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[Bd. 7 S. 254]

19. Kapitel: Umbau von Reich und Volk.

  Die völkische Grundlage  
des Nationalsozialismus

Der Kernpunkt des Nationalsozialismus war der völkische Gedanke. Im Begriff des Völkischen vereinte sich das nationale und das sozialistische Moment: Sollte das Werk Adolf Hitlers und seiner Mitarbeiter zum erhofften Ziele, zur Wiedergewinnung der einigen Nation über Stände, Klassen und Kasten hinweg führen, dann mußte dem Volke das Bewußtsein der Reinheit und Reinerhaltung seines Geblütsnetzes, das Bewußtsein seiner gemeinsamen Bindung in Blut und Boden, seiner Einheit in Blut und Art, wiedergegeben werden. Es mußte die jüdische Überschwemmung des letzten Menschenalters zurückgeleitet, beseitigt werden.

In den Jahren von 1918 bis 1932 hatten mehr als 70 000 meist aus Osteuropa eingewanderte Juden in Preußen das Bürgerrecht erworben. Sie hatten sich in Handel und Wirtschaft maßgebenden Einfluß erworben und dort ihr betrügerisches Unwesen getrieben, sie hatten Beamtenstellen über alle Gebühr erobert und hatten den einst in der Welt berühmten preußischen Beamtenstand durch grenzenlose Korruption verseucht, sie bestiegen Ministersessel, wie Hilferding, der als Reichsfinanzminister den gewaltigsten Betrug der Neuzeit, die Inflation, verübte, als Staatsanwälte und Strafrichter, als Notare und Ärzte waren sie zur Macht über das deutsche Volk gekommen. Die Lehre des Nationalsozialismus ging dahin, daß das deutsche Volk von der Verjudung wieder befreit werden müsse. Kein jüdischer Staatsanwalt dürfe Deutsche anklagen, kein jüdischer Richter dürfe Deutsche verurteilen, kein jüdischer Rechtsanwalt dürfe den Geist des deutschen Rechtes verwirren, keinem jüdischen Arzt dürfe das Schicksal deutscher Menschen ausgeliefert werden. Die Juden seien eine fremde Rasse – der Begriff der Religion spielt hierbei keine Rolle, so daß auch evangelische und katholische Juden nach der Art ihres Blutes als Fremdstämmige gelten – und sie seien als Ausländer zu betrachten. Es sei recht und billig, daß ihr Anteil an den Be- [255] rufen der Rechtsanwälte und Ärzte ihrem Prozentanteil am Volke der Deutschen, der auf 1,5 Prozent ermittelt wurde, entspreche, und daß auch der Zustrom der Juden zu den höheren Schulen und Hochschulen lediglich auf den Anteil der Juden am deutschen Volke beschränkt werde. Aus Verwaltung und Beamtentum seien die Juden restlos zu entfernen. Hier gelte der Grundsatz: Deutsche für Deutsche.

Der preußische Justizkommissar Kerrl hatte bereits im März begonnen, die jüdischen Richter aus den Strafkammern herauszunehmen und an Zivilkammern zu versetzen. Auch waren von den Berliner Gerichten die jüdischen Staatsanwälte entfernt worden. – Der Kampf gegen das Judentum war in weiten Kreisen des deutschen Volkes mit Begeisterung aufgenommen worden, und wir sahen bereits, daß es in verschiedenen Städten zur Schließung jüdischer Geschäfte und Warenhäuser kam.

  Judenhetze im Ausland  

Diese Vorgänge in Deutschland führten zu einer jüdischen Lügen- und Greuelpropaganda im Auslande. Man zeterte über Pogrome und Bluttaten, die nicht im geringsten der Wahrheit entsprachen. Jeden Tag brachte die englische Presse neue Entsetzensnachrichten aus Deutschland. Deutsche und ausländische Marxisten schürten diesen ruchlosen Lügenfeldzug, der kein anderes Ziel hatte, als die Regierung Hitler zu stürzen. Man entdeckte in Schlupfwinkeln kommunistische Geheimdruckereien, die Tag und Nacht Greuelmärchen fabrizierten und durch Kuriere ins Ausland verschleppen ließen. Die ganze Gewissenlosigkeit, die schon während des Krieges zum Sturze des Kaiserreichs angewandt worden war, entfaltete wieder ihre unheilvolle Kraft.

Die deutschen Regierungsstellen warnten. Neurath, Göring, Göbbels, Papen erklärten, den Juden passiere nichts, aber die ausländischen Juden erwiesen mit ihren Lügen den deutschen Juden einen schlechten Dienst. Auch kirchliche Kreise und andere Organisationen, Handelskammern, der Bund der Auslandsdeutschen, erklärten, daß an den Meldungen von Pogromen nicht ein wahres Wort sei. Die Hapag lud prominente amerikanische Bürger nach Deutschland ein, um sich vom wahren Sachverhalt zu überzeugen. Der amerikanische Bot- [256] schafter in Berlin kabelte nach Washington, daß die Zustände in Deutschland völlig in Ordnung seien.

Sogar die jüdischen Verbände in Deutschland, der Verband der nationaldeutschen Juden, die Zionistische Vereinigung und der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten traten aufs schärfste den Lügenmeldungen entgegen.

Dennoch verschärfte sich die jüdische Propaganda gegen die Regierung Hitler Ende März. Autos fuhren durch die Straßen Londons, mit Aufschriften wie "Juda erklärt Deutschland den Krieg" und mit Aufforderungen zum Boykott deutscher Waren. Auf den Straßen der englischen Hauptstadt wurden Deutsche von jüdischen Banden überfallen und mißhandelt. Die Juden drangen in deutsche Hotels ein und griffen die Deutschen tätlich an. In verschiedenen Gaststätten wurden den Deutschen Speisen und Getränke verweigert. In der Presse wurde zur Entlassung deutscher Angestellter aufgefordert. Der englische Deputiertenverband, das "jüdische Parlament", das 300 000 englische Juden vertritt, neigte bei seiner Sitzung am 26. März unter dem Vorsitz Nathan Janners sehr stark dazu, einen uneingeschränkten Boykott der deutschen Waren zu fordern. Der Präsident der jüdischen Weltallianz zur Bekämpfung des Antisemitismus forderte den Boykott deutscher Waren solange, bis in Deutschland die jüdischen Staatsbeamten wieder in ihre Ämter eingesetzt seien!

Londoner Juden hetzen im Hydepark gegen Deutschland.
[Bd. 7 S. 144b]      Londoner Juden hetzen im Hydepark gegen Deutschland.      Photo Scherl.
Londoner Juden hetzen zum Boykott deutscher Waren.
[Bd. 7 S. 144b]      Londoner Juden hetzen zum Boykott deutscher Waren.      Photo Scherl.

Auch die jüdischen englischen Pelzhändler hielten am 29. März in der Londoner City eine Protestversammlung ab, wo das, was sich jetzt in Deutschland abspiele, als "mittelalterliche Barbarei" bezeichnet wurde. Am folgenden Tage hallten die beiden Kammern des Parlaments wider von unerhörtesten Angriffen auf Deutschland wegen der "Judenverfolgungen". Zwar behielt die Regierung ihre Besonnenheit. In ihrem Namen erklärte der Kriegsminister Lord Hailsham, es könne nicht Aufgabe der Regierung sein, Deutschland Vorschriften zu machen; es sei festgestellt, daß kein britischer Untertan jüdischer Abstammung in Deutschland irgendwie schlecht behandelt worden sei. Doch die Stimme der Vernunft ging unter im entfesselten Haß und im Toben verblendeter Leidenschaften. –

[257] Bemerkenswert war die Verbindung der Kommunisten mit den Juden. Die deutsche kommunistische Partei hatte die britischen Kommunisten aufgefordert, die Judenschaft zur Bekämpfung des Hitlerregimes zu organisieren. So kam eine Verständigung der englischen Kommunisten mit den in London lebenden polnischen und russischen Juden zustande, die soweit ging, daß Deutsche, die im Verdacht standen, national gesinnt zu sein, auf schwarze Listen gesetzt wurden!

In New York veranstalteten die Juden ähnliche Umtriebe, sie riefen Massenprotestversammlungen zusammen, hetzten im Rundfunk gegen die Deutschamerikaner, bewirkten die Entlassung deutscher Angestellten. Am 27. März fand auf Anordnung der amerikanischen Rabbiner in ganz Amerika ein Fast- und Bettag wegen der angeblichen Judenverfolgungen in Deutschland statt. Am Nachmittage setzten sich riesige jüdische, sozialdemokratische und kommunistische Protestumzüge zum Madison Square Garden, einem der größten Plätze New Yorks, in Bewegung. Zwar war die Sache doch nicht so gewaltig, denn nicht nur die konservativen deutschen Juden, sondern auch der katholische Bischof Dunn hatte auf Betreiben des Staatsdepartements seine Beteiligung abgesagt, und die Protestversammlung begnügte sich vorläufig, den Boykott deutscher Waren aufzuschieben, "um der deutschen Regierung Gelegenheit zu geben, daß sie ihr Versprechen halte und die Juden in Deutschland nicht verfolge."

In Warschau demonstrierten die Juden am Abend des 27. März in zahlreichen Versammlungen gegen die "deutsche Barbarei" und beschlossen den Boykott deutscher Waren. Sie wollten auch Umzüge veranstalten und versuchten den Polen zu gefallen, indem sie polnisch-nationalistische Rufe ausstießen: "Hände weg von Pommerellen" oder "es lebe das polnische Danzig". Allerdings ihr Versuch, vor die deutsche Gesandtschaft zu ziehen, wurde von der Polizei mühelos vereitelt. –

Judenboykott
  in Deutschland  

Aber die deutsche Regierung hatte nicht die Absicht, sich von den Juden des In- und Auslandes tyrannisieren zu lassen. Die Nationalsozialistische Partei entschloß sich, den ihr aufgezwungenen Abwehrkampf gegen die jüdische Hetzpropaganda in schärfster Form aufzunehmen. Am 28. März wurde bei der [258] Reichsleitung ein Boykott-Komitee gegen die Juden gebildet. Dies ordnete an, daß am 1. April schlagartig in ganz Deutschland jüdische Geschäfte, Ärzte, Rechtsanwälte zu boykottieren seien, daß aber dieser Boykott in strengster Disziplin und Ruhe vor sich zu gehen habe und keinerlei Gewalttat gegen Juden und Ausländer verübt werden sollten. Da bekannt wurde, daß die Kommunisten diesen Vorgang zu Plünderungen benutzen wollten, wurden auch die Polizeibehörden zu verschärfter Überwachung aufgefordert. Gleichzeitig kündigte Adolf Hitler an, daß, falls der eintägige Boykott seine Wirkung verfehle, er am 5. April wieder aufgenommen und auf längere Zeit ausgedehnt würde. – Die Durchführung des Boykotts wurde in die Hände besonderer Aktionskomitees gelegt.

In einigen Gebieten Deutschlands wurde der Boykott bereits vorzeitig in den letzten Märztagen eröffnet. In Schwerin, Essen, Duisburg, Wittenberge, Stettin, Lüneburg, Münster wurden die jüdischen Geschäfte geschlossen, in Görlitz kam es zu erregten Demonstrationen vor dem Amtsgericht: Die Entfernung jüdischer Richter und Rechtsanwälte wurde gefordert, S.A. und S.S. besetzten das Gerichtsgebäude und nahmen mehrere Richter und Anwälte in Schutzhaft.

Am 1. April 10 Uhr vormittags wurde in ganz Deutschland der Judenboykott durchgeführt. S.A.-Posten standen vor den Türen der jüdischen Geschäfte, Rechtsanwälte und Ärzte und mahnten alle, die kamen, zu Deutschen zu gehen. Besondere Patrouillen sorgten dafür, daß keine Ausschreitungen sich ereigneten. Die Aktion verlief in aller Ruhe, bis auf einen Fall in Kiel, wo ein jüdischer Rechtsanwalt einen S.A.-Mann niederschoß. Der Rechtsanwalt wurde von der wütenden Menge erschossen. Die Marxisten natürlich demonstrierten gegen den Boykott, indem sie an diesem Tage die jüdischen Geschäfte besuchten. Dennoch aber bedeutete der 1. April für die Juden in Deutschland einen schweren wirtschaftlichen Schlag.

Judenboykott am 1. April 1933.
[Bd. 7 S. 160a]      Judenboykott
am 1. April 1933.
      Photo Scherl.
Judenboykott am 1. April 1933.
[Bd. 7 S. 160a]      Judenboykott
am 1. April 1933.
      Photo Scherl.

Es hat wohl kaum einen Vorgang in der deutschen Geschichte gegeben, bei dem das ganze Volk so unmittelbar in die große Politik eingriff wie in diesem Falle. Millionen Deutscher [259] sandten Depeschen und Briefe an Zeitungen, Politiker, Verbände, Firmen und Privatpersonen in England, worin sie die Ruhe und Ordnung Deutschlands schilderten. Die Wucht dieser Kundgebungen hinterließ bei den Engländern einen tiefen Eindruck.

Als die Juden des Auslandes sahen, daß Deutschland ernstlich willens war, den Kampf aufzunehmen, begannen sie vorläufig den Rückzug ihrer Hetz- und Lügenpropaganda. Damit war das Ziel Hitlers erreicht, und die Fortsetzung des Boykotts am 5. April unterblieb. Allerdings ließ sich nicht verhindern, daß der Haß der Juden, der im geheimen weiter wühlte, auch späterhin hier und da immer wieder aufflackerte. Als am 5. April die Deutschen in Brüssel eine Demonstration gegen die Greuelhetze veranstalteten, überfielen jüdische Banden einzelne Deutsche und begannen Schlägereien. In London versuchten die Juden, den Boykott gegen die deutschen Waren in verstärktem Maße wieder aufzunehmen, wurden aber von den Behörden in Schranken gehalten. Als aber Mitte April im englischen Unterhaus ungehörige und unbegründete Angriffe gegen die deutsche Regierung erfolgten, versuchten die Londoner Juden aufs neue ihre Forderungen bekanntzumachen: Wiedereinstellung der entlassenen Juden, Beendigung des Boykotts jüdischer Geschäfte, Schadensersatz und Sondergerichte für die Ausschreitungen gegen Juden. In Kettenbriefen jammerten sie, daß "Hunderttausende deutscher Juden entweder verhungern oder in naher Zeit zum Selbstmord getrieben werden." Die Juden beklagten, daß sie keine offizielle Hilfe fanden, sondern sich selbst helfen mußten. Es gelang ihnen aber doch im Laufe der Zeit, die fremden Regierungen sowohl von der kapitalistischen wie von der marxistischen Seite her unter ihren Einfluß zu bringen und in steigende Feindschaft gegen Deutschland hineinzutreiben. Die Vorgänge auf der Abrüstungskonferenz wie auch die skrupellose Demagogie beim Prozess gegen den Reichstagsbrandstifter im Herbst 1933 waren im letzten Grunde nichts als die Auswirkungen planmäßiger jüdischer Greuel-, Hetz- und Lügenpropaganda. Sie wurde unterirdisch betrieben, offen- [260] barte sich aber doch, wie wir sehen werden, hier und da gelegentlich recht geräuschvoll.

Das Werk der völkischen Reinigung wurde von der Regierung ohne Rücksicht auf jüdische Proteste tatkräftig fortgesetzt. Der preußische Justizkommissar Kerrl entfernte am 31. März die jüdischen Richter, Rechtsanwälte und Schöffen und entzog mehreren hundert jüdischen Rechtsanwälten, soweit sie nicht Kriegsteilnehmer waren, die Befähigung zur Ausübung ihres Berufes. Auch Stadtverwaltungen und andere Organisationen befreiten sich von den Juden. In den Berliner Schulen wurden die jüdischen Lehrkräfte beurlaubt. Der Dresdener Magistrat entließ sein jüdisches Personal. In Berlin wurden alle jüdischen Wohlfahrtsärzte durch deutsche Ärzte ersetzt. Der südwestdeutsche Rundfunk untersagte seinen sämtlichen jüdischen Angestellten das Betreten des Funkhauses. Reichsinnenminister Frick

Wiederherstellung
des völkischen
  Berufsbeamtentums  

kündigte Anfang April ein Gesetz an, welches bestimmte, daß in Zukunft nur noch beruflich vorgebildete, deutschblütige Beamte in die öffentliche Verwaltung eintreten dürften. Damit war der endgültigen und entschlossenen Verdeutschung des Beamtentums sowie übrigens auch der Angestellten und Arbeiter in öffentlichen Betrieben der Weg gewiesen. Dem unseligen Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 3. Juli 1869, wonach auch Juden zu öffentlichen Ämtern zugelassen wurden, wurde ein Ende bereitet.

Das Gesetz zur Wiederherstellung des nationalen Berufsbeamtentums trat am 8. April 1933 in Kraft. Danach mußten Parteibuchbeamte ohne Anspruch auf Pension entlassen werden. Beamte dagegen, die nichtarischer, also jüdischer Abstammung sind, wurden in den Ruhestand versetzt, ausgenommen solche, die vor dem 1. August 1914 im Staatsdienst standen, die an der Front mitgekämpft hatten oder deren Väter und Söhne im Weltkrieg gefallen waren. Als nichtarisch wurde derjenige bezeichnet, von dessen vier Großeltern ein Teil der jüdischen Rasse angehört hatte. Weiterhin wurde bestimmt, daß politisch unzuverlässige Beamte, die nicht die Gewähr dafür boten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, entfernt werden sollten. Nichtarische und [261] politisch unzuverlässige Beamte erhielten jedoch kein Ruhegeld, wenn ihre Dienstzeit weniger als zehn Jahre betrug.

Eine ähnliche Regelung wurde gegen die jüdischen Ärzte, die nicht mehr bei den Krankenkassen zugelassen werden sollten, und gegen die jüdischen Anwälte getroffen. Ihre Zulassung konnte, gemäß Reichsgesetz vom 10. April, bis zum 30. September 1933 zurückgenommen werden mit Ausnahme der auch für die nichtarischen Beamten geltenden Sonderfälle. Von den 11 814 Rechtsanwälten in Preußen waren 2515 Juden, von diesen mußten 2158 zugelassen werden, da 1383 von ihnen Altanwälte und die übrigen Frontkämpfer waren. Rechtsanwälte, die sich kommunistisch betätigt hatten, wurden von der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen.

  Studentenrecht  

Ebenso wichtig aber war es, die Studentenschaft, aus der ein großer Teil des zukünftigen deutschen Beamtentums, des Ärzte- und Anwaltstandes dermaleinst hervorging, fest in den neuen Staat einzufügen. Die deutsche Studentenschaft war ein "Hauptträger der nationalsozialistischen Revolution", und diesem Umstande trug der preußische Bildungskommissar Rust Rechnung in dem Studentenrecht, das er Mitte April ausgearbeitet hatte. Die deutsche Studentenschaft, die von den Männern des vergangenen Systems aus dem Staate ausgeschaltet worden war, wurde wieder in den Staat hineingestellt und zu einem Selbstverwaltungskörper gemacht. Die Studentenschaft hatte in ihrer Kammer nicht mehr ein Parlament, sondern sozusagen eine Standesvertretung. Das Führerprinzip und die Forderung unbedingtester Disziplin wurden als oberster Grundsatz aufgestellt. Die arische Abstammung galt als selbstverständliche Voraussetzung, jeder Student hatte ehrenwörtlich zu versichern, daß seine Eltern und Großeltern deutschblütig waren. Die großdeutsche Einheit war das politische Ziel, in dem sich sämtliche deutschen Studenten über den Horizont ihrer Hochschule hinaus zusammenzufinden hatten.

Bei der Verkündung des neuen Studentenrechts in der Aula der Berliner Universität am 6. Mai stellte Minister Rust die [262] beiden nationalsozialistischen Forderungen an die Universitäten auf: geistige Freiheit und freie wissenschaftliche Forschung und die Erziehung. Die Jugend verlange nicht nur Lehrer, sondern auch Führer. Das habe die Professorenschaft bisher übersehen. Die deutsche Jugend lasse sich nicht von fremdrassigen Professoren führen, ebensowenig von denen, die geistig abirrten von der Wesensart deutscher Nation. Im Geiste Adolf Hitlers sei ein neuer Typ des deutschen Studenten geboren, dessen Vorbild der unsterbliche Werkstudent Horst Wessel sei: Student und Arbeiter zugleich. Zwischen Studenten und Professoren solle eine seelisch-geistige Annäherung stattfinden, die sich zu Arbeitsgemeinschaften verdichte. Diese Forschungs- und Weltanschauungsgemeinschaft werde in Kürze das deutsche Hochschulwesen an die Spitze der Nation emportragen. Vorbedingungen seien aber Disziplin und Frieden.

Diese drei Gesetze über Beamtentum, Anwälte und Studentenschaft waren fundamental für das neue Reich. Mit diesen Gesetzen bekam Adolf Hitler die Ausführungsorgane der staatlichen Macht und ihren Nachwuchs ganz in seine Hände. Die Verderbnis und Korruption, die Unfähigkeit und Zuchtlosigkeit, Ungehorsam und Egoismus, die tödlichen Laster jedes Beamtenapparates, die diesen in Deutschland in den letzten 14 Jahren ausgehöhlt und zerstört hatten, wurden von nun an beseitigt. Gehorsam und Pflichttreue in der Verwaltung konnten nun wieder der eherne Unterbau werden, auf dem sich die grundlegende Neuordnung von Volk und Reich erheben konnte. Der Beamte war nicht mehr Selbstherrscher, wie in der liberalistisch-marxistischen Blütezeit, sondern Diener eines einzigen, gewaltigen Machtwillens. Hierin liegt die Bedeutung dieser Gesetze, die sich alsbald in der Praxis zeigte: Deutschblütige Männer verwalteten die Dinge der völkischen Gemeinschaft im Dienste von Führer und Volk. Das Geblütsnetz im Staatsapparat war wieder geschlossen und konnte nicht mehr durch fremde Einflüsse zerstört werden. Die Sünden zweier Generationen waren wieder gutgemacht worden.

Galt die völkische Erneuerung des Beamtentums der Machtkonzentration in den ausführenden Organen der Staatsgewalt, [263] so mußte die politische Machtkonzentration in den Parlamenten und Gesetzgebungskörperschaften ebenfalls durchgeführt werden. Adolf Hitler verzichtete darauf, in der bisher geübten liberalistischen Weise die Länderparlamente durch Neuwahlen dem Volkswillen anzupassen. Er bestimmte am 1. April durch ein "vorläufiges Reichsgesetz", daß die Landtage auf Grund des Reichstagsergebnisses vom 5. März gleichzuschalten seien. Dasselbe wurde für die am 12. März nicht neugewählten Kommunalparlamente bestimmt. Den Kommunisten wurden die Mandate aberkannt. So wurden in der ersten Aprilwoche die Landtage aller süddeutschen Staaten, Sachsens und Thüringens, der beiden Mecklenburg, Hamburgs und Oldenburgs gleichgeschaltet. Mit Ausnahme Bayerns und Württembergs erlangten überall die Nationalsozialisten die Mehrheit, in Bayern und Württemberg hatten sie diese mit den Deutschnationalen zusammen. So waren Störungsversuche, wie sie bisher immer von der Seite der Länderregierungen unternommen worden waren, unmöglich gemacht.

Gleichschaltung
  der Länderregierungen  

Aber auch die Länderregierungen mußten dem neuen unteilbaren Reichswillen Untertan gemacht werden. Eine Zerfaserung der obersten politischen Macht durch separatistische Gegenströmungen, wie sie bisher seit 1919 der Fall war, mußte ausgeschaltet werden. So tat Adolf Hitler mit dem zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933 einen gewaltigen und mutigen Schritt zur Überwindung der undeutschen

  Reichsstatthalter  

Zersplitterung: Jetzt konnte der Reichspräsident auf Vorschlag des Reichskanzlers in den deutschen Ländern Reichsstatthalter einsetzen, welche dafür zu sorgen hatten, daß die vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik befolgt wurden. Außer in Preußen, wo der Reichskanzler selbst die Rechte des Reichsstatthalters ausübt, konnte also von nun an Hindenburg in allen deutschen Ländern Statthalter ernennen, deren Aufgaben in folgendem bestanden: Ernennung und Entlassung des Vorsitzenden der Landesregierung und auf dessen Vorschlag der übrigen Mitglieder der Landesregierung, Auflösung der Landtage und Anordnung der Neuwahl, Ausfertigung und Verkündung der Landesgesetze, auf Vorschlag der Landesregierung die Ernen- [264] nung und Entlassung der unmittelbaren Staatsbeamten und Richter und das Begnadigungsrecht.

Der Reichsstatthalter soll, so hieß es weiter, dem Lande angehören, über das er gesetzt wird, aber nicht Mitglied der Landesregierung sein. Er wird auf die Dauer von vier Jahren ernannt, kann aber vom Reichspräsidenten auf Vorschlag des Kanzlers abberufen werden. Mißtrauensbeschlüsse des Landtages gegen Vorsitzenden und Mitglieder der Landesregierung sind unzulässig.

Vereidigung der Reichsstatthalter durch Hindenburg, 26. Mai 1933.
[Bd. 7 S. 208b]  Vereidigung der Reichsstatthalter durch Hindenburg, 26. Mai 1933.  Photo Scherl.

Es gab kaum einen Vorgang, der die Wendung der deutschen Dinge deutlicher beleuchtet hätte als die Einsetzung der Reichsstatthalter. Der Parteienstaat war durch den Führerstaat, die Verantwortlichkeit nach unten durch die Verantwortlichkeit nach oben abgelöst. In diesem entscheidenden Wechsel gipfelte der Sinn der deutschen Revolution. Diese Einsetzung der Reichsstatthalter, dieser missi principis, war eine wahrhaft meisterliche Lösung des Problems der Reichsreform. Der Führer hatte Treuhänder eingesetzt, die seinen alleinigen Reichswillen bis in die letzte deutsche Hütte durchzusetzen in einer Lage waren, wie seit den Tagen Karls des Großen und Ottos des Großen überhaupt keine deutsche Regierung imstande war, jeden Volksgenossen bis zum allerletzten zu erfassen. Trotz dieser durch die Einsetzung der Reichsstatthalter gesicherten Konzentration und Unterordnung aller politischen Landesmacht in und unter den Willen des Reichsführers blieb aber doch der besondere Charakter der Länder gewahrt. Die Reichsstatthalterschaft war eine selten glückliche Verbindung des föderalistischen mit dem unitarischen Gedanken. Die Einheit des Reichswillens wurde durch die Treuhänder des Führers gewährleistet, ohne daß dem Bundescharakter und der stammeskulturellen Verschiedenartigkeit des Reiches Abbruch getan worden wäre. –

Die Reichsstatthalter.
[Bd. 7 S. 208a]      Die Reichsstatthalter.
Photo Scherl.
Insgesamt sollten, mit Adolf Hitler in Preußen, elf Reichsstatthalter eingesetzt werden. Reichskommissar Epp übernahm sogleich als Statthalter Bayern, der Hamburger Gauleiter und Reichstagsabgeordnete Kaufmann die drei Hansestädte, der Schöpfer der N.S.D.A.P. im Gau Anhalt-Magdeburg, Hauptmann Loeper, Anhalt und Braunschweig. Bereits [265] am 12. April vermochte Epp in Bayern eine Regierung zu bilden, die derjenigen des Reiches entsprach und bei der das bisherige bayerische "Außenministerium" fehlte. Die Ernennung der übrigen sieben Kommissare erfolgte am 5. Mai.

  Neue Regierung  
in Preußen

Wohl die wichtigste unmittelbare Folge der Einsetzung der Reichsstatthalter war die Ordnung der Verhältnisse in Preußen. Der alte Schwebezustand der kommissarischen Regierung bestand hier noch weiterhin, wenn auch die "Hoheitsregierung" Otto Braun Ende März unter dem Drucke der Verhältnisse ihren Rücktritt und Verzicht auf weitere Ansprüche der Regierung erklärt hatte.

Die Regelung in Preußen war schwierig, da innerhalb der nationalen Regierungskoalition keine Einmütigkeit bestand. Daß möglichst weitgehende Personalunion zwischen Preußen und Reich beibehalten werden mußte, darüber war man sich einig. Wer aber sollte Ministerpräsident werden? Die Nationalsozialisten verlangten für sich diesen Posten, um in Preußen wie im Reiche die Richtung zu bestimmen und die Einheitlichkeit der Politik herzustellen. Sie hatten Göring in Aussicht genommen und forderten die Wahl des Ministerpräsidenten durch den Landtag. Hindenburg und die Deutschnationalen wünschten lieber, daß Papen preußischer Ministerpräsident würde, und Anfang März waren die Aussichten für Papen günstig. Die Kontroverse Göring–Papen schien unlösbar zu sein, und so tauchte, vermutlich als ein Kompromiß zwischen beiden Richtungen, ein neuer Plan auf, dem Reichskanzler Adolf Hitler zugleich das preußische Ministerpräsidium zu übertragen. Diese Lösung hätte die Rückkehr zur alten Bismarckschen Tradition bedeutet und trat Mitte März in den Vordergrund, besonders da die nationalsozialistische Landtagsfraktion erklärte, daß nur ein Nationalsozialist preußischer Ministerpräsident werden könne. Aber diese nationalsozialistische Forderung bewirkte einen neuen deutschnationalen Vorschlag: Es solle für Preußen das Amt eines Staatspräsidenten geschaffen und durch Personalunion mit dem Amte des Reichspräsidenten zusammengelegt werden.

Da eine Einigung nicht erreicht wurde, fand am 22. März 1933, als der Landtag zusammentrat, nicht die lang erwartete [266] Wahl des Ministerpräsidenten statt. Der neue Landtag traf lediglich einige Bestimmungen, von denen die wichtigste die Wiederherstellung der von Braun im April 1932 abgeänderten Geschäftsordnung war. Die Wiederherstellung der alten und ursprünglichen Geschäftsordnung versetzte die Nationalsozialisten in die Lage, bei einer Ministerpräsidentenwahl ganz allein mit ihren Stimmen ihrem Kandidaten zum Erfolge zu verhelfen. Sie hatten sich hiermit eine Möglichkeit erschlossen, die sie im äußersten Falle gegen die Deutschnationalen anwenden konnten. Der Landtag nahm außerdem folgende gemeinsame nationalsozialistische und deutschnationale Entschließung an:

      "Der Landtag nimmt von der durch die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 6. Februar 1933 ausgesprochenen Absetzung der sogenannten preußischen Hoheitsregierung Kenntnis und billigt sie. Der Landtag erklärt sich, indem er sich die demnächstige Wahl eines Ministerpräsidenten vorbehält, mit der vorläufigen Wahrnehmung der Staatsgeschäfte durch die von dem Herrn Reichspräsidenten eingesetzten Reichskommissare einverstanden."

Dem zweiten Satze dieser Entschließung stimmte auch das Zentrum bei. Dann vertagte sich das Parlament auf unbestimmte Zeit.

Aber der Landtag brauchte nicht mehr in Tätigkeit zu treten. Auf Grund des Reichsstatthaltergesetzes ernannte Adolf Hitler am 11. April den augenblicklich in Rom weilenden Reichsminister Göring zum preußischen Ministerpräsidenten. Damit war die Periode der kommissarischen Regierungen in Preußen, die am 20. Juli 1932 begonnen hatte, beendet.

Göring schlug dem Reichsstatthalter Hitler die meisten der bisherigen kommissarischen Minister zur Bestätigung als Minister der neuen Regierung in Preußen vor. Allerdings der Reichsernährungs- und Wirtschaftsminister Hugenberg verwaltete das preußische Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium auch weiterhin nur kommissarisch. Die nationalsozialistischen Bauern wehrten sich dagegen, daß Hugenberg endgültig Minister wurde, insbesondere da in den deutschnationalen Kreisen um Hugenberg die Absicht bestand, Herrn von Gayl oder Oldenburg-Januschau zum Reichssiedlungs- [267] kommissar zu machen. – Reichskommissar Papen trat nicht in die neue Preußenregierung ein. –

In knapp einem Monat hatte Adolf Hitler eines der gewaltigsten Werke der deutschen Geschichte durchgeführt: Die Überwindung des Liberalismus und Separatismus durch eine entschlossene Konzentration der politischen Macht in den Händen der Reichsregierung. Der Weg, den Adolf Hitler hierbei ging, hatte folgende Etappen: Das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, das dem Reichskanzler das Recht gab, von der Weimarer Verfassung abzuweichen, das Gleichschaltungsgesetz über die Länderparlamente vom 1. April 1933, das der Regierung der nationalen Konzentration in allen deutschen Ländern die Macht in die Hand gab, das Reichsstatthaltergesetz vom 7. April und das Beamtengesetz vom 8. April. Diese vier Gesetze gewährten Deutschland die Einheit des politischen Willens. Sie gehören zu den entschlossensten und mutigsten Taten der deutschen Geschichte, sie bilden den Anfang des Dritten Reiches. –

Aber nicht nur die Reichsgewalt, sondern auch das deutsche Volk mußte Adolf Hitler umbauen. Durch die Gleichschaltungen, die seit Anfang April in allen Organisationen, Verbänden und Vereinen vorgenommen wurde, war der Nationalsozialismus in die Lage versetzt, bis in die kleinsten und untersten Zellen des deutschen Gemeinschaftslebens einzugreifen. Vereine und Verbände, Organisationen und Institute wurden gleichgeschaltet. Landwirtschaft- und Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern wurden neugewählt. Eine energische Säuberungsaktion führte der preußische Kultusminister Rust in den Hochschulen durch; Ende April waren etwa 50 jüdische, liberalistische und marxistische Professoren beurlaubt. Von den pädagogischen Akademien waren 30 Professoren und Dozenten ausgeschlossen worden.

  Kampf gegen Korruption  
und Marxismus

Der Sinn aller Maßnahmen war, aus dem deutschen Volke den Liberalismus, d. h. Eigensinn und Eigennutz, und Marxismus, d. h. Klassenkampf und Korruption, restlos auszurotten. Adolf Hitler besaß den staatsmännischen Großmut, daß er die Mitarbeit derjenigen, die anderen bürgerlichen Parteirichtungen [268] angehörten, gern und freudig annahm, sofern sie sich ehrlich und aufrichtig, ohne Berechnung des eigenen Vorteils, der nationalsozialistischen Führung unterordneten. Um den Volksgenossen die Gelegenheit des Bekenntnisses zum Nationalsozialismus zu geben, bevor die Totalität der nationalsozialistischen Revolution erreicht war, ließ Adolf Hitler Neuaufnahmen in die Partei bis zum 30. April zu, dann wurde die N.S.D.A.P. geschlossen. Bis zum 30. April 1933 hatte die Mitgliederzahl der Partei die Höhe von 3,9 Millionen erreicht. Unter den neuen Mitgliedern, die sich zwischen dem 30. Januar und dem 30. April gemeldet hatten, gab es viele tüchtige und anständige deutsche Menschen, aber auch sehr viele berechnende Konjunkturritter, die eine besondere Begleiterscheinung aller Revolutionen darstellen. Da man aber die einen nicht sogleich von den andern trennen konnte, wurde den Neuen von der Parteileitung eine zweijährige Prüfungs- und Beobachtungszeit auferlegt. –

Mit nimmermüder Energie wurde der Kampf gegen den Marxismus fortgesetzt. Sozialdemokratische Stadträte, die bisher in Wohlleben geglänzt hatten, vertauschten ihren Sessel im Rathaus mit dem Konzentrationslager, da sie bis über den Hals in Korruption staken. Es kam vor, daß ganze Magistrate das Durchgangsstadium des Konzentrationslagers durchmachen mußten, bis sie, von den Gerichten verurteilt, endlich hinter Gefängnismauern landeten. Minister und Präsidenten, Landräte und Bürgermeister – es gab kaum einen Hoheitsbeamten des alten Systems, keiner Gemeinde, keiner Behörde, dem nicht Korruption nachgewiesen werden konnte, von der Verwendung von Millionen öffentlicher Gelder für Parteizwecke bis zum ordinären Landstreicherbetrug.

Aufnahme eines Marxisten im Konzentrationslager Oranienburg.
[Bd. 7 S. 224b]      Aufnahme eines Marxisten
im Konzentrationslager Oranienburg.

Photo Scherl.
Marxisten und korrupte Rundfunkbeamte im Konzentrationslager Oranienburg.
[Bd. 7 S. 224b]      Marxisten und korrupte Rundfunkbeamte im Konzentrationslager Oranienburg.      Photo Scherl.

Der ganze Staat der Liberalisten und Marxisten war bis ins Mark verfault, und wo sie saßen, ob in den Krankenkassen oder beim Rundfunk, ob in Siedlungsgesellschaften oder bei den Sparkassenbanken, überall hinterließen sie einen Sumpf der Korruption und sittlichen Pestilenz. Die Nationalsozialisten betrachteten es als eine Hauptaufgabe, die Korruptionen restlos aufzudecken und auszurotten. Göring fand scharfe Töne gegen Verwahrlosung und Vetternfreundschaft, und Kerrl richtete im preu- [269] ßischen Justizministerium am 4. April ein besonderes Dezernat zur Bekämpfung der Korruption ein, bei den Gerichten wurden besondere Staatsanwälte beauftragt, sich nur mit der Aufklärung und Verfolgung von Korruptionsdingen zu befassen. Solch eine Last von Wust und Schmutz war aus der Welt zu räumen!

Am 25. März erklärte Göring ausländischen Pressevertretern, daß die sozialdemokratische Presse in Deutschland solange nicht erscheinen dürfe, wie die marxistischen Zeitungen des Auslandes ihre Angriffe gegen die Regierung Hitler fortsetzten. In der Tat wurde am 28. März das Verbot der sozialdemokratischen Zeitungen, das an diesem Tage ablief, in Preußen auf unbestimmte Zeit verlängert. Das Büro der zweiten Internationale, das am 27. März in Paris zusammentrat, ohne daß sich die deutsche Sozialdemokratie daran beteiligte, beantwortete Görings Äußerung, daß sie ihre Presse keineswegs Hitler und Göring zur Zensur unterbreiten werde. Otto Wels, der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokratie, erklärte mit Billigung des Parteivorstandes seinen Austritt aus der zweiten Internationale, um, wie er später gestand, der nationalsozialistischen Regierung keinen Vorwand für Gewaltmaßnahmen gegen die Sozialdemokratie zu geben!

Die todmatte sozialdemokratische Partei, auf die Tag für Tag die unerbittlichen Schläge der Regierung sausten, diese Sozialdemokraten, deren führende Größen entweder ins Ausland geflüchtet waren oder im Konzentrationslager saßen oder sich aus Angst ihres schlechten Gewissens in den Gefängniszellen erhängten, diese Partei, deren größte Schreier in Parlamenten und Öffentlichkeit jetzt kampflos kapitulierten, – diese Partei war reif zum Verschwinden. Unaufhaltsam lösten sich die Organisationen der Partei auf. Die Mitglieder traten aus der Partei aus oder weigerten sich, Beiträge zu zahlen. Die Zeitungen, die keine Betriebsmittel mehr hatten, gingen in Konkurs. Im Reichstag wie in den Länderparlamenten legten die sozialdemokratischen Abgeordneten in großer Zahl ihre Mandate nieder. In Braunschweig verzichtete die sozialdemokratische Partei Mitte April auf die Einreichen von Wahlvorschlägen für die Parlamente in Stadt und Land.

[270] Mit den Kommunisten war der Kampf erheblich schwerer. Ununterbrochen mußte die Polizei ihre ganze Aufmerksamkeit auf die getarnten, fanatischen Reichsfeinde richten. Immer neue Waffenlager, Geheimdruckereien, Paßfälscherzentralen wurden ausgehoben. In Schlupfwinkeln und Verstecken wurden geheime Zentralen gefunden, die Greuelmärchen über Judenverfolgungen fabrizierten und ins Ausland verschickten. In Recklinghausen wurde eine Sprengstofforganisation verhaftet, im Bahndamm Bottrop-Recklinghausen wurde eine Fülle von Sprengmaterial entdeckt. In Düsseldorf beschlagnahmte die Polizei 4 Kilogramm Zyankali, womit die S.A. vergiftet werden sollte! In Breslau wurden Pläne zur Vorbereitung des Bürgerkrieges und zahlreiche Waffen vorgefunden. In den Schulen entfalteten kommunistische Lehrer eine rege, geheime Tätigkeit.

In Hamburg verübten die Kommunisten am Abend des 1. April ein verheerendes Bombenattentat auf das nationalsozialistische Verkehrslokal, nachdem auch schon am Bismarckdenkmal Bomben gefunden worden waren. Zwei Tage später wurde wieder in Hamburg eine Bombe gefunden, die eine Stahlhelmversammlung sprengen sollte, eine Flügelmine und ein Artilleriegeschoß! Mitte April wurde in der Nähe von Dresden, in Mittweida, eine kommunistische Bürgerkriegsgruppe ausgehoben. Diese Entdeckung führte erneut zu umfangreichen Waffenfunden in Sachsen. In Mainz wurde Ende April eine illegale kommunistische Wahl- und Hetzzentrale ausgehoben. Auch im Ruhrgebiet konnte wieder eine Fülle von Waffen und Munition sichergestellt werden. In Oberbayern gelang es Anfang Mai, ein kommunistisches Waffenlager auszuräumen.

Der Kampf gegen die Kommunisten schien ein endloser Kampf zu sein. War ein Funktionär verhaftet worden, tauchte ein neuer aus der Tiefe auf, war ein Waffenlager ausgehoben worden, entdeckte man nach zwei Wochen an derselben Stelle ein noch viel größeres! Der Staat hatte einen Kampf gegen Anarchie und Verbrechen zu führen, wie er selten so hartnäckig geführt werden mußte! Die Kommunisten ersannen immer neue Mittel der Unterhöhlung des [271] Staats. So strömten sie, wie übrigens auch das Reichsbanner, in geschlossenen Scharen in den Stahlhelm und die Deutschnationale Volkspartei, um, wie sie meinten, von innen heraus den nationalsozialistischen Staat zu zerstören. Doch der war auf der Hut, diese Vorgänge entgingen ihm nicht!

Unerbittlich ging die Preußenregierung gegen die Totengräber deutscher Kultur und Staatsordnung, gegen die "Fremdenlegionäre Moskaus" vor. Bereits Ende März setzte Kerrl in 13 preußischen Städten Sondergerichte ein. Unermüdlich wurden die Kommunisten in die Konzentrationslager überführt, ihre Zahl in Preußen stieg auf 10 000. Eine ganz besonders wichtige Maßnahme zur Niederkämpfung des Bolschewismus war die Errichtung des Geheimen Staatspolizeiamtes, die Göring Ende April anordnete. Diese neue Behörde unterstand unmittelbar Göring und hatte die Aufgabe, alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen zu erforschen und zu bekämpfen; zu diesem Zwecke wurden ihr eigene Exekutivkräfte zugeteilt. Sie hatte das Recht, Eigentum und persönliche Freiheit zu beschränken, in das Vereins- und Versammlungsrecht, in das Brief-, Post-, Telephon- und Telegraphengeheimnis einzugreifen, Druckschriften zu beschlagnahmen und einzuziehen und Zeitungen und Zeitschriften zu verbieten. Dieses Geheime Staatspolizeiamt wurde jene mächtige und gefürchtete Behörde, wie sie sich bei allen entschlossenen Revolutionen zum Schutze des neuen Staates als notwendig erwies.

Das letzte Ziel des Nationalsozialismus mußte notgedrungen die Totalität seiner Revolution sein. Er mußte also nicht nur den Marxismus bekämpfen, sondern auch die Beseitigung des Liberalismus und seiner Parteien anstreben. Diese zweite Aufgabe war natürlich wesentlich schwieriger als die erste, da ein offener Kampf gegen die bürgerlichen Parteien in den Formen, wie er gegen den Marxismus geführt wurde, nicht möglich war. Hier hing die Entscheidung allein von der viel gewaltigeren Lebenskraft und zentripetalen Anziehungswucht der nationalsozialistischen Bewegung ab, die schließlich durch ihre Wucht und Größe alle kleinen, unentschlossenen Splitter- [272] gruppen aufsog. Es war eine Entwicklung, die allein von der Zeit und der werbenden Kraft des Nationalsozialismus abhing.

  Nationalsozialismus  
und Zentrum

Das Zentrum, wohl noch die einzige beachtliche Partei außerhalb des Nationalsozialismus, fühlte sich in seinen Entschlüssen gelähmt. Der rechte Flügel der Partei, von Kaas geführt, war zu positiver Mitarbeit an der nationalen Regierung bereit. Kaas ließ Verhandlungen mit Regierungsstellen führen, deren Zweck eine Annäherung und insbesondere der Schutz der dem Zentrum angehörigen Beamten war. Die Haltung des Zentrums im Reichstag am 23. März und im Preußischen Landtag am 22. März bewies den Willen zur Mitarbeit. Der linke Flügel befürwortete die Opposition. Die Bischöfe selbst waren bemüht, dem Zentrum den Weg zur Zusammenarbeit mit Hitler zu ebnen. Die früher vom Klerus gegen die Hitlerbewegung ergangenen Verbote wurden aufgehoben. Der Erzbischof von Köln, Kardinal Schulte, verkündete Ende März in seiner Diözese den Beschluß der Fuldaer Bischofskonferenz, der in folgendem gipfelte:

      "Die Oberhirten der Diözesen Deutschlands haben aus triftigen Gründen in ihrer pflichtmäßigen Sorge für Reinerhaltung des katholischen Glaubens und für den Schutz der unantastbaren Aufgaben und Rechte der katholischen Kirche in den letzten Jahren gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eine ablehnende Haltung durch Verbote und Warnungen eingenommen, die so lange und die soweit in Geltung bleiben sollten, wie diese Gründe fortbestehen. Es ist nunmehr anzuerkennen, daß von dem höchsten Vertreter der Reichsregierung, der zugleich autoritärer Führer jener Bewegung ist, öffentlich und feierlich Erklärungen gegeben sind, durch die der Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und den unveränderlichen Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung getragen sowie die voll inhaltliche Geltung der von den einzelnen deutschen Ländern mit der Kirche abgeschlossenen Staatsverträge durch die Reichsregierung ausdrücklich zugesichert wird. Ohne die in unseren früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt daher der Episkopat, das Vertrauen hegen zu können, daß die vorgezeichneten [273] allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen."

Die Initiative des Strebens nach innerem Ausgleich, nach Versöhnung ging ebenso sehr vom Nationalsozialismus wie vom Zentrum aus. Die Totalität der nationalsozialistischen Revolution konnte nicht im primitiven und elementaren Zerbrechen der alten Formen und Systeme bestehen, sondern darüber hinaus mußte der Gedanke des großen völkischen Ausgleichs und der endgültigen Versöhnung stehen, um den im Widerstande beharrenden Geist derartiger Organisationen nachhaltig zu überwinden. Adolf Hitler durfte jetzt dem Zentrum als der stärksten Partei außerhalb des Nationalsozialismus nicht mehr als Parteimann, sondern er mußte ihm als Staatsmann gegenübertreten mit jenem offenen Herzen, das es ablehnt, Widerwärtigkeiten nachzutragen und Haß zu säen, sondern das Versöhnung ernten will. Papen bezeichnete deshalb als das Ziel der Politik der Regierung:

      "Das vordringlichste, weil für den inneren Frieden bedeutungsvollste, ist die Befreiung des deutschen Katholizismus aus den liberalistischen Parteiformen, die Beseitigung doktrinärer Mißverständnisse im kulturellen Programm der N.S.D.A.P. und damit die Herstellung einer gemeinsamen Front beider christlicher Konfessionen für den geistigen Neubau des Reiches."

Anfang Mai trat Kaas von der Leitung der Partei zurück, Brüning wurde sein Nachfolger. Dieser Wechsel bedeutete ein Bekenntnis des Zentrums zu seinem bisherigen politischen Kurs. Zugleich aber ging die Partei zum Führerprinzip über, indem sämtliche Vollmachten dem neuen Vorsitzenden übertragen wurden, auch das Recht, alle personellen Veränderungen selbständig vorzunehmen. Die Wahl Brünings bedeutete keine Kampfansage an Hitler. Zwischen Hitler und Brüning bestanden persönlich gute Beziehungen, war doch in einem früheren Stadium der Verhandlungen zwischen Nationalsozialismus und Zentrum davon die Rede, daß Brüning in einem Kabinett Hitler Außenminister werden sollte. Brüning war vor allem ein Mann, in dessen politischer Vergangenheit nicht so dunkle Flecke bestanden wie bei Kaas, der ehemals mit separatistischen Strömungen des Rheinlandes zusammen- [274] gearbeitet hatte. Insofern eignete sich Brüning besser zur Heranführung des Zentrums an den Nationalsozialismus als Kaas.

Die Volkspartei und die Wirtschaftspartei gingen im April an ihrer eigenen Schwäche ein. Zwar setzte sich Dingeldey dafür ein, daß die Deutsche Volkspartei weiterhin am Leben bleiben und am Werke der nationalen Wiedergeburt mithelfen sollte, jedoch in den Provinzen war man weitblickender als in der Zentrale. Nachdem die volksparteilichen Landesleitungen in Hamburg, Rheinland, Westfalen ihre Auflösung beschlossen und ihren Mitgliedern den Anschluß an die N.S.D.A.P. empfohlen hatten, und nachdem andere Landesleitungen diesem Beispiel folgten, mußte Ende April auch die Parteileitung ihrem Schattendasein ein Ende machen. Diesem Beispiel folgte die Wirtschaftspartei, so daß auch diese Ende April verschwunden war.

Daß auch die Auseinandersetzung innerhalb der Regierungsparteien folgen mußte, lag in der Entwicklung der Dinge. Es stand außer jedem Zweifel, daß von den drei Faktoren Nationalsozialismus, Stahlhelm und Deutschnationale Volkspartei der Nationalsozialismus die stärkste war. Ebensowenig zweifelhaft war, daß die beiden großen Träger elementarer Gegensätze, Hitler und Hugenberg, auf die Dauer nicht zusammenarbeiten konnten. Auch hier hing, wie im Zentrum und in den liberalistischen Parteien, der Enderfolg vom Ergebnis der Richtungskämpfe ab, in deren Verlauf die widerstrebende Opposition schließlich überwunden wurde.

Zusammenstöße
  mit dem Stahlhelm  

Der parteipolitisch nicht gebundene Stahlhelm schloß sich am ersten enger an den Nationalsozialismus an. Im Stahlhelm rangen im April und Mai zwei Richtungen miteinander: die Seldterichtung, die anfänglich schwächere, welche zu Hitler hinstrebte, und die Düsterbergrichtung, die anfänglich stärkere, die bei Hugenberg beharrte. Hieraus ergaben sich zunächst schwere Spannungen zwischen Nationalsozialismus und Stahlhelm. Ein ernster Ausbruch dieser Spannungen war der Braunschweiger Konflikt.

In Braunschweig wurde am 28. März in der Morgenfrühe der Stahlhelm von der Regierung aufgelöst, die Stahlhelmhilfs- [275] polizei wurde entwaffnet. Der Grund war, daß durch den Übertritt geschlossener Reichsbanner- und Kommunistenformationen der Stahlhelm überwiegend marxistisch geworden war und sich sogar Angriffe auf Nationalsozialisten zu schulden kommen ließ. Solche marxistischen Formationen, die auf Befehl der Reichsbannerleitung geschlossen zum Stahlhelm übergetreten waren, um den Kampf gegen Hitler aktiv betreiben zu können, zogen durch die Straßen und riefen Freiheil, Frontheil, Rot Front, Nieder mit Hitler! Mit solchen Methoden konnte, wenn nicht durchgegriffen wurde, sich eine schwere Gefahr für die nationale Regierung entwickeln. In Braunschweig wurden allein rund 1400 solcher marxistischen "Stahlhelmer" verhaftet! Der Landesführer Schrader hatte, und das war bedenklich, Düsterberg über seine Taktik informiert und ihm mitgeteilt, daß er unter Umständen bereit sei, mit bewaffneter Macht einen Druck auf den nationalsozialistischen Minister Klagges auszuüben. Die Vermittlung Seldtes erreichte, daß das Braunschweiger Stahlhelmverbot am 1. April aufgehoben und ein durchgreifender Personenwechsel vorgenommen wurde. Die zunächst in großer Zahl verhafteten Stahlhelmführer wurden zumeist wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Zersetzung des Stahlhelms durch Marxisten von innen heraus wurde einmütig von der Stahlhelmleitung, den Nationalsozialisten und Deutschnationalen verurteilt.

Die nationalsozialistische Regierung Thüringens und Oldenburgs zogen aus dem Braunschweiger Fall die Folgerung, indem sie am 28. März dem Stahlhelm und allen nationalen Organisationen verboten, Marxisten vor Ablauf einer neunmonatigen Bewährungsfrist als Mitglieder aufzunehmen.

Inzwischen war es in der Pfalz zu Reibungen zwischen Nationalsozialisten und Stahlhelm gekommen. Dort war der Stahlhelmführer von Minister Seldte bevollmächtigt worden, dem Arbeitsministerium unmittelbar Vorschläge zur Umbesetzung in Arbeitsämtern und Krankenkassen zu machen. Der nationalsozialistische Regierungskommissar befürchtete personell einseitiges Verhalten des Stahlhelm, ließ Arbeitsämter und Krankenkassen durch S.A.-Leute besetzen und am 28. und 29. März fast sämtliche Stahlhelmführer verhaften, [276] weil der Stahlhelm eine Gegenrevolution vorbereite. Wieder vermittelte Seldte bei Hitler, so daß der Reichskanzler sofortige Aufhebung der Verhaftungen verfügte und einen besonderen Kommissar in die Pfalz entsandte.

In Thüringen war der Stahlhelm über die Regierungsverfügung vom 28. März unwillig, die Landesleitung erklärte, sie sei ungerechtfertigt und einseitig ungerecht. Hieraus ergab sich eine Spannung zu den Nationalsozialisten, die sich bis zum Abbruch der Beziehungen zwischen Landesregierung und Stahlhelm steigerte. Erst Mitte April wurde der Streit zwischen Stahlhelm und Innenministerium beigelegt: man einigte sich auf eine sechsmonatige Probezeit für ehemalige Marxisten.

  Seldtes Weg zu Hitler  

Wenn auch Seldte immer wieder und bei jeder Gelegenheit betonte, daß zwischen den grauen und braunen Streitern engste Kameradschaft, Treue und Schicksalsgemeinschaft zu bestehen habe, so blieben starke lokale Spannungen zwischen beiden Organisationen allerorten zurück. Seldte sah den Grund in diesen Spannungen darin, daß die deutschnationale Richtung am zweiten Bundesführer Düsterberg einen starken Rückhalt hatte. Schon seit Ende März stellte Seldte dem zweiten Bundesführer vor, daß die einheitliche Leitung im Stahlhelm notwendig sei, er legte Düsterberg nahe, sein Amt als zweiter Bundesvorsitzender niederzulegen und wieder in die mitteldeutsche Landesleitung zurückzukehren. Aber Düsterberg lehnte das ab. Dadurch blieb eine Quelle steter Spannung und Beunruhigung erhalten, da zwischen Seldte und Düsterberg kein einheitlicher politischer Wille mehr bestand. Es ergab sich hieraus die Gefahr, daß der Stahlhelm eines Tages zerfallen oder von Adolf Hitler verboten und aufgelöst werden konnte, da seine inneren Auseinandersetzungen die innere Kampfkraft der nationalen Front zu schwächen geeignet waren.

Seldte, der weitblickende Politiker, erkannte, daß, um den Stahlhelm zu erhalten, die Entfernung Düsterbergs notwendig sei. Seldtes Ostergespräche mit Hitler in Berchtesgaden und weitere Verhandlungen mit Röhm förderten die Vereinigung der Beziehungen zwischen S.A. und Stahlhelm. Die Führungen beider Seiten bekundeten den aufrichtigen Willen zu kamerad- [277] schaftlicher Zusammenarbeit. Ein Beweis dieser Annäherung war das Telegramm, das Seldte zugleich mit Willen Düsterbergs dem Kanzler zu seinem Geburtstage am 20. April übersandte: Der Stahlhelm versicherte, daß seine geschlossene Kampfkraft hinter dem Kanzler stehe.

      "Unter Ihrer Führung, Herr Reichskanzler, wollen wir Ihr gewaltiges Werk, die Schaffung der deutschen Nation, vollenden helfen."

Die Richtung Seldte hatte seit Ostern die Oberhand gewonnen über die Richtung Düsterberg. Die Übertritte von Landesführern, Gauführern und Unterführern zur Nationalsozialistischen Partei mehrten sich, und die Erstarkung des nationalsozialistischen Flügels führte dazu, daß Seldte am 26. April Düsterberg von seinen Amtspflichten entband und ihm jede Tätigkeit im Stahlhelm untersagte. Es müsse die Einheit in der Führung des Stahlhelms hergestellt werden; außerdem traf auf Düsterberg nicht der Arierparagraph des neuen Beamtengesetzes zu, da sein väterlicher Großvater jüdischer Herkunft war.

Der Fall Düsterbergs war von derselben inneren Tragik erfüllt wie der Sturz Gregor Strassers im Januar: ein alter Kämpe mußte weichen. Die Verdienste Düsterbergs um den Stahlhelm, besonders in Mitteldeutschland, stehen außer jedem Zweifel: er war ein nimmermüder Kämpfer, der sich mit ganzer Seele und großer Begeisterung in den Dienst des Frontkämpferbundes gestellt hatte. Dennoch aber versagte Düsterberg im letzten Augenblick, wie Strasser. Beide Männer fielen, weil sie sich gegen Adolf Hitler stellten. Der Nationalsozialismus aber durfte keine Gegner dulden, wenn er sich nicht selbst aufgeben wollte. Härte war sein oberstes Gesetz: Die Idee stand über den Persönlichkeiten.

Am nächsten Tage, dem 27. April, erklärte Franz Seldte, daß er in die Nationalsozialistische Partei eingetreten sei und sich sowie den von ihm geführten Stahlhelm der Führung Adolf Hitlers unterstelle. Die zornigen Deutschnationalen verlangten, daß Seldte nun sein Reichstagsmandat niederlegen sollte. Das lehnte er aber ab. Dagegen trat jetzt mancher deutschnationale Stahlhelmführer von seinem Amte zurück. –

Hugenbergs Bemühungen
  um Erhaltung seiner Partei  

Die Entwicklung im Stahlhelm war ein außerordentlich schwerer Schlag für Hugenberg und die Deutschnationale [278] Volkspartei. Wenn auch Hugenberg um keinen Preis gewillt war, die Selbständigkeit seiner Partei zugunsten der Nationalsozialisten aufzugeben – Hugenberg hatte immer noch die unverständliche Hoffnung, daß er und seine Partei eines Tages zur Führung Deutschlands berufen seien – so wurde auch seine Partei von schweren Richtungskämpfen erschüttert. Es gab eine Strömung, die noch orthodoxer als Hugenberg war und die auf enge Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten hinstrebende Politik des Vorsitzenden mißbilligte, aber sie war doch die schwächere. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Oberfohren gehörte ihr an. Oberfohren war mit der Entwicklung seit dem 30. Januar nicht einverstanden und legte seinen Standpunkt in der Fraktionssitzung vom 24. März dar. Unmittelbar darauf ließ die Berliner Polizei bei der Berliner Sekretärin Oberfohrens eine Haussuchung vornehmen, die gegen den Parteivorsitzenden gerichtete anonyme Rundschreiben Oberfohrens zu Tage förderte. Auf Grund dieser Vorgänge legte Oberfohren den Fraktionsvorsitz und das Mandat nieder. Am 9. April trat der deutschnationale Staatssekretär von Bismarck im Reichsinnenministerium zurück. Bismarck war ein Parteigänger Oberfohrens gewesen. Er wollte eine Rundfunkrede halten, in der er sich mit der Monarchie befassen wollte. Dies ließ die Regierung nicht zu. Zwischen den Nationalsozialisten und einer Gruppe Deutschnationaler bestanden also starke Spannungen, die gelegentlich zur Entladung kamen.

In seiner Rede vor der Reichstagsfraktion am 11. April erklärte Hugenberg, daß die Partei ein loyales und lebendiges Glied der nationalen und sozialen Gemeinschaft sei und bleibe und als vollwertiger und selbstbewußter Mitkämpfer betrachtet zu werden wünsche. Die Deutschnationale Volkspartei sei ein notwendiges Glied der Phalanx der Zukunft! Sie sei die Bürgin, daß sich die Revolution von 1933 nicht in Radikalismus, Geschichtslosigkeit überschlage und in geistiger und materieller Zerstörung ende, sondern eine deutsche Auferstehung, ein neuer Frühling des Volkes werde. Allerdings bestand für derartige Gedanken keinerlei Berechtigung mehr, seitdem der Reichskanzler Hitler sich klar und bewußt zur Fort- [279] führung der großen preußischen und deutschen Tradition bekannt hatte.

Eine Aktivierung der Deutschnationalen setzte auf allen Gebieten ein: sie verkündeten ein Programm der Mittelstandspolitik, organisierten Volkswirte, Ärzte und Zahnärzte sowie Juristen in besonderen Fachgruppen, und nach Ostern, Mitte April wurde eine große Parteireform durchgeführt. Die Partei wurde aus ihrer liberalistischen Organisation der Vorsitzenden und Vorstände herausgenommen und einem, der Nationalsozialistischen Partei nachgeahmten Führeraufbau unterworfen. Die Führer wurden nicht mehr von unten her gewählt, sondern von oben her berufen. Auch der von der Partei bisher stark vernachlässigte völkische Gedanke wurde plötzlich stark in den Vordergrund gerückt. Hugenberg war mit allen Kräften bemüht, seine Parteimacht gegen Hitler zu behaupten.

Doch seine Stellung wurde in dem Maße erschüttert, als der Stahlhelm immer näher an Hitler heranrückte. Der Druck gegen Hugenberg war bereits um den 20. April herum so stark, daß hartnäckige Gerüchte über ein Ausscheiden des Parteiführers aufkamen. Hugenberg trat allen diesen Vermutungen entgegen: es sei nötig, daß er als Garant der deutschnationalen Weltanschauung und gemäß den Abmachungen des Januar als alleiniger Wirtschaftsführer in der Regierung verbleibe, und im übrigen sei das Weiterbestehen der gegenwärtigen Reichsregierung die Voraussetzung für das vom Reichstag bewilligte Ermächtigungsgesetz. Doch schon die preußische Regierungsbildung am 21. April zeigte, daß Hugenbergs Stellung stark erschüttert war. Der Druck der nationalsozialistischen Bauern verhinderte, daß Hugenberg zum Preußischen Minister für Landwirtschaft und für Wirtschaft und Arbeit ernannt wurde. Er verwaltete beide Ministerien kommissarisch weiter. Die Bedeutung der Deutschnationalen war also schon so weit gesunken, daß ihr Parteiführer nicht mehr für einen festen preußischen Ministerposten ernstlich in Frage kam.

  Zerfall der Deutschnationalen  

So verzweifelte Anstrengungen Hugenberg auch unablässig machte, seine Partei zu erhalten, seine Mitglieder liefen ihm davon. In Braunschweig trat der Vorstand und eine große Anzahl Mitglieder zur Nationalsozialistischen Partei über, die [280] Abgeordneten folgten, so daß im Braunschweiger Landtag nur eine Nationalsozialistische Partei von 33 Mitgliedern vorhanden war, und kurz darauf, am 6. Mai, nach Ernennung des Reichsstatthalters, trat der braunschweigische deutschnationale Minister Küchenthal zurück, im "vollen Einverständnis mit Minister Klagges."

Die Absetzung Düsterbergs bedeutete für die Deutschnationalen einen außerordentlich schweren Schlag. Jetzt waren sie im Stahlhelm entwurzelt. Immer mehr drängten die Anhänger der Deutschnationalen, besonders die Jugend, zu Hitler hin. Der Kampfringführer der Deutschnationalen in Bochum, Dr. Badeney, schrieb bereits kurz vor Düsterbergs Rücktritt in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung, man müsse doch fragen, ob die Deutschnationale Partei noch weiter selbständig bleiben dürfe, oder ob sie sich nicht vielmehr, wie der Stahlhelm, organisatorisch als Glied eines untrennbaren Ganzen in die große Armee des nationalen Freiheitskampfes eingliedern müsse. Er bejahte die Frage. Was hatte es auch für Sinn, eine kleine Partei, die den Nationalsozialismus äußerlich nachahmte, innerlich aber reaktionär war, noch am Leben zu erhalten? Aber Hugenberg hatte, obwohl der Kreis der Unerschütterlichen um ihn immer kleiner wurde, keinen Sinn für das Drängen und Gären in und außerhalb der Partei. Er verlangte die Anerkennung der Gleichberechtigung der Deutschnationalen, er protestierte gegen jede vermeintliche Benachteiligung Deutschnationaler, die allerdings, wo sie stattfand, nicht aus menschlicher Willkür kam, sondern im elementaren Ablauf der Dinge begründet war. Gar mancher der an hervorragender Stelle stehenden Männer, die deutschnational waren, war auf irgendeine Art in irgendeine Korruptionsaffäre verwickelt oder zum wenigsten stark damit belastet. In den letzten Apriltagen erhob Hugenberg beim Reichskanzler Einspruch gegen Übergriffe und unkameradschaftliche Handlungen nationalsozialistischer Stellen gegen deutschnationale Beamte, Richter, Lehrer, Jugendverbände, Zellenorganisationen. Er schlug vor, daß alle, die sich 1929 in die Listen des Volksbegehrens gegen den Youngplan eingezeichnet hätten, als nationale Kämpfer besonderer Ehre teilhaftig [281] würden. Doch in den Verhandlungen Hugenbergs mit Hitler und Göring zeichnete sich immer deutlicher die kommende Entwicklung ab, die auf ein Verschwinden der Deutschnationalen, auf ihr Aufgehen im Nationalsozialismus hinstrebte.

Daran konnte auch die am 3. Mai erfolgte Umbenennung der Deutschnationalen Volkspartei in "Deutschnationale Front" kaum noch etwas ändern. Auch verschärften sich Anfang Mai wieder die Gegensätze zwischen Hugenberg und den Nationalsozialisten. Göring wollte Hitler vorschlagen, daß dieser als Reichsstatthalter von Preußen den nationalsozialistischen Landbundpräsidenten Willikens zum preußischen Landwirtschaftsminister ernennen solle. Hugenberg bezeichnete diesen Vorschlag als einen Eingriff in sein Arbeitsgebiet, in den Vereinbarungen des 30. Januar sei ihm die gesamte Wirtschaftspolitik in Reich und Preußen übertragen worden. Würden diese Vereinbarungen nicht eingehalten, dann werde er, Hugenberg, aus der Reichsregierung ausscheiden. Doch es kam noch nicht dahin: in einer Unterredung zwischen Hugenberg und Hitler am 6. Mai wurde der Ausweg erwogen, daß Willikens nicht preußischer Landwirtschaftsminister, sondern Staatssekretär in diesem Ministerium werden solle. Trotzdem blieben die tiefen sachlichen Gegensätze bestehen. Die Nationalsozialisten forderten, um das Siedlungswesen kräftig vorwärts zu bringen, eine umfassende Enteignung des innerlich vollkommen brüchigen Großgrundbesitzes in Ostdeutschland. Hugenberg aber widerstrebte diesem Angriff auf die deutschnationalen Latifundienbesitzer.

Der Selbstmord Oberfohrens am 7. Mai in Kiel war gleichsam das Symbol für den Bankrott, den das liberalistische Bürgertum nationaler Färbung, jenes Bürgertum der versunkenen Ära, das sich als Klasse im Gegensatz zum Volke befand, in den umwälzenden Frühjahrswochen 1933 erlebte. Vor der Forderung der absoluten Ehrenhaftigkeit, die der Nationalsozialismus gegen Egoismus, Intrigantentum und Korruption erhob, konnten die morschen Kräfte der Vergangenheit sich nicht mehr behaupten.

[282] Anfang Mai konnte der Marxismus und Liberalismus in Deutschland als beseitigt gelten. Der erstarrte Parteienstaat des alten Systems war gänzlich zerweicht worden, und das Verschwinden einiger harter Überreste, die noch übrig geblieben waren, stand in nicht allzulanger Zeit bevor. –

Adolf Hitler und seine Mitarbeiter hatten aber auch bereits mit starker Hand die Neuordnung der Volksgenossenschaft in einheitlich zusammengefaßten und in einem Willen verbundenen Arbeitsständen vorbereitet. An Stelle gegensätzlicher Interessenbegehren und egoistischer Nützlichkeitsbestrebungen wurde der arbeitsständische Gemeinschaftsgeist und Gemeinschaftswille des ganzen deutschen Volkes gesetzt.

  Bildung der Bauernfront  
im Nationalsozialismus

Der Wille zur großen, geschlossenen völkischen Einheit offenbarte sich zuerst im Bauernstande. Die Bauern waren ein Hauptträger der deutschen Revolution gewesen. So, wie die proletarische Revolte vom November 1918 ihren Ausgang von den großen Städten nahm, so war die Gegenbewegung, die deutsche Revolution, vornehmlich das Werk des flachen Landes gewesen. Von den Bauern ging nun die Initiative zur Fortführung des revolutionären nationalsozialistischen Werkes aus. Der Reichslandbund, dessen beide Präsidenten Willikens und Meinberg Nationalsozialisten waren, entschloß sich in einer Bundesvorstandssitzung am 22. März, "das Landvolk sämtlicher deutscher Stämme und Gaue zu der alle Teile des Vaterlandes umfassenden freien Kampforganisation des deutschen Bauern im neuen Reiche zu sammeln." Am 28. März wurden die Vereinigung der deutschen christlichen Bauernvereine, die Deutsche Bauernschaft, der Bayerische Bauernbund und die Nationalsozialistische Bauernschaft zum 4. April nach Berlin eingeladen, um die Vereinigung durchzuführen. Der Vorstand der Vereinigung der deutschen christlichen Bauernvereine wählte den Freiherrn von Lüninck, der sich seit Jahren um eine Zusammenlegung bemühte, zum Vorsitzenden und nahm bereits am 27. März, ehe er die Einladung des Reichslandbundes erhielt, die Entschließung einer Verschmelzung mit dem Reichslandbund an.

Reibungslos vollzog sich am 4. April die Vereinigung des deutschen Bauerntums. Der Leiter des agrarpolitischen Appa- [283] rates der N.S.D.A.P., Walter Darré, führte die Einigungsverhandlungen und wurde auf einstimmigen Beschluß der Versammelten zum Führer der neugegründeten Reichsführergemeinschaft des deutschen Bauernstandes bestimmt, welcher drei Millionen deutscher Bauern hinter die Regierung Adolf Hitlers scharte.

Zum ersten Male hatten alle deutschen Bauern den Zusammenschluß ihres Standes erreicht. Das, was die Sehnsucht der Bauernkriege, das Ziel des Freiherrn vom Stein war, wurde nun Tatsache, Wirklichkeit: aus freiem Willen hatten die deutschen Bauern ihre geeinte Standesvertretung geschaffen. Dieser Erfolg war nur aus dem Geiste des Nationalsozialismus möglich. Das große Ziel dieses Werkes war, einen kräftigen, gesunden, mit der Scholle unlösbar verbundenen Bauernstand zu schaffen, der ein tüchtiges und zuverlässiges Fundament von Volk und Reich sein sollte. Dieser Bauernstand sollte den liberalistisch-kapitalistischen Einflüssen, die ihn in den letzten 15 Jahren fast vernichtet hatten, entzogen werden. Weiter aber hatte die Bauernfront das Ziel, diesen Bauernstand zu mehren, indem sie das Siedlungswesen tatkräftig unterstützte. Allerdings sollte nicht wahllos gesiedelt werden, sondern die Siedler sollten nach dem Grundsatz der Leistungswürdigkeit ausgewählt werden: es mußte dem deutschen Sittengesetze entsprechen, daß Boden nur der besitzen dürfe, der gewillt sei, die Scholle zu bewirtschaften. Vor allem mußte in dem entvölkerten Osten ein starker Menschenwall kräftiger und zuverlässiger Siedler gegen das andrängende Slawentum errichtet werden.

Der neu geeinte Bauernstand war alsbald ein Faktor in der Politik Hitlers. Mit aller Macht widersetzten sich die Bauern dem Bestreben Hugenbergs Ende April, auch in Preußen Landwirtschaftsminister zu werden, wie er Reichsernährungsminister war: sie wollten einen Nationalsozialisten haben. Hugenberg war für sie der Vertreter des Großgrundbesitzes, nicht der Mann der Bauern. Vor allem traten sie entschlossen den deutschnationalen Wünschen entgegen, daß Herr von Gayl oder Herr von Oldenburg-Januschau Siedlungskommissar werden sollte. Gerade jene beiden gehörten der Gruppe von [284] Großgrundbesitzern an, die bisher eine großzügige und entschlossene Ostsiedlung zu verhindern gewußt hatten.

  Preußisches Erbhofrecht  

Das erste positive Ergebnis der nationalsozialistischen Bauernpolitik war das Erbhofrecht, das der preußische Justizminister Kerrl ausgearbeitet hatte und das vom preußischen Staatsministerium am 15. Mai verabschiedet wurde und am 1. Juni in Kraft trat. Dieses Erbhofrecht sollte den Bauern von kapitalistischen Einflüssen frei machen und fest in der Scholle verankern. Es wurde bewußt der Bauer vom kapitalistischen Latifundienbesitzer getrennt. Als Bauer galt, wer persönlich seinen Hof ohne Vorwerke bewirtschaftet und auf ihm die Ackernahrung findet. Der Bauernhof wurde aus dem Kreis des römischen Rechts, wo er lediglich den Charakter als Ware besaß, herausgelöst und in das deutsche Recht, wo er Besitz und Verpflichtung der Sippe sei, zurückgeführt. Im Sachsenspiegel heißt es: "Der Bauer hat nur ein Kind." Und so hatte auch jetzt der Bauer grundsätzlich nur ein erbberechtigtes Kind, die andern Kinder hatten Recht auf angemessene Erziehung, Ausstattung bis zur Volljährigkeit gegen Arbeitsleistung und Heimatzuflucht, d. h. sie konnten jederzeit, wenn das Leben sie mit Schicksalsschlägen verfolgte, auf den Hof des Erbbruders zurückkehren und als Knechte dort mitarbeiten. Auf diese Weise sollte verhindert werden, daß der Bauernhof durch Auszahlung der Brüder und Schwestern hypothekarisch belastet und überschuldet wurde. Wenn ein Bauer eine nicht deutschstämmige Frau heirate, sollten seine Nachkommen bauernunfähig sein. Ein Erbgerichtshof beim Oberlandesgericht in Celle sollte etwa sich ergebende Streitigkeiten und Klagen entscheiden.

Dieses Erbhofgesetz war der erste Ausdruck für die grundsätzlich neue Richtung deutscher Bauernpolitik. Etwas ähnliches gab es ja schon in Westfalen, wo 1904: 48 000 Besitzungen unter Anerbenrecht standen und in Hannover, wo 1907: 73 213 Besitzungen in die Höferolle eingetragen waren. Diese Maßnahmen waren aber freiwillige. Durch das neue Gesetz wurden sie nicht nur obligatorisch gefordert, sondern auch auf ganz Preußen ausgedehnt. Es waren tief einschneidende Bestimmungen, deren Zweck mit bewußter Tendenz gegen den [285] Großgrundbesitz die Schaffung eines starken, schuldenfreien, bodenverbundenen Bauerntums war. Wie ein durch Raubbau verwüsteter Wald systematisch und allmählich durch Anpflanzen junger Bäume zu neuem Leben erwachsen kann, so sollte das durch die letzten Jahrzehnte arg bedrängte deutsche Bauerntum durch sorgsame Pflege zu einer neuen, und zwar außerordentlich festen Stütze von Volk und Reich herangebildet werden. –

Deshalb galt von Anfang an die ganz besondere Fürsorge der Regierung dem Bauernstande. Es wurden im April Gesetze zum Schutze der Fettwirtschaft, des Wein-, Obst-, Gemüse- und Hopfenbaues, ferner zur Senkung der Gebühren an den Vieh- und Fleischmärkten sowie zur Erleichterung der Zwangsverwaltung und zum Vollstreckungsschutz für Pächter geschaffen. Eine Margarinesteuer wurde eingeführt. Den notleidenden Bauern in den Gebirgsgegenden des Regierungsbezirks Trier wurden 20 000 Zentner Roggen Ende März von der Reichsregierung vollkommen unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

  Säuberung der Gewerkschaften  

Von ebenso großer Wichtigkeit aber war die Eingliederung des Arbeiterstandes in den neuen deutschen Staat.

Eine der ersten Sorgen der Regierung Hitler galt den Gewerkschaften. Es gab hier und da weltfremde Menschen, die da glaubten, Hitler wollte die Gewerkschaften zerschlagen. Er dachte nicht daran, die Standesvertretung der Arbeiterschaft zu zerstören, sondern sein Ziel war ihre Neuorganisation: Beseitigung der liberalistischen Vielheit mehrerer Dutzend gewerkschaftlicher Verbände, die im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, in den Christlichen und in den Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaften enthalten waren, Befreiung von parteipolitischen Einflüssen und vom jüdischen Bonzentum, und Zusammenfassung in einem obersten leitenden Willen: die Arbeiterschaft sollte ein Stand im Staate werden.

Die Besetzung der Gewerkschaftshäuser durch die S.A. nach dem 5. März war auf den Protest der Gewerkschaften hin rückgängig gemacht worden. Die Gewerkschaften versprachen "Gleichschaltung". Aber die Leitung der Nationalsozialistischen [286] Partei, die in der nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation bereits die Keimzelle eines neuen gewerkschaftlichen Aufbaues besaß, wollte die Gewerkschaften als Standesvertretungen der Arbeiter aufs innigste mit dem neuen Staate und Adolf Hitler verbinden. Auf der Führertagung am 21. April in München führte Dr. Ley folgendes aus:

Der Nationalsozialismus habe es sich in der ganzen Zeit seines Kampfes zur Aufgabe gestellt, den deutschen Arbeiter, der, verseucht durch das Gift des Marxismus, der Nation entfremdet worden war, wieder zum Volke zurückzuführen. Es sei die innerliche Vollendung der nationalen Revolution, aus den Heimatlosen wieder deutsche Menschen zu machen. Die N.S.B.O. habe die Aufgabe, den deutschen Arbeiter wieder zu dem zu machen, was er sein müsse: ein Glied des Volkes. Eine deutsche Arbeitsfront müsse aufgebaut werden, wie sie im Bauerntum bereits vorhanden sei. Diese Front müsse auch eine geistige Einheit darstellen und in Adolf Hitler den Führer sehen.

Damit war der Weg gewiesen: Der Nationalsozialismus mußte die Gewerkschaftsbewegung in seine Hand bringen. Es war eine Teilforderung innerhalb der großen Forderung nach der Totalität der nationalsozialistischen Revolution, und die Reichsregierung selbst aktivierte gewissermaßen diese Bestrebungen dadurch, daß sie die nationalen Verbände der N.S.B.O. und der Stahlhelmselbsthilfe den Gewerkschaften gleichstellte. Auf diese Weise wurde das Eindringen in das alte Gewerkschaftswesen erleichtert, dessen Monopolstellung wurde durchbrochen. In verschiedenen Teilen der Gewerkschaftsbewegung war der Wille, sich Hitler unterzuordnen, wohl vorhanden, aber dieser Wille mußte überall vorhanden sein. Eine Gelegenheit, den großen Schlag gegen die alten Gewerkschaften zu führen, bot sich bald.

Die Geschäftigkeit, mit der die marxistische Gewerkschaftsbonzokratie an der Beseitigung der Gewerkschaftsgelder arbeitete, mit der sie Verwirrung anzustiften versuchte, um die Gewerkschaften zu zerstören, und dann dieses Zerstörungswerk Hitler zur Last zu legen, gab der Reichsregierung die Möglichkeit, überall im Reiche schnell zuzugreifen.

Das Abzeichen des 1. Mai 1933.
[Bd. 7 S. 192a]      Das Abzeichen
des 1. Mai 1933.
      Photo Scherl.
So kam es am [287] 2. Mai zur Besetzung der Gewerkschaftshäuser im ganzen Reiche, zur Verhaftung der Bonzokratie und zur genauen Prüfung des Finanzstandes. Dabei wurde, wie in den politischen Körperschaften, gar mancher Skandal enthüllt, so daß die Vermögen der Freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie von der Regierung beschlagnahmt wurden.

Schon der "Tag der nationalen Arbeit" am 1. Mai hatte gezeigt, daß sich das gesamte arbeitende Deutschland unter den Willen Adolf Hitlers fügte. Noch nie sah Deutschland eine derartig gewaltige Einheit und Geschlossenheit seines Volkes, da Millionen Deutscher ohne Unterschied der Parteien und des Standes im gleichen Schritt und Tritt unter dem Hakenkreuz marschierten, der Universitätsprofessor und der Metallarbeiter, der Fabrikdirektor und der Laufbursche, der Handelsherr und die Verkäuferin. Der Gedanke der Arbeit triumphierte und vereinte alle Stände in sich: die Arbeit in allen ihren Erscheinungsformen wurde zur Ehre der Nation erhoben.

Tag der nationalen Arbeit in Berlin, 1. Mai 1933.
[Bd. 7 S. 160b]      Tag der nationalen Arbeit in Berlin, 1. Mai 1933.      Photo Scherl.

Jugendkundgebung im Lustgarten am Tag der Arbeit, 1. Mai 1933.
[Bd. 7 S. 176a]   Jugendkundgebung im Lustgarten am Tag der Arbeit, 1. Mai 1933.   Photo Scherl.

Jugendkundgebung im Lustgarten am Tag der Arbeit, 1. Mai 1933.
[Bd. 7 S. 176b]   Jugendkundgebung im Lustgarten am Tag der Arbeit, 1. Mai 1933.   Photo Scherl.

Am folgenden Tage nun wurde vom Aktionsausschuß zum Schutze der deutschen Arbeit unter Führung von Dr. Ley der oben geschilderte entscheidende Schlag gegen die Verrottung der Gewerkschaften geführt. Für die Arbeits- und Angestelltenorganisationen wurden Kommissare eingesetzt, die marxistischen Gewerkschaftsführer Wissel, Leipart, Graßmann wurden in Schutzhaft genommen, außerdem noch 50 weitere Führer. Die Nachforschungen ergaben gewaltige Korruptionen, Verschleierungen, Schiebungen. Die beitragzahlenden Arbeiter waren um viele Millionen betrogen worden. Auch hier mußte Abhilfe und Erneuerung geschaffen werden.

  Bildung der Arbeitsfront  

Innerhalb zweier Tage stellte Dr. Ley die Arbeitsfront auf. Acht Millionen werktätiger deutscher Menschen wurden in der einen großen Gewerkschaft, die nun Arbeitsfront hieß, und sich in Fachschaften gliederte, zusammengefaßt. Das hohe Ziel dieses neuen Bundes war die Erziehung der Lohn- und Gehaltsempfänger zum Stande des deutschen Arbeiters. Da sich nun auch die Christlichen Gewerkschaften, der Gewerkschaftsring deutscher Angestellten, die Hirsch-Dunkerschen Arbeiter- und Beamtenverbände, der Deutschnationale Handlungsgehil- [288] fenverband und der Gewerkschaftsbund der Angestellten und andere Verbände bedingungslos der Führung Adolf Hitlers und dem Aktionskomitee unterstellten – ihre eigentliche organisatorische Eingliederung erfolgte erst im Laufe des Mai und Juni –, zeichnete sich bereits in der ersten Maihälfte zum ersten Male in der deutschen Geschichte die Zusammenfassung aller Arbeiter- und Angestelltenverbände deutlich ab: eins der größten Werke in Deutschland ging seiner Vollendung entgegen.

Das innere Wesen der neuen Arbeitsfront charakterisierte Dr. Ley in folgenden Ausführungen.

      "Der deutsche Arbeiter atmet erleichtert auf, daß er von der Herrschaft der marxistischen Bonzokratie befreit ist. Wir haben Briefe bekommen von alten marxistischen Gewerkschaftlern, die in bitteren Worten über das absolute Versagen ihrer Führer klagten, Männer kamen zu uns, die seit 30 und 40 Jahren in der Gewerkschaftsbewegung stehen, die uns fragten, ob es denn wirklich wahr sei, daß ihre bisherigen Führer ihr Vertrauen so schmählich mißbrauchten, daß die Gelder der Arbeiterschaft für persönliche Zwecke vergeudet worden seien. Wir zeigten ihnen die Beweise von dem luxuriösen Lebenswandel der Leute, die sich bisher als Führer der deutschen Arbeiterschaft gebärdeten, wir zeigten ihnen die Beweise für die unglaubliche Korruptionswirtschaft, die mit dem Vermögen der deutschen Arbeiter getrieben wird. Der deutsche Arbeiter ist gründlich vom Marxismus geheilt. Dem deutschen Arbeiter ist sein Volk und sein Vaterland mehr, als irgendeine seinem innersten Wesen widerstrebende Ideologie. Heute weiß der Arbeiter, daß er vollwertiges Glied der deutschen Volksgemeinschaft ist, und gerade die Aktion hat ihm den Willen des Nationalsozialismus gezeigt, eine Nation und ein Volk zu schmieden. Nicht verbissen und widerwillig, sondern freudig hat sich die bisher im marxistischen Lager stehende deutsche Arbeiterschaft der Armee Adolf Hitlers eingereiht.
      "Die einzelnen Ziele sind erst einmal die Sicherung der Leistungen an die deutschen Arbeiter. Damit verbunden der Abbau eines aufgeblähten Verwaltungsapparates, der fast die [289] Hälfte aller Einnahmen verschlang. Durch den Abbau dieses Verwaltungsapparates wird eine Beitragssenkung und eine Leistungssteigerung zu erreichen sein.
      "Die Stellung des Arbeiters im nationalsozialistischen Staat ist heute schon klar umrissen. Wir werden alles tun, um den deutschen Arbeiter in den Stand 'Der deutsche Arbeiter' überzuführen, und ihm im Rahmen des ständischen Aufbaues den Platz anweisen, den der schaffende deutsche Mensch in einem Staat verdient, der das Prinzip der Leistung und die Arbeit als Wertmesser erhebt. Die Achtung vor der Arbeit und damit vor dem Arbeiter wird im ganzen deutschen Volk geweckt werden und damit Klassenkampf und Standesdünkel, die Ursachen deutscher Zwietracht und deutscher Ohnmacht, endgültig ausgerottet sein.
      "Die Deutsche Arbeitsfront und der deutsche Arbeiter lehnen den internationalen Marxismus selbstverständlich mit aller Schärfe ab. Die zweite und dritte Internationale dürften damit endgültig ihre Existenzberechtigung verloren haben, denn die marxistischen Filialen in Deutschland waren bisher die Grundlage für die Internationalen. Ein Beispiel möchte ich hier noch anführen, das diese Behauptung treffend beweist: Der Deutsche Holzarbeiterverband zahlte an den Internationalen Holzarbeiterverband allein mehr Beiträge als 25 andere Staaten zusammen.
      "Das Verhältnis zur Arbeiterschaft anderer Staaten als solcher wird aber gehegt und gepflegt werden. Genau so, wie der neue deutsche Staat mit seinen Nachbarn in Frieden leben will und nicht daran denkt, Krieg zu führen, so will auch die deutsche Arbeiterschaft mit der Arbeiterschaft anderer Länder in Frieden und Freundschaft leben. Wir werden alle Verpflichtungen an das Internationale Arbeitsamt in Genf anerkennen und erfüllen, allerdings unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß der deutsche Arbeiter mit dem Arbeiter anderer Länder gleichberechtigt ist und daß die Vertreter anderer Länder erkennen, daß sie sich in innerdeutsche Angelegenheiten nicht einzumischen haben.
      "Die Vollberechtigung des deutschen Arbeiters wird durch den Besitz des Staatsbürgerrechtes zum Ausdruck kommen. [290] Das Staatsbürgerrecht ist aber gebunden an die Mitgliedschaft und an die Zugehörigkeit zu einem Stand.
      "Der Gedanke der Reichsständeschaft wird also wiederaufleben.
      "Wenn der Neu- und Umbau des Staates vollendet ist, dann wird Deutschland berufsständisch gegliedert sein und damit werden die Voraussetzungen für eine organische und ruhige Entwicklung gesichert sein."

Nachdem die Arbeitsfront geschaffen war, fand am 10. Mai der Kongreß der Arbeitsfront in Berlin statt. Die Abgesandten der Gewerkschaften und Verbände der Arbeiter und Angestellten aus allen Teilen des Reiches waren zusammengeströmt. Arbeiterabordnungen aus Danzig, aus dem Saargebiet und aus Österreich waren erschienen. Abordnungen der S.A., S.S. und des Stahlhelm waren anwesend. Sämtliche Gauleiter, der Reichskanzler und die Reichsregierung sowie die Vertreter der Ministerpräsidenten der deutschen Länder nahmen teil. Dr. Ley begrüßte den Kongreß und sprach dabei die schönen Worte:

      "Die Arbeit an sich ist der Sinn des Lebens und das Leben erlangt nur seinen Wert durch Erfüllung mit Arbeit. Die Arbeit muß ein heiliger Begriff sein, nicht eine Last, sondern die Ehre des Menschen. Der Klassenkampf aber ist der Todfeind der Arbeit und des Arbeiters."

Dann hielt Adolf Hitler, der Schirmherr der Arbeitsfront, eine große programmatische Rede, darin er die Gründe für den Verfall von Staat und Volk darlegte und mit folgenden großherzigen Worten das Ziel der verjüngten Arbeiterbewegung erläuterte:

      "Wir wollen, wenn wir nun den Neuaufbau des Staates, der das Ergebnis von sehr großen Konzessionen auf beiden Seiten sein muß, durchführen, daß sich zwei Kontrahenten gegenüberstehen, die beide im Herzen grundsätzlich national denken, die beide nur ihr Volk vor sich sehen, die beide grundsätzlich alles andere zurückzustellen bereit sind, um dem gemeinsamen Nutzen zu dienen. Nicht Besiegte darf es geben oder Sieger außer einem einzigen und dieser Sieger muß unser Volk sein.
[291]     "Es soll der Sieger sein über Klassen, Stände und Einzelinteressen, damit werden wir von selbst zur Veredelung des Begriffes der Arbeit kommen. Auch das ist eine Tat, die nicht von heute auf morgen zu lösen ist. So wie viele Jahrhunderte allmählich eine Begriffsänderung vornehmen, so werden auch Jahrhunderte notwendig sein, die Begriffe wieder in ihrer Ursprünglichkeit dem Volke zu vermitteln, unentwegt aber wird die Bewegung, die ich und meine Mitkämpfer repräsentieren, das Wort Arbeit zum großen Ehrentitel der deutschen Nation erheben. Nicht umsonst haben wir dieses Wort in den Namen unserer Bewegung eingefügt. Das hat uns keinen Nutzen gebracht, sondern im Gegenteil. Wir wollten, daß sich in diesem Wort die Einigung der deutschen Arbeiter verkörpert.
      "Ich bin, so fuhr der Reichskanzler fort, ein Feind der Übernahme aller Ehrentitel und ich glaube nicht, daß man mir einmal zuviel Ehrentitel wird vorwerfen können. Ich möchte auf meinem Grabstein nichts anderes haben, als meinen Namen, aber ich bin nun einmal durch meinen eigenartigen Lebensweg befähigt, das Wesen und das ganze Leben der deutschen Stämme zu verstehen und zu begreifen, so hat, glaube ich, das Schicksal mich bestimmt, ehrlicher Makler zu sein nach jeder Seite hin. Ich kenne dieses breite Volk und ich möchte dem Intellektuellen nur sagen:
      "Jedes Reich, das sich nur aus den Schichten der Intellektuellen aufbaut, ist schwach gebaut. Dieses breite Volk ist sicherlich oft schwerfällig. In manchen Dingen schwer von Begriff, nicht so geistreich, aber es hat Treue und Beharrlichkeit.
      "Ein Dichter sprach einst ein Wort aus: Deutschland wird dann am größten sein, wenn seine ärmsten seine treuesten Bürger sind. Ich habe diese ärmsten Söhne 4 Jahre lang als Musketier im großen Weltkriege kennengelernt, die vielleicht gar nichts für sich zu gewinnen hatten und die doch einträchtig aus der Stimme des Blutes heraus, aus dem Gefühl der Volkszugehörigkeit heraus, Helden gewesen sind.
      "Kein Volk hat mehr Recht, seinen unbekannten Musketieren Monumente zu setzen, als unser deutsches Volk.
[292]     "Diese Garde müssen wir dem Staat erobern, sie müssen wir dem kommenden deutschen Reich, dem dritten Reich, gewinnen. Das ist jetzt das Kostbarste, was wir geben können. Ich werde keinen größeren Stolz in meinem Leben besitzen, als den, am Ende meiner Tage sagen zu können: Ich habe dem deutschen Reich den deutschen Arbeiter erkämpft."

Den Worten des Führers folgte eine ungeheure Begeisterung.

Verbrennung undeutschen Schrifttums durch die Berliner Studenten auf dem Opernplatz am Abend des 10. Mai 1933.
[Bd. 7 S. 192b]      Verbrennung undeutschen Schrifttums durch die Berliner Studenten
auf dem Opernplatz am Abend des 10. Mai 1933.
      Photo Scherl.

Berliner Studenten 'Wider den undeutschen Geist'.
[Bd. 7 S. 224a]      Berliner Studenten
"Wider den undeutschen Geist".
    Photo Scherl.
Zum Führer der deutschen Arbeitsfront ernannte Adolf Hitler ihren Begründer, Dr. Ley. Schon bald setzte ein großer Aufschwung der neuen Gewerkschaft durch Wiedereintritt alter und Anmeldungen neuer Mitglieder ein.

Um die deutsche Wirtschaft in den nationalsozialistischen Staat überzuführen, wurde ein Wirtschaftskommissar, Dr. Wagener, ernannt. Er ordnete die Gleichschaltung der Wirtschaftsorganisationen an. Eingriffe und Eigenmächtigkeiten untergeordneter Instanzen wurden strengstens verboten und bestraft. Der Umbau der Wirtschaft mußte gesetzmäßig, in strenger Ordnung vor sich gehen, jedes Chaos mußte vermieden werden. Als vordringlichstes Problem seiner Arbeit bezeichnete Dr. Wagener unbedingte Beruhigung der Wirtschaft. Es dürften keine sinnlosen Eingriffe geschehen. Die Fernziele der Tätigkeit Wageners lagen in Folgendem: Das liberalistische laisser faire, laisser aller müsse ein Ende haben, denn es habe bei der Schrumpfung der Absatzmöglichkeiten zu einer Art Staatskapitalismus geführt, dessen weitere Folge der Kommunismus sei. Ein rücksichtsloser Kampf der Stärkeren gegen die Schwächeren sei ausgebrochen, der unter der Parole der Rationalisierung geführt werde und die Bildung von Konzernen und Trusts zur Folge gehabt habe. Der Nationalsozialismus wolle nicht Planwirtschaft, sondern eine sinnvolle Planung der Wirtschaft, die es ermögliche, daß die Vergewaltigung eines Teiles der Wirtschaftsunternehmungen durch andere Wirtschaftsunternehmen verhindert werde, d. h.: Schutz des Mittelstandes. Wo Kartelle notwendig seien, müßten sie unter staatlicher Kontrolle stehen. Zweck der Kartelle dürfe nicht sein, durch Preisbindungen sich möglichst große Gewinne sichern, sondern er müßte darin bestehen, daß für die Zeit [293] wirtschaftlicher Depression die Sicherheit der Existenz aller hergestellt werde. Die Kontrolle des Staates werde dafür sorgen, daß die Kartelle nicht rein kapitalistischen Interessen dienten, sondern sich organisch einfügten in das Gebäude der nationalen Wirtschaft. –

  Wirtschaftsfrieden  

Schutz des Wirtschaftsfriedens und Schutz des Mittelstandes waren also die beiden Hauptgesichtspunkte, welche Adolf Hitler zunächst zum Gegenstand der Gesetzgebung machte. Der Schutz des Wirtschaftsfriedens mußte sowohl in horizontaler Richtung, d. h. innerhalb der Unternehmerschaft, wie auch in vertikaler Linie, d. h. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeigeführt werden. Wahrung des Arbeitsfriedens und Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung in den Betrieben mußte erhalten werden. So bestimmte die Regierung Ende März, daß die Anfang April fälligen Betriebsratswahlen bis Ende September verschoben werden sollten und daß in den alten Betriebsräten die Staats- und wirtschaftsfeindlichen Mitglieder, d. h. die Marxisten, durch andere nationalgesinnte Personen zu ersetzen seien. Anderseits verbot er den Unternehmern, in der Zeit der großen gewerkschaftlichen Umwälzung die bestehenden Lohntarife zu kündigen und die Löhne herabzusetzen, denn gar manche Arbeitgeber dachten die deutsche Revolution in dieser Weise auszunutzen. Mitte Mai verfügten Reichskommissar Dr. Wagener und Dr. Ley einen Waffenstillstand für alle deutschen Arbeitsmenschen der Stirn und der Faust auf 8 Wochen, bis der ständische Aufbau der organisch gegliederten Wirtschaft durchgeführt sei. Stillegungen, Entlassungen, wilde Streiks, Aussperrungen wurden verboten. Um diesen Waffenstillstand durchzuführen, ernannten Ley und Wagner in den 13 Bezirken der Landesarbeitsämter Bezirksleiter der Wirtschaft und der Arbeit, die aus je einem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestanden.

  Schutz des Mittelstandes  

Dem Schutze des Mittelstandes galten Verordnungen und Gesetze, die Anfang Mai herausgegeben wurden und vor allem die Konkurrenzfähigkeit des gewerblichen Mittelstandes stärken sollten. So wurde das Zugabewesen verboten. Ferner dürfen auf die Dauer von 6 Monaten keine neuen Einzel- [294] handelsgeschäfte errichtet, bereits bestehende nicht erweitert werden. Die Errichtung von Einheitspreisläden und Warenhausfilialen wurden versagt. Die Schwarzarbeit wurde mit Strafen bedroht und die Gewährung von Krediten an den Mittelstand erleichtert. Da es auch im Einzelhandel Leute gab, die die Revolution für sich auszunutzen gedachten und die Regierungsmaßnahmen zum Schutze der Landwirtschaft zu wilden Preissteigerungen mißbrauchten, wurde mit strengen Mitteln, Gefängnisstrafen, Schließung der Geschäfte gegen solche Egoisten vorgegangen.

Auch an die Armen und Notleidenden dachte die Regierung. Sie erweiterte den Kreis der Fettverbilligungskartenempfänger erheblich, so daß er fast drei Fünftel des Volkes umfaßte. Viele erhielten das Brot für 24 Pfennige und ein Pfund Butter für 10 Pfennige. In besonderen Notstandsgebieten wurden an Arbeitslose und Hilfsbedürftige Roggen und Butter unentgeltlich verteilt. –

  Ende des ersten Abschnitts  
der Deutschen Revolution

Betrachtet man das, was sich zwischen dem Potsdamer Parlament und der Mitte des Mai ereignet hatte, dann war Ungeheures geschehen. Adolf Hitler hatte es fertig gebracht, daß mit wenigen Taten die unbedingte Einheit des politischen Willens im Reiche hergestellt worden war und daß das deutsche Volk tatkräftig von innen heraus seine Erneuerung betrieb. Die große, reinliche Trennung zwischen den Machtfragen des Reiches, die zu lösen allein Aufgabe der Regierung war, und den Lebensfragen des Volkes, die die Volksgemeinschaft selbst zu lösen hatte, war vollzogen. Noch nie in der deutschen Geschichte waren die Hoheitsgebiete zwischen Regierung und Volk so säuberlich geschieden, wie in der Regierung Hitler, und noch nie war die Verbindung zwischen Volk und Regierung inniger als bei Hitler! War die Regierung allein führend auf dem Gebiete der Politik, so folgte sie in den völkischen Lebensfragen der nationalsozialistischen Initiative des Volkes selbst. Parteien und Interessen gab es nicht mehr.

Die Entpolitisierung des Volkes war das Ziel Adolf Hitlers. Entpolitisierung – soweit es sich um parteipolitische Rechthabereien handelte. Die Parlamente sollten nicht mehr politische Aufsichtsinstanzen sein, sondern Ständevertretungen. Eine bis [295] in die tiefsten Tiefen hinabsteigende Revolution vollbrachte dieses Werk. Das Charakteristische der modernen Revolutionen war, daß sie sich auf die beiden Stände der Arbeiter und Bauern stützte. Auch die deutsche Revolution vom Frühjahr 1933 machte diese beiden Stände zum Fundamente des neuen Reiches. Zu ihnen traten die Garanten der Zukunft, die Jugend und die Studentenschaft. Das Ziel der politischen Entwicklung nach dem Weltkriege war im östlichen und mittleren Europa das ständisch-gegliederte Einparteisystem. Es gipfelte in der Überwindung des führerlosen Kapitalismus und des Liberalismus, die durch die Zersplitterung der politischen Kraft und durch sein "Leben und leben lassen" die Ursache all der namenlosen Elendskatastrophen geworden war, die über Europa dahinbrausten.

Aber allein mit diesen Ständen ließ sich in Deutschland das Dritte Reich nicht aufrichten. Auch das große Heer der Frontkämpfer und jenes bodenständige, ehrliche Bürgertum, das zum großen Teile durch die Inflation enteignet war, mußte hierbei mitwirken. Diese beiden Kräfte traten noch nicht als Stände beim Neubau des Reiches in Erscheinung, sondern sie fanden ihren Zusammenhalt allein in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. In dieser großen, straff organisierten Bewegung, deren Rückgrat die S.A. und S.S. waren, fand sich das deutsche Volk wieder, und weil das so war, darum mußte der Nationalsozialismus die Totalität seiner Revolution anstreben, um nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben und zu zerfallen. Die lebendige Kraft, die in ihm wirkte, ließ ihn zur Totalität seiner Revolution gelangen.

Um die Mitte des Mai galt die erste Etappe der nationalsozialistischen Revolution als beendet. Nationalsozialismus und deutscher Staat waren eins geworden. Diese Tatsache fand in zwei Vorgängen ihren Ausdruck: Ende April wurde für die Mitglieder der S.A. und S.S. die öffentlich-rechtliche Dienststrafgewalt eingeführt. Dadurch wurde nicht nur die enge Verbundenheit dieser Verbände mit der Reichsgewalt noch mehr gefestigt, sondern auch die absolute Befehlsgewalt des Reichskanzlers über die nationalsozialistischen Formationen noch stärker untermauert. Anderseits verfügte Göring am 9. Mai [296] als Folge dieser Neuordnung die Entpolitisierung der Schutzpolizei. Die Beamten durften keine politischen Abzeichen und Armbinden tragen und weder der S.A. und der S.S. noch dem Stahlhelm angehören. S.A., S.S. als öffentlich-rechtlich anerkannte Organisationen und Schutzpolizei standen jetzt als Träger der Macht des neuen nationalsozialistischen Staates mit gleichen Rechten und Pflichten nebeneinander.

Nun kam es aber auch darauf an, daß Nationalsozialismus und deutsches Volk eins werden mußten. Das konnte nur dadurch erreicht werden, daß innerhalb des Volkes der Unterschied zwischen Siegern und Besiegten der deutschen Revolution beseitigt wurde.

Doch barg die Schnelligkeit und Großartigkeit, mit der der Nationalsozialismus nun ins Volk hineinwuchs, manche Gefahr in sich. Zahlreiche Menschen, die noch wenige Wochen zuvor den Nationalsozialismus erbittert bekämpft hatten, gebärdeten sich plötzlich als die eifrigsten Anhänger der Idee, teils um ihre Stellen zu behalten, teils um solche zu erlangen. Die Gefahr einer Verwässerung oder gar Verfälschung des Nationalsozialismus durch solche Elemente war zweifellos vorhanden, und es bedurfte gewissenhafter Beobachtung und Aufsicht der Parteistellen, um diese Gefahr zu verhüten. Auf der anderen Seite konnten sich jahrelange Kämpfer noch nicht sogleich von der Idee der Ausschließlichkeit der Partei und ihres Gegensatzes zu jedem, der ihr nicht angehörte, befreien. Der Parteigedanke war in ihnen noch stärker als der Staatsgedanke, und sie murrten, wenn Leute, die nicht Parteimitglieder waren, auf Stellen berufen wurden. So mußte die Zeit dahin wirken, daß in den alten Parteimitgliedern die Spannung zwischen Partei und Staat langsam sich löste.

In der Atmosphäre der dynamischen Auseinandersetzungen konnte der Ausgleich nur allmählich stattfinden. Das war auch ganz natürlich. Eine Bewegung, die länger als ein Jahrzehnt Verfolgungen Widerstand zu leisten hatte, die 300 Ermordete und über 40 000 Verletzte hatte, von der hunderttausende mit Weib und Kind der wirtschaftlichen Vernichtung anheimgefallen waren, mußte nach ihrer plötzlichen Befreiung erst ihr Gleichgewicht wieder suchen. Hitlers großem staatsmännischen [297] Genie, der in der Volksgesamtheit die Trennung zwischen Siegern und Besiegten ablehnte, und der Treue und dem Gehorsam seiner Unterführer ist es zuzuschreiben, wenn die Sieger der Revolution unerhörte Disziplin und beispiellose Selbstbezähmung den Besiegten gegenüber bewiesen und so die Vereinigung von Nationalsozialismus und Volk nicht hinderten.

Eine besondere Aufgabe fiel der deutschen Presse zu. Die staatsfeindlichen marxistischen Zeitungen waren verboten. Die bürgerliche Presse mußte sich dem neuen Staate einfügen. Die Aufgabe des Propagandaministers Göbbels bestand darin, zwischen Regierung und Presse ein festes Vertrauensverhältnis herzustellen. Die Presse war eine kulturelle Großmacht, sie konnte und durfte nicht vergewaltigt werden, jedoch schuf der Nationalsozialismus einen neuen Begriff der Pressefreiheit. Er gipfelte nicht mehr im chaotischen und anarchischen intellektualistischen Wirrwarr, das sich gegen die Interessen der Nation und ihre Kultur wandte, sondern in der Unterordnung unter die Geistes- und Willenseinheit des Volkes. Das bedeutete keineswegs eine Uniformierung, sondern das Recht, Ratschläge zu erteilen und im Rahmen der Wahrhaftigkeit Kritik zu üben, blieb der Presse erhalten. Und die deutschen Zeitungen aller Richtungen waren ehrlich bemüht, den Richtlinien Hitlers zu folgen, über kleinen Meinungsverschiedenheiten vergaßen sie nicht das große Ziel.

In der Entwicklung vom 21. März bis 15. Mai, die das entscheidende Stadium des Nationalsozialismus wurde, offenbarte sich so recht die Gnade Gottes, die darin ruhte, daß die Harzburger Front am 5. März die Mehrheit gewonnen hatte. Die Legalität war ein gewaltiger Schutzbrief des Nationalsozialismus, der ihm das Recht gab, die Initiative und Freiwilligkeit des Volkes zur Mitarbeit aufzurufen. In der Legalität beruhte die Überwindung des Diktaturgedankens, ohne daß die erstrebte Totalität der nationalsozialistischen Revolution, d. h. die Überwindung der Harzburger Front, die in jenen April- und Maiwochen stattfand, dadurch gehindert wurde. In klaren, reinen Linien konnte Hitler die moderne Volksherrschaft der zwischen Regierung und Volk getrennten Machtbereiche aufrichten, denn er hatte die Mehrheit des Volkes hinter sich.

[298] Es war ein ungeheurer Wandel seit dem November 1932 vor sich gegangen. In der Zeit vom 31. Juli 1932 bis 30. Januar 1933 blieb Adolf Hitler, der sich im scharfen Gegensatz zu Papen, Hugenberg und Schleicher befand, nur eine Wahl: Diktatur oder Verparlamentarisierung der Partei! Und diese eine Wahl hätte Hitler auch im November nur gehabt, wenn er damals Reichskanzler geworden war. Für den Historiker besteht darüber gar kein Zweifel. Für den Reichskanzler Adolf Hitler wäre vor dem 30. Januar 1933 nur das Regierungssystem der Mehrheitsbeschlüsse oder das Befehlssystem der S.A. möglich gewesen. Es hätte dann allenfalls nur einen nationalsozialistischen Staat gegeben. Die Initiative und freiwillige Mitarbeit des Volkes ließ sich nicht erzwingen. Das Ereignis des 5. März hatte bewirkt, daß Mehrheitsbeschlüsse ausgeschaltet wurden und daß die S.A. als dienendes Glied in den nationalsozialistischen Staat eingeschaltet wurde. Die tragende Kraft des neuen Systems wurde aber jetzt die Initiative und Freiwilligkeit des Volkes. Das ganze Volk zu umspannen war ja das letzte Ziel des Nationalsozialismus. Deutschland hatte eine ungeheure Umwälzung erlebt: jene machtvolle Bewegung hatte gesiegt, die nur ein einziges Ziel kannte: Deutschland, weiter nichts, Rettung des deutschen Volkes vor völligem Verfall, ein Wille, der mit Beharrlichkeit und Geduld die Lebensbehauptung der Selbstvernichtung gegenüberstellte.



Geschichte unserer Zeit
Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra