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Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung, Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im Heere


Bearbeitet von
Generalleutnant Hans v. Winterfeld, Kriegsgerichtsrat Dr. jur. h. c. Heinrich Dietz,
Dr. Clemens Plassmann, Margarete Klante, Prof. Wilhelm Doegen,
Wehrkreispfarrer Franz Albert, Felddivisions- und Armeeoberpfarrer Walter Richter,
Dr. jur. et rer. pol. Kurt Schwarz, Regierungsrat Major a. D. Rudolf Schumacher,
Prof. Hauptmann a. D. Melchior v. Hugo, Geh.-Rat. Prof. Dr. Paul Clemen,
Oberstleutnant Hermann Cron, Generalmajor Ernst v. Wrisberg,
Korvettenkapitän Otto Groos, Generalleutnant Constantin v. Altrock
[v] Einleitung

Was der Krieg forderte, erfand die Wissenschaft, verwirklichte die Technik und machte kampfverwendungsfähig die Organisation.

Mit diesem Satz, den ich in der Einleitung des ersten Bandes der "Organisationen" aussprach und mit dem ich den zweiten einleitete, möchte ich auch diesem dritten und letzten Bande der Organisationen, der in der organischen - nicht der zeitlichen - Reihenfolge der Bände auch den Abschluß des ganzen Werkes bilden wird, das Geleit in die Öffentlichkeit geben.

Es mag sonderbar berühren, daß auch für das geistige Leben im Heere dieser Satz Geltung haben soll, daß also auch in dieser Richtung der Krieg forderte, die Wissenschaft erfinden, die Technik verwirklichen und die Organisation lebens- und kampfverwendungsfähig gestalten mußte. Und doch ist es so.

Nie zuvor hat ein Krieg derartig ungeheure Forderungen an die Schaffung und Erfüllung geistiger und seelischer Fürsorge gestellt, wie dieses mehr als vier Jahre dauernde, erschütternde Ringen an das deutsche Volk. Schon der Umstand, daß zu der - gegen ein Kulturvolk als Zwangsmaßregel für undenkbar gehaltenen - leiblichen Blockade des Körpers und der materiellen der Kriegsbedürfnisse auch eine geistige Blockade rücksichtslos aufgerichtet wurde, die zielbewußt den deutschen Sinnen und Gedanken alles Erhebende fernhielt, aber alles Niederdrückende, alles Vergiftende fördernd über die Grenzen ließ, unterschied die Atmosphäre, in der das deutsche Volk lebte und kämpfte, hungerte und starb, völlig von allem, was je einem geistig höchststehenden Volke auferlegt worden ist. Bei dem völligen Ineinanderwachsen von Volk und Heer, wie es im Deutschland des Weltkrieges bestand, wirkte sich diese Blockade nicht nur in der Heimat, sondern durch diese zersetzend und vernichtend auch im Heere aus.

Hinzu traten die materiellen Unbequemlichkeiten und die auf die Dauer unerträglich scheinende Entbehrung des gewohnten leiblichen und geistigen Behagens, die in einem solchen Maße Geist und Seele beeinflußten, daß aus dieser Gefahr eine schwere Anforderung des Krieges erwuchs; eine Anforderung, die von Monat zu Monat, schließlich von Tag zu Tag einen tieferen Einfluß ausübte - und die, trotz allen Mühens und Sorgens, schließlich nicht hat erfüllt werden können.

Wer den Weltkrieg nicht vorausgesehen hatte oder sich gegen die Erkenntnis seines Nahens verschloß (und das war bei den leitenden Stellen der deutschen [vi] Regierung durchweg der Fall), der hatte naturgemäß an irgendwelche Kriegsvorbereitungen für die Pflege der geistigen und seelischen Kräfte im Heere nicht gedacht. Aber selbst die wenigen, die mit der Möglichkeit eines längeren Krieges gerechnet hatten, konnten einen Kampf von dieser Dauer und diesen äußeren und inneren Einflüssen nicht ahnen. So hatten auch sie die Notwendigkeit umfassender Fürsorge für das geistige Leben im Heere in dem notwendig werdenden Umfange nicht vorausgesehen. Wie sich aber bei den physischen Bedürfnissen die brutale Gewalt des Krieges unerbittlich und rücksichtslos durchsetzte und Befriedigung heischte, so geschah es auch zur Erfüllung der psychischen und ethischen Bedürfnisse: der Krieg forderte. Er forderte auch hier unerbittlich und rücksichtslos; und wie dort, so zwang er auch in dieser Hinsicht das deutsche Volk, alle seine geistigen Kräfte und das ganze Rüstzeug seines Wollens und Könnens einzusetzen, um auch hier Sieger zu bleiben.

Schon früh, sobald die ersten Sorgen über die Möglichkeit einer längeren Kriegsdauer und über deren Folgen in den Seelen der Führer aufstanden - vor allem jener höheren Führer, die mit der Truppe in steter, unmittelbarer Fühlung lebten, - sahen diese ein, daß alles Denkbare, und zwar sofort, geschehen müsse, um das Innenleben ihrer Soldaten auf jener Höhe zu halten, die zum Ertragen solcher ungeheuren Beanspruchung unentbehrlich war. Sie fühlten instinktiv aber auch die furchtbare Schwere dieser an sie herantretenden neuen Aufgabe, besonders als ihnen selbst die erschlaffende Lähmung des entsetzlichen Drucks des Stellungskrieges zum Bewußtsein kam, der alle nach lebendiger Betätigung drängenden Regungen der Seele langsam und unrettbar zu ersticken drohte.

Schon im Winter 1914/15 traten die ersten Anforderungen dieser Art auf, und zwar gleichzeitig nach verschiedenen Richtungen. Nicht nur die Individualität jedes einzelnen Mannes im Vielmillionenheere stellte Ansprüche in verschiedener Form; auf sie konnte in dem Ringen der Massen selbstverständlich nur in beschränktem Maße Rücksicht genommen werden. Aber auf die Verschiedenheit der Bedingungen, unter denen die Soldaten leben und kämpfen, wohnen und arbeiten sollten - im Ost und West und Südost, im reichen Frankreich, im wenig bietenden Rußland, in den Gebirgswüsten des Balkan und den Steppen Asiens - mußte geachtet werden, wollte man den Bedürfnissen, soweit dies überhaupt möglich, gerecht werden.

Bald schon und je länger der Krieg dauerte, immer mehr machte sich die Loslösung aus dem gewohnten Leben und von den in ihm wirkenden ethischen Momenten geltend. Diese Rücksicht wurde vielleicht bei keinem anderen Volke in gleicher Stärke wirksam, wie im deutschen, weil es nach seiner Charakter- und Gemütsveranlagung sich stärker als andere von diesen Einflüssen gefesselt fühlt. Was 1914 im ersten Rausch der Begeisterung vergessen oder unterdrückt worden war, was man in der Voraussetzung eines schnellen Kriegsendes auf kurze Zeit [vii] auch ganz ausschalten zu können glaubte, die Sorge um die Familie, um den Bestand der bisherigen Errungenschaften, um die eigene Zukunft, das ließ sich in den langen, schlaflosen, langweiligen Nächten des Stellungskrieges nicht aus den Gedanken fernhalten. Und diese Frage mußte sich um so schärfer geltend machen, je mehr man aus Zeitungen, Briefen und eigener Erkenntnis auf Urlaub sehen mußte, daß unter der Peitsche der Propaganda und unter dem Druck der Hungerblockade der Wille des Volkes zermürbte, die bewußte Unterdrückung des Kampfwillens durch zersetzende Elemente zunahm, und daß die Regierung, ohne jedes Verständnis für den unerbittlichen Zwang des Krieges, nicht die Energie aufbrachte, den Kampfwillen, die hohen geistigen Kräfte des Volkes lebendig zu halten, sondern selbst fremden Einflüssen im Innern und feindlichen Drohungen von außen erlag.

Hinzutrat, daß die gesetzlichen Bindungen des bürgerlichen Lebens sich bis an die Front geltend machen mußten, sollte nicht die wirtschaftliche und Verwaltungs-Organisation des Staates zusammenbrechen. Der Zwang des Krieges hinderte vielfach die Möglichkeit, diese Verpflichtungen persönlicher, beruflicher usw. Art im eigenen und in der Familie Interesse zu erledigen. Verluste, Vernichtung der mühsam aufgebauten Existenz, Hunger und Not der daheimgebliebenen Lieben waren Folgen, die sich lastend auf die Stimmung legten.

Je länger der Krieg dauerte, je größer die Opfer wurden, die er forderte, je stärker der Bedarf an Ersatz zur Ausfüllung der Lücken in den Verbänden, desto geringer wurde die Auslese unter den zum Heere Eingezogenen. Tausende, Hunderttausende der Tapfersten, der Besten, der körperlich Kräftigsten ruhten im fremden Land, Zehntausend der Brauchbarsten rief der Zwang der dauernd gesteigerten Kriegsrüstung in die Arbeitsstätten der Heimat und bannte sie dort. Da mußte von Monat zu Monat die Güte der zum Waffendienst Einberufenen geringer werden, besonders dann, als man auf die heranwachsende Jugend greifen mußte, die der unerfreulichen Entwicklung der Dinge in der Heimat längere Zeit preisgegeben und dadurch moralisch infiziert war. Wohl sahen die Heeresverwaltung und alle Organe die Notwendigkeit ein, gerade jetzt mehr noch als früher auf die sittlichen Begriffe der jungen Soldaten einzuwirken. Aber in Verkennung der alten Wahrheit, daß in Zeiten der Not nur eiserne Strenge allein Zucht und Ordnung in der aus den gesellschaftlichen Fesseln geratenen Masse aufrecht halten kann, gaben sie dem in diesen Dingen völlig verständnislosen Drängen der Volksvertreter und der gutgemeinten Milde der Landesfürsten nach, indem sie es zuließen, daß auch im Heere die scharfen Richtlinien des Strafrechts verlassen und eine fast überall verfehlte Milde zugelassen wurde. Die unglückliche Auffassung, in Kriegszeiten durch Nachsicht und Milde, anstatt durch gerechte Strenge Einfluß zu gewinnen und die Disziplin zu schützen, hat sich daheim und im Heere furchtbar gerächt.

[viii] Mit vielen fremden Völkern trat der deutsche Soldat, wenn auch als Sieger im besetzten Lande, in engste Berührung. Er ordnete an, er befahl - der fremde Mann mußte sich fügen. Aber das jahrelange enge Zusammenleben der Besatzungstruppen mit der fremden Bevölkerung, das kürzere der zur Ruhe oder Ausbildung zurückgezogenen Divisionen übte doch einen starken, nachhaltigen Einfluß auch auf die seelische Stimmung der Soldaten aus. Es ist deshalb wohlüberlegt geschehen, daß der Abschnitt über die Verwaltung Belgiens nicht in den zweiten Band der Organisationen aufgenommen ist. Was Belgien zur Erleichterung der Organisation des physischen Lebens im Heere beitrug, war verhältnismäßig gering gegenüber dem Einfluß, den es auf das geistige Leben gewinnen sollte. Nicht minder stark war der Einfluß, den die Berührung mit den Völkern Osteuropas ausübte. Aber neben Belgien auch die Verwaltung Polens und der weiten Gebiete des russischen Reiches zu schildern, war - wie so vieles andere - des Raumes halber nicht möglich. Ein Gesamtbild der Einwirkungen des Krieges auf das geistige und seelische Leben im Heere zu geben, wäre gewiß eine ebenso schwere, wie dankbare Aufgabe gewesen; sie hätte aber für sich allein ein mehrbändiges Werk gefordert.

So ist dieser Band 10 bewußt Stückwerk geblieben. Kaleidoskopartig sind die Hauptkräfte, von denen das Innenleben des Heeres bestimmt wurde, nebeneinandergesetzt, um die charakteristischen Züge des ungeheuren Erlebens festzuhalten. Daß auf diese Weise kein einheitliches Ganzbild entstehen konnte, darüber war ich mir bei der Wahl der zu schildernden Gebiete klar. Vielleicht wird man auch den Vorwurf erheben, daß bei der Wahl nicht immer das Richtige getroffen sei. Daß sie nicht leicht war, daß die nachfolgenden Abschnitte die Organisationen und ihren Einfluß auch nur in großen Zügen kennzeichnen können, sei ohne weiteres zugegeben. Dazu kommt endlich, daß - wie es auch in den beiden ersten Bänden der Fall war - hier überhaupt zum ersten Male in der kriegsgeschichtlichen Literatur der Versuch gemacht ist, über die rein militärischen Ereignisse hinaus ein Gesamtbild aller Kräfte festzuhalten, die auf den Verlauf des Krieges und seinen Ausgang entscheidenden Einfluß ausgeübt haben.

Rein militärisch und militärpolitisch würde der Weltkrieg vielleicht einen anderen Abschluß gefunden haben, wenn nicht die außerhalb der kriegerischen Handlungen wirkenden Einflüsse physischer und psychischer Natur vielfach hemmend und zerstörend eingegriffen hätten. Jedenfalls ist die Entwicklung des Krieges nur zu begreifen, wenn auch alle diese anderen Einflüsse in ihrer Bedeutung gleichfalls berücksichtigt werden.

Von den deutscherseits in Verwaltung genommenen Gebieten ist zur Schilderung Belgien gewählt worden. Das soll nicht bedeuten, daß es gewissermaßen als Beispiel angesehen werden soll, das als erstes in Verwaltung genommen wurde und nach dessen Vorbild die anderen Verwaltungsgebiete Oberost, Polen, Rumänien und Italien aufgebaut worden sind. Im Gegenteil! Das einzige, [ix] was ihnen allen gemeinsam war, ist die deutsche Gründlichkeit des Aufbaus und die Pflichttreue in der Arbeit; sonst sind sie in ihrer ganzen Art völlig verschieden voneinander. Nicht eine, sondern viele, sehr viele Ursachen haben an dieser Verschiedenartigkeit mitgewirkt, auf die im einzelnen hier nicht eingegangen werden kann; immer suchte man das nach der militärischen und politischen Lage und nach den örtlichen Verhältnissen erfolgreichste System des Verwaltungsaufbaus zu schaffen.

Belgien wurde von Beginn an aus den militärischen Rücksichten so weit herausgelöst, wie es nach Lage der Dinge überhaupt möglich war; die ganze Verwaltung baute sich auf ziviltechnischen Gesichtspunkten auf. (Eine ähnliche Verwaltung des besetzten französischen Gebiets kam nicht in Frage, da die Ausdehnung desselben nie so groß war, daß es anders denn als Etappengebiet für die deutschen Armeen angesehen werden konnte.)

Als der Oberbefehlshaber Ost daran ging, die von ihm eroberten Gebiete in Verwaltung zu nehmen, tat er das nach rein militärischen Rücksichten. Der Verwaltungsapparat arbeitete dort ebenso gut, wie in Belgien, aber er trug ein ausgeprägt militärisches Aussehen.

Bei dem Aufbau der Verwaltung Polens konnten die Erfahrungen ausgenutzt werden, die man bis dahin mit Belgien gemacht hatte. Sie reizten keineswegs dazu, auch hier eine reine Zivilverwaltung einzurichten. So wurde ein Mittelding halb militärischer, halb ziviler Verwaltung eingerichtet, die - nicht der Obersten Heeresleitung unterstehend - lange Jahre hindurch, äußerlich wenigstens, zur Zufriedenheit arbeitete. Immerhin waren ihre Ergebnisse aber (abgesehen von den nicht immer erfreulichen Gegensätzen zu dem österreichisch-verwalteten Teil des polnischen Gebiets) keineswegs derart, daß man nach der Eroberung Rumäniens die gleiche Art dort eingeführt hätte. Die militärischen Gesichtspunkte verlangten eine noch schärfere Berücksichtigung, als es in Polen geschehen war. So entstand in Rumänien eine Art stark erweiterten Etappengebiets, auch insofern, als das dortige Generalgouvernement den obersten militärischen Organen unterstellt blieb, während Belgien und Warschau aus diesen herausgelöst waren.

In Serbien hatte Deutschland für die nötige Sicherung seiner militärischen Interessen Sorge getragen, auf die Verwaltung aber zugunsten Bulgariens und Österreich-Ungarns verzichtet. - Bei der geringen Ausdehnung des deutscherseits verwalteten italienischen Gebiets konnte es sich nur um eine Art von Etappenverwaltung handeln.

Daß die deutsche Verwaltung alles aufbot, um die Verwaltungen bestens zu organisieren, ist selbstverständlich; daß ihr große Erfolge beschieden gewesen sind, muß verneint werden. In dem Streben, nur beste Kräfte für die Verwaltung der besetzten Gebiete heranzuziehen, ist die Regierung sogar zu weit gegangen - so weit, daß das Herausholen der mit ihren Verwaltungsbezirken [x] aus der Friedenszeit, ihren Bedürfnissen und ihren Leistungsmöglichkeiten vertrauten älteren Beamten und ihr Ersatz durch ungeschulte, oft jugendliche Vertreter sich durch schwere Mißerfolge bitter gerächt hat.

Die Gabe, die Herzen anderer zu gewinnen, besitzt der Deutsche überhaupt nicht. Das ist ihm auch in den besetzten Gebieten nicht geglückt. Was an Gutem geleistet wurde (z. B. Pünktlichkeit und Ordnung im Post- und Verkehrswesen usw.), das wurde von der Bevölkerung gern benutzt und auch - widerwillig - anerkannt. Aber die nüchterne, etwas rauhe Art, die peinliche Ordnung und Pflichterfüllung, die ernste schwere Art des Verkehrs und die oft aufdringlich wirkende Überzeugung des eigenen besseren Könnens stießen überall, in Ost und West, ab. Die gerade dem unaufrichtigen, durchweg zur Unwahrheit und zur Intrige neigenden Belgier gegenüber gezeigte Milde, die dann allerdings zuweilen in bestimmten Fällen durch besonders schroffe Eingriffe unterbrochen wurde, hat keineswegs dazu beigetragen, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß die rücksichtslose Ausnutzung des Kriegsrechts - auch völlig innerhalb der völkerrechtlichen Bindungen, die sie selbst und ihre Verbündeten keineswegs innehielten - ihnen ganz andere Lasten auferlegt haben würde, als es jetzt geschah. Gerade die Schilderung der Verwaltung Belgiens ist dazu angetan, die Ungeheuerlichkeit belgischen Frevels und belgischer Brutalität der Nachkriegszeit, also im Frieden, in den von ihnen besetzten Gebieten an Rhein und Ruhr zu kennzeichnen als das, was sie sind. Vielleicht würde die jetzige grenzenlose Überheblichkeit der an sich feigen Belgier nie aufgetreten sein, wenn man Belgien die Kriegsjahre hindurch unerbittlich unter schärfstem Kriegsgesetz gehalten, alle Verstöße und die vielen schweren Vergehen rücksichtslos geahndet und die völkerrechtswidrige Aushungerung der deutschen Gesamtbevölkerung durch die Blockade mit einer Aushungerung Belgiens als Gegenmaßregel beantwortet hätte, anstatt durch ein sogenanntes neutrales Hilfskomitee schwerste militärische Nachteile auf sich zu nehmen.

Daß auch in Polen das weitgehende Entgegenkommen und das durch den unaufrichtigen polnischen Charakter keineswegs gerechtfertigte Vertrauen Beselers und Bethmann-Hollwegs wirkungslos geblieben sind, kennzeichnet die durch betrügerische Versprechungen militärischer Hilfe erreichte Unabhängigkeitserklärung und Polens Verhalten in der späteren Kriegs- und der Nachkriegszeit.

Die gleiche Weichheit und sentimentale Milde als ein Irrtum deutscher Charakteranlage prägt sich, wie schon kurz angedeutet, in der mehrfachen Milderung des Militärstrafrechts aus. Der verhängnisvolle Irrtum deutscher Idealisten in der Heimat, daß eine Verweichlichung des Strafrechts und wiederholte Amnestien mit ganzen oder teilweisen Straferlassen (selbst bei rein militärischen Delikten, wie Fahnenflucht, Entfernung von der Truppe usw.) die Stimmung im Heere heben könnten, hat in stärkstem Maße bei der Zermürbung der Disziplin des Heeres mitgewirkt. Franzosen und Engländer haben nach dieser Richtung [xi] eine klarere Erkenntnis von den im Wesen des absoluten Krieges liegenden rücksichtslosen Notwendigkeiten gezeigt und genau entgegengesetzt gehandelt. Der Krieg geht in seiner rauhen Realität über alle idealen Bestrebungen unerbittlich hinweg.

Von nicht geringem Einfluß auf die Stimmung im Heere war auch das Problem der Fürsorge für die Kriegsgefangenen. Daß auch aus deutschen Truppenteilen Betörte, Verhetzte vielleicht sogar wirklich aus idealen, nicht nur aus Feigheitsregungen heraus zu den Feinden übergelaufen sind, kann leider nicht bestritten werden. In sehr viel größerer Zahl aber traf das bittere Los der Kriegsgefangenschaft die Besten und Tapfersten, die auf Befehl oder, bei zurückgehendem Gefecht, auch aus eigenem Entschluß sich opfernd aushielten, um die Masse der Kameraden für andere Kampfzwecke zu retten. Bei allen - und schließlich konnte jedem das Los zufallen - mußte es aber einen starken Einfluß auf ihr Tun und Handeln ausüben, wenn jeder wußte, daß der Gegner nach kraftvoller Gegenwehr in ihm den tapferen Gegner achtete, nicht aber in ihm den verachteten "boche" oder den verhaßten "hun" erblickte; wenn er überzeugt war, daß, wenn ihm in der ehrenvoll erlittenen Gefangenschaft Mißhandlungen auferlegt wurden, die heimatliche Macht nicht nur die Gewalt, sondern auch den festen Willen hatte, Abhilfe zu erzwingen.

Es mag von idealer Auffassung, von Güte des Herzens, Christenliebe und anderen wundervollen Charaktereigenschaften zeugen - für die Betroffenen war es nur ein elender Trost, daß deutscher Humanitätsdusel auf kraftvolle Vergeltung verzichtete, obschon der Regierung nach und nach bekannt wurde, welche menschenunwürdige Behandlung die Feinde ihren tapferen Volksgenossen angedeihen ließ. Wenn in den folgenden Abschnitten von den Gegnern nur zwei, Frankreich und Rußland, in ihrer Behandlung deutscher Kriegsgefangener charakterisiert sind, so deshalb, weil sie die große Mehrzahl deutscher Kriegsgefangener bei sich aufnehmen mußten. Während des Krieges und nach demselben hat infame lügnerische Propaganda das Niederträchtigste über die Behandlung feindlicher Kriegsgefangener durch Deutschland in die Welt geschrieen, und selbstverständlich hat es die Welt ebenso geglaubt, wie die abgehackten Kinderhände und abgeschnittenen Frauenbrüste der Belgier. Daß man nie in der Lage gewesen ist, ein derartiges Opfer angeblicher deutscher Grausamkeit als Beweis zu zeigen, gegen diesen Beweis haben sich die Betörten und die Aufhetzer mit vollem Bewußtsein verschlossen. Daß neutrale Kommissionen nach Besuch deutscher Gefangenenlager stets in anerkennendem Sinn berichteten, hat den Bann so wenig von den betrogenen Geistern genommen, daß auch heute noch ein Vergleich der Behandlung deutscher und feindlicher Kriegsgefangener von den Gegnern als unmöglich abgelehnt wird.

Die in diesem Bande gebotenen rein sachlichen Darstellungen werden bei den Feinden keine Freude, sicher aber Verdächtigungen und Widerspruch erwecken; [xii] wir erwarten vertrauensvoll den Wahrheitsbeweis solcher Behauptungen. Den mißhandelten deutschen Kriegsgefangenen gegenüber aber hat die deutsche Regierung ein Verbrechen begangen, daß sie, die bis zum Sommer 1918 über ein Vielfaches an feindlichen Gefangenen verfügte, nicht rücksichtslos eine Besserung für die mißhandelten eigenen Tapferen erzwang - von dem schmachvollen Belassen derselben in der Gefangenschaft nach Kriegsende ganz zu schweigen.

Die Völker der ganzen Welt hatten sich in Einigkeit zusammengefunden, um Deutschland zu vernichten; in den Gefangenenlagern, wo man sie zuerst zusammen unterbringen mußte, schlugen sie sich vom ersten Tage ab. Es ist mir stets unverständlich geblieben, weshalb sentimentale deutsche Kommandanten beschleunigt auf getrennte Unterbringung hinarbeiteten, anstatt dem gegenseitigen Schädeleinschlagen befriedigt zuzuschauen und so die Innigkeit der Entente zu fördern. Alle weißen Völker in allen Lagern gründlich durcheinander gemischt und untergebracht - das hätte doch auch am besten der Einheitlichkeit des allen gemeinsamen Vernichtungswillens gegen Deutschland entsprochen. Und als die ersten sicheren Nachrichten von der zielbewußten schmachvollen Demütigung Deutscher durch die von Schwarzen ausgeübte Überwachung bei der Arbeit eingingen - wer konnte die deutsche Regierung an den einzig wirksamen Repressalien hindern, die weißen Gefangenengruppen in den Lagern schwarzen Unteroffizieren zu unterstellen? Ein hochmütiger Brite unter einem eingeborenen indischen Unteroffizier, ein eitler Franzose unter einem senegalesischen caporal - das hätte Stürme der Entrüstung, aber Erleichterung für die deutschen Märtyrer gebracht und (vielleicht) die heutige französische Kriegführung mit Schwarzen am Rhein unmöglich gemacht.

Daß England sich stärker an die völkerrechtlichen Bindungen hielt, sofern es nicht, wie bei den von ihm gefürchteten Unterseebootsbesatzungen, bewußt Angst und Schrecken durch brutale Behandlung erregen wollte, sei zugegeben. Nicht vergessen seien aber andrerseits die über alle Begriffe furchtbaren Leiden, die Rumänien unseren armen Volksgenossen auferlegte. Die "Hölle von Sipote" kann und wird ihm auf Jahrhunderte nicht verziehen werden.

Was Deutschland an geistiger Fürsorge neben einer - im Hinblick auf die Not des eigenen Volkes - viel zu weit gehenden leiblichen Fürsorge für die feindlichen Kriegsgefangenen tat, hat kein anderes Volk auf sich genommen. Und die infame englische Hungerblockade gegen Greise, Frauen und Kinder hat es die Gefangenen kaum fühlen lassen; und doch hatten die Gegner die Unverschämtheit, gegen die von ihnen selbst herbeigeführte Notwendigkeit der Verminderung der Gefangenenportionen Einspruch zu erheben! Was hätten sie wohl im gleichen Falle getan?

Die bisher genannten Probleme konnten nur indirekt die Stimmung der Truppe beeinflussen.

[xiii] Den stärksten Einfluß mußte derjenige Faktor geistigen Willens ausüben, der unmittelbar von Person zu Person ausging und das Seelenleben dort zu stärken suchte, wo von Kindheit auf ein warmes Innenleben schon gepflegt worden war. Wer von seinem Gottesglauben auch nur Bruchstücke in das Mannesalter sich erhalten hatte, mußte angesichts der steten, niemals völlig aufhörenden Gefahr plötzlichen Todes mit seinen Gedanken aufnahmefähiger, in seiner Seele empfänglicher für die Mahnungen und Tröstungen seines Glaubens werden. In keiner anderen Richtung trat deshalb die geistige Macht der Persönlichkeit so stark in Geltung, wie in der Seelsorge. Alle, die als Pfarrer hinausgingen, haben ihre Schuldigkeit getan; aber der Segen, den der einzelne wirkte, der Einfluß, den er ausübte, das Vertrauen, das er sich gewann - alles das hing nicht von dem ehrlichen Eifer, sondern von der Kraft der Persönlichkeit ab. Sie alle haben unendlich viel getan, um in guten, und noch mehr in schlimmen Stunden Gottvertrauen, Standhaftigkeit und unerschütterlichen Glauben im Heere lebendig und wirksam zu halten.

Der gleichen tiefen Gemütsstimmung, dem gleichen warmen Gefühl entsprach auch die Fürsorge der Soldaten um den gefallenen Kameraden und seine Ruhestätte. Die unendliche Güte des Gemüts, die nur dem Deutschen in diesem Grade eigen ist, prägte sich in auffallender Weise aus in der rührenden Sorge um die sterblichen Überreste des neben ihm gefallenen Kameraden; aus ihr schöpfte er seine Stärke in dem Bewußtsein, daß auch ihn die gleiche kameradschaftliche Liebe betreuen würde, sollte ihm der Tod durch ein feindliches Geschoß beschieden sein.

Zu den ethischen Einflüssen, die hier wirksam wurden, trat stärkend und beruhigend das Bewußtsein, daß treue Fürsorge auch für die materiellen Grundlagen in einer späteren Zukunft sorgen werde, wenn ihm Tod oder Siechtum beschieden sein sollte. Es würde der menschlichen Denkart nicht entsprechen, wenn sich der Gedanke an den Tod für das Vaterland oder an Verstümmelung nicht leichter hätte tragen lassen in der Gewißheit, daß das dankbare Volk seiner Pflicht der Dankbarkeit in stärkstem Maße nachkommen würde. Es liegt in der Erscheinungsform dieses Krieges, in seiner gigantischen Größe nach Dauer und nach der Zahl der davon Betroffenen, daß in diesem Abschnitt die Darstellung zeitlich weit über das Kriegsende hat hinausgeführt werden müssen. Erst die Nachkriegszeit hat - in leider stark beschränktem Umfange - das wahrmachen können, was die Truppe schon draußen als Gewißheit annahm. Daß sie vielen den Tod hat leichter machen helfen, ist gewiß; daß sie nicht in dem Maße zur Wirklichkeit werden konnte, wie es ein der Pflicht seiner Dankbarkeit bewußtes Volk gern getan hätte, ist begründet in der Beschränktheit der dafür verfügbaren Mittel infolge des Kriegsausgangs und der späteren Folgen des Friedensdiktats.

Wie weit sich im Kriege die Fürsorge in kultureller Hinsicht deutscherseits ausdehnte, wird - wenn es auch wieder nur indirekt auf das geistige Leben des [xiv] Heeres wirken mochte - in dem Abschnitt "Kunstschutz" in großen Zügen nachgewiesen. Wer unter Lebensgefahr Kunstschätze für den Gegner zu retten unternimmt, die dieser selbst, wenn auch in der anerkennenswerten Absicht, seine Heimat vom Feinde zu befreien, zu zerstören sich anschickt, der zeigt eine Kulturhöhe, die bisher von keinem Volk erreicht wurde. Um so niedriger und gemeiner ist die von den Feinden propagierte infame Verleumdung des beabsichtigten Raubes, die auch heute noch aufrechterhalten wird, obgleich alle Kulturwerte, die unter feindlichem Feuer überhaupt geborgen werden konnten, längst freiwillig an die Feinde zurückgegeben sind; darin offenbart sich eine Schamlosigkeit sondergleichen. Ob von den Gegnern auch nur einer sich zur gleichen Rettungstat bereit gefunden hätte? Daß unseren Soldaten die Möglichkeit gegeben wurde, unter sachverständiger Führung alles das kennenzulernen und zu genießen, was hohe Kultur an unvergänglich Schönem im Lauf langer Jahrhunderte in fremden Ländern geschaffen hat, ist vielleicht nicht von allen Soldaten in gleicher Stärke verstanden, von der großen Mehrzahl aber freudig aufgenommen worden.

Eindringlicher, weil unmittelbarer, und wohl in der Wirkung stark von der Gesamtheit des Heeres dankbar empfunden, waren die Bestrebungen, die das geistige Leben der Heimat, trotz aller Hemmnisse des Krieges, unter den Soldaten aufrechterhalten und vertiefen wollten. Bei einem Krieg von kurzer Dauer hätte, wie es noch 1870 der Fall war, auch ein Heer von der hohen geistigen Kulturstufe des deutschen vielleicht ohne erhebliche Zufuhr geistiger Nahrung, wenn auch unter starkem Hungergefühl bestehen können. Der nach Zeitdauer und Eigenart ungewöhnliche Weltkrieg forderte diese Zufuhr in gleich herrischer Weise, wie den Nachschub der leiblichen Bedürfnisse. Es war des Volkes Unglück, daß die Regierung auch auf diesem Gebiet völlig versagte. Die Führer der Truppen erkannten diese Not bald und halfen sich und ihren Untergebenen in mehr oder minder erfolgreicher Form. Ihre Unterstützung fanden sie vor allem in den charitativen Vereinen der Heimat, die außerordentlich viele, vom Heere tief dankbar anerkannte Wohltaten damit vollbrachten. Es dauerte längere Zeit, bis die Oberste Heeresleitung die dringende Notwendigkeit einer umfangreichen Fürsorge auch ihrerseits erkannte. Wenn ihr vom besten Willen getragenes Eingreifen nicht immer Verständnis bei der Truppe fand, so ist das erklärlich; ihre Mitwirkung mußte gleichartig sein und konnte sich nicht den individuellen Bedürfnissen der in den Regimentern vereinigten engeren Volksgenossenschaften so anpassen, wie es der sorgenden, verständnisvollen Arbeit der unmittelbaren, der gleichen engeren Heimat entstammenden Vorgesetzten gelungen war. Ihr Eingreifen wirkte schematisch, war aber in dieser Form nötig, als das schnelle Verschieben der Divisionen zur Ausnutzung der jetzt bodenständig gewordenen Einrichtungen zwang.

[xv] Die Regierung stand diesem Bedürfnis geistiger Art des Heeres ganz verständnislos gegenüber - sie versagte vollkommen. Wie sie den seelischen Aufschwung des Kriegsbeginns, den eisernen Kampf- und Siegeswillen in der Heimat nicht in kraftvollem Leben zu halten verstand, so trat sie dem im Heere erkannten Bedürfnis und der Fürsorge der Heeresleitung oft hemmend, zum mindesten aber teilnahmlos gegenüber - ein klägliches Bild der Verständnislosigkeit für die Forderungen einer eisernen, aber unendlich großen Zeit!

Ohne die intensivste Mitarbeit und Unterstützung, ohne das tiefe Verständnis der Reichsleitung konnte aber die Wirkung dieser Fürsorgearbeit nicht zum vollen Erfolge führen. Die ungehemmte Wühlarbeit zersetzender Umstürzler und der moralische Zusammenbruch in vielfach unwürdigster Gestalt waren die notwendige Folge dieses Versagens in der Heimat und schließlich auch im Heere. Das unendlich Große, was von anderen Stellen mit beschränkten Mitteln, aber unbeschränktem Opferwillen geleistet worden ist, fordert um so mehr volle Würdigung und ehrliche Bewunderung.

Zu einem ganz anderen Gebiet des geistigen Lebens im Heere führen die letzten Abschnitte.

Der ganze ungeheure Organismus des Heeres bedurfte zur Erfüllung der ihm gestellten schweren Aufgabe einer geistigen Spitze, die ihn einmal lebensfähig und kampfverwendungsfähig erhielt, ihn vor allem aber so zu leiten wußte, daß er jener Aufgabe, der schwersten, die es auf Erden gibt, gerecht werden konnte. Die letzte höchste Spitze, die dem Ganzen Leben und Bewegung gab, konnte sich, sollte die Einheitlichkeit aller Lebensäußerungen gewahrt bleiben, nur in einer überragenden Persönlichkeit finden. Um aber ihren Willen in die Tat zu übersetzen, bedurfte diese einer vorzüglich geschulten Organisation von geistigen Helfern, deren sorgsam durchdachter Aufbau Höchstleistungen nach allen Richtungen gewährleistete. War auch die Grundlage dieser Organisation durch die im Kriege 1870/71 erfolgreich bewährte Einrichtung gegeben, so forderten die unendlich gesteigerten Ansprüche des Krieges und die in ihm wirksam werdenden, vielfach vermehrten lebendigen Kräfte eine Erweiterung, eine Steigerung der Leistungen, die unmöglich hatte vorausgesehen werden können.

Was die obersten Kommando- und Verwaltungsbehörden an gewaltigen Leistungen zustande gebracht haben, gehört der Geschichte an. Wie sie sich zusammensetzten, wie sie sich zu verantwortungsschwerer, einheitlicher Zusammenarbeit im selbstlosen Dienste des Volkes zusammenfanden: das dem deutschen Volke der Zukunft als Erinnerung zu bewahren, ist eine um so größere Pflicht, als Angst und Feigheit der sogenannten Sieger in dem furchtbaren Ringen die völlige Vernichtung dieser Seele des deutschen Heeres erzwungen haben, und als das in Gärung und wirklichkeitsfremden Bestrebungen sich aufreibende Deutschland der Gegenwart kein Gefühl dafür aufbringt, was es an Dankbarkeit [xvi] den Männern schuldet, ohne deren aufopferungsvolle Arbeit ihre eigene Existenz und des Volkes Bestehen (mag es heute auch noch so kümmerlich sein) überhaupt wesenlos geworden wäre.

Im letzten Abschnitt des Bandes, der - wie schon gesagt - aus räumlichen Gründen kein einheitliches Ganzes hat werden können, ist der unendlich schwere Versuch gemacht, dem im Heere verkörperten Teil des deutschen Volkes und den in ihm während des Krieges wirksam gewesenen geistigen Kräften und Strömungen ein Wahrzeichen für spätere Geschlechter zu geben.

Man muß dem Heere in diesen Kriegsjahren selbst angehört, den Pulsschlag seines Lebens selbst mitgefühlt, sein Tun und Handeln, sein Kämpfen und Siegen, seinen Stolz und seine Trauer, sein Dulden und Sterben selbst miterlebt, mit forschenden Augen, mit offenen Sinnen und tiefer Einempfindung in das innerste körperliche und geistige Getriebe hineingeblickt haben, um das volle Verständnis zu gewinnen für die Wirkungen des ungeheuren Geschehens, in das es verstrickt, in dem es selbst mitzuwirken berufen war und in dem es, wenn es sein Geschick auch nicht hat meistern können, erst dann unterlegen ist, nachdem es Gewaltiges, bis dahin nie Erlebtes vollbracht hat; um die Ursachen und Gründe aufzuzeigen, die dieses "beste Heer aller Zeiten" nach einem siegversprechenden Beginn, nach zahllosen Heldentaten, nach opfermutigem Dulden und Handeln zum Schluß in einer Katastrophe haben zugrunde gehen lassen, wie sie gleichfalls in dieser Tragik kaum ein Vorbild gehabt hat.

Aus dem tiefen Verständnis dieses Abschnittes und der in ihm liegenden eindringlichen Lehre werden Deutsche der Zukunft begreifen, was einst im Weltkriege fehlte und was ihnen selbst not tut. Wenn sie das verstehen, dann ist für sie kein Grund zur Verzweiflung, wohl aber zum Glauben an diese Zukunft.

Max Schwarte      

[xvii - xx] [Anm. d. Scriptorium: im Original findet sich auf den hier folgenden Seiten die Inhaltsübersicht für Bd. 8, welche wir in diesem unserem Online-Nachdruck hier wiedergegeben haben.]


*Anm. d. Scriptorium: die beiden Bände von Professor Dr. Hermann Oncken, die in diesem Werk, wie es in seiner endgültigen Form erschien, Band 9 und 10 darstellen, waren ursprünglich als Bd. 6 und 7 geplant. Die unerwartete Verzögerung dieser beiden Bände hat in den bereits vorher veröffentlichten Bänden gelegentlich dort zu Fehlern geführt, wo diese sich ziffernmäßig auf die beiden noch ausstehenden Bände bezogen. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte