeit dieser Spende die Großartigkeit des fundamentalen nationalsozialistischen Leitsatzes: Gemeinnutz geht vor Eigennutz! Mitte Juli waren bereits 10 Millionen und bis Ende September 60 Millionen Mark zusammengekommen.

Das Bedeutungsvolle an diesem System der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit lag noch darin, daß sie der Reichsregierung und den Landesregierungen nicht neue Lasten auferlegte: Der Reichshaushalt, der 1932 in tatsächlichen Ausgaben 7,9 Milliarden Mark betrug, wurde für 1933 nur mit 5,9 Milliarden veranschlagt. Allein die Besitz- und Verkehrssteuern waren um 774 Millionen gekürzt. An Ausgaben für Arbeitslosenhilfe und Arbeitsbeschaffung wurden 520 Millionen eingesetzt, für Fettverbilligung 150 Millionen, für Wohlfahrtspflege 50 Millionen. Von dieser ¾ Milli[arde] mußte die neue Fettsteuer 150 Millionen und die Ehestandshilfe der Ledigen 40 Millionen erbringen.

  Ostpreußen  

Die Tatkraft, mit der die nationalsozialistischen Oberpräsidenten und Präsidenten an die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herangingen, führte in kurzer Zeit zu einer weiteren Ver- [305] minderung der Arbeitslosenzahl. Der tatkräftige nationalsozialistische Oberpräsident Koch in Ostpreußen erreichte es, daß 30 Kreise, also Dreiviertel der Provinz, Ende Juli ohne Arbeitslose waren. Am 31. Juli hatten nur noch die Städte Königsberg und Elbing Erwerbslose. Mitte August war Königsberg die erste deutsche Großstadt ohne jeden Wohlfahrtserwerbslosen! Ostpreußen war frei von Arbeitslosen. Dieser Erfolg war vor allem auch der neuen Wirtschaftstaktik Kochs zu danken: er hatte die Intensivierung der Landwirtschaft von der Arbeitskraft her, nicht wie früher von der Kapitalseite her, angefaßt. – Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in Ostpreußen hatte noch eine ganz besondere volkspolitische Bedeutung. Sobald in dieser dünnbesiedelten Grenzprovinz alle Arbeitslosen untergebracht waren, sollten Deutsche aus dem Reich – man rechnete mit 200 000 Menschen – nach Ostpreußen gezogen werden, um hier wieder einen festen deutschen Volksstamm zu begründen. Man plante, Ostpreußen weitgehend zu industrialisieren und Ende August dachte man bereits, 3000 westfälische Industriearbeiter nach Ostpreußen zu überführen.

In allen Teilen des Reiches lebte die Arbeit wieder auf. Von der privaten wie von der öffentlichen Wirtschaft war das Mißtrauen und die Entschlußlosigkeit gewichen, sobald sie erkannten, daß eine starke Hand die Zügel führte und der Nationalsozialismus der deutschen Wirtschaft Ruhe und Stetigkeit brachte. Es war ein vorzügliches Ineinanderarbeiten öffentlicher und privater Wirtschaft, ein Ineinandergreifen aller Staats- und Volksorgane unter dem einen großen Gesichtspunkt: dem Volk durch Arbeit seine Existenz zu sichern.

  Rückgang der Arbeitslosenzahl  

Die gewaltige Entwicklung zugunsten des deutschen Volkslebens drückte sich in der stetig sinkenden Zahl der Arbeitslosen aus: am 15. September 1933 zählte man deren nur noch 4 067 000, am 30. September, wie bereits gesagt, 3 850 000. Mehr als zwei Millionen Arbeitslose hatte Hitler neuer Beschäftigung zugeführt, und doch befand man sich erst noch in den Anfängen der Verwirklichung des großen Gesetzes vom 31. Mai. Und dabei muß berücksichtigt werden, daß die Zahl noch um 300 000 sogenannter "unsichtbarer", d. h. nicht- [306] gemeldeter Arbeitslose, größer war! Am 15. September 1932, also zur Zeit Papens, wurden in Deutschland 5¼ Million Arbeitslose gezählt.

Es soll nur ein ganz kurzer Abriß über die Wiederbelebung der Arbeit in den einzelnen Teilen Deutschlands gegeben werden. Von den 140 000 Erwerbslosen der Provinz Pommern waren bis Ende Juli 60 000 wieder in Arbeit gebracht. Den Rest hoffte man durch den geplanten Bau des Dammes nach Rügen, der seit 1911 verschleppt war, auf drei Jahre zu beschäftigen. Mitte August rief der Gauleiter von Pommern die Landbesitzer zur freiwilligen Landabgabe als Arbeitsspende auf. Dadurch sollte die großzügige Durchführung des Siedlungswerkes in Gang kommen. In Dithmarschen wurden zwei Dämme von zusammen 12 km Länge begonnen, wodurch Land gewonnen werden sollte. Die eingedeichte Fläche wurde auf 1570 Hektar berechnet. Durch dieses Werk sollten Sylt und Fehmarn mit dem Festland verbunden werden. Auch in der Rheinpfalz sank die Arbeitslosenziffer. Nach einer Aufstellung aus der zweiten Hälfte des August hatte sich die Zahl der Erwerbslosen verringert in Ostpreußen um 100%, in Pommern um 60%, in Brandenburg mit Berlin um 23%, in Schlesien um rund 30%. In Sachsen waren 168 000, in Mitteldeutschland 171 000, in Westfalen 121 000, in Bayern 214 000 Menschen wieder beschäftigt worden. Zu einer hochherzigen Tat entschloß sich am 22. August der ostpreußische Großgrundbesitz; er ließ dem Reichskanzler mitteilen, daß er Land spenden wolle, um Bauernsöhnen und Landarbeitern Siedlungsmöglichkeiten zu verschaffen. In der Grenzmark Posen-Westpreußen waren die Bauern bereits auf diesem Wege vorangegangen, indem sie Hitler eine Landspende von etwa 300 Morgen zur Verfügung gestellt hatten. –

  Vollendung der Arbeitsfront  

Das Werk des Aufbaues der Arbeitsfront setzte inzwischen Dr. Ley tatkräftig fort. Am 18. und 19. Mai gründete er in Berlin die Einheitsgewerkschaft aller Angestellten, die zweite Säule der Arbeitsfront, die folgende Angestelltenverbände umfaßte: Deutscher (bisher Deutschnationaler) Handlungsgehilfenverband, Verband deutscher Techniker, Ingenieure, Chemiker u. a., Verband deutscher Werkmeister, Poliere, Schacht- und [307] Ziegelmeister, Verband deutscher Büro- und Behördenangestellten, Verband deutscher Land-, Guts- und Forstwirtschaftsangestellter, Verband angestellter Ärzte und Apotheker, Verband seemännischer Angestellter, Verband der deutschen Theaterangestellten und Verband der weiblichen Angestellten. So traten an die Stelle der bisherigen 100 Angestelltenverbände nur 9 Berufsverbände, denen keine Juden angehören durften.

So war mit dem Aufbau der deutschen Arbeitsfront bereits eine wichtige Vorarbeit für den ständischen Aufbau der deutschen Wirtschaft geleistet. Und wie im deutschen Volke die nationalsozialistische Partei das Rückgrat weiterhin bilden sollte, so war der nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation die große Aufgabe bestimmt, das Reservoir der Offiziere und Unteroffiziere der deutschen Arbeitsfront zu bilden. Sie sollte der Sauerteig sein, der die Arbeitsfront durchdringen mußte und der aus dem Lohnempfänger den deutschen Arbeiter zu machen hatte. Die Gewerkschaft sollte die wirtschaftliche, die Betriebszellenorganisation die politische Vertretung der Arbeiterschaft sein.

Dieser so erstarkten Arbeitsfront traten am 25. Mai auch die Unternehmerverbände bei, und am Vormittag des 24. Juni wurden nach vorhergehender gründlicher Säuberung schließlich die Christlichen Gewerkschaften in Deutschland von der N.S.B.O. übernommen, so daß nun das ganze deutsche Wirtschafts- und Arbeitswesen in Unternehmertum, Angestellten und Arbeitern in der Arbeitsfront eine große, geschlossene Einheit fand, durch deren Schaffung der Klassenkampf marxistischer und bürgerlicher Prägung beseitigt war.

Dies Werk war nur möglich aus dem Geiste des Nationalsozialismus heraus: Wirtschaft ist nicht Selbstzweck, sondern soll der Blüte der Nation und ihrem Wohlergehen dienen, sie soll dem Volke in seiner Gesamtheit die notwendige Nahrung verschaffen und seine materiellen Bedürfnisse befriedigen. "Die Arbeit ist oberstes Gesetz und wird dann zum Segen, wenn sie einmal den Schöpfergeist des Menschen befriedigt und dann zum andern seine Existenz sicherstellt." Aus dieser elementaren Erkenntnis heraus dürfen Arbeitgeber und Arbeitneh- [308] mer nicht Gegner sein, sondern sie müssen Schicksalsgenossen sein. In dieser Gemeinschaft muß die Arbeitsfront alle Stände umschließen, die mit der Wirtschaft zu tun haben. Löhne, Tarife und Sozialfragen haben daher nicht mehr die Hauptsache im Wirtschaftsleben zu sein, sondern das Ziel muß nun sein das Blühen der Wirtschaft und die gesunde Eingliederung jedes schaffenden Menschen in die Wirtschaft.

So formulierte Dr. Ley die Aufgaben des ständischen Aufbaus in folgende fünf Sätze:

"1. Die Wirtschaft muß zur höchsten Blüte entfaltet werden, damit das Gesamtvolk leben kann.

2. Deshalb muß das Führertum im Betrieb wieder vollkommen hergestellt werden.

3. Dies ist notwendig, damit die volle Verantwortung jedes einzelnen wieder aufgerichtet wird.

4. Erst dann ist es möglich, dem arbeitenden Menschen den höchsten Schutz und das ihm zukommende Recht zu gewähren.

5. Dieser Schutz und das Recht wird erst erreicht, wenn unabhängige Standesgerichte darüber wachen und jeden einzelnen Schädling mit den schwersten Strafen belegen können."

Der ständische Aufbau der Arbeitsfront sollte in neuen, in Wirtschaftskreisen, Bezirken und Provinzen regional zusammengefaßter Fachgruppen vor sich gehen. Mit der Durchführung dieser Aufgabe wurden die Gauleiter beauftragt. Der Aufbau vom Betriebe bis zur Reichsfachgruppe zeigte dann folgendes Schema:

Der ständische Aufbau der deutschen Arbeitsfront.
[Bd. 7 S. 309]      Der ständische Aufbau der deutschen Arbeitsfront.      Photo Scherl.

Da es noch Hunderttausende von Unorganisierten gab, verlangte Dr. Ley Mitte Juli deren Eintritt in die Arbeitsfront, denn im neuen Staat werde das Bürgerrecht verknüpft sein mit der Bekundung der Mitarbeit am Wiederaufbau des Vaterlandes. Die Aufgabe der Arbeitsfront war, den neuen deutschen Arbeitsmenschen zu schaffen. Sollte der ständische Aufbau die neue Wirtschaftsordnung formen, so sollte die Arbeitsfront die neue Gesellschaftsfront, die jetzt noch in Schichten und Klassen auseinanderstrebe, schaffen.

Es war die notwendige Fortentwicklung dieses wirtschaftlichen Neubaus, daß die bisherigen Schlichter ausgeschaltet wurden. Schlichtungsverhandlungen wie bisher nach dem liberalistischen und marxistischen Klassenkampfprinzip sollte es nicht mehr geben. Auch die Wirtschaft wurde dem Führer- [309=Skizze [310] prinzip unterworfen, und am 15. Juni 1933 ernannte Adolf Hitler, durch Reichsgesetz vom 19. Mai beschlossen, die Treuhänder der Wirtschaft für die 13 deutschen Wirtschaftsgebiete. Diese Treuhänder verkörperten die höchste Staatsautorität und waren lediglich an die Weisungen der Reichsregierung gebunden. Sie entsprachen auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens den Reichsstatthaltern in den deutschen Ländern. Es war die Aufgabe dieser Treuhänder, an Stelle der bisherigen Interessenvereinigungen von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern rechtsverbindlich die Bedingungen für den Abschluß von Arbeitsverträgen zu regeln und für die Aufrechterhaltung des Arbeitstarifes zu sorgen und bei der Vorbereitung der neuen Sozialverfassung mitzuarbeiten. –

Allerdings erlebte der ständische Aufbau Mitte Juli einen vorläufigen Stillstand. Er konnte nicht weiter durchgeführt werden, da, wie Reichswirtschaftsminister Schmitt erklärte, "die Gefahr bestand, daß eine ganze Reihe unberufener Elemente versuchte Experimente zu machen, um die Wirtschaft zu stören." Es wurden zum Zwecke der Verfolgung von Sonderinteressen wirtschaftliche Organisationen gebildet, welche die Wirtschaft beunruhigten. N.S.B.O.-Leiter unternahmen Eingriffe, die störend wirkten. Daher sei es der Wille des Führers, sagte Schmitt, hier zunächst einmal eine klare Linie zu ziehen und den Weg der langsamen und gesunden Entwicklung zu gehen. Dem ständischen Aufbau sei die Aufgabe zugedacht, im Volke von oben bis unten dafür zu sorgen, daß man den Staat und seine Absichten verstehe und daß man geistig das Volk zum Nationalsozialismus hinführe. – Um den für die Wirtschaft außerordentlich wichtigen Frieden zu sichern, wurden Mitte Juli der Reichswirtschaftskommissar Dr. Wagner und sämtliche Unterkommissare zurückgezogen. Nachdem Hugenberg zurückgetreten war, erübrigte sich überhaupt die Tätigkeit der nationalsozialistischen Reichskommissare. Ende Juli wurden auch sämtliche N.S.B.O.-Kommissare aus den Betrieben herausgenommen. Wo ein solcher Kommissar noch einen Eingriff wagte, wurde er unverzüglich in Haft genommen. Adolf Hitler wollte nichts von einer permanenten Revolution wissen. Er sagte einmal Anfang Juli zu den Reichsstatthaltern:

      "Man darf nicht [311] einen Wirtschafter absetzen, wenn er ein guter Wirtschafter, aber noch kein Nationalsozialist ist, zumal dann nicht, wenn der Nationalsozialist, den man an seine Stelle setzt, von der Wirtschaft nichts versteht. In der Wirtschaft darf nur das Können ausschlaggebend sein." –

Um der Reichsregierung eine Beratungsinstanz aus den Reihen der Wirtschaftspraktiker zu geben, also um das fachmännische Können für die Gesetzgebung auszunutzen, berief Adolf Hitler Mitte Juli den Generalrat der Wirtschaft.

  Wirtschaftsleben  

Hier sei ein kleiner Querschnitt in Zahlen durch das deutsche Wirtschaftsleben eingeschaltet. Die Zahl der Beschäftigten betrug am 30. Januar 1933: 11,5 Millionen (31. Januar 1932: 12 Millionen), am 15. Juli aber 13,5 Millionen, am 31. August 13 723 585. Die Zahl der Konkurse betrug im ersten Halbjahr 1933 rund 5000, war um etwa 45 Prozent geringer als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Die Zahl der Vergleichsverfahren, 1000, waren sogar um 77 Prozent geringer! Im Außenhandel allerdings zeigte sich ein starker Rückgang: der Ausfuhrüberschuß betrug im ersten Halbjahr 1933 nur 291 Millionen gegen 602 Millionen im ersten Halbjahr 1932.

Ebenso wie das Wirtschaftsleben erfaßte der Nationalsozialismus auch die deutschen Juristen, die Lehrer und die Jugend.

  Erziehung  

Besonders Lehrer und Jugend lagen den Ministern und dem Führer Adolf Hitler am Herzen. Die Nationalsozialisten erklärten, daß es nicht Zweck der Erziehung sei, viel Wissen in die jungen Menschen hineinzupfropfen, sondern sie zu Tüchtigkeit und Charakter zu erziehen. Rust wie Schemm betonten immer wieder, daß die Grundlage der Erziehung Charakterbildung durch den Sinn für das Heldische und für die christliche Religion sein müsse, daß hierzu das Bewußtsein kommen müsse, der einzelne sei kein Individuum, sondern ein dienendes Glied der Volksgemeinschaft. Gehorsam und Zucht, Treue und Glauben und Arbeit sind die Tugenden, aus denen sich die Pflicht des einzelnen gegen sein Volk zusammensetzt. Die sittlichen Kräfte der Lehrer, Vorbilder zu sein der Jugend, können nicht im Lärm der Großstädte erweckt und gekräftigt werden, sondern nur in der [312] unmittelbaren und engsten Verbindung mit der Scholle; gleichsam als ein Inbegriff des nationalsozialistischen Erziehungsideals wurde am 24. Juni von Kultusminister Rust in dem pommerschen Grenzstädtchen Lauenburg eine Hochschule für Lehrerbildung eröffnet. An den Hochschulen wurde das Reinigungswerk kräftig fortgesetzt.

Die Zusammenfassung der gesamten deutschen Jugend im Geiste des Nationalsozialismus geschah durch die Ernennung Baldur von Schirachs, des Führers der Hitlerjugend und der nationalsozialistischen Studentenschaft, zum Reichsjugendführer für sämtliche deutsche Jugendverbände am 18. Juni. Eine der ersten Folgen dieses Vorganges war, daß der "Scharnhorstbund" in der Hitlerjugend aufging.

Auch der Stahlhelm ward enger mit der Bewegung Hitlers verbunden. Am 21. Juni 1933 kam zwischen Adolf Hitler und Franz Seldte ein Abkommen zustande, das folgendes festsetzte: Der Kernstahlhelm bleibt wie bisher dem Bundesführer Seldte unterstellt (der Kernstahlhelm umfaßt alle Stahlhelmer vom 22. Lebensjahre an), den Mitgliedern des Stahlhelms ist jede andere Parteizugehörigkeit als die zur N.S.D.A.P. verboten, Adolf Hitler gibt die Mitgliedschaft des Stahlhelm zur N.S.D.A.P. frei. Der Jungstahlhelm tritt neben S.A. und S.S. und wird dem obersten S.A.-Führer unterstellt, der Jungstahlhelmführer von Morozowiz tritt zum Stabe des Obersten S.A.-Führers, Adolf Hitlers; der Scharnhorst wird in die Hitlerjugend eingegliedert.

Der endgültigen Vereinigung des Stahlhelms mit dem Nationalsozialismus diente die S.A.-Führertagung in Bad Reichenhall in den ersten Julitagen. Adolf Hitler, Röhm und Seldte vereinbarten folgendes:

      "Der gesamte Stahlhelm tritt unter den Befehl der Obersten S.A.-Führung und wird nach ihren Richtlinien neu gegliedert. Der Jungstahlhelm und die Sporteinheiten werden durch die Stahlhelmdienststellen auf Befehl der Obersten S.A.-Führung entsprechend den Gliederungen der S.A. neu zusammengefaßt."

Dem Stahlhelm verlieh Adolf Hitler die feldgraue Armbinde mit dem schwarzen Hakenkreuz auf weißem Grunde, dem Jungstahlhelm und den Sporteinheiten aber die rote Armbinde und das Hoheits- [313] zeichen an der Mütze. In den Herbstwochen 1933 vollzog sich schrittweise die Eingliederung der Stahlhelmformationen in die S.A. Die Mitglieder des Stahlhelms leisteten Adolf Hitler den Treueid. –

Ende Juni gab es in Deutschland kaum eine Organisation mehr, die nicht dem gewaltigen Gefüge des Nationalsozialismus eingegliedert war. Kleine Gruppen und Grüppchen, die im liberalistischen Zeitalter ihr beschauliches Dasein geführt hatten, verschwanden, sie wurden aufgesogen oder aufgelöst. Umbildungen von besonderen Verbänden, wie sie vor allem neben der Arbeitsfront durch katholische und evangelische Arbeitnehmer versucht wurden, wurden unterdrückt. Es gab nur noch ein Recht, das Recht des Volkes, dessen Exekutive beim Nationalsozialismus lag, und die Durchdringung des Volkes mit dem Nationalsozialismus, die zweite Etappe der deutschen Revolution, machte seit Mitte Mai große Fortschritte.

  Reichsführerschule  

Und der Nationalsozialismus war nicht gewillt, das Recht, das er in anderthalb Jahrzehnten sich schwer erkämpft hatte, durch leichtfertige Versäumnisse wieder preiszugeben. Was bisher noch keine Regierung in Deutschland getan hatte, was bisher immer versäumt worden war, das tat Adolf Hitler: im Gebäude des Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes im Bernauer Walde eröffnete der Reichskanzler am 16. Juni die Reichsführerschule, deren Bestimmung es war, die kommenden Führer der Nationalsozialistischen Partei wie der nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation heranzuziehen. Hier sollte der politische Generalstab für die regierende Partei heranwachsen. Diese planmäßige Führerausbildung und Führerauslese, die im bewußten Gegensatz zum bisherigen System stand, wonach der Staat wie eine Aktiengesellschaft regiert wurde, sollte ihrerseits ein Garant gegen einen möglichen Zerfall des Nationalsozialismus in Zukunft sein. Man weiß, wie das Reich Bismarcks zugrunde ging, weil Bismarck versäumt hatte, für den nötigen Führernachwuchs zu sorgen, und man weiß, welche ungeheure Führerkraft aus der preußischen Kriegsakademie hervorging, der Schule des preußischen Generalstabs. Das politische Führertum als einen das Schicksal des Volkes bestimmenden wichtigen [314] Faktor zu pflegen erschien Adolf Hitler als eine sehr wichtige Aufgabe. So wurden denn im Laufe des Sommers weitere Landesführer-, Gauamtswalter-, N.S.B.O.-, Bauern- und Arbeitsdienstführerschulen errichtet – alles unter dem Gesichts[punkt des] neuen Staates und Volkes als einer unzertrennlichen Gemeinschaft zu erziehen.

Dem Nationalsozialismus, der immer weiter das deutsche Volk umspannte, blieben nun nur noch die Auseinandersetzungen mit den Resten der Deutschnationalen Front, der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Kommunisten übrig.

Es zeigte sich, daß Hugenberg immer weniger in der Lage war, seine Absicht, das Vordringen der nationalsozialistischen Revolution zu verhindern, durchzuführen: Die nationalsozialistische Revolution wuchs ihm über den Kopf, als sie seit dem Mai das ganze Volk ergriff. Die nationalsozialistischen Bauern hatten verhindert, daß Hugenberg preußischer Landwirtschaftsminister wurde. Sie hatten weiter verhindert, daß Hugenberg Herrn von Gayl als Reichssiedlungskommissar berief. Gegen Hugenbergs Willen wurde das preußische Erbhofgesetz geschaffen. Hugenberg wollte Mitte Mai auch verhindern, daß der Reichskommissar Dr. Wagener den Nationalsozialisten Dr. von Rentelen zum Präsidenten des Industrie- und Handelstages berief. Hugenberg erlitt eine Schlappe. Hätte Hugenberg nicht den verzweifelten Willen gehabt, sich neben den Nationalsozialisten zu behaupten, so hätte er nach den bereits erlittenen Nackenschlägen schon Mitte Mai aus der Regierung ausscheiden müssen. Er tat es aber nicht.

Zusammenbruch
  der Deutschnationalen  

Die immer mehr zusammenschmelzende deutschnationale Front wurde durch innere Gegensätze mehr und mehr zerrissen. Ende Mai beging der Reichsbund deutschnationaler Juristen die offenbare Dummheit, alle weltanschaulich auf deutschnationalem Boden stehenden Richter und Staatsanwälte aufzufordern, aus dem Preußischen Richterverein auszutreten, weil dieser beschlossen hatte, korporativ dem Bunde Nationalsozialistischer deutscher Juristen beizutreten!

Vor allem aber waren die deutschnationalen Landes- und Kreisleitungen so unklug, die heranströmenden Marxisten in [315] ihre neugegründeten Kampfstaffeln aufzunehmen. Bereits am 22. Mai verhaftete die Geheime Staatspolizei in Pasewalk den deutschnationalen Kreisleiter und 14 Kampfstaffelmitglieder, weil diese Kommunisten waren.

Es war nicht nur der Geheimen Staatspolizei bekannt, sondern sozusagen eine offen bekannte Tatsache, daß Marxisten aller Schattierungen und vor allem deren Funktionäre in hellen Scharen zu den Deutschnationalen strömten. Am 30. Mai trat Dr. Eduard Stadtler aus der deutschnationalen Front und Reichstagsfraktion aus und suchte Aufnahme in die N.S.D.A.P. nach, weil die deutschnationale Front immer mehr marxistisch verseucht werde. Den Beweis dafür lieferte das Verbot des Kampfbundes junger Deutschnationaler durch die Hamburger Polizei, weil dieser Kampfbund sich zu einem idealen Sammelbecken waschechter Bolschewiken und kommunistischer Untermenschen entwickelt hatte.

Die Austritte führender Deutschnationaler mehrten sich seit Anfang Juni; der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Wilhelm Schmidt, Führer des Reichsverbandes vaterländischer Arbeiter- und Werkvereine, trat am 7. Juni zur N.S.D.A.P. über. Der Führer der deutschnationalen Katholiken, Prof. Martin Spahn, verließ die Partei am 10. Juni. Seine Auffassung, es dürfe eine unfruchtbare Opposition gegen Adolf Hitler, wie sie die Deutschnationalen zu betreiben im Begriffe seien, nicht mehr geben, fand bei den Deutschnationalen erregten Widerspruch. Die beiden westdeutschen Kampfringführer Gisevius und Flume traten zur N.S.D.A.P. über, weil der Parteienstaat tot sei. Diesem Schritte schloß sich der Landtagsabgeordnete Forschbach aus Dortmund an. Auch in Bayern traten mehrere führende Deutschnationale, Staatssekretäre und Stadträte, zur N.S.D.A.P. über. Die Deutschnationale Front trat in die Todeskrise ein: was blieb von ihr noch übrig? Nur zweifelhafte, nationalgetarnte marxistische Elemente, die im Begriff waren, sich gegen die Regierung der deutschen Revolution zu erheben.

Am 14. Juni wurde der Deutschnationale Kampfring im Regierungsbezirk Dortmund verboten, weil er zu dreiviertel aus Leuten bestand, die noch im März und April Marxisten [316] waren. Am 18. Juni wurde der Deutschnationale Kampfring in Frankfurt a. d. Oder aufgelöst, weil es am Geburtstage Hugenbergs zu schweren blutigen Zusammenstößen mit S.A. und S.S. gekommen war.

Die blutigen Vorgänge in Frankfurt veranlaßten den preußischen Ministerpräsidenten Göring, am 21. Juni für ganz Preußen das Verbot und die Auflösung der deutschnationalen Kampfringe und des Bismarckbundes anzuordnen, da sich ergeben habe, daß in ihnen kommunistische und staatsfeindliche Elemente in größtem Umfange Aufnahme gefunden haben und diese Organisationen daher eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit des Staates und der Bevölkerung bildeten. Das Vorgehen Görings wurde alsbald auf das ganze Reich ausgedehnt. Das Tragen von Grünhemden und Abzeichen wurde verboten. Überall im Reiche wurden Haussuchungen vorgenommen in den deutschnationalen Parteibüros. In allen deutschen Ländern wurden Mitglieder und Führer von Kampfstaffeln verhaftet. Unter den Verhafteten befanden sich auch zwei Neffen Hugenbergs. Weder Hugenberg noch sein Stellvertreter von Winterfeldt vermochten durch ihren Einspruch etwas zu ändern.

Die Untersuchung durch die Geheime Staatspolizei hatte die Berechtigung des Regierungsschrittes erwiesen. Es ließ sich allgemein feststellen, daß die Kampfstaffeln zu 60–70% marxistisch verseucht waren. In Berlin waren die Kampfstaffeln 3000 Mann stark. Mehr als 2000 von ihnen standen noch im April im marxistischen Lager, zum Teil als Funktionäre! Es waren hauptsächlich vorbestrafte Kommunisten und Sozialdemokraten, die dem Reichsbanner oder dem Rotfrontkampfbund angehört hatten und wegen Diebstahl, Betrug, Körperverletzung, Kuppelei, Zuhälterei bestraft waren. In dem beschlagnahmten Brief eines Berliner Kommunisten an einen pommerschen Kommunisten las man: "Hier tritt alles der Kampffront bei. Sie ist marxistisch verseucht bis auf die Knochen. Hitler wird sie wahrscheinlich bestehen lassen." War es da noch wunderbar, wenn man bei diesen "Deutschnationalen" auch große Mengen kommunistischer Hetzliteratur, Werke von Bucharin, Marx usw., ja Sowjetfahnen und Sowjetbinden, Sowjetsterne fand, nicht zu vergessen Revolver, [317] Säbel, Schlagringe, Gummiknüppel und Bleirohre? Diese deutschnationale Taktik war teilweise auch auf Stahlhelmortsgruppen ausgestrahlt, so daß in zahlreichen Fällen auch deren Auflösung nötig wurde.

Das unrühmliche Ende der deutschnationalen Front war Tatsache geworden. Hugenberg, von seinen Besten verlassen, von marxistischen Hyänen umgeben, stand auf einem Trümmerhaufen. Er hatte nicht vermocht, in der Regierung zu verhindern, daß die nationalsozialistische Revolution über ihn hinwegging, er hatte auch nicht vermocht, seine Anhängerschar zusammenzuhalten. Am Abend des 27. Juni vollzog sich der letzte Akt. Hugenberg beschloß nach Rücksprache mit seinen Unterführern und mit dem Reichskanzler die freiwillige Auflösung der Deutschnationalen Front. Er schloß darauf ein Freundschaftsabkommen mit Adolf Hitler, daß die ehemaligen Angehörigen der Deutschnationalen Front als volle und gleichberechtigte Mitkämpfer des nationalen Deutschland anerkannt und vor jeder Kränkung und Zurücksetzung geschützt würden, insbesondere soweit sie Beamte und Angestellte seien. Die parlamentarischen Fraktionen der Deutschnationalen vereinigten sich mit den Nationalsozialisten und entsandten ein oder mehrere Mitglieder in die Vorstände der nationalsozialistischen Fraktionen.

Daraufhin erklärte Hugenberg seinen Rücktritt. Damit war das Ende der Parlamentswirtschaft und des Parteiwesens wieder einen Schritt näher gekommen, nur das Zentrum stand noch abseits.

Am 29. Juni genehmigte Hindenburg den Rücktritt Hugenbergs. In dessen Ministerien traten jetzt zwei Nationalsozialisten ein: Dr. Schmitt wurde Wirtschaftsminister, Walter Darré Reichsernährungsminister und Gottfried Feder wurde zum Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium ernannt. Im preußischen Landwirtschaftsministerium wurde der Nationalsozialist Willikens zum Staatssekretär ernannt und mit der Führung der Geschäfte des Ministeriums beauftragt.

Zwei Momente veranlaßten die Regierung des Reiches, auch der immer mehr zusammenschrumpfenden Sozialdemokratie das Lebenslicht schließlich auszublasen: Die Feststellung der Tat- [318] sache, daß die Gewerkschaften millionenweise die Arbeitergroschen den sozialdemokratischen Bonzen überliefert hatten, und die andere Tatsache, daß die sozialdemokratischen Führer im Auslande mit allen Mitteln gegen Deutschland hetzten. Es war ganz natürlich, daß bei Funktionären und Ministern der Sozialdemokratie Haussuchungen gemacht wurden. In Severings Wohnung in Bielefeld fand man Mitte Mai 55 000 Mark, marxistisches Propagandamaterial und viele Akten. Einer nach dem andern von den Sozialdemokraten mußte den Weg ins Konzentrationslager antreten, so Ende Juni der frühere sozialdemokratische Reichstagspräsident Löbe, eine Woche später der ehemalige sozialdemokratische Reichskanzler Braun, weil er Millionenbetrügereien mit Hauszinssteuermitteln begangen hatte. Auch Künstler, Heilmann, Ebert, betrügerische Rundfunkleiter, fast alle sozialdemokratischen Größen fanden sich im Laufe der Zeit im Konzentrationslager wieder.

Am 17. Mai richtete Wels einen Brief an das Büro der II. Internationale und verlangte darin den im März niedergelegten Vorstandssitz zurück.

      "Zu meiner Mandatsniederlegung als Mitglied des Büros der II. Internationale habe ich mich entschlossen in der Absicht, der Regierung einen Vorwand zu einem Gewaltstreich zu nehmen. Nun haben die Hitler-Banditen den entscheidenden Schlag geführt. Die Zeit, wo wir hoffen konnten, durch die Ausschaltung von Vorwänden für Gewaltmaßnahmen etwas zu retten, ist vorüber. Wir haben nun die Aufgabe, den Kampf der Arbeiterklasse neu aufzunehmen. Damit ist der Moment gekommen, wo ich erklären will, daß ich meine Ankündigung des Austritts aus dem Büro der II. Internationale zurückziehe."

Diesen Brief empfing die II. Internationale am 18. Mai, an demselben Tage, da sie zusammen mit dem Internationalen Gewerkschaftsverband "Kampfmaßnahmen gegen die Reichsregierung vorzubereiten" beschloß, da "das ganze Land vom Faschismus tyrannisiert werde". Hilferding und Breitscheid beteiligten sich an Sitzungen der sozialistischen Kammerfraktion in Paris und ließen sich von dem Abgeordneten Vienrot [319] in seiner Haßrede auf Deutschland als "Märtyrer" der deutschen Sozialdemokratie feiern!

Während die Reichsleitung der sozialdemokratischen Partei Mitte Juni in Berlin mit dem Gedanken umging, nach Prag überzusiedeln, leistete sich Wels ein neues Schandstück. Er telegraphierte nämlich am 14. Juni an den Vorsitzenden der Arbeitergruppe auf der internationalen Arbeitskonferenz in Genf:

      "Die Sozialdemokraten und die im Geiste der Freien Gewerkschaften kämpfenden Arbeiter Deutschlands begleiten mit lebhaftester Teilnahme euren Kampf gegen die faschistischen Unterdrücker und Zerstörer der sozialistischen Arbeiterbewegung, sowie euren Protest gegen die Schande der grausamen Verfolgung in Kasernen, Gefängnissen und Konzentrationslagern. Dafür ist euch der Dank aller freiheitlichen Menschen in Deutschland gewiß."

Das war selbst den Berliner Sozialdemokraten zu viel. Der Vorstand der Partei mißbilligte ausdrücklich alle im Ausland ergehenden Kundgebungen und erklärte, daß niemand im Auslande ein Recht habe, im Namen der Partei zu sprechen. Es machte sich eine Strömung bemerkbar, die auf den Ausschluß von Wels, Stampfer und Hertz hinarbeitete und Löbe zum Parteivorsitzenden machen wollte. Jedoch die Partei brachte nicht mehr die Kraft auf, Entscheidungen zu treffen. In der Vorstandssitzung des 20. Juni wurden die Hetzer im Ausland nicht etwa ausgeschlossen, sondern es wurde lediglich ein neuer Vorstand gewählt, dem außer Löbe und Zille noch Stelling, Riller und Künstler angehörten.

Auflösung der
  Sozialdemokratischen Partei  

Mitte Juni war der Zustand der deutschen Sozialdemokratie so, daß es nahezu keine Organisationen und keine beitragzahlenden Mitglieder mehr gab. Die meisten sozialdemokratischen Wahlvereine hatten sich freiwillig aufgelöst, nachdem die Vorstandsmitglieder ihre Ämter niedergelegt hatten. Hinter den sozialdemokratischen Abgeordneten standen keine Wählerorganisationen mehr. Es gab höchstens noch einige Restbestände von Funktionären.

Die verbissensten Sozialdemokraten hatten sich beizeiten in Sicherheit gebracht: Wels, Stampfer, Hertz, Crispien, Hilferding, Breitscheid waren ins Ausland gegangen. Prag, wo Stampfer und Heimannsberg sich aufhielten, Wien, das Hilfer- [320] ding eine Zuflucht bot, Zürich, wohin sich Grzesinski gewandt hatte, Saarbrücken, von wo aus Otto Braun und Wels Gift und Lüge gegen das neue Deutschland verbreiteten, bildeten sich als Zentralen der sozialdemokratischen Emigranten heraus, und von hier aus ging die Verbindung zu Breitscheid, der in Paris als Verbindungsmann zu den französischen Marxisten fungierte. Philipp Scheidemann hatte sich nach New York eingeschifft und hetzte von hier aus zum Kriege gegen Deutschland!

Jetzt bedurfte es nur noch eines Anlasses von außen, um das brüchige Parteigebäude vollends zusammenbrechen zu lassen. Dieser Anlaß kam schneller, als man dachte.

In Köpenik sollten S.A.-Leute am Abend des 21. Juni eine Haussuchung vornehmen. Ein 23jähriger Sozialdemokrat schoß, tötete zwei Leute und verwundete zwei S.A.-Leute schwer, so daß auch von diesen noch einer starb. Am darauffolgenden Tage sprach der Reichsinnenminister Dr. Frick das Verbot der Partei und die Beschlagnahme des Parteivermögens sowie die Diätensperrung aus. Es wurde weiter bestimmt, daß sozialdemokratische Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr herausgegeben werden durften und daß kein Beamter, Angestellter, Arbeiter und öffentlicher Ruhegeldsempfänger mehr dieser Partei angehören dürfe.

Die Reichsregierung begründete dies Vorgehen damit, daß die sozialdemokratische Partei eine Klique von Landes- und Hochverrätern sei. Ihre Führer wie Wels, Breitscheidt, Stampfer, Vogel befänden sich seit Wochen in Prag und hetzten von hier aus die Arbeiterschaft der übrigen Länder gegen die nationale deutsche Regierung auf. Die Sozialdemokratie wurde außerhalb des Gesetzes gestellt und ihre Funktionäre verhaftet. Ihren Abgeordneten wurden die parlamentarischen Rechte und die Mandate entzogen.

Den Schlußstein dieser Erledigung der Sozialdemokratie bildete die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit bei 33 Marxisten Ende August 1933, da sie durch ein Verhalten, das gegen die Pflicht zur Treue gegen Reich und Volk verstoße, die deutschen Belange geschädigt haben. Unter den Ausgestoßnen und Geächteten befanden sich Georg Bernhard, Breitscheid, Dr. Friedrich Wilhelm Förster, Helmut von Gerlach, [321] Grzesinski, Emil Gumbel, Max Hölz, Heinrich Mann, Münzenberg, Heinz Werner Neumann, Scheidemann, Stampfer, Toller, Wels. Ihre Vermögen wurden beschlagnahmt.

Da die Abgeordneten der Staatspartei durch Listenverbindung mit den Sozialdemokraten gewählt worden waren, wurden auch diesen die parlamentarischen Rechte entzogen. Sie durften ebensowenig wie die Sozialdemokraten wieder in den Volksvertretungen erscheinen. Am 29. Juni löste sich die Staatspartei auf.

Am 1. Juli ordnete der Vorstand der Volksrechtspartei die freiwillige Selbstauflösung an und empfahl ihren Mitgliedern den Übertritt zur N.S.D.A.P. Auch Dingeldey genügte der Form und verkündete endlich das Aufhören der Deutschen Volkspartei, die tatsächlich schon seit Wochen nicht mehr existierte. –

Auflösung der
  Bayerischen Volkspartei  

In Bayern wurde von der Regierung festgestellt, daß zwischen der Bayerischen Volkspartei und den Christlich-Sozialen in Österreich innige Beziehungen bestanden. Ja, man stellte sogar Verbindungen dieser Partei mit der Tschechoslowakei und mit Frankreich fest und fand auch ein großes, umfangreiches Dokument, das einen ganz klar aufgestellten Kriegsplan gegen den Nationalsozialismus enthielt. Deshalb ließ die bayerische Regierung am 21. Juni im ganzen Lande bei dieser Partei Haussuchungen abhalten. Das umfangreiche Material erwies in der Tat, daß die Bayerische Volkspartei mit der Dollfußregierung und der Heimwehr zusammenarbeitete und für das Verbot der Nationalsozialistischen Partei in Österreich mitverantwortlich war. Es ergab sich weiter, daß der politische Katholizismus ernstlich an der neuen Regierung mitzuarbeiten keineswegs willens war, sondern vielmehr darauf ausging, deren Maßnahmen zu sabotieren und die verlorene Machtstellung wieder zu erlangen. Er umging Versammlungsverbote und führte verbotene Wehrorganisationen illegal fort. Ja sogar illegale Zeitungen mit Greuelmärchen und unwahren Nachrichten wurden verbreitet. Die Angehörigen der "Bayernwacht" mußten dem Stahlhelm beitreten, um ihn zu zersetzen. Alles dies hatte die Regierung genötigt, gegen die Bayerische Volkspartei vorzugehen. Ihr Führer, Staatsrat Schäffer, der [322] Bayernwachtführer von Lex, Generalsekretär Dr. Pfeiffer, Hans Spinner, Fürst Karl von Wrede, Baron Hirsch, Dr. Hundhammer und Prälat Leicht wurden daraufhin in Haft genommen. Damit war der Bayerischen Volkspartei der Todesstoß versetzt: sie hörte auf zu existieren. Am 4. Juli löste sich die Partei endgültig auf, es war eine rein formelle Angelegenheit. Die verhafteten Führer wurden wieder auf freien Fuß gesetzt.

  Auflösung des Zentrums  

Das Zentrum war am zähesten. Es blieb als einzige Säule am längsten als Überrest des Parlamentarismus bestehen. Aber es war eine bereits geborstene Säule.

Auch im Zentrum gab es gewisse Persönlichkeiten, die es vorgezogen hatten, ins Ausland zu gehen und gegen die deutsche Regierung zu hetzen. So hatten sich Bolz, der frühere württembergische Staatspräsident, und Joseph Wirth nach Wien begeben und erteilten dort dem christlich-sozialen Bundeskanzler Dollfuß gute Ratschläge, wie er am erfolgreichsten die Nationalsozialisten quälen und unterdrücken könnte. Als Bolz Mitte Juni von Salzburg nach Stuttgart zurückgekehrt war, wurde er in Schutzhaft genommen.

Große Teile der Anhängerschaft und der Parteifunktionäre hatten die Partei schon verlassen, das Schicksal der Bayerischen Volkspartei und die Selbstauflösung der Deutschnationalen Front gaben dem Auflösungsprozeß im Zentrum neuen Antrieb. In allen Teilen des Reiches lösten sich Unterorganisationen auf, ganze Stadtverordnetenfraktionen gingen geschlossen zu den Nationalsozialisten über, und täglich mehrten sich die Aufforderungen aus den Reihen ehemaliger Mitglieder an die Parteileitung, daß sich die Partei selbst auflösen möge. In der Tat neigte auch ein Teil der Abgeordneten Ende Juni dazu, daß die Selbstauflösung das beste sei, und der Parteivorstand selbst erkannte, daß das Ende der Partei bevorstand, konnte sich aber zu einem Entschluß nicht aufraffen. Der Vorstand wollte, wie es die Deutschnationale Front getan hatte, erst ein Freundschaftsabkommen mit dem Reichskanzler herbeiführen. Inzwischen aber schmolz die Anhängerschar Brünings immer mehr zusammen. Teilweise sogar mußten wie bei der Deutschnationalen Front auch beim Zentrum Jugend- und Hilfsverbände der Partei von der Geheimen [323] Staatspolizei wegen staatsfeindlicher Betätigung aufgelöst werden.

Das Schicksal des Zentrums wurde besiegelt durch den in die Nähe rückenden Abschluß der Konkordatsverhandlungen zwischen Vizekanzler von Papen und Kardinalstaatssekretär Pacelli. Zwischen beiden Diplomaten fand am 2. Juli eine Besprechung statt, in der die letzten Meinungsverschiedenheiten beseitigt wurden. Insbesondere war wesentlich, daß der Heilige Stuhl der Auflösung der Zentrumspartei und dem Verbot jeder politischen Betätigung der Geistlichkeit zustimmte.

In den späten Abendstunden des 5. Juli verkündete Brüning, daß sich das Zentrum auf Grund der völlig veränderten politischen Lage im Einvernehmen mit dem Reichskanzler sofort selbst auflöse, da für eine parteipolitische Betätigung kein Raum mehr sei. Den Anhängern des Zentrums wurde freigestellt, am Neuaufbau einer rechtsstaatlichen Ordnung mitzuwirken. Das Zentrum hoffte, daß seine Mitglieder vor Diffamierung und Zurücksetzung geschützt würden. Den Mandatsträgern wurde anheimgestellt, nach eigenem Entschluß den Fraktionen der N.S.D.A.P. als Hospitanten beizutreten. Im preußischen Landtag schieden von den 69 Zentrumsabgeordneten 22 aus, weil sie Frauen oder Geistliche oder älter als 60 Jahre waren.

Mit der Kapitulation des politischen Katholizismus war das tatsächliche Ende des Parteienstaates erreicht. Das zweite Stadium der nationalsozialistischen Revolution war beendet: sie hatte ihre Totalität erreicht, es gab nur noch den nationalsozialistischen Staat und ein Volk, das keine andere politische Form als die des Nationalsozialismus kannte.

Das war die Entwicklung gewesen: Kommunisten und Sozialdemokraten waren niedergekämpft worden, Volkspartei, Wirtschaftspartei, Staatspartei, Deutschnationale Front und Zentrum hatten sich selbst aufgelöst. Der Weimarer Parteienstaat existierte nicht mehr. Die 14 Tage vom 21. Juni bis 5. Juli 1933 hatten seine letzten Überreste im Sturm hinweggefegt. Die Einheit des politischen Willens des deutschen Volkes fand in der N.S.D.A.P. ihren einzigen und umfassenden Ausdruck. Das war das von Hitler erstrebte Ziel. Um dieses Ziel festzuhalten, schuf die Reichsregierung am [324] 14. Juli 1933 das "Gesetz über die Neubildung von Parteien". Danach sollte jeder Versuch, neue politische Parteien zu bilden oder den organisatorischen Zusammenhang einer aufgelösten Partei aufrechtzuerhalten, als Hochverrat bestraft werden. Die N.S.D.A.P. als einzige Partei, auf der das Dritte Reich ruht, war als Garant der Einheit des deutschen Volkes gesetzlich anerkannt. Das ständisch gegliederte Einparteisystem war erreicht. –

Kampf um die
  evangelische Kirche  

Die Eingliederung der evangelischen Kirche in den neuen Staat bereitete einige Schwierigkeiten. Um diese zu verstehen, seien hier zunächst einige Angaben über die Einrichtung und Verfassung der Kirche gemacht. Im Jahre 1922 wurde am 25. Mai die Kirchenverfassung verkündet, welche die 28 deutschen evangelischen Landeskirchen auf föderativer Grundlage im Evangelischen Kirchenbund zusammenfaßte. Das geschäftsführende und vollziehende Organ dieses Evangelischen Kirchenbundes wurde der Deutsch-evangelische Kirchenausschuß. Weiterhin war das landesherrliche Kirchenregiment durch ein synodales abgelöst worden, das mit allen Schwächen und Fehlern des Parlamentarismus behaftet war.

Es war natürlich, daß nach der großen Staatsumwälzung auch die Kirche von dem Wunsche erfüllt war, aus den Mängeln der Verfassung von 1922 herauszukommen. Die Bestrebungen hatten ein doppeltes Ziel: unbedingte Einheit aller Landeskirchen durch Bildung der Reichskirche, Durchführung des Führerprinzips durch Einführung der Episkopalverfassung. Föderalismus und Parlamentarismus sollten abgetan werden.

Sogleich aber taten sich Gegensätze auf. Obwohl die evangelische Hierarchie und das evangelische Volk das gleiche wollten, gingen doch die Wege, auf denen sie dem Ziele zustrebten, völlig auseinander. Die Theologen, die sich in einer Bewegung zusammengefunden hatten, welche sie eine "jung reformatorische" nannten, wollten ihre Vorherrschaft keineswegs preisgeben: sie wollten den Umbau von oben her, von der Geistlichkeit vornehmen lassen, gerade so, als ob diese Geistlichkeit die Hauptsache der evangelischen Kirche war. Sie betonten mit allzu verdächtigem Eifer immer wieder, daß die "Freiheit" der Kirche gewahrt bleiben müsse, daß keineswegs Vorgänge [325] und Methoden des Staatslebens – sie meinten vor allem die "Gleichschaltung" – auf das kirchliche Leben angewandt werden dürften. Die bisher tonangebende Geistlichkeit befürchtete einen Verlust ihrer maßgebenden Stellung. Sie dachte an eine rein äußerliche Reform, etwa in dem Sinne, wie die katholische Geistlichkeit des 15. Jahrhunderts, bevor Luther kam, glaubte, durch reine äußerliche Reformversuche das Reformationsdrängen des Volkes beschwichtigen zu können. Das ganze Vorgehen der evangelischen Geistlichkeit war beherrscht von der Abwehr des Nationalsozialismus, obwohl der Kanzler, ohne die Handlungsfreiheit der Kirche beschränken zu wollen, diese zu vertrauensvoller Mitarbeit an den Aufgaben des neuen Staates aufgerufen hatte.

Gegen diese Absichten der Geistlichkeit erhob sich die Mehrheit des evangelischen Kirchenvolkes, das sich in der auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung stehenden Glaubensbewegung der "Deutschen Christen" unter Führung von Pfarrer Hossenfelder zusammengefunden hatte. Die "Deutschen Christen" hielten Anfang April 1933 ihre erste Reichstagung in Berlin ab. Ihre Weltanschauung gipfelte darin, daß die Erhaltung von Art und Rasse Gottes Wille sei, und ihre Forderung war, daß Kirche und Volk im neuen Dritten Reiche zusammenstimmen sollten, daß die Kluft zwischen Geistlichkeit und Volk, die sich allmählich immer tiefer aufgetan hatte, beseitigt werden müsse. Oberpräsident Kube, Führer der preußischen Landtagsfraktion, versicherte, daß die Fraktion mit allen Mitteln der Umstellung im Volke auf dem Gebiete der Kirchenpolitik Rechnung tragen werde.

Die evangelische Kirchenbehörde witterte Gefahr und, gestützt auf die jungreformatorische Bewegung, begann eifrig an ihrem Verfassungsumbau zu arbeiten. Der ehemalige Generalsuperintendent D. Zöllner erließ einen Aufruf Mitte April für Einheit und Freiheit der Kirche und Ersetzung der Kirchenparlamente durch Bischöfe, aber er forderte: "Keine Nachahmung staatlicher Formen!" Die Deutschen Christen antworteten darauf mit der Forderung einer "Gleichschaltung" der Kirche und unverzüglicher Neuwahlen, eine Erneuerung [326] der Form nütze nichts, der innere Bau der Kirche müsse mit wahrem Leben erfüllt werden.

Am 21. April trat der Kirchensenat der altpreußischen evangelischen Kirche in Berlin zusammen, um die Verhandlungen über die Reichskirche aufzunehmen. Die Bitte der Deutschen Christen, zwei Beobachter zu den Beratungen entsenden zu dürfen, wurde abgelehnt, worauf Hossenfelder erklärte: "Wir wollen nicht, daß die Kirche mit ihren Behörden und Ämtern so tut, als könne sie sich dem Schicksal ihres Volkes entziehen." Der Präsident des Deutschen evangelischen Kirchenbundes, Dr. D. Kapler, ernannte den hannoverschen Landesbischof D. Mahrarens und den reformierten Studiendirektor Pfarrer D. Hesse aus Elberfeld, um mit ihnen das geplante Kirchenwerk einzuleiten.

Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche hatten sich jedoch bereits derart verschärft, daß der Mecklenburg-Schweriner Ministerpräsident Granzow am 22. April einen Staatskommissar berief, der das Kirchenregiment mit der Regierung in Staat und Reich gleichschalten sollte. Aber persönliche Verhandlungen beim Reichskanzler in Berlin erreichten, daß dieser Reichskommissar vorläufig wieder zurückgezogen wurde. Adolf Hitler aber erkannte, daß es Zeit sei, den Vorgängen in der evangelischen Kirche größere Beachtung zu schenken. Er berief am 25. April den fünfzigjährigen Wehrkreispfarrer Ludwig Müller aus Königsberg, welcher der Reichsleitung der "Deutschen Christen" angehörte, als Verbindungsmann zwischen sich und den amtlichen Stellen der evangelischen Kirche.

Die Deutschen Christen versuchten, sich in die begonnenen Beratungen der Kirchenbehörde einzuschalten. Pfarrer Hossenfelder überreichte am 6. Mai dem Präsidenten Kapler eine Anzahl von Grundsätzen, deren wichtigste folgende waren: Evangelische Reichskirche lutherischer Prägung unter Eingliederung der reformierten Gemeinden; Evangelische Reichskirche, welche die Hoheit des nationalsozialistischen Staates aus dem Glauben anerkennt; Evangelische Reichskirche der Christen arischer Rasse, die weder ein Hort der Reaktion noch ein demokratisch-parlamentarischer Sprechsaal sein darf; [327] Führung durch einen Reichsbischof; Gliederung in bis zu zehn Kirchenländer, an deren Spitze je ein Landesbischof steht; dem Reichsbischof soll ein reformierter Reichsvikar zur Seite stehen; Sitz des Reichsbischofs soll Wittenberg sein; seine Wahl soll am 31. Oktober durch alle evangelischen Gemeindemitglieder mit Ausnahme solcher nichtarischer Abstammung erfolgen; der neugewählte Reichsbischof soll dann den weiteren Ausbau der deutschen Reichskirche vollziehen.

Pfarrer Hossenfelder konnte sich wohl selbst sagen, daß er von seinen "rechtgläubigen" Amtsbrüdern als ein Abtrünniger betrachtet wurde – er wie auch Wehrkreispfarrer Müller waren ja durch ihre Freundschaft mit Adolf Hitler "belastet"! – und daß seine Forderungen keine Aussicht auf Annahme hatten. Immerhin wohnte Wehrkreispfarrer Müller jenen Besprechungen um die Mitte des Mai bei, in denen sämtliche evangelisch-lutherischen Landeskirchen den Zusammenschluß auf der Grundlage des folgenden Statuts vollzogen:

§ 1. Die lutherischen Landeskirchen Deutschlands schließen sich zur Wahrung und Vertretung ihres gemeinsamen lutherischen Bekenntnisses und zur Förderung der daraus sich ergebenden gemeinsamen Aufgaben zu einem lutherischen Zweig innerhalb der werdenden deutschen evangelischen Kirche zusammen unter Vorbehalt der Zuständigkeit der einzelnen Kirchen im übrigen.

§ 2. Zur Wahrnehmung der in § 1 bezeichneten Zwecke wird ein Direktorium gebildet, bestehend aus je zwei Vertretern der süddeutschen, der mitteldeutschen und der niederdeutschen lutherischen Landeskirche, die aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden bestellen.

§ 3. Im Rahmen der Zwecke des § 1 ist das Direktorium zuständig, 1. zur Vertretung der Landeskirchen, 2. zur Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Ordnung des kirchlichen Lebens.

Es wurde sodann auch dies Direktorium gewählt, das die Vertreter der bayerischen, württembergischen, sächsischen, thüringischen, hannoverischen und schleswig-holsteinischen Kirche umfaßte. Zum Vorsitzenden wurde der Anfang Mai gewählte bayerische Landesbischof D. Meiser in München gewählt.

  Bodelschwingh Reichsbischof  

[328] Und dann kam der letzte Akt: am 27. Mai wählten die Vertreter der deutschen evangelischen Landeskirchen den Pfarrer D. von Bodelschwingh zum Reichsbischof! Allerdings nicht einmütig: 51 Stimmen wurden für Bodelschwingh, 36 aber für Wehrkreispfarrer Müller abgegeben. Jetzt endlich, nachdem die evangelische Hierarchie eine vollendete Tatsache geschaffen zu haben glaubte, hielt sie es für nötig, zu erklären, daß das Verfassungswerk der Kirche in Fühlung mit dem Bevollmächtigten des Reichskanzlers, Wehrkreispfarrer Müller, baldigst zum Abschluß gebracht werden solle.

Doch die Entwicklung entsprach nicht dem Drängen der Zeit. In voller Eigenmächtigkeit hatten die evangelischen Kirchenbehörden gehandelt, und weder die Reichsregierung noch die Deutschen Christen hatten den Willen, den ihnen auf gezwungenen Zustand anzuerkennen. Wehrkreispfarrer Müller erklärte, man müsse die Entscheidung der Kirchenregierungen ablehnen, da sie nicht in Übereinstimmung mit dem Vertrauen des Kirchenvolkes zustandegekommen sei.

Die Deutschen Christen führten eine stattliche Anzahl von Gründen gegen Bodelschwingh ins Feld: Beim Neubau einer Kirche baue man nicht zuerst die Spitze, sondern die Grundmauern; die alten Kirchenregierungen, die keinen Boden mehr im Volke hätten, hätten daher auch kein inneres Recht, willkürlich die geltende Kirchenverfassung ohne Zustimmung des Kirchenvolkes abzuändern; die Kirche verdanke ihre Rettung vor dem Bolschewismus nur der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung und könne nicht ohne oder gegen den neuen Staat bestimmen; hinter Bodelschwingh stünden die kümmerlichen Reste des alten Bürgertums und des christlichen Volksdienstes und ein kleiner Klüngel sogenannter jungreformatorischer Pfarrer, die in verdächtiger Hast die Aufstellung Bodelschwinghs geschoben hätten aus Angst vor den Deutschen Christen; mit Bodelschwinghs Duldung sei die nationale Freiheitsbewegung in Bethel unterdrückt worden.

Pfarrer Hossenfelder stellte in den letzten Maitagen an D. Kapler den Antrag, daß im Sinne Luthers am 31. Oktober die Zustimmung des Kirchenvolkes zur Ernennung des Reichsbischofs eingeholt werde. Diese Volksabstimmung sei nötig. [329] Die "Deutschen Christen" forderten, daß Wehrkreispfarrer Müller Reichsbischof werde.

Nun entbrannte der Kampf zwischen der kirchlichen Obrigkeit und den Deutschen Christen in aller Schärfe. Zwar beteuerte Bodelschwingh, er wolle mit der Regierung des Reiches freundschaftlich zusammenarbeiten, aber das wollte niemand hören. Als am Pfingstsonntag, 4. Juni, der Gruß des neuen Bischofs an das Kirchenvolk von den Kanzeln verlesen wurde, kam es in der Friedenauer Kirche zum Guten Hirten zu einem Zwischenfall. In der überfüllten Kirche erhob sich eine Gruppe, deren Führer rief: "Im Namen der Nationalsozialistischen Partei erheben wir Einspruch!" Zwar verurteilten die Deutschen Christen diese Disziplinlosigkeit, aber sie war ein Zeichen für die tiefe Erregung im Volke, die sich überall in Deutschland äußerte. Adolf Hitler selbst erkannte die Ernennung Bodelschwinghs nicht an, und aus allen Teilen des Reiches liefen in den Pfingsttagen ungezählte Protesttelegramme gegen den neuen Reichsbischof bei ihm ein. Am 8. Juni trat Präsident D. Kapler zurück – er machte jetzt seine Ankündigung aus dem April wahr, aus Gesundheitsrücksichten, wie er sagte.

Die Deutschen Christen bezeichneten die Ernennung des Reichsbischofs als einen revolutionären, nicht legalen Akt, als eine Änderung der Kirchenbundesverfassung, für die Artikel 137 der Reichsverfassung nicht in Anspruch genommen werden könne. Insbesondere dürfe der Reichsbischof innerhalb der preußischen Kirchen nicht handeln, da diese nach dem bestehenden Kirchenvertrag verpflichtet seien, bei der Wahl ihrer Führer den Staat zu fragen, ob politische Bedenken vorliegen. Die Kirche führte dagegen an, daß die Berufung des Reichsbischofs auf Grund der Vereinbarungen von Loccum erfolgt sei, welche Wehrkreispfarrer Müller unterschrieben habe. Im übrigen gewähre Artikel 137 den Religionsgesellschaften das Recht und die Freiheit in der Besetzung ihrer Ämter unter ausdrücklicher Hervorhebung, daß eine Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde bei der Verleihung nicht in Frage komme.

[330] Die Rechtsauffassung der Deutschen Christen festigte sich in der Auffassung, daß ein anerkanntes Reichsbischofsamt noch nicht bestehe, solange nicht die Verfassung der deutschen evangelischen Kirche in Kraft sei. Diese Auffassung hatte auch Hitler. Er lehnte deshalb, wie Wehrkreispfarrer Müller den Beteiligten am 15. Juni brieflich mitteilte, den Empfang der Bevollmächtigten der Kirchen und des Reichsbischofs ab, da es einen solchen nicht gebe.

Eingreifen Rusts,
  Rücktritt Bodelschwinghs  

Ein neues Stadium dieses Streites begann mit dem Eingriff des preußischen Kultusministers Rust. Dieser setzte für den Bereich sämtlicher evangelischer Kirchen Preußens am 24. Juni den Leiter der Kirchenabteilung im Kultusministerium Jäger zum Staatskommissar für die Kirchen ein. Darauf erklärte Bodelschwingh seinen Rücktritt.

Der Staatskommissar beurlaubte zunächst einige maßgebliche Persönlichkeiten der Kirchenbehörde sowie des Evangelischen Preßverbandes für Deutschland und löste mit sofortiger Wirkung sämtliche gewählten kirchlichen Vertretungen auf. In den Kirchenprovinzen ernannte er Bevollmächtigte, deren Aufgabe darin bestand, die Neubildung der gewählten kirchlichen Vertretungen im Hinblick auf das Ziel einer deutschen evangelischen Kirche durchzuführen. Der Generalsuperintendent der Kurmark, D. Dibelius, wurde beurlaubt, ebenso der Generalsuperintendent der Mark Brandenburg, Dr. D. Karro.

Der Evangelische Oberkirchenrat beantwortete diese Maßnahmen damit, daß er beim Staatsgerichtshof Klage erhob.

Staatskommissar Jäger betonte, daß der Staat nicht in die Rechte der Kirche eingreifen wolle, aber die Gefährdung der durch Adolf Hitler geschaffenen Volkseinheit durch den Kirchenstreit nicht dulden dürfe, umsomehr, da die Wahl des Reichsbischofs ein offener Rechtsbruch war mit der Absicht, die gesetz- und vertragsmäßig festgelegte Einsichtnahme des Staates zu umgehen. Die Eingliederung deutscher Art und deutschen Volkstums in die Kirche, wie sie von der nationalen Bewegung mit Recht gefordert werde, solle den Glauben der Väter und die Verehrung Gottes nicht etwa verkleinern oder durch andere, dem christlichen Glauben nicht angemessene Elemente ersetzen, sondern vielmehr diesen christlichen Glauben ver- [331] deutlichen, klären und dem Volk insbesondere in seinen der christlichen Idee fremden Teil dem christlichen Glauben näher bringen und aufs neue lieb und wert machen. Sie solle der nationalen Bewegung den unentbehrlichen religiösen und kirchlichen Unterbau liefern und Kirche und Volk aufs neue sich finden lassen. Man könne nicht dulden, daß die Vollendung dieses großen Werkes, das zunächst auf das Äußere, dann auf das Innere gerichtet sei, sabotiert werde von Kräften, die "Kirche" sagen und sich selbst meinen. Dies treffe auch zu auf den Versuch einer Klageerhebung nach dem Beispiel Severings; der Staat könne im Interesse seiner hohen Aufgabe solche Widerstände nicht dulden, sondern müsse sie als eine gegen die Staatsautorität gerichtete Revolte betrachten und niederschlagen.

Ministerpräsident Göring erteilte Rust sämtliche Vollmachten, die im Interesse einer Beendigung des Kirchenstreites geeignet erscheinenden Schritte selbständig zu tun. In einer Massenversammlung der Deutschen Christen am 29. Juni zu Berlin wandte sich Rust in außerordentlich scharfen Worten gegen das Verhalten der Kirche: Er führte aus, die leitenden Persönlichkeiten der Kirche müßten so ausgewählt sein, daß der Staat eine Störung seiner Aufgaben von ihnen nicht zu befürchten brauche. Aber die Herren von der Kirche hätten den Staatsvertrag gebrochen, was mit ihren frommen Worten nicht im Einklang stehe. Diese Männer, die heute mit der Gebärde des Märtyrers vor das Volk hinträten, hätten Gelegenheit genug gehabt, Märtyrer zu sein, als die Gottlosenbewegung frech über die Straßen marschierte. Das Volk verlange nicht eine Verwaltungsreform, sondern neues lebendiges Leben in der Kirche. Die Kirche Luthers bestehe nicht aus einem Dutzend Generalsuperintendenten, die den Anschluß an die Zeit nicht zu finden vermöchten, sondern aus den Millionen gottsehnsüchtiger Männer und Frauen.

Die bis ins Innerste aufgestörte evangelische Hierarchie und ihre Gefolgschaft wandten sich jetzt in zahlreichen Telegrammen und Zuschriften hilfesuchend an den Reichspräsidenten, der am 30. Juni an Adolf Hitler schrieb, er möchte so schnell wie möglich den Frieden mit der evangelischen Kirche [332] wiederherstellen. Darauf beauftragte der Kanzler den Reichsinnenminister Dr. Frick, Einigungsverhandlungen einzuleiten, die dieser nun gemeinsam mit Wehrkreispfarrer Müller aufnahm. In den meisten andern deutschen Ländern wurde in der Folge eine Verständigung zwischen Staat und Kirche erzielt.

  Neue Kirchenverfassung  

In Preußen wurde am 6. Juli dem Wehrkreispfarrer Müller die oberste Leitung der evangelischen Landeskirchen altpreußischer Union übertragen. Bereits am 13. Juli lagen die Grundzüge der neuen Kirchenverfassung vor. Darin wurde erklärt, daß die neue deutsche evangelische Kirche keine Staatskirche sei. Die Eigenständigkeit der reformatorischen Bekenntnisse wurde gesichert, über den Bekenntnissen aber soll stehen als einzige Autorität das Evangelium, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt ist. An der Spitze der neuen Kirche steht als Führer der Reichsbischof lutherischen Bekenntnisses, neben den die Nationalsynode als Ausdruck des gesamten Kirchenvolkes, aber nicht als Parlament, tritt. Ein geistliches Ministerium, bestehend aus je einem Vertreter des lutherischen, reformierten und uniierten Bekenntnisses sowie eines Juristen, soll den Reichsbischof unterstützen. Ein Arierparagraph wird nicht aufgenommen, da die Kirche keine Staatskirche ist.

Diese neue Verfassung erleichterte wesentlich die Beilegung des preußischen Kirchenkonfliktes. Minister Rust zog am 14. Juli den Kirchenkommissar Jäger und sämtliche Unterkommissare zurück, und damit war der Kriegszustand zwischen preußischem Staat und evangelischer Kirche beendet. Die Vollendung des kirchlichen Verfassungswerkes sollte nach kirchlichem Recht durch freie Wahl des evangelischen Kirchenvolkes herbeigeführt werden. Ursprünglich sollten im Herbst die Kirchenwahlen stattfinden und dann erst das Verfassungswerk begonnen werden. Der tatsächliche Gang der Dinge war durch die zugespitzte Lage in Preußen umgekehrt geworden.

  Kirchenwahlen  

Am 23. Juli fanden in Preußen die Kirchenwahlen nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht aller männlichen und weiblichen Gemeindemitglieder vom 24. Lebensjahr ab statt. Sie brachten den deutschen Christen eine [333] Zweidrittelmehrheit. Etwa ein Viertel der Gemeinden wählte nicht, da bereits vorher eine Einigung erzielt war. Mit diesem Ergebnis war auch die deutsche evangelische Kirche unter voller Aufrechterhaltung ihrer Freiheit in den neuen Staat und das neue Volk eingereiht worden. Die Macht der Reaktion war gebrochen. Am 4. August wurde Wehrkreispfarrer Müller zum preußischen Landesbischof gewählt. –

  Konkordat des Reiches  
mit Rom

Etwa gleichzeitig wurden auch die Beziehungen zur katholischen Kirche geregelt. Die Verhandlungen um ein Konkordat waren nicht so geräuschvoll und öffentlich wie der Kampf um die evangelische Kirche, doch nicht minder wichtig. Seit Mitte April hatte Vizekanzler von Papen die Konkordatsbesprechungen mit dem Heiligen Stuhle geführt, Anfang Juli waren sie beendet. Am 20. Juli wurde das Konkordat unterzeichnet, das erste Konkordat des Deutschen Reiches mit Rom.

Unterzeichnung des Konkordats zu Rom am 20. Juli 1933.
[Bd. 7 S. 256b]      Unterzeichnung des Konkordats zu Rom am 20. Juli 1933.      Photo Scherl.

Der Inhalt dieses Kirchenvertrages war im großen ganzen folgender: Freiheit des Bekenntnisses und öffentliche Ausübung des katholischen Gottesdienstes bleiben gewahrt, die Konkordate mit Bayern 1924, Preußen 1929 und Baden 1932 bleiben erhalten. Die Geistlichen genießen in Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeit den Schutz des Staates gegen Beleidigungen und Störungen der Amtshandlungen nach Maßgabe der allgemeinen staatlichen Gesetzgebung. Die Kirchenorganisation bleibt bestehen; grundsätzlich wird der Kirche das freie Besetzungsrecht für alle Kirchenämter ohne Mitwirkung des Staates zugestanden. Katholische Geistliche in Deutschland müssen deutsche Staatsangehörige sein, ein deutsches Reifezeugnis haben, an einer deutschen oder päpstlichen Hochschule in Rom ein dreijähriges philosophisch-theologisches Studium abgelegt haben. Die Ernennung von Erzbischöfen, Bischöfen usw. wird erst ausgestellt, nachdem durch den Reichsstatthalter festgestellt worden ist, daß gegen die Ernennung Bedenken allgemeinpolitischer Natur nicht bestehen.

Wichtig und neu war Artikel 16, der den Treueid der Bischöfe in die Hand des Reichsstatthalters bzw. Reichspräsidenten vorsieht:

      "Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, sowie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reiche und dem Lande..... die Treue. Ich [334] schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte."

Der katholische Religionsunterricht in Volks-, Berufs-, Mittelschulen und höheren Lehranstalten wird zum ordentlichen Lehrfach bestimmt. In ihm soll die Erziehung zu vaterländischem, sozialem und staatsbürgerlichem Pflichtbewußtsein aus dem Geist des christlichen Glaubensgesetzes mit Nachdruck gepflegt werden. Artikel 26 sah vor, daß im Falle schweren sittlichen Notstandes die kirchliche Einsegnung der Ehe vor der Ziviltrauung vorgenommen werden könne. Nach Artikel 30 soll an Sonn- und Feiertagen in den Kirchen ein Gebet für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes eingelegt werden. Diejenigen Organisationen der katholischen Kirche, die ausschließlich religiösen, rein kulturellen und charitativen Zwecken dienen, werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.

Außerordentlich bedeutsam war Artikel 32:

      "Der Heilige Stuhl erläßt Bestimmungen, die für die Geistlichen und Ordensleute die Mitgliedschaft in politischen Parteien und die Tätigkeit für solche Parteien ausschließen."

Dieses Konkordat war gleichsam der Schlußstein in der Entwicklung der nationalsozialistischen Revolution zur Totalität. Es bedeutete nicht nur den Friedensschluß der katholischen Kirche mit dem Nationalsozialismus, sondern auch die feierliche Feststellung der Tatsache, daß der politische Katholizismus zu Ende war. Die Artikel 16 und 32 waren in dieser Beziehung von einer ganz außerordentlichen Bedeutung, die sich ihrerseits wieder ableitete aus den andern Bestimmungen, welche die Rechte der Kirche festlegte.

Der nationalsozialistische Staat als Garant der christlichen Mission der Kirche hatte seinen Bund mit der katholischen Kirche geschlossen. Die letzten Reste der Kulturkampfstimmung, die besonders in den letzten anderthalb Jahrzehnten wieder sehr angefacht worden war, waren beseitigt. Die erste [335] segensreiche Auswirkung dieser Neuordnung war der Erlaß des Erzbischofs Dr. Gröber in Freiburg an die Geistlichkeit seiner Diözese von Anfang Juli, worin er sagte, der Geistliche sei Seelsorger, nicht Parteipolitiker; er solle sich in Predigt und Lehre, in Unterricht und Privatleben jeglicher Kritik an den leitenden Persönlichkeiten des Staates und ihren staatspolitischen Anschauungen enthalten. –

Am 15. Juli 1933 war das zweite Stadium der nationalen Revolution vollendet: Die nationalsozialistische Revolution hatte ihre Totalität erreicht! Über die politische Macht hinaus, die zu erobern es im ersten Stadium galt, waren jetzt alle Widerstände im Volke beseitigt: die Stände und die Jugend waren der nationalsozialistischen Führung unterstellt, das Parteiwesen war endgültig verschwunden, die Kirchen waren in den neuen Bau des Staates eingefügt worden. Das neue Reich stellte einen gewaltigen Bau von großartiger Wucht und Geschlossenheit dar. Reich und Volk waren wie eine mächtige Pyramide zusammengefügt, auf der breiten Basis des Volkes erhob sich der bis ins einzelne gehende gliedernde Aufbau der Stände und Gemeinschaften, und alle hatten nur ein gemeinsames Ziel: sie strebten zusammen in der Spitze des Führers, welcher der alleinige Inhaber der politischen Macht war. Für Adolf Hitler aber kam es mehr denn je zuvor darauf an, den Parteiapparat, das eiserne Gerippe des neuen Staates, Gauleiter, S.A. und Amtswalter fest in der Hand zu halten. Denn jetzt begann das Stadium normaler, gesetzmäßiger Aufbauarbeit, für das Reichsinnenminister Dr. Frick den Satz prägte: "Jede Art von Nebenregierung ist mit der Autorität des totalen Staates unvereinbar." Von nun an galt jeder unbefugte Eingriff von Partei- und N.S.B.O.-Funktionären in Verwaltung und Wirtschaft als Vergehen gegen die Staatsgewalt. –

Neues Vorgehen
  gegen Kommunisten  

Allerdings trieben unter dieser Pyramide die Wühlmäuse ihr dunkles Wesen. Es waren dies die Kommunisten, die irgendwelche verzweifelten Hoffnungen noch hegten. Dem ständigen Kampfe gegen den Kommunismus mußten Reichs- und Landesregierungen also nach wie vor ihre ganze Aufmerksamkeit zuwenden. Die Schnelligkeit, mit der die preußischen Gerichte arbeiteten, die Gerechtigkeit, mit der sie jeden Kommunisten, [336] der einen Nationalsozialisten ermordet hatte, zum Tode verurteilten, die auf diese Weise in Preußen steigende Zahl der Hinrichtungen asozialer und blutrünstiger Elemente – die marxistischen Regierungen hatten jeden todeswürdigen Verbrecher begnadigt – schüchterte die breiten Massen der Kommunisten ein. Es war, wie Göring selbst sagte, ein merklicher Rückgang der politischen Bluttaten zu verzeichnen.

Jedoch verwegene Gesellen hofften immer noch auf den Sieg des Bolschewismus, und so ließen sie sich immer wieder dazu verleiten, Vorbereitungen zum Sturze der Staatsmacht zu treffen. Bei Honnef am Rhein wurden Mitte Mai große kommunistische Waffenlager entdeckt. In einem Berliner Vorortzug Wustermark – Berlin, den die Angehörigen der S.A.-Motorstaffel Berlin-Brandenburg benutzt hatten, explodierte eine Bombe: es war ein kommunistisches Attentat. Ende Mai wurde in Herdecke, Schwerte und Hagen eine weitverzweigte Geheimorganisation des Rotfrontkämpferbundes aufgedeckt, 36 Beteiligte wurden verhaftet, darunter drei Russen. Auf ein Lebensmittellager der S.A. in Düsseldorf wurde ein heimtückischer Überfall verübt.

In Stuttgart wurden Ende Juni 60 Jungkommunisten wegen Brandstiftung verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht. In Düsseldorf wurde die Zentrale des niederrheinischen bolschewistischen Nachrichtendienstes ausgehoben. Überall hatten russische Bolschewisten ihre Hände im Spiel, und der Moskauer Sender verbreitete eine großzügige Propaganda gegen Hitler und seinen Staat.

Anfang Juli nahmen die kommunistischen Verbrechen wieder größeren Umgang an. In der Nacht vor dem letzten Junitage wurde in Braunschweig ein S.S.-Mann erschossen. Unmittelbar darauf konnte die Geheime Staatspolizei in verschiedenen Teilen Preußens Bolschewistenzentralen mit riesigen Mengen von Zersetzungsmaterial und Waffen ausheben, so in Recklinghausen, Ahlen, Berlin, Altona. In Westfalen hatten die Kommunisten regelmäßige Geländeübungen und Waffenkurse abgehalten. Die ganze Provinz Schleswig-Holstein war von einem neuaufgebauten kommunistischen Apparat durchsetzt worden. In der Gegend von Dresden wurden vier Waffen- [337] lager gefunden und eine Menge hochverräterischer Druckschriften, in denen zum Generalstreik und zum gewaltsamen Sturz der nationalen Regierung aufgefordert wurde. Die Verhaftung von 65 Funktionären war die Folge.

Ein ungeheuerlicher Vorfall ereignete sich aber in der Nacht zum 20. Juli. Auf einem mit Flugblättern und Hetzschriften beladenen Kraftwagen trafen Kommunisten von Minden kommend in Rinteln ein. Als die Polizei und Hilfspolizei den Kraftwagen stellen wollte, sprangen die Insassen ab und setzten den Beamten die Pistole auf die Brust. Als ein Hilfspolizist einem Kommunisten die Waffe aus der Hand schlug, eröffneten die Kommunisten das Feuer, wobei ein Polizeiwachtmeister schwer, ein Hilfspolizist leicht verletzt wurde. Das Auto wurde beschlagnahmt, die Kommunisten verhaftet. In der gleichen Nacht wurde in Breslau eine kommunistische Terrorgruppe nach Feuergefecht von der Polizei festgenommen.

Jetzt hielt Göring die Zeit für gekommen, neue, harte Maßnahmen gegen den Bolschewismus zu ergreifen. In einer Besprechung mit den Polizeipräsidenten, Generalstaatsanwälten, Landesgerichtspräsidenten, Leitern der Geheimen Staatspolizei sowie sämtlichen höheren S.A.- und S.S.-Führern am 22. Juli schuf er einen Erlaß zum Schutze der Polizei, der S.A. und S.S. sowie des Stahlhelms, der den Rechtsschutz und die Rechtssicherheit der Organe des Staates gegen Angriffe und Überfälle von Seiten der staatsfeindlichen Elemente feststellen sollte: schon der Angriff genügte, daß die Todesstrafe verhängt werden konnte. Die Gerichte wurden angewiesen, so schnell wie irgend möglich alle solche Straftaten abzuurteilen, insbesondere wurde beim Preußischen Justizministerium eine Zentralstaatsanwaltschaft gebildet. Mildernde Umstände waren bei der Rechtsprechung der Sondergerichte in Zukunft ausgeschlossen.

Im Verlauf dieser Regierungsmaßnahmen veranstaltete die Geheime Staatspolizei am 25. Juli mittags 12 Uhr schlagartig auf sämtlichen preußischen Eisenbahnen und Durchgangsstraßen eine Fahndungsaktion, die um so umfassender wurde, da alle deutschen Länderregierungen sich dem Vorgehen Preußens anschlossen. In 40 Minuten war die gewaltige Aktion in [338] ganz Deutschland beendet. Sie ergab einen regen marxistischen Kurierverkehr vom Auslande her nach Deutschland. In den Bezirken Köln, Essen, Ludwigshafen, Trier, wurden zahlreiche kommunistische Kuriere, die wahrscheinlich aus dem Saargebiet und aus Holland kamen, verhaftet. Wuppertal, Regensburg, Dresden, Breslau, Stettin, Königsberg wurden systematisch von staatsfeindlichen Elementen, Kurieren usw. überschwemmt, die Zersetzungsmaterial, Sprengstoff, Waffen, Munition einzuschmuggeln versuchten und Geheimberichte bei sich führten.

Wenn auch diese Regierungstaten schwere Schläge für den Kommunismus bedeuteten, so war er immer wieder unverdrossen dabei, seine zerstörte Organisation zu erneuern. Schon wenige Tage nach der großen Fahndungsaktion wurde in Essen eine kommunistische Organisation aufgedeckt, deren Mittelpunkt Essen war und die etwa 4000–5000 Mitglieder zählte. Auch in Dresden, in Wuppertal, in Ulm regte sich das Untermenschen turn und schmiedete Mordpläne. In Hamburg wurde die Neuorganisation des Bezirks Wasserkante festgestellt, der einen vorzüglichen Kurierdienst mit Motorrädern nach Wandsbeck, Lübeck, Kiel, Neumünster, Altona, Itzehoe, Flensburg, Ülzen, Cuxhaven und Berlin unterhielt. 92 Funktionäre wurden hier in Hamburg festgenommen.

In Breslau hielten Kommunisten geheime bewaffnete Zusammenkünfte ab und schmiedeten Pläne zur Übernahme der Macht. In Recklinghausen, Hervest-Dorsten, Gelsenkirchen, Bochum, Aachen, Köln, Buer, in Hamburg, Berlin, Lübeck, Liegnitz, Striegau, Stendal, Oldenburg, Leipzig, Lörrach, München – überall tauchten neue kommunistische Organisationen unter den verschiedensten Tarnungen als Geselligkeits-, Sportvereine usw. auf und versuchten Hetzschriften, die hauptsächlich aus der Schweiz eingeschmuggelt wurden, zu vertreiben. In Berlin versuchten Anfang August sogar einige ganz Verwegene zu demonstrieren.

Rücksichtslos griffen die Regierungen durch. Kommunismus war Verbrechen gegen den Staat, und wer bei diesem Verbrechen ertappt wurde, wanderte ins Konzentrationslager, ins Gefängnis, oder, wenn er ein Mörder war, aufs Schafott. Göring gab [339] einen Erlaß über verschärften Strafvollzug heraus, der gründlich mit der Humanitätsduselei des vergangenen Systems aufräumte: Der, der des Mordes überführt war, sollte unverzüglich hingerichtet werden, und wer zu Gefängnis und Zuchthaus verurteilt war, sollte dort nicht etwa ein angenehmes Leben führen, sondern seine Lebenshaltung sollte auf alle Fälle geringer sein als die der Arbeitslosen, damit dem Verurteilten das Bewußtsein seiner Strafe immer wach erhalten würde. Jedoch das Machtgefüge des neuen Staates war bereits derart gefestigt, daß die lokalen kommunistischen Zentralen, deren Personenkreis begrenzt und deren Geldmittel keine nennenswerten waren, ihm nicht mehr gefährlich werden konnten. Daher entschloß sich der preußische Ministerpräsident Göring einen Monat, nachdem die Totalität der nationalsozialistischen Revolution festgestellt worden war, die Hilfspolizei der S.A. und des Stahlhelms mit dem 15. August 1933 aufzulösen.

Die Hauptsorge der Reichsregierung galt der Wiederherstellung des deutschen Mittelstandes. Das war ja die Grunderkenntnis des Nationalsozialismus, daß diejenigen in Stadt und Land, die mit ehrlicher Arbeit und mit ihrer Hände Fleiß schafften, ihre fundamentale Stellung im völkischen Leben wiedergewinnen mußten. Hier war der Begriff des persönlich erworbenen und verdienten Eigentums noch lebendig gegenüber dem unpersönlichen Kapital der Plutokratie. Der Mittelstand und die ihm innewohnenden gewaltigen Entwicklungsfähigkeiten bildeten die Brücke, über die der vorwärtsstrebende Arbeiter aufwärts gelangen kann.

Die Regierung befand sich in der angenehmen Lage, daß ihre gesetzgeberische Tätigkeit in keiner Weise durch ein Parlament gehemmt, verzögert oder abgeändert wurde.

Eins der wichtigsten Gesetze war das über die Entschuldung der Landwirtschaft. Bereits Anfang Mai legte Hugenberg dem Kabinett einen Gesetzentwurf vor, der eine individuelle freiwillige Entschuldung oder, wo diese nicht möglich, einen Zwangsvergleich bis zur Hälfte vorsah. Drei Entschuldungsmöglichkeiten hatte Hugenberg im Auge: durch Schulden- [340] regelung oder Ablösung, durch Landabgabe oder durch eine Verbindung von Ablösung und Landabgabe. Auch eine Zinssenkung auf 4 bis 4½ Prozent schlug Hugenberg vor. Hier aber traf er auf den Widerstand Darrés, der höchstens 2 Prozent Zinsen als tragbar für die Landwirtschaft bezeichnete. Finanzkreise dagegen bezeichneten schon Hugenbergs Vorschlag als viel zu weitgehend.

Der Streit um die Zinssenkung füllte den ganzen Mai aus. Am 1. Juni endlich nahm das Kabinett das Entschuldungsgesetz mit einer Zinssenkung auf 4½ Prozent an, während dem Bauer die Erhöhung des Milchpreises um einen Pfennig den Liter zugestanden wurde. Mit diesem Entschuldungsgesetz wurde dem deutschen Bauernstände die Aussicht auf eine entwicklungsfähige Daseinsgrundlage gegeben, der Druck des Finanzkapitals wurde von ihm genommen, seine Verschuldung wurde auf die Grenze der Mündelsicherheit zurückgeführt. Die Bedeutung dieses Entschuldungsgesetzes muß der Bedeutung des Steinschen Gesetzes über die Befreiung des Bauernstandes gleichgestellt werden.

Eine weitere Erleichterung für den Bauernstand bedeutete der Beschluß der öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten, vom 1. Juli ab den Zinssatz für die kurzfristigen Ausleihungen auf 6½ Prozent zu ermäßigen. Die Idee war vom Nationalsozialismus ausgegangen, die privaten Großbanken setzten ihr schärfsten Widerstand entgegen, so daß wochenlang eine Einigung nicht zustande kam. Da schlugen die unter dem Einfluß des Nationalsozialismus stehenden öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten durch ihren Beschluß von Mitte Juni eine Bresche in den Ring der Gegner.

Am 14. Juli verabschiedete die Reichsregierung das Gesetz über die Zinserleichterung für landwirtschaftliche Auslandskredite. Für diese Auslandskredite waren im Entschuldungsgesetz vom 1. Juni die Zinsherabsetzungen nicht gültig gewesen. Jetzt wurde bestimmt, daß die Anleihen, ohne die Gläubigerinteressen zu schädigen, für den Schuldner in der Zeit vom 1. April 1933 bis 30. September 1934 auf den Zinsfuß von 4 Prozent gesenkt werden sollten.

Sachsentreffen der NSDAP in Leipzig am 15.–16. 7. 1933. Sächsischer Gauparteitag der NSDAP in Leipzig.
[Bd. 7 S. 288a]      NSDAP.-Sachsentreffen in Leipzig, 15.–16. 7. 1933:
Reichsstatthalter Mutschmann mit Oberbürgermeister Dr. Goerdeler
auf der Freitreppe des Neuen Rathauses.
   Photo Scherl.

Sonnenwende, 24. Juni 1933 in den Müggelbergen.
[Bd. 7 S. 240b]      Sonnenwende,
24. Juni 1933 in den Müggelbergen.

Photo Scherl.
[341] Mancherlei Steuererleichterungen sowie die Befreiung von der Arbeitslosenversicherung brachten dem Bauernstand wirtschaftliche Vorteile. Auch begannen bereits die agrarpolitischen Maßnahmen der Regierung sich in einer starken Verringerung der Lebensmitteleinfuhr auszuwirken. Allein in den Monaten April bis Juni 1933 hatte die Einfuhr an Eiern eine Abnahme von einer halben Milliarde Stück zu verzeichnen. Ähnlich war es bei Butter, Schmalz, Fleisch, Getreide. –

Das preußische Erbhofgesetz trat am 1. September 1933 in Kraft. Seine Bestimmungen wurden als derart grundlegend für den deutschen Bauernstand erkannt, daß auch die Reichsregierung dies Gesetz am 1. Oktober auf das ganze Reich ausdehnte. Bei den Amtsgerichten wurden besondere Erbhofgerichte geschaffen, bei welchen die Anträge zur Eintragung in die Erbhofrolle bearbeitet wurden. Allein im September lagen dem Stendaler Erbhofgericht 1100 Anträge vor, bis zur Hofgröße von 30 Morgen hinab, beim Tangermünder Erbhofgericht waren 500 und in Bismarck ebenfalls mehrere hundert Anträge gestellt worden. In ganz Deutschland wurden eine halbe Million Bauernhöfe durch das Erbhofgesetz erfaßt, dessen Bestimmung es war, einen seiner Bedeutung und Ehre bewußten Bauernstand zusammenzuschmieden.

Reichsgesetze:
  Das Reichserbhofgesetz  

Das Reichserbhofrecht setzte das preußische Erbhofrecht außer Kraft. Das neue Gesetz galt für allen land- und forstwirtschaftlichen Besitz, der eine Familie unabhängig von Markt und Wirtschaftslage ernähren und bekleiden und erhalten kann, nicht größer als 125 Hektar ist und einer deutschstämmigen Familie (worunter auch Schweizer, Österreicher, Niederländer, Dänen, Schweden

Prüfung der Würdigkeit eines Hofes durch Erbhofgericht.
[Bd. 8 S. 32b]      Prüfung der Würdigkeit eines Hofes durch Erbhofgericht.      Photo Scherl.
zu verstehen sind) gehört. Der Erbhof bildet einen besonderen Teil der Erbschaft, ist unveräußerlich, unbelastbar und bei Besitzwechsel von Erbschafts- oder Grunderwerbssteuer befreit. Im Gegensatz zum preußischen Recht gilt, soweit ein Landesbrauch dem nicht entgegensteht, das Anerbenrecht des Jüngsten. Das Anerbenrecht kann durch Testament oder Erbvertrag weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Die Miterben haben außer Unterhalt und Erziehung bis zur Volljährigkeit nur Anrecht auf das außer dem Erbhof vorhandene Vermögen. Außerdem gewährt ihnen der [342] Erbhof Zuflucht, wenn sie unverschuldet in Not geraten. Die Erbhöfe werden in die Erbhöferolle eingetragen. –

Erntedankfest auf dem Bückeberg, 1. Oktober 1933.
[Bd. 7 S. 384b]      Erntedankfest auf dem Bückeberg, 1. Oktober 1933.      Photo Scherl.

Das am 1. Oktober 1933 von Reichs wegen im größten Umfange in Stadt und Land gefeierte Erntedankfest bewies, welche bedeutsame Stellung der deutsche Bauer im Dritten Reich einnahm; der deutsche Bauer war einer jener wesentlichen Faktoren gewesen, welche die nationalsozialistische Revolution zum Siege geführt hatten. Jetzt nun war der deutsche Bauer berufen, das völkische, unerschütterliche Fundament des neuen Reiches zu werden. Diesem Zwecke sollte vor allem das Erbhofrecht dienen.

Erntedankfestfeier im Berliner Stadion, 1. Oktober 1933.
[Bd. 7 S. 384a]      Erntedankfestfeier
im Berliner Stadion, 1. Oktober 1933.

Photo Scherl.
Adolf Hitler beim Erntedankfest auf dem Bückeberg, 1. Oktober 1933.
[Bd. 7 S. 384a]      Adolf Hitler
beim Erntedankfest auf dem Bückeberg,
1. Oktober 1933.
      Photo Scherl.

Auch auf den gewerblichen Mittelstand erstreckte sich die tatkräftige Fürsorge der Regierung. So wurde Ende Mai der Zwangsvollstreckungsschutz auf sechs Monate auch auf die städtischen Grundstücke ausgedehnt. Die Wohnungszwangswirtschaft wurde gelockert. Die Steuerbefreiung für Kraftwagenbesitzer fand ein Gegenstück im Juli durch eine Steuerbefreiung für neuerrichtete Wohngebäude. Die Warenhaus- und Filialsteuer sollte die Gewerbetreibenden vor der gefährlichen großkapitalistischen Konkurrenz schützen.

Sechs Monate Regierung Adolf Hitlers hatten genügt, um die unter dem früheren System nur den Bedürfnissen der Machthaber angepaßte Steuer-, Zins- und Sozialpolitik tief aufzulockern und sie den Bedürfnissen des Volksganzen anzugleichen. Das war die grundlegende und entschlossene Wendung, die der nationalsozialistische Volksstaat gegenüber dem Parteienstaat vorgenommen hatte.

"Gemeinnutz vor Eigennutz" war stets der oberste Grundsatz des nationalsozialistischen Regierungswillens. Und so fürsorglich die nationalsozialistische Regierung für den Mittelstand sorgte, so rücksichtslos ging sie gegen die Schädlinge in ihm vor. Das zeigte sich Ende Mai, als der Groß- und Kleinhandel glaubte, die Maßnahmen zum Schutze der Landwirtschaft für eine wucherische Übersteigerung des Butterpreises auszunutzen. Der Reichskommissar für Preisüberwachung setzte den Höchstpreis fest, und die Händler, die ihn überschritten, wurden von der Polizei in Haft genommen. Ihre Namen wurden veröffentlicht, an ihrem Laden prangte das Schild: "Geschäfts- [343] inhaber in Haft". Vor allem in Bayern ging die Regierung sehr scharf gegen die Preiswucherer vor. Es wurden in München am 20. Mai 169 Geschäftsinhaber verhaftet und ihre Läden geschlossen. Dies erwies sich als nötig, um das Vertrauen des Volkes in die neue Staatsführung nicht erschüttern zu lassen.

Untersuchung
  des Bankwesens  

Anfang September 1933 begann die Regierung, das deutsche Bankwesen zu untersuchen und Pläne seiner Neuordnung zu fassen. Am 6. September trat unter Schachts Vorsitz der Untersuchungsausschuß für die Banken zum ersten Male zusammen. Schacht entwickelte den nationalsozialistischen Standpunkt: Banken seien nicht Geldschöpfer, sondern Geldverwalter. Geldschöpfer allein sei der Staat durch seine Währungspolitik, für die eigene Gesetze gelten. Die Frage werde zu prüfen sein, ob das An- und Ausleihen von Kapital und die Kreditvermittlung den privaten Händen grundsätzlich zu entziehen sei und alle diejenigen, die ihr Geld ausleihen oder Kredite in Anspruch nehmen möchten, hierbei an den Staat gebunden sein sollen. Der Staatssekretär Gottfried Feder insbesondere unterstützte Schachts Ausführungen: die Großbanken hätten gänzlich versagt, das Händlerische sei in den Vordergrund gerückt, Privatinteresse ausschlaggebend geworden. Während die Produktion nicht verstaatlicht werden dürfe, sei in der Zirkulation, also auch im Geldwesen, das schöpferische Privatinteresse nicht mehr ausschlaggebend. Hier müßten höhere Gesichtspunkte obwalten. Auch der Kölner Bankier von Schröder befürwortete die Übernahme der Großbanken in staatliche Regie. Denn die deutschen Banken seien gegenwärtig nicht in der Lage, die bei ihnen verfügbaren Geldmittel so zu leiten und zu verteilen, daß die Wirtschaft möglichst ungehindert und frei sich entfalten könne. Über all den Beratungen stand auch hier der beherrschende nationalsozialistische Grundsatz, daß die Banken nicht Selbstzweck sind, sondern dienende Glieder der Volksgesamtheit und der Volkswirtschaft. –

Ein Gesetz ganz neuartigen Charakters war dasjenige, das sich mit der Abwehr von erbkrankem Nachwuchs beschäftigte. Wie die Arierbestimmungen dafür sorgen sollten, daß kein [344] fremdrassiger Einfluß in das deutsche Blut und Volk gelangt, so wollte das Gesetz von Ende Juli 1933 Minderwertigkeit und asoziales Verbrechertum bekämpfen, indem man die Betreffenden sterilisierte, unfruchtbar machte. Man wies darauf hin, daß 100 000 Epileptiker, 25 000 Erbblinde und 25 000 Erbtaube das deutsche Volk belasteten, ganz abgesehen von den Verbrechern, die jährlich in Gefängnisse und Zuchthäuser gesperrt werden mußten. Für Geisteskranke, Taubstumme und Blinde, 183 785 Personen, mußten im Jahre 1930/31 ungefähr 170 Millionen Mark ausgegeben werden. Man erwartete von der vorbeugenden Maßnahme der Sterilisierung, wie sie das Gesetz forderte, eine Entlastung der Gesamtheit von jenen Schädlingen und Krüppeln, deren ungeheure Zunahme lediglich die Folge der Großstadtentwicklung der liberalistischen Ära war.

Mit dieser Maßnahme hing auch die Abänderung des Gesetzes über Ehestandsdarlehen zusammen. Solche Darlehen sollten nur den Volksgenossen gewährt werden, deren Gesundheitszustand auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses nur gesunde Nachkommen verbürge.

Um vom deutschen Volke auch alle fremden Einflüsse abzuwehren, wurde Mitte Juli das Gesetz über die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit geschaffen, das gegen die Fremdstämmigen – 1919–1932 waren in Preußen allein 15 500 Fremdstämmige, ohne Familienangehörige, eingebürgert worden – und gegen diejenigen, die schwer gegen die Pflicht der Treue zu Volk und Reich verstoßen hatten, angewandt wurde. Ende August wurde dies Gesetz gegen 30 bisher führende Juden und Marxisten angewandt. –

In Preußen hatte der Landtag am 18. Mai dem Ministerpräsidenten Göring ein Ermächtigungsgesetz mit Zweidrittelmehrheit bewilligt. Die Sozialdemokraten lehnten allerdings ab, da man ihnen die Gleichberechtigung versage! Auf Grund dieses Ermächtigungsgesetzes begann Göring den Staatsumbau, der auch hier in einer gänzlichen Überwindung des Parlamentarismus gipfelte.

Staatsratseröffnung in Berlin, September 1933.
[Bd. 7 S. 352a]      Staatsratseröffnung in Berlin, September 1933.      Photo Scherl.

  Preußischer Staatsrat  

Anfang Juni kündigte Göring an, daß der Staatsrat seine bisherige parteimäßige Zusammensetzung verlieren werde; er [345] werde aus einer parlamentarischen Institution in eine neue aktionsfähige Körperschaft mit weitgehenden Rechten und Pflichten umgewandelt werden. Am 8. Juli verkündete der Ministerpräsident das neue Staatsratsgesetz, das mit dem bisherigen demokratischen Mehrheitsprinzip endgültig aufräumte. Das Gesetz bestimmte, daß der Staatsrat das Staatsministerium bei der Führung der Staatsgeschäfte beraten sollte. Es solle sich zusammensetzen aus Ministerpräsident und Staatsministern kraft ihres Amtes und aus bis zu 50 Personen kraft Ernennung durch den Ministerpräsidenten. Jedes Mitglied des Staatsrates führt die Amtsbezeichnung preußischer Staatsrat und muß mindestens 25 Jahre alt sein. Reichsstatthalter, Reichsminister, Beamte oder Minister eines außerpreußischen Landes können nicht Mitglieder sein. Die zu ernennenden Mitglieder sollen folgenden Gruppen angehören:

1. Staatssekretäre,

2. Stabschef der gesamten S.A., Reichsleiter der S.S., Stabsleiter der politischen Organisation, die preußischen Gauleiter, die Obergruppenführer der S.A. und Gruppenführer der S.S.,

3. Vertreter der Kirchen, Arbeit und Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst sowie sonstige um Staat und Volk verdiente Männer. Präsident ist der Ministerpräsident.

Die Sitzungen sind nicht öffentlich, wichtige Gesetze werden dem Staatsrat vor ihrer Verkündung vorgelegt. Der Staatsrat stimmt nicht ab. Das Amt der Staatsräte ist ehrenamtlich. Es werden nur Eisenbahnfahrt und Aufwandsentschädigungen vergütet. Damit wird der vierte Teil der Preußenverfassung und das Gesetz über die Wahlen zum Staatsrat vom 16. Dezember 1928 außer Kraft gesetzt.

Der Staatsrat wurde grundsätzlich zu einem Rate der Regierung umgebildet, welcher den ständigen Kontakt zwischen dem Staatsleiter und dem Volke bildete. Zum ersten Male in Reich und Ländern verwirklichte Hermann Göring mit dem neuen Staatsrat, diesem Gremium berufener Auserlesener, die dem Staatslenker auf dessen alleinige Anregung hin zur Verfügung stehen, eine grundsätzliche und dem parlamentarischen Unwesen gänzlich entgegengesetzte Idee des Nationalsozialismus. Dies war ja das Prinzip der neuen Staatsform, daß zwischen dem von parlamentarischen Fesseln [346] befreiten Führer und dem Volke das Bindeglied einer beratenden Instanz eingefügt wurde, die die aus dem Volke kommenden Wünsche an den Führer weiterleitete, und den Führern bei ihrem Walten mit Rat zur Seite stand:

      "Die beste Staatsverfassung und Staatsform ist diejenige, die mit natürlichster Sicherheit die besten Köpfe der Volksgemeinschaft zu führender Bedeutung und zu leitendem Einfluß bringt",

sagt Adolf Hitler.

Staatsratseröffnung in Berlin, September 1933.
[Bd. 7 S. 336b]      Staatsratseröffnung in Berlin, September 1933.      Photo Scherl.
Göring eröffnet den Preußischen Staatsrat in der Neuen Aula der Berliner Universität<
[Bd. 7 S. 352b] 
Göring eröffnet den Preußischen Staatsrat 
in der Neuen Aula der Berliner Universität
 
Photo Scherl. 

Dieser Staatsrat diente dem Einbau der N.S.D.A.P. in den preußischen Staat. Die Nationalsozialisten hatten in ihm die Mehrheit, sie hatten zwei Drittel aller Sitze inne. Die feierliche Eröffnung des neuen Staatsrates nahm Göring am 15. September vor. Er bezeichnete diese neue Körperschaft des preußischen Staates als einen

"... Wegweiser für die zukünftige Entwicklung unseres gesamten staatlichen Neubaus. Nach der Zerschlagung des Parlamentarismus, d. h. des Systems der organisierten Unverantwortlichkeit, ist die Stunde für die Verwirklichung des Führergedankens in dem gesamten Staatsapparat gekommen... Wenn Preußen auf diesem Wege vorangeht, so wird daraus ersichtlich, daß es bei dem Aufbau unseres fest zusammenzufügenden Reiches seine besondere vorbereitende Aufgabe zu erfüllen hat, stets mit dem Ziele, der Einheit des Volkes über alle Stammes- und Ländergrenzen hinweg die entsprechende staatliche Organisationsform zu schaffen."

Und in einer zweiten Rede am Denkmal Friedrichs des Großen erklärte der Ministerpräsident:

      "Wer regierte in Deutschland? Nicht Männer der Tat, sondern Parteien und Parlamente! Es herrschte und regierte die Feigheit der Zahl. Es war deshalb die erste Notwendigkeit der nationalsozialistischen Revolution, gerade hier anzufangen und das System aus den Wurzeln zu heben dadurch, daß das System des Parlamentarismus, der Majorität vernichtet und zerstört wurde. Und so dürfen wir heute diesen Tag als einen Wendepunkt in unserem Staatsleben betrachten, denn auch äußerlich wird nun vor aller Welt sichtbar gezeigt, daß im größten Lande des Deutschen Reiches die Form der Staatsverfassung grundsätzlich geändert wurde in einem Sinne, der genau dem entgegensteht, der in dem letzten Jahrzehnt [347] Deutschland langsam, aber sicher vernichtet hat. Denn in der Weltgeschichte ist es immer so gewesen, daß nur Männer oder entscheidende oder energische Minoritäten die Geschicke ihres Volkes geleitet haben. Hätte es nur Parlamente in deutschen Landen gegeben, so wäre das deutsche Volk heute nicht mehr da. Dadurch, daß Männer es geführt haben und in den entscheidenden Stunden Gott dem deutschen Volke Männer beschert hat, dadurch konnte das deutsche Volk zu diesem Aufstieg kommen."

Gemäß dem Staatsrate wurden durch preußisches Gesetz vom 15. Juli auch in den Provinzen Provinzialräte geschaffen, deren Aufgabe es war, den Führergedanken ebenfalls in den Provinzialverwaltungen durchzusetzen. Die bisherigen Provinzialräte wurden aufgelöst. –

  Tannenbergfeier  

Am 27. August fand am Tannenberg-Nationaldenkmal die Erinnerungsfeier der Befreiungsschlacht von Tannenberg statt. Es war eine gewaltige und erhebende Feier, in deren Mittelpunkt der greise Feldmarschall und Reichspräsident von Hindenburg, der Sieger von Tannenberg über die Russen, und Adolf Hitler, der Reichskanzler und Sieger über den Bolschewismus, standen. Diese Feier war ein symbolisches Ereignis; sie demonstrierte die Einheit des Volkes im neuen Staate, an dessen Spitze der Generalfeldmarschall, der Gebieter über 10 Millionen Soldaten im Weltkriege, und der einfache Musketier in diesem Zehnmillionenheer standen. In der Verbundenheit dieser beiden Männer zeigte sich nicht nur die Verbundenheit des alten mit dem jungen Deutschland, nicht nur die Verbundenheit aller deutschen Männer im Geiste gerechten Wehrgedankens, sondern auch die Verbundenheit des deutschen Nordens mit dem deutschen Süden über Stammes- und Territorialgrenzen hinweg.

Hindenburg-Ehrung am Tannenberg-Denkmal, August 1933.
[Bd. 7 S. 272b]      Hindenburg-Ehrung am Tannenberg-Denkmal, August 1933.      Photo Scherl.

Parteitag des Sieges, September 1933.
[Bd. 7 S. 320b]      Parteitag des Sieges, September 1933.      Photo Scherl.

  "Kongreß des Sieges"  
in Nürnberg

Nur wenige Tage später fand der Reichsparteitag der N.S.D.A.P. zu Nürnberg statt. Aus allen Teilen des deutschen Vaterlandes waren die Sendboten des nationalsozialistischen Volkes erschienen, und dieser Parteitag, an dem die N.S.D A.P. nicht mehr durch Parteischranken vom deutschen Volke getrennt war, war in Wahrheit ein Reichs- und Volkstag der Deutschen. Eine halbe Million deutscher Menschen waren in [348] die alte

Parteitag 1933 in Nürnberg.
[Bd. 7 S. 352b]
Parteitag 1933 in Nürnberg.
Photo Scherl.
Reichsstadt geströmt, mit heller Begeisterung empfangen. Aus dem hohen Norden, aus der Mitte und dem Westen des Reiches waren die braunen Scharen in tagelangen Fußmärschen herbeigeeilt, während Tag und Nacht die Eisenbahnen rollten und Hunderttausende und Aberhunderttausende heranbrachten.

Am 30. August nahm diese gewaltige Versammlung ihren Anfang. Fast die gesamte Führerschaft der Partei war anwesend. Neben den Kolonnen der S.A. waren Verbände des Stahlhelms und der Kriegerverbände sowie Abordnungen fast aller Organisationen erschienen. Neben den Ministern des Reiches und der Länder trafen die Vertreter der auswärtigen Mächte, insbesondere eine faschistische Abordnung aus Italien und die Beauftragten der Weltpresse ein.

Der Reichspressechef der N.S.D.A.P., Dr. Dietrich, bezeichnete als die Bedeutung dieses Parteitages, daß die Nationalsozialistische Partei nach ihrem Durchbruch zum Staat zum ersten Male als Repräsentantin des ganzen deutschen Volkes auftrete. Der Inhalt des Reichsparteitages sei vornehmlich geistiger und weltanschaulicher Art. Daher erschöpfte sich seine Tätigkeit vor allem in Sonderveranstaltungen der einzelnen wirtschaftlichen und kulturellen Gruppen.

Adolf Hitler bei der SA. in Nürnberg, September 1933.
[Bd. 7 S. 272b]      Adolf Hitler bei der SA. in Nürnberg, September 1933.      Photo Scherl.

  Proklamationen und  
Reden des Führers

Das Wesen dieses Kongresses des Sieges drückt sich in zwei Darlegungen des Führers Adolf Hitler aus. Sie gipfelten in der Bedeutung von der Macht der Persönlichkeit, deren fundamentale Tugenden Treue und Opferbereitschaft sind. Das erste Dokument ist die Proklamation des Führers.

Die Proklamation des Führers, die in der Eröffnungssitzung des Parteikongresses verlesen wurde, stellte zunächst die Voraussetzungen heraus, unter denen der Novemberstaat allein beseitigt werden konnte. Daß die Überwindung dieses Regimes nicht mit den Kräften erfolgen konnte, die seit 50 Jahren vor dem Angriff des Marxismus dauernd zurückgewichen waren, um in der Stunde der höchsten Not jammervoll zu kapitulieren, wurde nicht erkannt. Das schied die Nationalsozialisten von der bürgerlichen intellektuellen Welt.

Die erste Voraussetzung ergab sich aus der Erkenntnis, daß durch Geist allein der Terror nicht überwunden werden [349] konnte. Weiter ist es ein Trugschluß zu glauben, daß man mit Scheingebilden, die jahrzehntelang mit mehr oder weniger kläglichen geistigen Waffen gefochten hatten, nun plötzlich heroische Taten würde verüben können. Man kann aus keiner Organisation Kräfte locken, die in ihr nicht vorhanden sind. Es war daher ein Irrtum, wenn in den Jahren 1919, 1920 und darüber hinaus Männer, die die Not des Vaterlandes erkannten, glaubten, ein Wechsel in der Führung der bürgerlichen Parteien würde diesen plötzlich eine Kraft schenken, mit der der innere Feind vernichtet werden könnte. Wenn man 70 Jahre lang eine falsche Demokratie verherrlichte, kann man nicht im 71. Jahre nach der Diktatur greifen. Das führt zu komischen Experimenten.

Die Auseinandersetzung mit dem Marxismus erforderte daher von Anfang an eine Organisation, die ihrem ganzen Wesen nach für diesen Kampf erzogen und dafür geeignet war. Das aber brauchte Zeit. Verständnislos gegenüber jeder organischen Entwicklung will der entwurzelte Intellektualismus durch schnelle Experimente das Gesetz des Wachsens umgehen. Der Nationalsozialismus war demgegenüber vom ersten Tage an bereit, die mühselige Arbeit der Neubildung des Instruments vorzunehmen, mit dem man später den Marxismus zu vernichten gedachte. Deshalb konnte die junge Bewegung ihre erste Entwicklung auch nur in jenen Schichten nehmen, die geistig unverbildet, unkompliziert und damit naturnäher geblieben waren. Es wird mit eine der Aufgaben der Zukunft sein, zwischen Gefühl und Verstand wieder eine Einheit herzustellen.

Das Problem der Erziehung zum Selbstvertrauen und zum Glauben an das eigene Ich war ebenso wichtig wie schwer. Die bürgerliche Welt fand stets nur Spott und Hohn für die Methode der kleinen Bewegung von damals, den – wie man meinte – "überheblichen Größenwahn" einzupflanzen, einst das Deutsche Reich zu führen. Und doch war der fanatische Glaube an den Sieg der Bewegung Voraussetzung für jeden wirklichen späteren Erfolg.

Das psychologisch wertvollste Mittel aber der Erziehung war neben der Übung des täglichen Kampfes die sichtbare [350] Demonstration der Zugehörigkeit zu der großen und starken Bewegung. Die anderen redeten von Demokratie und mieden das Volk. Der Nationalsozialismus redete von Autorität, hat aber mit diesem Volke gekämpft und gerungen wie keine Bewegung in Deutschland vor ihm. Der Sinn der nationalsozialistischen Parteitage war:

1. dem Führer die Möglichkeit zu bieten, zur gesamten Parteiführung wieder persönlich in Beziehungen zu treten;

2. die Parteigenossen erneut mit ihrer Führung zu verbinden;

3. alle gemeinsam in der Zuversicht des Sieges zu stärken;

4. die großen Impulse geistiger und psychologischer Art für die Fortführung des Kampfes zu geben.

Der Führer gibt dann eine Übersicht über die ersten Parteitage und die behördlichen Widerstände.

      "Um in der Bewegung das Gefühl für die ehrwürdige Tradition unseres Kampfes zu erwecken – so wiederholte der Führer – werden wir für alle Zukunft die Reichsparteitage in Nürnberg feiern. So sind Sie hierhergerufen worden zum fünften Reichsparteitag der N.S.D.A.P. und damit zum ersten im neuen Deutschen Reich. Die nationalsozialistische Revolution hat den Staat des Verrats und des Meineides überwältigt und an seine Stelle gesetzt wieder ein Reich von Ehre, Treue und Anständigkeit. Uns allen aber ist das große Glück zuteil geworden, daß wir die Revolution nicht ausführen mußten als Führer der 'geschichtlichen Minderheit' gegen die Mehrheit der Nation. Dank der glänzenden Organisation der Bewegung ist in keinem Augenblick das Instrument der Führung aus der Hand geglitten. Außer der faschistischen Revolution in Italien kann keine geschichtliche Handlung ähnlicher Art in ihrer innerlichen Disziplin und Ordnung mit der nationalsozialistischen Bewegung verglichen werden. Es ist schön und vorteilhaft, in so starken Fäusten die Macht zu wissen. Allein es ist schöner und beglückender, die Liebe und die Zuneigung eines Volkes sein Eigen nennen zu können! So erleben Millionen deutscher Männer und Frauen und die deutsche Jugend diesen Tag mit uns. Die nationalsozialistische Bewegung ist [351] das Deutsche Reich, der deutsche Staat geworden. Hinter der Fahne unserer Opposition von einst marschiert heute die deutsche Nation.
      Und dies ist auch der sicherste Garant für den Erfolg unserer Arbeit.
      ... Es gab zu Beginn dieses Jahres Wochen, in denen wir haarscharf am Rand des bolschewistischen Chaos vorbeigekommen sind. Wenn der große Geschichtsforscher Mommsen das Judentum im Völkerleben als ein 'Ferment der Dekomposition' bezeichnet hat, so war diese Dekomposition in Deutschland schon sehr weit fortgeschritten. Wenn sich daher der Nationalsozialismus in grimmer Entschlossenheit gegen den schleichenden 'Untergang des Abendlandes' zur Wehr gesetzt hat, dann allerdings getragen von der Überzeugung der auch heute noch nicht gänzlich zerstörten großen inneren Werte der europäischen Kulturvölker und des deutschen Volkes. Wenn der Faschismus als beispielgebende geschichtliche Tat die Rettung des italienischen Volkes vollbrachte, dann hat der Nationalsozialismus die Erfüllung der gleichen Mission am deutschen Volke übernommen. Als einzige Trägerin der Staatsgewalt muß die Partei erkennen, daß von nun an die gesamte Verantwortung für den Lauf des deutschen Schicksals auf ihr lastet. ... Die Erziehungsarbeit, die die Bewegung zu leisten hat, ist eine ungeheure. Nur das vom Leben Erfüllte wird zu seiner Erhaltung, wenn nötig, auch Leben zu beanspruchen und einzusetzen vermögen! ...
      Unter den Aufgaben steht als wichtigste die Überwindung der Arbeitslosigkeit. ... Es ist weder logisch, noch moralisch, noch gerecht, auf die Dauer dem Arbeitsfähigen einen Teil seiner Früchte, seines Fleißes wegzunehmen zur Erhaltung der Arbeitsunfähigen – ganz gleich, aus welchen Gründen dies erfolgt –, sondern es wäre logisch, statt von den Ergebnissen der Arbeit wegzunehmen, diese selbst zu verteilen. Es hat niemand ein moralisches Recht zu fordern, daß andere tätig sind, um selbst nicht tätig sein zu brauchen, sondern es hat jeder nur das Recht zu verlangen, daß die staatliche Organisation eines Volkes Mittel und Wege findet, um jedem Arbeit zukommen [352] zu lassen. Gewaltig werden die Anstrengungen sein, die wir auf uns nehmen müssen, um dieses Problem vernünftig und nützlich zu lösen. ... Es ist dies um so notwendiger, als zahlreiche andere Aufgaben bewußt in den Hintergrund treten müssen, um alle Kräfte der Lösung dieser einen zur Verfügung zu stellen! ...
      Die Vernunft und unsere Entschlossenheit mögen unser Volk für alle Zukunft davor bewahren, dem Schlagwort vom 'Recht der freien Kritik' zuliebe wieder die innere Freiheit des Denkens und Wollens zu verlieren. ... Der Emporstieg und staunenswerte endliche Sieg der nationalsozialistischen Bewegung wäre nicht gekommen, wenn wir als Partei jemals den Grundsatz geduldet hätten, daß in unseren Reihen jeder tun kann, was er will. ... Indem wir das parlamentarisch-demokratische Prinzip negieren, vertreten wir auf das schärfste das Recht des Volkes auf die eigene Bestimmung seines Lebens. Allein wir erkennen im parlamentarischen System keinen wirklichen Ausdruck des Volkswillens, sondern eine Verzerrung desselben, wenn nicht gar eine Verdrehung. Der Wille eines Volkes zur Behauptung seines Daseins tritt am klarsten und nützlichsten in seinen besten Köpfen in Erscheinung. ...
      Der konstruktive Aufbau der kommenden Führung der Nation durch ihre fähigsten Köpfe wird Jahre erfordern, die sinngemäße Erziehung des Volkes viele Jahrzehnte.
      Möge dieser Parteitag für alle Versuche zu einer eindeutigen Warnung werden: Diese Partei steht in ihrer Organisation gefestigter denn je, entschlossen in ihrem Willen, hart in ihrer Selbstzucht, bedingungslos in ihrer Disziplin unter Respektierung der verantwortlichen Autorität nach unten und der autoritären Verantwortung nach oben."

Der Führer äußert sich dann über jene geschichtlich-gewordenen Gebilde, die wir noch heute als Länder vor uns sehen. Bei einem Abwägen ihrer Vorteile und Nachteile für die deutsche Nation verschwinden die ersten gegenüber den letzteren. Das Reichsstatthaltergesetz war die erste Antwort der deutschen Nation an die Querulanten gegen die Einheit und Größe der deutschen Nation. Grundsätzlich aber muß die Nationalsozialistische Partei folgendes erkennen: Das frühere [353] Deutsche Reich mochte sich wenigstens scheinbar auf den einzelnen Ländern aufbauen. Die Länder aber selbst konnten sich schon nicht mehr aufbauen auf den deutschen Stämmen, sondern höchstens auf deutschen Menschen. Das heutige Deutsche Reich baut sich aber nicht mehr auf den deutschen Ländern auf, auch nicht auf den deutschen Stämmen, sondern auf dem deutschen Volke und auf der das ganze deutsche Volk erfassenden und umschließenden Nationalsozialistischen Partei. Es ist daher weder Preußen noch Bayern noch irgendein anderes Land ein Pfeiler des heutigen Reiches, sondern die einzigen Pfeiler sind das deutsche Volk und die nationalsozialistische Bewegung.

Die Aufgabe der Bewegung ist es daher, in diesem Sinne das deutsche Volk zu erziehen und damit der weiteren Gesetzgebung das freudige innere Verständnis und den Willen aller sicherzustellen.

Und vor allem: die nationalsozialistische Bewegung muß sich zu dem Heroismus bekennen. Lieber mit jedem Widerstand und jeder Not fürlieb zu nehmen, als auch nur einmal ihre als richtig erkannten Prinzipien zu verleugnen. Sie darf nur von einer einzigen Angst erfüllt sein, daß einmal eine Zeit kommen könne, die uns entweder der Unwahrhaftigkeit oder Gedankenlosigkeit zeiht.

      "Vor wenigen Wochen, so schloß der Führer, wurde der Entschluß gefaßt, schon in diesem Jahre den ersten Parteitag nach dem Siege zu veranstalten. In knapp einem Monat gelang diese große Improvisation. Möge sie ihren Zweck erreichen, die Partei als Trägerin des deutschen Schicksals mit erhöhter Arbeitskraft zu erfüllen, die Entschlossenheit, unsere Prinzipien durchzusetzen, zu verstärken und dadurch für alle die einzigartige Bedeutung dieser Erscheinung noch stärker zum Bewußtsein zu bringen. Möge sich aber vor allem aus der Art dieser Kundgebung erneut die Einsicht verstärken, daß die Leitung der Nation niemals zu einer reinen Verwaltungsmaschinerie erstarren darf, sondern daß sie eine lebendige Führung bleiben muß. Wir alle wünschen dem deutschen Volke eine irdische endlose Erhaltung und glauben durch unseren Kampf dafür nur den Befehl des [354] Schöpfers zu erfüllen, der in das Innere aller Wesen den Trieb der Selbsterhaltung senkte. Es lebe unser Volk! Es lebe die Nationalsozialistische Partei!"

Rede des Führers
  auf der Kulturtagung  

Nicht minder bedeutungsvoll war die Rede des Führers, die er am Nachmittag des 1. September auf der Kulturtagung hielt:

      "Am 30. Januar 1933 wurde die Nationalsozialistische Partei mit der politischen Führung des Reiches betraut. Ende März war die nationalsozialistische Revolution äußerlich abgeschlossen. Abgeschlossen insoweit es die restlose Übernahme der politischen Macht betrifft. Allein nur der, dem das Wesen dieses gewaltigen Ringens innerlich unverständlich blieb, kann glauben, daß damit der Kampf der Weltanschauungen seine Beendigung gefunden hat. Dies wäre dann der Fall, wenn die nationalsozialistische Bewegung nichts anderes wollte als die sonstigen landesüblichen Parteien. Weltanschauungen aber sehen in der Erreichung der politischen Macht nur die Voraussetzung für den Beginn der Erfüllung ihrer eigentlichen Mission. Schon im Worte 'Weltanschauung' liegt die feierliche Proklamation des Entschlusses, allen Handlungen eine bestimmte Ausgangsauffassung und damit sichtbare Tendenz zugrunde zu legen. Eine solche Auffassung kann richtig oder falsch sein: Sie ist der Ausgangspunkt für die Stellungnahme zu allen Erscheinungen und Vorgängen des Lebens und damit ein bindendes und verpflichtendes Gesetz für jedes Wirken. ...
      Alle geschichtlich feststellbaren Weltanschauungen sind nur verständlich in ihrer Verbindung mit den Lebenszwecken und der Lebensauffassung bestimmter Rassen. Denn was einem Volke natürlichste, weil ihm angeborene und damit zukommende Lebensäußerung ist, bedeutet für ein anderes wesensfremdes Volk unter Umständen nicht nur eine schwere Bedrohung, sondern sogar das Ende. Auf keinen Fall aber kann ein Volk, das sich aus verschiedenen Rassen zusammensetzt, sein Leben in den wichtigsten Belangen auf die Dauer von zwei oder drei Auffassungen zu gleicher Zeit bestimmen lassen und nach ihnen aufbauen. ...
      Jede Rasse handelt in der Behauptung ihres Daseins aus den Kräften und Werten heraus, die ihr natürlich gegeben [355] sind. Nur der heroisch geeignete Mensch denkt und handelt heroisch. Die Vorsehung hat ihm die Voraussetzungen hierzu gegeben. ...
      Wenn aber die nationalsozialistische Mission ihre innere Berechtigung erhalten soll, dann wird sie den deutschen Menschen aus der Tiefe einer nur materialistischen Lebensauffassung herausheben müssen in die Höhe einer würdigen Vertretung dessen, was wir unter dem Begriff 'Mensch' verstehen wollen. Denn, soll dieser wirklich einer höheren Lebensform zuzurechnen sein, dann muß er sich selbst vom Tier abheben. Wäre er in seinem Streben immer nur innerhalb der Grenzen der primitiven Bedürfnisse geblieben, so hätte er sich nie über die Sphäre des nur Animalischen erhoben. Der Mensch muß auch hier seinem, ihm von der Vorsehung auferlegten Gebot gehorchen. ...
      Der Nationalsozialismus ist eine Weltanschauung. Indem er die ihrer innersten Veranlagung nach zu dieser Weltanschauung gehörenden Menschen erfaßt und in eine organische Gemeinschaft bringt, wird er zur Partei derjenigen, die eigentlich ihrem Wesen nach einer bestimmten Rasse zuzusprechen sind. Er erkennt dabei die Gelegenheit der verschiedenen rassischen Substanzen an unserem Volke. Er ist auch weit entfernt, diese Mischung, die das Gesamtbild des Lebensausdruckes unseres Volkes gestaltet, an sich abzulehnen. Der Nationalsozialismus bekennt sich damit zu einer heroischen Lehre, der Wertung des Blutes, der Rasse und der Persönlichkeit sowie der ewigen Auslesegesetze und tritt somit bewußt in unüberbrückbare Gegensätze zur Weltanschauung der pazifistisch-internationalen Demokratie und ihren Auswirkungen. Diese nationalsozialistische Weltanschauung führt zwangsläufig zu einer Neuorientierung auf fast sämtlichen Gebieten des völkischen Lebens. Die Größe der Auswirkungen dieser gewaltigen geistigen Revolution läßt sich heute noch nicht annähernd abschätzen. ...
      Niemals kann man die Kunst von Menschen trennen. Das Schlagwort, daß gerade sie international sei, ist hohl und dumm. Wenn man schon andere Sektionen des Lebens noch irgendwie durch Erziehung angelernt erhalten kann, zur [356] Kunst muß man geboren sein, d. h.: Die außer aller Erziehung liegende grundsätzliche Veranlagung und damit Eignung ist von entscheidender Bedeutung. Diese Veranlassung aber ist ein Bestandteil einer Erbmasse. Nicht jeder braucht deshalb schöpferischer Künstler zu sein, weil er rassisch gesehen zu dieser nur befähigtsten Art zu rechnen ist, wohl aber wird sich nur aus einer solchen das wirkliche Genie erheben können und nur diese Rasse allein wird es empfinden und verstehen. ...
      Nur dort kann man von einem wirklich verständnisvollen Eingehen eines Volkes in die Kunst eines anderen reden, wo über alle zeitlichen und sprachlichen Entfernungen hinweg ein und dieselbe rassische Wurzel vorhanden ist. Je mehr daher in einem Volke äußerliche Weltanschauung und damit innerlich tatsächlich ein bestimmter Rassenkern dominierenden Einfluß erhält, um so mehr wird dann, nicht nur politisch, sondern auch kulturell gesehen, sofort die Annäherung erfolgen an den Lebensausdruck rassisch ähnlich bedingter Völker und Staaten ohne Rücksicht auf die zeitgemäße Distanz. ...
      Nicht der Stein oder die tote Form sind in ihrer Schönheit unvergänglich, sondern nur die Menschen sind es, die ihre Herkunft derselben Wurzel verdanken. Es ist daher auch ein Irrtum zu glauben, daß die schöpferische Urkraft einer Rasse die Form ihrer künstlerischen, kulturellen Äußerungen durch irgendein stilistisches Gesetz bestimmt oder reglementiert erhält. Nein: Nur das instinktunsichere, weil rassisch uneins gewordene Volk benötigt der Regeln, um nicht den wunderbaren Faden zu verlieren, den die unkomplizierten, weil natürlichen Repräsentanten einer begnadeten Rasse einst gefunden hatten. Es ist dabei lächerlich zu meinen, daß man ohne weltanschauliche Erneuerung und damit rassische Klärung einen neuen 'Lebens-, Kultur- und Kunststil' finden könnte, wie es lächerlich ist, anzunehmen, daß die Natur mit dieser hellseherischen Aufgabe jeden durchschnittlichen Stümper betraue. ...
      Die Rasse, die dem gesamten Leben eines Volkes ihren Stempel aufprägt, sieht dann auch die Aufgaben der Kunst mit ihren Augen. Sie löst in so veränderter Weise alle Umstände und Bedingungen des Zweckes und des Materials, er- [357] faßt nach ihrem Sinn das Kunstwerk. Allein nur der klarste menschliche Geist kann dabei die Wege zur erhabensten Schönheit finden. Der letzte Maßstab dafür aber liegt in der Erkenntnis einer kristallklar erfüllten Zweckmäßigkeit. ...
      Nicht jeder Künstler wird diese letzte Vollendung finden. Allein alle sollen sie suchen. Jedem Volke sind seine natürlichen Grenzen gezogen. Der gottbegnadete Künstler aber wird als die einmal Mensch gewordene komprimierte Zähigkeit seines Volkes stets den durchschnittlichen allgemeinen Erkenntnissen vorauseilen und unbewußt jene Gestaltung finden, die als höchste und erhabenste Schönheit empfunden und gesehen, als klarste Zweckmäßigkeit aber oft erst nach Jahrtausenden bewiesen werden kann. ...
      Es ist kein Zufall, daß das weltanschaulich verschwommenste Zeitalter in seiner liberalistischen Freizügigkeit – sprich: Unsicherheit – auch auf dem Gebiete des kulturellen Schaffens unsicher war. In knapp einem Jahrhundert wurden die Kunstleistungen der Völker und Weltanschauungen fast aller Zeiten durchprobiert und wieder abgelegt. Der Marxismus mündet nicht nur politisch, sondern auch kulturell zwangsläufig in den Nihilismus. Während so das offizielle Kunstgetriebe des Ausgangs dieses Zeitalters nur den widerwärtigsten Eindruck hinterlassen kann, sind aber dennoch nicht nur geistig-politisch, sondern auch kulturell wichtige Vorarbeiten für die Erneuerung der Völker geschaffen worden. So wie der Nationalsozialismus in Deutschland die Erfüllung zahlreicher seherischer Ahnungen und tatsächlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse ist, so wurde auch unbewußt die Vorarbeit geleistet für eine neue künstlerische Renaissance des arischen Menschen. ...
      Die nationalsozialistische Bewegung und Staatsführung darf auch auf kulturellem Gebiet nicht dulden, daß Nichtkönner oder Gaukler plötzlich ihre Fahne wechseln und so als ob nichts gewesen wäre, in den neuen Staat einziehen, um dort auf dem Gebiete der Kunst und Kulturpolitik abermals das große Wort zu führen. ...
      Dieser neue Staat wird der Pflege des Kulturellen eine ganz andere Aufmerksamkeit schenken, [358] als der alte. Indem der Nationalsozialismus das Recht derjenigen Bestände unseres Volkskörpers, die seine Bildung einst einleiteten und durchführten, auf besondere Bevorzugung ihres Wesens anerkennt, muß er dies auch moralisch begründen. Die Befriedigung der animalischen Bedürfnisse liegt im Wesen aller Menschen. Keine Art könnte daraus die besondere Berechtigung ableiten, andere zu führen oder gar zu beherrschen. Es wird jedes große politische Zeitalter in der Weltgeschichte das Recht seines Daseins durch die sichtbarste Urkunde seines Wertes sich ausstellen, die es gibt: Durch seine kulturellen Leistungen. ...
      Die Meinung, daß in materiell dürftigen Zeiten kulturelle Fragen in den Hintergrund treten müßten, ist ebenso töricht wie gefährlich. Denn wer die Kultur etwa nach der Seite ihres materiellen Gewinns hin einschätzen will oder auch nur zu beurteilen trachtet, hat keine Ahnung ihres Wesens und ihrer Aufgaben. Gefährlich aber ist diese Auffassung, weil sie damit das gesamte Leben auf ein Niveau herabdrückt, auf dem endlich wirklich höchstens noch die Zahl der Minderwertigen entscheidet. Gerade in einer Zeit wirtschaftlicher Nöte und Sorgen ist es wichtig, allen Menschen klar zu machen, daß eine Nation auch noch höhere Aufgaben besitzt als im gegenseitigen wirtschaftlichen Egoismus aufzugehen. ...
      Indem wir aber überzeugt sind von dem inneren Werte des deutschen Volkes, wollen wir dafür sorgen, daß es durch seine politische und staatliche Führung Gelegenheit erhält, diesen seinen Wert auch unter Beweis zu stellen. Mögen sich die deutschen Künstler ihrerseits der Aufgabe bewußt sein, die ihnen die Nation überträgt."

Amtswaltertagung auf dem Parteitag zu Nürnberg.
[Bd. 7 S. 320a]      Amtswaltertagung auf dem Parteitag zu Nürnberg.      Photo Scherl.

Rede des Führers vor
  den Amtswaltern der Partei  

Vor der politischen Organisation, den versammelten 180 000 Amtswaltern der Partei, machte der Führer am 2. September folgende Ausführungen:

      "Parteigenossen! Amtswalter der Politischen Organisation! Viele von Ihnen blicken nunmehr auf einen jahrelangen harten Kampf zurück. Das Ergebnis dieses Ringens steht heute sichtbar vor uns. Die nationalsozialistische Partei ist der Staat geworden und ihre Führer sind heute die vor der Geschichte verantwortlichen Leiter des Deutschen Reiches. Damit erhält [359] die Partei der Opposition von einst nunmehr die Aufgabe der Erziehung des deutschen Menschen zum Bürger dieses neuen Staates. Sie, meine Amtswalter, sind vor Gott und unserer Geschichte dafür verantwortlich, daß durch diese politische Erziehung der deutschen Menschen zu einem Volk, zu einer Idee, zu einer Willensäußerung niemals wieder ein November 1918 in der deutschen Geschichte möglich wird. In vierzehn Jahren hatte unser Volk Gelegenheit, am eigenen Leibe zu spüren, welchen Unsegen die Uneinigkeit bringt, was vom Kampfe der Klassen und Stände, der Berufe, der Konfessionen, der Stämme und der Länder untereinander für das deutsche Volk zu erwarten ist. 14 Jahre haben uns gezeigt, welches das Ende sein würde, wenn dieser Wahnsinn der Selbstzerfleischung länger andauern würde. Wir wollen daraus lernen und wir haben daraus gelernt. Was uns jahrelang als Traumbild vorschwebte, ist Wirklichkeit geworden, das Symbol der Klasseneinigung des deutschen Volkes ist das Symbol des neuen Reiches geworden und damit Panier des deutschen Volkes. Wir haben numehr die Aufgabe, eine eherne Front zu bilden, die jeden Deutschen in sich aufnimmt und mit ihrem Geist erfüllt. An dem Tage, an dem wir endgültig die Macht übernommen hatten, da war noch nicht das ganze deutsche Volk durch die Schule unserer Erziehung gegangen. Aber keiner von uns dachte damals, daß etwa mit der bloßen Machtübernahme die Mission der Bewegung ihr Ende gefunden hätte. Wir alle wußten, daß es galt, auch das, was noch nicht zu uns gehört, für uns zu gewinnen. Wir wußten weiter, daß das, was begonnen wurde, nur Bestand haben kann, wenn man immer aufs neue darum kämpft. 'Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!' Dieser Grundsatz muß mit ehernen Lettern eingezeichnet werden in die Tradition unserer Bewegung. Denn der kostbarste Besitz auf dieser Welt ist das eigene Volk. Um dieses Volk wollen wir ringen und wollen wir kämpfen, niemals erlahmen und niemals ermüden, niemals verzagen und niemals verzweifeln. Was Jahrtausende vor uns bestand, wird auch die kommenden Jahrtausende bestehen können.
[360]     Sie sind als Träger der politischen Organisation verpflichtet, jene Führer-Hierarchie zu bilden, die wie ein Fels unerschütterlich im Getriebe des Lebens unseres Volkes steht. Es ist Ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß jeder Deutsche, gleich welchen Stammes und welcher Herkunft er sein mag, durch diese weltanschaulich-politische Schule, deren Repräsentanten Sie sind, hindurchgeführt wird. Wir wissen, daß unsere Gegner heute noch die stille Hoffnung haben, vielleicht durch Zersetzung erreichen zu können, was sie durch Putsche und Revolten niemals wieder erreichen werden.
      Wir haben dem einen Riegel vorgeschoben. Die Art unserer Organisation, die keine Abstimmung kennt und keine Wahlen, die nur Autorität, Disziplin, Verantwortung und Unterordnung kennt, diese Art unserer Organisation verhindert dies, daß irgend jemand hoffen kann, sie jemals zu zersetzen. Wir haben den Schlüssel gefunden, der für alle Zukunft den Feinden unseres Volkes das Tor versperren wird. Wir müssen daher diese Prinzipien als ewig gültige hochhalten und müssen dabei durch die Kerntruppe unserer Weltanschauungsorganisation, durch die Partei, durch den Führerstab das Beispiel geben, daß kein Deutscher glaubt, etwas Außerordentliches zu tun, wenn er das tut, was der Bewegung zu tun heilige Pflicht ist. Je mehr unser Volk von dieser Bewegung geformt und getragen wird, um so mehr rückt sie in den Mittelpunkt der allgemeinen Betrachtung. Alle Blicke konzentrieren sich auf sie. Sie muß sich dessen bewußt sein und insbesondere müssen ihre Führer diese hohe Ehre, aber auch diese unerhörte Verpflichtung, die darin liegt, begreifen. Diese Bewegung wird der ganzen Nation vorbildlich vorangehen, so daß wir nicht nur die Führung besitzen, weil wir die Macht haben, sondern daß wir die Macht haben, weil wir zu Recht die Führung sind.
      Wir bauen auf die Zeit und rechnen mit langen Etappen. So wie wir uns heute hier getroffen haben, werden wir uns in zwei Jahren und wieder in vier und sechs Jahren treffen. Und so wird diese Bewegung sich in 20, in 80 und in 100 Jahren treffen bis in alle Zukunft. Wir haben ein Samenkorn in unser Volk gesät, das ewige Früchte tragen soll und nie- [361] mals mehr zu vergehen bestimmt ist, wenn nicht das deutsche Volk wieder in Uneinigkeit verfallen soll und damit in Schwäche und Tod.
      So wollen wir denn heute mit dem Gelöbnis auseinandergehen, die Prinzipien, die Gedanken und Ideen härter und schärfer als bisher zu vertreten, mutig und tapfer zu sein, ausdauernd und zäh, so daß, wenn wir uns in zwei Jahren wiedersehen, wir zurückblicken können auf eine Zeit fruchtbarer und erfolgreicher Arbeit. Die aber, die dann immer stärker diese Bewegung vor sich sehen werden, werden dann einsehen, daß sie alle Hoffnungen begraben müssen, diese Bewegung und das deutsche Volk noch einmal zerstören zu können."

Parteitag im September 1933: Adolf Hitler vor den Amtswaltern.
[Bd. 7 S. 304a]    Parteitag im September 1933: Adolf Hitler vor den Amtswaltern.    Photo Scherl.

Nirgends zeigten sich die gewaltigen Perspektiven und die großartige Organisation in gemeinschaftlicher Zucht hervorragender als auf diesem Reichstag. Der Führer hatte sein Volk und den Träger seines neuen Reiches, die Partei vollkommen in der Hand. Eine halbe Million Menschen zeigte sich in einem Willen geeint, und diese halbe Million waren die Träger des Volkswillens. Auf den zehntausend Fahnen, die in den Reihen der hunderttausende mitmarschierten, ruhte das gegenseitige Vertrauen von Führer und Volk. Der Wille dieses Führers war es, daß es in dem deutschen Volke, das von gleichem Blut und von gleicher Art ist, nun nicht mehr Sieger und Besiegte geben solle, daß Deutschland über allen stehen müsse, und in diesem Deutschland die völkische Einheit Garant der Kraft, der Ehre, der Freiheit und der Zukunft sein müsse. Der ganze gewaltige Wille völkischer Lebens- und Schaffenskraft, das innerste Bekenntnis zur wuchtigen Schöpfung eines neuen Volkes aus Blut und Boden, das der Nationalsozialismus auf seine Fahnen geschrieben hatte, fand in den Reden des Führers seinen großartig geschlossenen Ausdruck.

Parteitag in Nürnberg. SA. marschiert.
[Bd. 7 S. 304b] 
Parteitag in Nürnberg: SA. marschiert.
Photo Scherl.
Nürnberg: Ehrung der Gefallenen durch Adolf Hitler.
[Bd. 7 S. 336a]      Nürnberg:
Ehrung der Gefallenen durch Adolf Hitler.

Photo Scherl.

Mit diesem großen Reichstag von Nürnberg, diesem "Kongreß des Sieges", der das Aufsehen aller Völker der Welt erregte, hatte der Kampf um das Dritte Reich sein Ende erreicht. Das Dritte Reich der Deutschen war zur Wirklichkeit geworden. –

  Stahlhelmtag in Hannover  

[362] Gleichsam im Gefolge dieses Parteitages bekundeten drei andere gewaltige Kundgebungen die neue Einheit des Volkes im nationalsozialistischen Reich. Am 24. September fand in Hannover der Stahlhelmtag statt, der zehntausende von ehemaligen Frontsoldaten zusammenführte und nun das Werk Seldtes, die Unterstellung des Stahlhelms unter Hitlers Führung, zu Ende führen und bestätigen sollte. Franz Seldte erneute seinen Treueschwur zu Adolf Hitler:

      "Heute aber setze ich wiederum alles auf eine Sache, auf einen Mann: ich setze die Sache des Stahlhelm auf Adolf Hitler!.... Nun stehen wir hier in Hannover, wo das Bündnis der Treue besiegelt werden soll, wo wir Ihnen, dem Frontsoldaten, die treue Gefolgschaft des Stahlhelm geloben wollen und hiermit geloben. Unsere Herzen schlagen Ihnen zu, unserem Führer!"

Stahlhelmtag in Hannover, Vorbeimarsch vor Stabschef Röhm.
[Bd. 7 S. 336b]      Stahlhelmtag in Hannover: Vorbeimarsch vor Stabschef Röhm.      Photo Scherl.

In seiner Antwort bekannte sich der Kanzler zu seiner inneren Verbundenheit mit den Frontsoldaten:

      "Wir Frontsoldaten aber haben gelernt, nicht nach der Zahl der Gegner zu schauen, sondern auf die eigene Kraft zu vertrauen. Der Kampf um Deutschland mußte aus einer anderen Welt kommen als der, die sich nach dem 9. November 1918 in Deutschland breitmachte, und er ist aus der Welt des deutschen Soldatentums erstanden! So wissen wir es auch ganz genau, keiner von uns würde in euerem oder unserem Kleide sein, wenn nicht hinter uns die große Armee gewesen wäre, der wir alle gedient haben. Jeder von uns weiß, was wir sind, das sind wir nur geworden durch die Schule, die wir da draußen durchgemacht haben. Sie hat uns gelehrt, in Selbstvertrauen uns auf uns selbst zu verlassen. Es war nur die Gefahr vorhanden, daß viele das Gleiche wollten und sich nicht zu einigen vermochten – wir dürfen alle dem Schicksal dankbar sein, daß es in uns den großen Einigungsgedanken erhalten hat. Euer Führer hat die Größe der geschichtlichen Stunde erkannt und damit eine Einigung herbeigeführt; wir kämpfen damit nun gemeinsam für das neue Reich.
      Wenn wir die wenigen Monate, in denen wir diesen Kampf durchgefochten haben, an unseren Augen vorüberziehen [363] lassen, dann dürfen wir mit Stolz bekennen: die Vorhersehung hat diesen Kampf gesegnet.
      Daß wir die marxistische Organisation zertrümmert haben, daß wir ihre Parteien aufgelöst haben, daß wir ihre Häuser gesperrt, ihre Führer fortgejagt haben, ist alles nicht wichtig. Aber das eine, daß wir das Volk gewonnen haben, daß das Volk nun uns gehört, daß das Volk in unserer Bewegung die Führung wirklich sieht und anerkennt, das ist das Entscheidende, ist das, was uns glücklich macht.
      Wir wissen, daß der Aufbau des neuen Lebens schwer ist und Zeit erfordert, aber alles was wirklich groß auf dieser Welt war, hat seine Zeit benötigt. So sind wir denn in die Revolution einmarschiert, haben sie siegreich bestanden und marschieren nunmehr hinein in eine große, neue Zukunft unseres Lebens. Daß wir unser Volk der Erneuerung entgegenführen konnten, das verdanken wir nicht zuletzt der Tatsache, daß wir unser Volk nicht nur mobilisiert, sondern auch organisiert haben, daß wir den disziplinierten Körper geschaffen haben, den die nationalsozialistische Bewegung heute darstellt."

Diese Erklärungen des Kanzlers trugen dazu bei, einen großen Teil der in den Stahlhelmformationen noch immer bestehenden Spannungen zu beseitigen und das Gefühl der Gleichberechtigung mit den Einheiten des Nationalsozialismus zu befestigen. Jetzt konnte die Frontgeneration des Stahlhelms mit ganzem Herzen und freiem Willen neben die Generation des jungen Deutschland, die S.A., die zu dreiviertel aus der seit 1903 geborenen Jugend bestand, treten; sie waren geeint in dem mächtigen Willen, im Dienste für Volk und Vaterland als ganze Männer ihre Pflicht bis zum äußersten zu erfüllen. –

Stahlhelmführertag in Hannover, September 1933.
[Bd. 7 S. 368a]      Stahlhelmführertag in Hannover, September 1933.      Photo Scherl.

Wahl des Reichsbischofs in Wittenberg, Ende September 1933.
[Bd. 7 S. 368b]      Wahl des Reichsbischofs
in Wittenberg, Ende September 1933.

Photo Scherl.
Eröffnung der Nationalsynode zu Wittenberg am 27. September 1933.
[Bd. 7 S. 368b]      Eröffnung der
Nationalsynode zu Wittenberg
am 27. September 1933.

Photo Scherl.

  Wahl des Reichsbischofs  
in Wittenberg

Schon drei Tage später, am 27. September, war Wittenberg, die Lutherstadt, Zeuge eines großen Vorganges. Die nach der neuen Kirchenverfassung berufene, aus 60 Mitgliedern bestehende Evangelische Nationalsynode wählte in Einmütigkeit feierlich den preußischen Landesbischof Ludwig Müller zum Reichsbischof, der dann sogleich das geistliche Ministerium berief. Auch dieser Vorgang war ein Bekenntnis zum neuen [364] Reich, wie es in der Proklamation des neuen Reichsbischofs an das evangelische Kirchenvolk zum Ausdruck kam:
Reichsbischof Ludwig Müller.
[Bd. 7 S. 240b]
Reichsbischof Ludwig Müller.
Photo Scherl.
      "Der heutige Tag ist für die Geschichte der evangelischen Kirche und für die Geschichte des deutschen Volkes von größter Bedeutung. Die evangelische Kirche ist insofern ein Spiegelbild deutschen Charakters, als unsere Kirche im Gegensatz zu der Geschlossenheit der römischen von Anfang an unter heilloser Zersplitterung litt.
      Seit den Tagen der Gegenreformation, wo in merkwürdiger Verblendung evangelische Fürsten gegen evangelische Fürsten in den Krieg zogen, bis zu den großen Entscheidungsfragen unserer großen Gegenwart ist diese Zersplitterung, die jeden Einsatz selbst verhinderte oder verminderte, immer wieder von all denen beklagt worden, die unsere Kirche lieb hatten. Mit dem heutigen Tage beginnt nun ein neuer geschichtlicher Abschnitt.
      Der Gedanke der Zusammenfassung der Kräfte unserer Kirche hatte schon vor Jahren zur Gründung des deutschen evangelischen Kirchenbundes geführt. Entscheidende Vorarbeit zu dem großen Werk war getan.
      Was nun heute auf Grund der neuen Verfassung werden will ist kein lockerer Kirchenbund, dem es im entscheidenden Augenblick an der erfolgreichen Macht fehlt, sondern eine einheitliche Kirche religiöser Gestaltung in ihren Gliedern, aber eins in dem bleibenden Grunde und eins in der Erkenntnis, daß die große Aufgabe der Gegenwart gelöst werden müsse. Die neue Kirche ist reich gegliedert nach der Art der Arbeit, aber einheitlich und geschlossen in der gesamten Führung.
      Die Zeit der verantwortungslosen Selbstherrlichkeit des Individualismus, der in falsch verstandener evangelischer Freiheit alles kirchliche Leben in seinem Bestand bedrohte, ist vorbei.
      Die ganze deutsche freiheitliche Bewegung mit ihrem Führer, unserem Kanzler, wird von uns empfunden als ein Geschenk Gottes in einer Zeit der Entscheidung, wo die Feinde des Kreuzes Christi auf dem besten Wege waren, [365] unser Volk innerlich und äußerlich völlig zu vernichten. Aus dem Siegeszug der deutschen freiheitlichen Bewegung hören wir das mahnende und aufrüttelnde Rufen unseres Gottes. Wir sind des ehrlichen und aufrichtigen Willens, auf dieses Rufen Gottes zu hören und danach zu tun.
      Gerade der ewige Auftrag der Kirche verlangt, daß wir die gegenwärtige Stunde erkennen. Ein neues Reich ist im Werden, der neue Mensch im neuen Reich will auch werden. Da darf die Kirche nicht warten, bis die Menschen zu ihr kommen, sondern die Kirche muß die Menschen suchen, und zwar die Menschen, wie sie heute nun einmal da sind, den S.A.-, den S.S.-Mann, den Mann des Arbeitsdienstes, den Mann am Pflug, am Schraubstock, in der Studierstube, die heranwachsende Jugend und ganz besonders die deutsche Frau und Mutter, daß sie in die Seele des heranwachsenden Geschlechts pflanze: Lebendigen Glauben, ehrfürchtiges Gottvertrauen und fröhlich-starkes Verantwortungsbewußtsein.
      So heißt der Auftrag der Kirche: Heran an das deutsche Volk mit ihrer befreienden, helfenden, fröhlichen Botschaft von Christus, dem Kämpfer, dem Heiland, dem Herrn. Der Staat ist nicht Herr der Kirche, aber die deutsche Kirche lebt im deutschen Staat. Daraus ziehen wir den Schluß, daß wir vor Gott verantwortlich sind für unsere Arbeit im Volk und Vaterland. Von diesem Gesichtspunkt aus muß die Regelung des Verhältnisses des Reiches zur evangelischen Kirche erfolgen. Dabei ist es für uns eine herzstärkende Freude, daß diesem neuen Verantwortungswillen der Kirche auch ein neuer Staat gegenübersteht, der nun auch seinerseits der Arbeit und Aufgabe der Kirche mit dem ausgesprochenen Willen gegenüberstehe, die kirchliche Arbeit zu fördern.
      Dieser Staat wird den evangelischen Einfluß auf die heranwachsende Jugend nicht hemmen, sondern mit Verständnis und Fürsorge handeln. Vertrauen soll und wird auch die Grundlage unserer Beziehungen zu den evangelischen Kirchen im Auslande sein. Wir werden uns nicht in eigenwilliger Selbstgerechtigkeit abschließen wollen. Gerade weil wir unsere Sendung an unser Volk erkennen, werden wir zu den [366] evangelischen Kirchen anderer Völker ein Verhältnis ehrlicher und innerlicher wahrhaftiger Zusammenarbeit haben.
      Ich benutze daher die Gelegenheit, von dieser Stätte aus, aus welcher die gesamte evangelische Christenheit der Welt stammt, Gruß und Segenswünsche der vereinten deutschen evangelischen Kirche zu entbieten. Auch zu den übrigen kirchlichen Gemeinschaften innerhalb unseres Vaterlandes möchten wir freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Wir wünschen nicht, daß die werdende deutsche Volksgemeinschaft durch konfessionelle Kämpfe zerrissen wird.
      Von dem Pfarrer ist ein neues Amtsbewußtsein zu fordern, da er keinen Standesdünkel kennt, sondern aus dem Bewußtsein persönlicher Verantwortung erwächst. Dieses Amtsbewußtsein kann aber nur echt sein, wenn es in lebendiger Volksverbundenheit wurzelt. Darum muß der junge Theologe den Dienst am Volk und Vaterland in der S.A. und im Arbeitslager als Ehrenpflicht ansehen. Brachte uns das neue Reich eine neue Volkskameradschaft, soll uns die neue Kirche eine neue Kameradschaft des Glaubens und des Wortes bringen."

  Der Tag des Bauern  

Der 1. Oktober war der Tag des Bauern. Das große Erntedankfest des deutschen Volkes wurde begangen, das die Verbundenheit von Stadt und Land aufzeigte. Es war der Ausdruck des Bewußtseins von der Gemeinsamkeit der Schicksale aller Volksgenossen, die Kluft zwischen Stadt und Land mußte wieder überbrückt werden, und das Volk mußte im bodenständigen Bauer wieder die fundamentale Grundlage seiner selbst erkennen. Am Bückeberg von Hameln aber redete der Kanzler zu fast einer halben Million deutscher Bauern. –

Es waren Riesenaufgebote von Menschenmassen, die zu derartigen Volksveranstaltungen erschienen. Es waren Gemeinschaften von Hunderttausenden, in einem Willen und Streben fest zusammengeschmiedet. Es waren Gemeinschaften höchster organischer Komposition, wie sie weder Deutschland noch ein anderes Land vorher aufzuweisen hatte, – Gemeinschaften, die nicht durch Widerspruch und Gegensatz gestört waren: es [367] waren eben keine politischen Gemeinschaften, sondern im tiefsten Innern begründete Volksgemeinschaften! Und doch erschöpfte sich der Sinn dieser riesengroßen Volkstage nicht in sich selbst. Die Hunderttausende, die da zusammenkamen zu solch mächtigen geschlossenen Block, der wiederum ohne die Einzelpersönlichkeit nicht denkbar ist, waren nur ein verschwindender Teil des gewaltigen Volkes. Und doch nahm dieses, unsichtbar, an all den Veranstaltungen tätigen Anteil. Das vorzügliche Mittel des Rundfunks gestattete es dem Führer, 65 Millionen deutscher Menschen zu jeder Stunde zusammenzurufen, sie unter das große Sittengesetz zu stellen: "Einer für alle, alle für einen!" –

Blicken wir nun zurück auf die Reihe der großen Volkstage, die bisher keine deutsche Regierung zu organisieren vermochte und die in ihrer umfassenden Wucht an das altgermanische Maifeld erinnern, auf diese Volkstage, deren jeder einzelne das Dritte Reich zu einer festen Geschlossenheit fügte, so zeigt sich uns in ihrer Reihenfolge der großartige konstruktiv-organisatorische Wille Adolf Hitlers: Potsdam, der Tag des Reiches, des nationalen Selbstbewußtseins, am 21. März, fand seinen Fortgang im Tag der nationalen Arbeit, der sozialistischen Volksgemeinschaft, am 1. Mai, der Tag von Tannenberg am 27. August galt der Wiedergewinnung deutscher Ehre, und Nürnberg, der Tag des nationalsozialistischen deutschen Volkes am 1. September hatte in schneller Folge die anderen großen Tage hinter sich: den Tag der Frontsoldaten am 24. September, den Tag der evangelischen Reichskirche am 27. September und den Tag der deutschen Bauern am 1. Oktober.

  Wesen des Nationalsozialismus  

Über allem aber stand das oberste Gesetz des Nationalsozialismus: Gemeinnutz vor Eigennutz. Aus dem innersten Sittengesetz der deutschen Seele heraus, der Freiwilligkeit, die das Recht der Persönlichkeit anerkennt, erwartete Adolf Hitler den Willen zum Gemeinnutz. Freiwillig und freudig sollte jeder Deutsche sich zu den großen Zielen des neuen Reiches bekennen. So hatte Adolf Hitler im Sommer 1933 zur Spende für die nationale Arbeit aufgerufen, und jedermann brachte [368] sein Opfer. So organisierte der Reichspropagandaminister Dr. Göbbels auf dem gleichen Prinzip Mitte September das Winterhilfswerk zur Bekämpfung von Hunger und Kälte. Wahre Volksgemeinschaft zeigt sich darin, daß einer des andern Nöte tragen hilft, daß einer den andern Bluts- und Volksgenossen achtet. In allen Schicksalsfragen muß das Volk zusammenstehen wie ein vom Glauben an den Sieg durchdrungenes Heer. Das ist die Lehre des Nationalsozialismus, die nicht taugt für Schwache und Zweifler. Und die großen Schicksalsfragen der Nation waren, als Adolf Hitler das Dritte Reich aufrichtete: Arbeitslosigkeit, Not und Hunger. Indem der Kanzler die Volksgenossen zur Überwindung dieser Nöte aufrief, dachte er vor allem daran, das ganze Volk auf den einen einzigen Willen zu konzentrieren, gemeinsam und geschlossen mitzuhelfen und dem Ziele des Sieges entgegenzustreben.

Als der Herbst ins Land zog, stand der neue Staat fertig da: er war nicht mehr der Staat anmaßender Mehrheitsparlamente, sondern der Staat der Führer. Dieser politische Wandel, der den Staat als die Gemeinschaft von Führer und Volk erkannte, war wohl das wesentlichste Moment der deutschen Revolution gewesen. Alle Parlamente demokratischer Herkunft waren gefallen. Weder in der Politik, noch in der Verwaltung, noch in der Wirtschaft gab es mehr Parlamente. Sie waren abgelöst worden durch die von den Führern berufenen Räte, die kraft ihrer Sachkenntnis beratend den Führern zur Seite standen: der Reichsrat, der Staatsrat, die Provinzialräte, der Generalrat der Wirtschaft, der Arbeitskonvent der Arbeitsfront.

Infolge dieser Neuordnung hatte der neue Staat eine doppelte Aufgabe: Führer heranzuziehen und das Volk zu erziehen. Die erste Aufgabe mußte von der Partei durchgeführt werden. Sie richtete Führerschulen ein für die Partei, wie die Reichsführerschule in Bernau, der sich alsbald 4 Landesführerschulen und etwa 30 Gauamtswalterschulen anschlossen; es entstanden Führerschulen für Arbeitsdienst und N.S.B.O., die Bauernhochschulen wurden zu einem besonderen Ring zusammengefaßt. Konnte diese neuartige Führerschulung nach [369] gewissen Grundsätzen und in festen Formen begonnen werden, so war die Erziehung des Volkes viel unmittelbarer, weniger von bestimmten Formen als vielmehr durch lebendige Einwirkung möglich, die darin gipfelte, daß jeder einzelne in der Verantwortung und Verantwortlichkeit der Führer allein die Gewähr für einen deutschen Aufstieg sah. Im Nationalsozialismus wirkte eine mächtige, magische Kraft: jeder Deutsche, der sich einmal der neuen völkischen Lehre zugewandt hatte, konnte nicht wieder von ihr lassen, er gehörte ihr. Die überzeugende innere Kraft der Idee, die zwingende Wucht der großzügigen äußeren Propaganda und die stete Verbundenheit der Führer mit der Volksgemeinschaft bildeten das lebendige Prinzip des neuen Reiches. Unwiderstehlich zog die große Zentralsonne des Nationalsozialismus jene kleinen Sondergebilde in sich hinein, die mit schwindender Kraft um sie noch kreisten.

Viel unmittelbarer denn jemals in den letzten 150 Jahren wurde dieses Volk mit den Führern verbunden. Das demokratische Medium der Parlamente, diese trennende Wolke zwischen Führer und Volk, war zerteilt. Dieser neue Zustand fand seine Gesetzesform in dem Gesetz über Volksabstimmungen vom 14. Juli. Auf urälteste Einrichtungen zurückgehend, konnte die Regierung unmittelbar das ganze Volk zum Entscheid in wichtigen politischen Fragen aufrufen, ohne daß irgendein Parlament die in der Weimarer Verfassung gegebene Möglichkeit besaß, die Volksabstimmung zu sabotieren. Bei dieser neueren Volksabstimmung sollte auch die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, nicht wie bisher die Mehrheit aller Stimmberechtigten entscheiden. –

Nur eine Regierung, die auf dem unerschütterlichen Vertrauen zwischen Führer und Volk beruhte, konnte solch Großes, solch ein Stürmen nach vorwärts, wagen. Göbbels prägte einmal für das neue Staatsverhältnis folgende Worte:

      "Es ist also wohl anzunehmen, daß die Bewegung, die heute den Staat trägt, und die Männer, die in ihrem Namen das Reich regieren, die besten sind, die man augenblicklich in Deutschland für diese Arbeiten finden konnte. Diese Männer haben sich nun etwa nicht in den luftleeren Raum hinein begeben und sind jetzt nicht etwa vom Volke abgeschlossen, son- [370] dern sie stehen Tag für Tag mitten im Volke. Jeden Tag sehen sie Dutzende von einfachsten Leuten des Volkes. Jede Woche stehen sie zweimal dem Volke auf der Tribüne in Massenkundgebungen gegenüber und reden zum Volke. Wir haben die unmittelbarste Beziehung zum Volke unter Zuhilfenahme der S.A., der S.S., der Betriebszellenorganisation, der Arbeiterorganisation, der Arbeitsfront. Es gibt keine engere Beziehung zum Volke als die ihre."

Die Art, wie Adolf Hitler den Geist des Nationalsozialismus in das deutsche Volk hineinführte, wie er jeden umwandelte, daß er sich freiwillig zur neuen Lehre bekannte, ist das Beispiel einer tief-sittlich begründeten Erziehungsarbeit, die im ehrlichen Willen zum Aufbau gipfelt. Es war die Wiedererweckung jener kosmischen Kräfte, die einst Preußen großmachten und von Napoleon befreiten: der Appell an den Charakter, die Männlichkeit, das Heldische. Männern und Völkern sind Grenzen ihres Wirkens gezogen, es kommt nur darauf an, daß sie die höchste Stufe ihres Schaffens erreichen. Die Grenzen sind nicht gezogen im einzelnen, sondern in der Gemeinschaft der großen Geister. Die Persönlichkeit und das Wirken Adolf Hitlers wären undenkbar, wenn nicht Jahrhunderte zuvor große Männer gewaltet hätten. Die Kontinuität des Genies ist ein Weltgesetz. Es mußten ein Martin Luther, ein Großer Kurfürst, ein Soldatenkönig, ein Friedrich der Große, ein Kant, ein Fichte, ein Arndt und Freiherr vom Stein und schließlich ein Bismarck die Spuren ihres Erdenwallens hinterlassen haben, damit auch ein Adolf Hitler zur Entfaltung gelangen konnte. Es ist die Pflicht der Menschen, daß sich die [Kontinuität des Genies] offenbart, nicht als quantitative Anhäufung, sondern als qualitativer Fortschritt der Gemeinschaft.

Was wäre wohl der Sinn dieses irdischen Lebens anders als die in uns schlummernden jenseitigen Kräfte der Schöpfung zum Entfalten zu bringen? Diese jenseitigen Kräfte streben nach einem einzigen hin: nach völliger Selbstüberwindung. Diese aber ist im tätigen Leben der Gemeinschaft Sozialismus, ist das, was wir mit dem kleinen Wörtchen Pflicht bezeichnen: Gehorsam, Arbeit, Kampf, Treue und Gottesglaube. Der Nationalsozialismus ist eine Art praktische Philosophie, nicht [371] ausgeklügelt in Stuben und Gelehrtenhirnen, sondern erkämpft im Wirbel zwischen Tod und Leben. Er ist die Frucht eines mächtigen, nicht nur um Freiheit und Ehre, sondern vielmehr um Dasein und Schaffen ringenden Volkes. Er ist hindurchgegangen durch ein Fegefeuer von Blut und Not, weil er eine Schicksalsgemeinschaft des Volkes zu völkischer Lebensgemeinschaft umbilden mußte, indem er jeden einzelnen erzieht, seine sozialistischen Pflichten gegen die Gemeinschaft zu erkennen und zu erfüllen. So brausen in der neuen Jugend des Nationalsozialismus, dessen Samenkorn in den Höllenwettern des Weltkriegs gesät wurde, all die gewaltigen Akkorde empor, die einst die Höhepunkte unserer Vergangenheit erfüllten, um weiter zu klingen in eine freie und leuchtende Zukunft hinein! –



Geschichte unserer Zeit
Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra