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Zur Einführung

1. Der Fürstenmord von Serajewo

Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9
Der unmittelbare Anstoß zu dem gewaltigen Völkerringen des europäischen Krieges war durch die ruchlose Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares, des Erzherzogs Franz Ferdinand und der Herzogin Sophie von Hohenberg, gegeben (Abb. 1 bis 9). Umjubelt von der reichstreuen Bevölkerung Bosniens waren sie zu den Manövern erschienen, als sie am 28. Juni 1914 nach einem voraufgegangenen mißlungenen Attentat die Kugel des serbischen Gymnasiasten Gabrilo Princip traf.

Wie ein Blitz aus heiterem Sommerhimmel schlug in den Ländern der österreichischen Krone die niederschmetternde Nachricht ein, daß der Edelfalke dem tückischen Blei des Wilderers zum Opfer gefallen sei. Ein Schrei der Entrüstung ging durch die ganze europäische Welt, und besondere Teilnahme wandte sich dem ehrwürdigen Kaiser Franz Josef zu (Abb. 6), der vom Schicksal bestimmt schien, den Kelch des Leidens bis zur Neige zu leeren. Der Kladderadatsch widmete dem schwergeprüften Königspatriarchen ein mannhaftes Gelöbnis, zu dessen Einlösung es hernach in höchstem Sinne kommen sollte:

        "Ehrwürdig Haupt,
    Noch ungebeugt, wie viel auch dir geraubt!
    Vom goldnen Kranz der Pflicht bist du umlaubt
    Im Abendglanz der vierundachtzig Jahre!
    Du siegtest dennoch in des Lebens Schlacht,
    Und deutsche Treue hält die Ehrenwacht –
    Des sei gewiß – an dieses Toten Bahre!"

Auf Franz Ferdinand, den weitblickenden Wiedererwecker von Österreich-Ungarns Heer und Flotte, dessen starke, selbständige, ritterliche und glaubensstarke Persönlichkeit und dessen herzenswarmes Familienleben ihm die Liebe des ganzen Volkes eingetragen hatte, ruhte die Hoffnung der österreichischen Doppelmonarchie sowohl wie die vertrauensvolle Gewähr eisernen Festhaltens an dem friedesichernden Treuverhältnis des Dreibundes.

Auch die ausländische Presse war sofort nach Bekanntwerden des ungeheuren Verbrechens davon überzeugt, daß dem Attentat von Serajewo politische Gründe unterlagen. Daily Chronicle schrieb: Die einzige Erklärung, die wir für das gestrige Verbrechen haben, ist, daß es gegen die österreichisch-ungarische Monarchie geplant war. Der Gaulois enthüllte das Geheimnis, daß der Mörder Princip in serbischen und russischen Blättern eine leidenschaftliche Kampagne zugunsten des Oberhauptes seiner Familie, eines angeblichen Herzogs von Zelycz, unternommen habe, der sich als Kronprätendent von Bosnien gebärde. Selbst die russische Zeitung Rjetsch war der Überzeugung, daß die psychologische Erklärung des Attentats in dem Haß der Serben begründet liege.

Der österreichisch-ungarischen Regierung war natürlich das Vorhandensein einer großserbischen Verschwörung erst recht nicht unbekannt geblieben; sie hatte schon früher gegen serbische Umtriebe protestiert und papierne Friedenszusicherungen Serbiens entgegengenommen. Aber zur Vermeidung der Schrecken eines Krieges hatte Österreich – noch zuletzt gelegentlich [6] des Balkankrieges, wo es große Gebietserweiterungen Serbiens zuließ, sogar die Besitzergreifung des Sandschacks von Novibasar, auf den es selbst ein vertragliches Vorrecht hatte – Beweise von Mäßigung, Langmut und Friedensliebe gegeben, die von Serbien besonders in ihrer Wiederholung als Schwäche ausgelegt wurden.

Jetzt endlich, nach der Katastrophe von Serajewo, erachtete es die österreichisch-ungarische Regierung unmöglich, weiterhin tatenlos der Unterminierung ihres Ansehens, ihrer Rechte, ihrer Macht zuzusehen, durch welche die Doppelmonarchie endgültig aus ihrer Großmachtstellung gedrängt worden wäre. Als der Versuch der serbischen Presse, die nachtschwarze Tat als die eines anormalen, exaltierten, verworrenen Geisteskranken darzustellen, vollkommen gescheitert war, als die eingeleitete Untersuchung den unwiderleglichen Beweis einer seit Jahren bestehenden großserbischen Agitation erbrachte, den Bestand der Monarchie durch Losreißung neuerworbener Teile zu mindern, als unzweideutig amtliche serbische Persönlichkeiten der Anstiftung und Mitwirkung an diesen Staatsverbrechen gegen die Reichseinheit der habsburgischen Monarchie bloßgestellt waren, griff Österreich im Vertrauen auf sein gutes Recht mit fester Hand zu, nicht bereit, jetzt auch nur noch einen Schritt zurückzuweichen.

Abb. 10
Am 23. Juli überreichte der österreichisch-ungarische Gesandte Freiherr von Giesl (Abb. 10) der serbischen Regierung in Belgrad eine befristete Note, in der Serbien beschuldigt wurde, das verbrecherische Treiben der verschiedenen gegen die Monarchie gerichteten Vereine und Vereinigungen, die zügellose Sprache der Presse, die Verherrlichung der Urheber von Attentaten, die Teilnahme von Offizieren und Beamten an subversiven Umtrieben und eine ungesunde Propaganda im öffentlichen Unterricht geduldet zu haben. Aus den Aussagen und Geständnissen der verbrecherischen Urheber des Attentats erhellt, daß der Mord von Serajewo in Belgrad ausgeheckt wurde, daß die Mörder die Waffen und Bomben – Handgranaten, die dem Waffendepot der serbischen Armee in Kragujevatsch entstammten – von serbischen Beamten und Offizieren erhielten, die der österreichfeindlichen Geheimgesellschaft Narodna Odbrana (Abb. 4) angehörten, und daß schließlich die Beförderung der Verbrecher und deren Waffen nach Bosnien von leitenden serbischen Grenzorganen veranstaltet und durchgeführt wurde. Jenen Treibereien gegenüber, die ihren Mittelpunkt in Belgrad hatten und von da auf die Gebiete der Monarchie übertragen wurden, gibt die österreichisch-ungarische Regierung die Haltung zuwartender Langmut auf und fordert die Zügelung der großserbischen Presse, die Auflösung der Narodna Odbrana, die Lösung österreichfeindlicher Propaganda aus dem öffentlichen Unterricht Serbiens, die Untersuchung unter Teilnahme österreichisch-ungarischer Delegierter und die Entfernung der schuldigen Offiziere und Beamten aus Militärdienst und Verwaltung.

Gewiß hatte man in Serbien, dem Lande der Fürstenmeuchelmorde, nicht mit einer derartig entschiedenen Sprache und mit einer so völligen Bloßstellung der serbischen Umtriebe gerechnet. Nach vielleicht zu lange Zeit wartender Duldung erhob Österreich die Stimme einer Großmacht, einer schwer beleidigten Großmacht, die zur Wahrung ihrer Weltmachtstellung entschlossen auch zum Schwert zu greifen bereit ist. Zwar nahm sich schon jetzt Rußland als großer Bruder des in die Enge getriebenen Serbien [7] an, indem es in Wien eine Fristverlängerung für die Notenbeantwortung zu erwirken suchte. Rußland wiegte sich wieder in den Traum seiner Schutzherrschaft aller slawischen Stämme, ohne die sittliche Pflicht zu fühlen, gegebenenfalls deren Wildheit zu zügeln. Unbeirrt aber beharrte die österreichisch-ungarische Regierung auf Erledigung ihrer Note innerhalb 48 Stunden und erhielt denn auch nach zwei Tagen die Antwort der serbischen Regierung, die damit den Beweis erbrachte, daß für sie die kurze Frist vollauf zu neuen Winkelzügen und Hinterhältigkeiten genügte. Sie weigerte sich zur rückhaltlosen Erfüllung der österreichischen Forderungen. Der österreichisch-ungarische Gesandte erklärte deshalb am 25. Juli sofort nach

Abb. 11
Empfang der serbischen Antwortnote den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und verließ Belgrad. Am 28. Juli erfolgte dann durch den Minister des Äußeren, Grafen Berchtold (Abb. 11), die Kriegserklärung, da die unbefriedigende Beantwortung der österreichischen Note die Regierung in die Notwendigkeit versetzt habe, selbst für die Wahrung ihrer Rechte und Interessen Sorge zu tragen und zu diesem Ende an die Gewalt der Waffen zu appellieren.

Nie hätte Serbien gewagt, dem gewaltigen Nachbar gegenüber ein so geringes Maß von Nachgiebigkeit zu zeigen, eine so trotzige Sprache zu führen, wenn ihm nicht Rußland den Rücken gedeckt hätte. Jetzt mußte es sich zeigen, ob Rußland, das gerade selbst durch Arbeiterunruhen im Innern bedroht war und einer Mißernte entgegensah, der Hilfe seiner eigenen Bundesgenossen Frankreich und England so gewiß sein konnte, daß es nicht nur mit diplomatischer Unterstützung, sondern auch mit der Gewalt der Waffen auf Serbiens Seite treten konnte.


Abb. 110
2. Die deutsche Mobilmachung

In atemloser Spannung richtete sich das Auge Europas auf den Zaren von Rußland (Abb. 110), er trug das Schicksal der Welt in den Händen! Seine weise Zurückhaltung hätte den Krieg auf Österreich und Serbien lokalisieren können, zumal mit der Versicherung der Donaumonarchie vom 24. Juli, Serbien gegenüber nicht erobernd auftreten, eine Verschiebung der Machtverhältnisse auf dem Balkan nicht herbeiführen zu wollen, ausreichende Garantien gegeben waren. Griff aber Rußland frivolerweise zum Schwerte, die selbständige Lösung der serbischen Frage Österreich zu entwinden, so war das Signal gegeben für einen Weltkrieg von unabsehbaren Folgen, da das politische Bedürfnis alle Großmächte Europas auf den Plan rufen würde, das Kräfteverhältnis der Staaten und der Bündnisse zu behaupten.

Die altbewährte Treue zur Bündnispflicht und die Sorge um die eigene Machtstellung in Europa, die mit der Österreichs unlösbar verknüpft ist, zwang Deutschland, auf Rußlands Rüstungen ein scharfes Augenmerk zu haben; um so mehr, als es von seinen Reichsbeamten in Rußland mit Nachrichten über den Fortschritt der Mobilisierung auch zur deutschen Grenze hin unterrichtet blieb.

Graf Pourtalès, der deutsche Botschafter in Petersburg, drahtete am 24. Juli, daß Rußland unmöglich zugeben wolle, daß die serbisch-österreichische Differenz zwischen den Beteiligten allein ausgetragen werde. Bis zum 31. Juli wurde bekannt, daß Rußland alle [8] Streitkräfte, also auch gegen uns mobilisiert habe. Dagegen versicherte am 27. Juli der russische Kriegsminister heimtückisch unter Ehrenwort, daß keine Mobilmachungsorder ergangen sei. Am 27. Juli wiederholte der russische Generalstabschef in feierlichster Form ebenfalls unter Ehrenwort, daß nirgends eine Mobilmachung, nirgends die Einziehung eines einzigen Mannes oder Pferdes erfolgt sei; er könne nachdrücklichst bestätigen, daß in den Fronten, die auf unsere Grenzen gerichtet seien, vom Zaren keine Mobilisierung gewünscht werde (Abb. 12 bis 15).


Abb. 12

Abb. 13

Abb. 14

Abb. 15

Abb. 16
Unser Kaiser Wilhelm II. (Abb. 16) kehrte wegen der Verschärfung der internationalen Lage, die den furchtbarsten Konflikt in greifbare Nähe rückte, zumal auch aus Frankreich beunruhigende Nachrichten eingingen, von seiner Nordlandreise zurück und traf am 27. Juli früh in Potsdam ein. Von ihm, dem Friedenskaiser ohnegleichen, gingen nun die letzten gewaltigen Bemühungen aus, die Kriegsflamme auf ihren Herd zu beschränken und so der Welt den Frieden zu erhalten. Das Weißbuch der Regierung über diese Friedensunterhandlungen enthält den Telegrammwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren Nikolaus. Da heißt es am 28. Juli: Die skrupellose Agitation, die seit Jahren in Serbien getrieben worden ist, hat zu dem empörenden Verbrechen geführt, dessen Opfer Erzherzog Franz Ferdinand geworden ist. Der Geist, der die Serben ihren eigenen König und seine Gemahlin morden ließ, herrscht heute noch in jenem Lande. Zweifellos wirst Du mit mir darin übereinstimmen, daß wir beide, Du und ich sowohl, als alle Souveräne ein gemeinsames Interesse daran haben, darauf zu bestehen, daß alle diejenigen, die für den scheußlichen Mord moralisch verantwortlich sind, ihre verdiente Strafe erleiden. Und am 29. Juli: Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Am 30. Juli: Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Gefahren und schweren Konsequenzen einer Mobilisation hinzuweisen. Österreich-Ungarn hat nur gegen Serbien mobilisiert, und zwar nur einen Teil seiner Armee....... Die ganze Schwere der Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung von Krieg und Frieden zu tragen.

Während nun der Zar in seinem Antworttelegramm den Deutschen Kaiser erneut um seine Vermittlung bittet, gibt er gleichzeitig den Befehl zur Mobilisation seiner gesamten Streitkräfte. Der Reichskanzler wies den deutschen Botschafter in Petersburg an, die deutsche Mobilisierung anzukündigen, wenn nicht binnen zwölf Stunden die Zurücknahme der russischen Kriegsmaßnahme gemeldet würde. Zugleich erhielt der deutsche Botschafter in Paris, Baron von Schoen, den Auftrag, bei der französischen Regierung anzufragen, ob sie in einem russisch-deutschen Kriege neutral bleiben wolle; er erhielt auf seine wiederholte bestimmte Frage den Bescheid, daß Frankreich das tun werde, was seine Interessen ihm geböten.

So ist es denn wahr geworden, daß unsere Nachbarn in Ost und West mitten im Frieden zu einem tückischen Überfall übereingekommen sind! Von langer Hand hatten sie Vorbereitungen getroffen und die Mobilisation ihrer Streitkräfte in die Wege geleitet, Deutschland aber heuchlerisch mit diplo- [9] matischen Winkelzügen getäuscht, um Gegenmaßnahmen des verhaßten Gegners bis zur letzten Stunde hinzuhalten. Und dann kam das Ungeheuerliche, daß neben Belgien am 4. August auch England den Krieg an Deutschland erklärte, zwar unter einem Vorwand, der nur zu deutlich die wahre Absicht durchschimmern ließ, feige die Gelegenheit des Massenangriffs gegen Deutschland auszukaufen, den gewaltigen Handel des zu lange ohnmächtig beneideten Vetters in echtem Krämergeist an sich zu reißen. Ein Netz von kriegerischen Plänen und Vorbereitungen lag fertig bereit, die Zentralmächte Europas darin zu fesseln, ein im Hinterhalt feingesponnenes Netz, dessen Maschen nun, eine um die andere, klar ins Licht traten.


Abb. 17

Abb. 18

Abb. 19

Abb. 20

Inzwischen erfolgte auf des Kaisers Befehl – nachdem am 31. Juli der Kriegszustand erklärt war (Abb. 24) – am folgenden Tage die Mobilmachung.


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Abb. 23

Abb. 24

Krieg! Krieg nach drei Fronten! (Abb. 17 bis 23.) Endlich durchfuhr der erlösende Blitz die schwüle Atmosphäre. Alles atmete entspannt auf. Die Wogen einer ungeheuren Begeisterung wälzten sich durchs Land, eine vaterländische Kundgebung folgte der andern. Hunderttausende umdrängten das Königliche Schloß, den Kaiser in ernster Stunde in Huldigung zu grüßen, und von der Höhe des Balkons spricht der Kaiser hinein in die Menge: Eine schwere Stunde ist heute über Deutschland hereingebrochen. Neider überall zwingen uns zu gerechter Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand. Ich hoffe, daß, wenn es nicht in letzter Stunde meinen Bemühungen gelingt, die Gegner zum Einsehen zu bringen und den Frieden zu erhalten, wir das Schwert mit Gottes Segen führen werden, bis wir es mit Ehren wieder in die Scheide stecken können. Enorme Opfer an Gut und Blut würde ein Krieg vom deutschen Volk erfordern. Den Gegnern aber werden wir zeigen, was es heißt, Deutschland anzugreifen. Und nun empfehle ich euch Gott. Jetzt gehet in die Kirche und kniet nieder vor Gott und bittet ihn um Hilfe für unser braves Heer.

Gegen Abend branden die begeisterten Volksmassen noch einmal um das Berliner Stadtschloß, in lautem Jubel von der Einmütigkeit zu zeugen, mit der das ganze deutsche Volk hinter seinem verehrten und geliebten Herrscher steht. Wieder ein Kaiserwort: "Ich danke für die Liebe und Treue, die mir erwiesen worden. Wenn es zum Kampfe kommt, hört jede Partei auf. Wir sind nur noch deutsche Brüder." Noch in der Nacht sammelte sich eine vieltausendköpfige Menge vor dem alten Hause Bismarcks, wo der Reichskanzler von Bethmann Hollweg eine begeisterte Rede hielt, die mit des Prinzen Friedrich Karl Worten aufrief: "Lasset eure Herzen zu Gott schlagen und eure Fäuste auf den Feind!" Mit dem Liede: "Lobe den Herrn" ging die patriotische Volksversammlung würdig auseinander.

Was Fürst Bismarck einst in seiner berühmten Rede vom 6. Februar 1888 geweissagt hatte, das ganze Deutschland werde von der Memel bis zum Bodensee wie eine Pulvermine aufbrennen und von Gewehren starren, das ging heute aufs köstlichste in Erfüllung. Nur ein Gedanke erfüllte das deutsche Herz: Um Vaterland und Freiheit! Jeder wußte, was für uns auf dem Spiele stand, daß unsere Neider beabsichtigten, Deutschlands Macht zu vernichten, in blindem Haß Provinzen zurückzuerobern, die durch deutschen Fleiß wieder zu blühenden Bestandteilen des Reiches geworden waren, Deutschlands wachsenden Welthandel an sich zu reißen. Nicht einen Augenblick ver- [10] ließ das deutsche Volk das feste Vertrauen zu seinem Herrscher, zu der gewaltigen Kraft der altbewährten Armee und der jungen, todestrotzigen Flotte, zu der weisen und energischen Leitung seiner verantwortlichen Staatsmänner und Heerführer, zu der alles hintansetzenden Entschlossenheit und Opferwilligkeit der gesamten Nation.

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Einberufung und Beförderung der eingezogenen Truppen (Abb. 25 bis 30) wickelten sich mit unvergleichlicher Ruhe und Sicherheit ab. Auch der schlichteste Beamte stand auf seinem Posten, das Ungeheuerliche möglich zu machen: in wenigen Tagen Millionenheere an die bedrohten Grenzen zu werfen. Alle Tränen des Abschiedschmerzes zurückbleibender Eltern, Frauen, Bräute und Kinder verklärte der Heldenmut auch der Schwachen: um Vaterland und Freiheit auch das Liebste freudig opfern zu wollen. Alte Landwehr- und Landsturmleute eilten zu den längst entwöhnten Waffen, in wenigen Tagen wieder eingelebt in den Heeresdienst und seine gewaltigen Anforderungen, beseelt von jenem kriegerischen Geist, den sich unsere friedliebende Nation als ein glückliches Erbteil aus großen und schweren Tagen kriegswilder Vergangenheit bewahrt hat. Nicht militärisch ausgebildete Landsturmleute, die keine Verwendung finden konnten, spürten jetzt erst recht den ungeheuren Schmerz der Zurücksetzung, nicht das Blutopfer für Kaiser und Reich bringen zu dürfen. Greise Offiziere aus Wilhelms des Großen glorreicher Zeit griffen zum Degen und riefen zum Sturm. Die Bezirkskommandos vermochten sich kaum des gewaltigen Andrangs Kriegsfreiwilliger zu erwehren, die in wenigen Wochen die Zahl von Millionen Männer überschritt. Jeder wollte an der Lösung der großen Frage des Vaterlandes beteiligt sein. Eine helläugige, begeisterte und zur Todesweihe jauchzend bereite Jugend erhob sich zu kühnem Schwertergreifen, über Nacht in eiserner Zeit männlich herangereift. Die vaterländische Erziehung der deutschen Schule, die Stählung des Willens und der Kraft in der Deutschen Turnerschaft bestand die Probe im Sturm der Not wiederum glänzend. Aber auch neue vaterländische Vereinigungen, Jung-Deutschland-Bund und Sportklubs, Pfadfinder und Wandervogel, begannen die ersten kostbaren Früchte emsig betriebener Jugendpflege dem bedrängten Vaterlande darzureichen (Abb. 31 bis 33).


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Abb. 33
Draußen auf den Feldern rauschte in seltenem Reichtum das reife Korn. Die Sense schlief, da der wehrfähige Landmann ein ander Feld zum Mähen sich erkor. Aber ein Wetteifer der Hilfsbereitschaft erfaßte die deutsche Jugend. Studenten, Gymnasiasten und Seminaristen griffen zu Sense und Sichel. Töchterschülerinnen banden mit fleißiger Hand die körnerschweren Garben. Rasch waren die Lücken, die der Krieg in die Unterbeamtenschaft der Post riß, durch willige und ausdauernde

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Jugendkräfte ausgefüllt, die Depesche und Brief in Stadt und Land zur Bestellung brachten. Nie wird an deutscher Zukunft Zweifel nähren wollen, der diese Jugend sah!

Der Geist der Opferwilligkeit, der die ganze Nation erfüllte, ergriff auch die weibliche Jugend und die Frauenwelt (Abb. 34 bis 41). Das Rote Kreuz, dessen treue Friedensvorbereitungen und unübertreffliche Einrichtungen nun die Probe bestehen sollten, fand nicht nur Stifter, die seine Tätigkeit mit gewaltigen Beträgen unterstützten; sondern ebenso rasch reihte sich in seine wohl- [11] ausgebildete Schwesternschaft eine nach Tausenden zählende Schar freiwilliger Kräfte, die mithelfen wollten, die bitteren Wunden des Krieges zu lindern. Der Vaterländische Frauen-Verein verband sich mit kirchlichen Hilfsvereinigungen zur Linderung der Kriegsnot. Liebesgaben erquickten die ins Feld ziehenden Soldaten und die zurückbeförderten Verwundeten auf den Stationen. Es zeigte sich, wie alle Zweige des deutschen Sanitätswesens aufs trefflichste vorbereitet waren, die erste Hilfe auf dem Felde zu leisten, Verwundete sorgsam in die Heimat zurückzubefördern und ihnen hier eine mustergültige Pflege angedeihen zu lassen. Kaiser, Prinzen, Fürsten stellten ihre Schlösser, Vermögende ihre Villen und Häuser freudig für den Liebesdienst an unsern Verwundeten zur Verfügung (Abb. 38). Städtische Verwaltungen, Vereine und Privatpersonen traten in herrlichen Wettbewerb, Zurückgebliebene und Hinterbliebene der Armee zu unterhalten. Alle Tätigkeit des Angriffs und der Fürsorge war mit Gewissenhaftigkeit und Sicherheit, mit Treue und Umsicht, mit Klugheit und Voraussicht einheitlich organisiert, wie es nur in einem Kulturvolk ersten Ranges zu ermöglichen ist.


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Abb. 41

Auf den freien Plätzen der Großstädte, in Domen, Kirchen, Kapellen und Betsälen des Landes beugte sich eine im tiefsten Grunde des Herzens gläubig fromme Nation vor dem Allmächtigen in Buße und Bitte (Abb. 42 bis 44). Es ist erfreulich, aus dem Gesichtswinkel kleiner Ortschaften heraus zu sehen, wie die Geistlichkeit augenblicklich bei Ausbruch des Krieges den vaterländischen Gedanken aufgriff, in Worten flammender Begeisterung den heiligen Krieg als gottgewollte nationale Notwehr erkannte, die ins Feld Ziehenden dem Schutz des Allmächtigen empfahl, und die Zurückbleibenden mit Trost und Zuversicht erfüllte.


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Die ungeheuere Begeisterung und die unsprengbare Geschlossenheit eines zum äußersten entschlossenen Volkes, das seine bewegte Gliederung nach Stand, Bildung, Besitz, Religion, Stamm im Augenblick der Gefahr völlig aufgelöst weiß in dem starken Willen zur Einheit, spiegelte sich wider in jener denkwürdigen Reichstagssitzung vom 4. August (Abb. 46). In seiner Thronrede (Abb. 45) erklärte Se. Majestät: "In aufgedrungener Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht der Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammenstehen mit unsern Bundesgenossen zu verteidigen, was wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Beispiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich, demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken und zu gutem Ende lenken wolle!" Der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg (Abb. 48) entwickelte mit hinreißender Beredsamkeit die politische Lage. "Gegen unsern Willen, gegen unser redliches Bemühen müssen wir das Schwert ziehen. Während wir auf russische Bitten in Wien vermitteln, erhebt sich die russische Wehrmacht an unserer langen, fast ganz offenen Grenze, und Frankreich mobilisiert zwar noch nicht, aber trifft doch, wie es zugibt, militärische Vorbereitungen, und wir, wir hatten absichtlich bis dahin keine Reservisten zu den Fahnen gerufen, dem Frieden Europas zuliebe. Sollten wir weiter geduldig warten, bis etwa die Mächte, zwischen denen wir eingekeilt sind, den Zeitpunkt zum Losschlagen wählten? Wir sind in der Notwehr und Not kennt kein Gebot. Unsere Truppen haben [12] Luxemburg besetzt und vielleicht schon belgisches Gebiet betreten. Wer so bedroht ist, wie wir, und um sein Höchstes kämpft, der darf nur daran denken, wie er sich durchhaut." Einmütig erfolgte ohne Debatte die Bewilligung eines vorläufigen Kredits von 5 Milliarden Mark, sowie die Zustimmung zu allen übrigen Vorlagen der Regierung. In der gewaltigen Überzeichnung der Reichsanleihe kam hernach die finanzielle Bereitschaft des Landes und der rührendste Opfermut des deutschen Volkes zu erhebendem Ausdruck.

Hatten die hinterlistigen Gegner im geheimen mit dem Parteihader der Deutschen und der Zerrissenheit der Stämme Österreich-Ungarns gerechnet, so mußten sie nur zu bald gewahr werden, daß sie sich verrechnet hatten. Denn hier wie dort umscharten geschlossen todesmutige Völker ihre erhabenen Herrscher, durchdrungen von dem einen Willen: Mit Gott für König und Vaterland!


3. Der Krieg in Belgien

Der Feldzugsplan der Gegner war dem deutschen Generalstab wenigstens in seinen Hauptzügen nicht unbekannt geblieben. Man wußte von der Absicht der Franzosen, sich in Lüttich einen militärischen Stützpunkt gegen uns zu schaffen, vielleicht die Neutralität Luxemburgs, bestimmt aber die Belgiens zu brechen, um diese neutralen Staaten als Einfallstore gegen die hier ungeschützten Rheinlande zu benutzen. Alle Vorbereitungen waren getroffen, mit Belgiens Zustimmung französische Truppen über die Grenze zu werfen, Deutschland gleichzeitig hier im Westen und durch russische Einmärsche im Osten von zwei Seiten zu umklammern und zu erdrücken. In der erwarteten allgemeinen Verwirrung sollte England in Nord- und Ostsee die deutsche Küste bedrohen, die Lebensmittelzufuhr abschneiden, deutsche Häfen angreifen und Truppen zur Landung bringen.

Tatsächlich duldete Belgien vor und während der Mobilmachung feindliche Maßnahmen gegen uns. Unbehelligt überflogen französische Flugzeuge belgisches Gebiet, um deutsche Bahnen durch Bombenwürfe zu zerstören, französische Automobile überschritten die Grenze im Dienste feindlicher Spionage. Wieweit freilich Belgien mit unsern Gegnern eins geworden war zu unserer Vernichtung, das sollte sich erst im Laufe des Krieges täglich mehr herausstellen. So waren vor Ausbruch der Feindseligkeiten französische Offiziere nach Lüttich entsandt worden, die belgischen Truppen in der Handhabung des Festungsdienstes zu unterrichten. Sowohl planmäßig und frühzeitig vorbereitete kriegerische Maßnahmen des belgischen Heeres und des ganzen belgischen Volkes, wie nachträgliche Bekenntnisse von Staatsmännern und Privatpersonen und aufgefundene amtliche Schriftstücke, bewiesen aufs klarste längst gegen uns heimtückisch ersonnene und verwirklichte Ränke.

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Aber Zug um Zug wurde das feingesponnene Netz der Gegner gelöst und durchbrochen durch die energischen Maßnahmen des deutschen Generalstabs (Abb. 47). Am ersten Mobilmachungstag besetzten einige Kompagnien des 8. Armeekorps Luxemburg zum Schutz deutscher Bahnen, und am 4. und 5. August erfolgte der Einmarsch unserer Truppen in Belgien. Schon im Reichstage hatte der Reichskanzler (Abb. 48) erklärt, daß wir schweren Herzens – gezwungen von unseren Gegnern, die den Neutralitätsbruch Belgiens in ihr [13] Angriffsprogramm ausgenommen hätten – die Gebote des Völkerrechts verletzen müßten. Das gegen Belgien begangene Unrecht solle – sobald Deutschlands militärisches Ziel erreicht sei – wieder gutgemacht werden. In gleichem Sinne unterrichtete der Oberbefehlshaber der deutschen Truppen nach ihrem Einmarsch das belgische Volk durch eine Bekanntmachung, daß wir es nicht mit Krieg zu überziehen gedächten, daß unter der Bedingung freien Durchzugs Belgien alle Schrecken des Krieges erspart bleiben sollten.

Leider verkannte das von Deutschlands Feinden mit fanatischem Haß gegen uns aufgepeitschte, betörte belgische Volk die gute Absicht. Sogleich beim Einmarsch unserer Truppen zeigte es sich, daß Greise und Knaben, Frauen und Mädchen aufs wahnsinnigste verhetzt waren, gegen unsere Soldaten einen Guerillakrieg zu entfachen, der genau organisiert und durch vorherige Waffenverteilung ermöglicht worden war und nun mit einer unvergleichlichen, geradezu bestialischen Grausamkeit ins Werk gesetzt wurde.

Der Aufschwung belgischen Geschäftslebens ist zum großen Teil auf deutschen Einschlag zurückzuführen. Deutscher Fleiß betätigte sich aufs fruchtbarste auf den Gebieten der Industrie und des Handels, und ein tausendfaches Band freundschaftlichen Zusammenwirkens verknüpfte naturgemäß – besonders in den großen Städten des Landes – Deutsche und Belgier. Mit einem Schlage wurde es nun zerschnitten. Deutsche Waren in den Häfen und im Lande verfielen gegen jedes Recht der Beschlagnahme, deutsche Kaufleute und ihre Familien, die Jahrzehnte in Belgien lebten, mußten sich einer schamlos durchgeführten Spionageinquisition unterwerfen, Häuser und Geschäfte wurden vom Straßenpöbel zertrümmert, Frauen und Kinder in bestialischer Weise niedergemetzelt, öffentliche Banken verweigerten das Wechseln von Geld. Wer irgend vermochte, überstürzte sich zur Flucht in die Heimat oder auf den neutralen Boden des gastlichen und ritterlichen Holland. Dem Ansturm des fanatisierten belgischen Pöbels stand die belgische Verwaltung und Polizei tatenlos gegenüber.

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Mit dem Einmarsch deutscher Truppen schlug natürlich der künstlich geschürte Haß auf deutsche Soldaten über, die in Dörfern und Städten von den Einwohnern zuerst mit heuchlerisch-freundlichem Gesicht empfangen und aufgenommen, nächtlicherweile aber aus dem Hinterhalt beschossen (Abb. 49) oder im Quartier bestialisch zugerichtet wurden. Schlafenden Soldaten durchschnitt man die Hälse, Frauen und Mädchen stachen ihnen die Augen aus. Das Zeichen des Roten Kreuzes an Arm und Wagen schützte nicht Arzt und Sanitätskolonne, nicht einmal bei Ausübung ihres schweren Dienstes an den Verwundeten. Ströme siedenden Wassers oder Öles ergossen sich aus den Fenstern auf die einziehenden Truppen. Toten und Verwundeten durchschnitten die Hyänen des Schlachtfeldes – belgische Bauern – die Finger, um sich in den Besitz ihrer Ringe zu setzen. Die feindliche Lügenpresse leugnete zuerst das Franktireurunwesen ab. Später aber erschienen in der englischen Presse (Abb. 50 und 51) Illustrationen, die den Meuchelmord verherrlichten. Da erquicken belgische Frauen einen Helden in seinen letzten Zügen, jene "Frauen, die eine bemerkenswerte Rolle in dem Kampf ihres beherzten Ländchens gegen die deutschen Legionen spielen, die verschiedene Ulanenangriffe zurückschlugen und 2000 Deutsche bei Herstal durch kochendes Wasser dienstunfähig machten". Ein anderes jener Bilder [14] verherrlicht eine von ihren Kindern umgebene Frau, die aus dem Türspalt heraus auf deutsche Ulanen schießt.

Nur die furchtbarsten Abwehrmaßnahmen vermochten die Sicherheit unserer braven Truppen einigermaßen zu gewährleisten (Abb. 52 bis 56). Häuser, aus denen geschossen wurde, gingen in Flammen auf, Freischärler verfielen dem Standrecht und erhielten auf der Stelle die Kugel. Gegen solche modernen Barbaren gilt Friedrichs des Großen Wort: "In diesen harten Zeiten heißt es, sich mit Eingeweiden von Eisen wappnen und mit einem Herzen von Stahl, um alles Gefühl zu vergessen." Trotz aller Warnungen schmiedeten sich belgische Orte ihr eigenes schreckliches Schicksal, aber die Selbsterhaltung zwang den so teuflisch geführten Kleinkrieg mitleidslos mit blutiger Härte niederzudrücken. Gut und Blut, Haus und Eigentum der Belgier sind so zwecklos vernichtet worden, ohne den Aufmarsch der deutschen Armee auch nur im geringsten hindern zu können.


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Im Gegenteil! Als die Mobilisierung der Armee kaum begonnen, der Einmarsch in Belgien erst zwei Tage im Gange war, trug am 7. August der Draht die erschütternde, geradezu unglaubliche Nachricht in die Welt, daß die gewaltige moderne Festung Lüttich, die unsern Ansturm 3 bis 4 Wochen hemmen sollte, durch den Kommandierenden General von Emmich zu Fall gebracht sei! (Abb. 57.) Es war der erste sichere Griff des Löwen, der sich nicht ungestraft reizen läßt. Mit unglaublicher Kühnheit hatte zuerst eine unbedeutende Truppenabteilung einen verwegenen Handstreich auf Lüttich versucht; einzelne Reiter waren in die Stadt gedrungen, um sich des Kommandanten General Léman zu bemächtigen, der sich seiner Gefangennahme nur durch die Flucht entziehen konnte. Dem mißlungenen Reiterstück folgte nun ein heldenhafter Sturm unserer todestrotzigen Truppen, wie er in der Geschichte seinesgleichen sucht. Nicht mobilisierte Regimenter, sechs schwache Friedensbrigaden mit etwas Kavallerie und Artillerie wurden gegen die Festung geworfen, die unter dem Kugelgruß von zwölf Bomben des Zeppelin-Luftschiffes aus Köln schon in Entsetzen gebracht war, und am Morgen des 7. August war Lüttich nach zweitägigem Sturm, bei dem der ritterliche Prinz Friedrich Wilhelm zur Lippe, die Fahne des Regiments in der Hand, und des Reichskanzlers Fürsten Bülow jüngster Bruder, Karl Ulrich von Bülow, das Blutopfer für Kaiser und Reich brachten, in unserer Hand! Und ein bislang wohlbehütetes Geheimnis begann sich zu entschleiern zu unbeschreiblichem Jubel des deutschen Volkes und zum maßlosen Schrecken der Feinde: in stiller Friedensarbeit hatte die deutsche Firma Krupp in Essen ein neues Geschützmodell herausgebracht, dessen verheerende Wirkungen alles Maß des Dagewesenen überstieg (Abb. 58 bis 66). Ströme deutschen Blutes, blühendes deutsches Leben ist durch dieses Wunder menschlichen Erfindungsgeistes dem Vaterlande erspart worden, ein bleibender Ruhm der Schöpfer des Riesenwerkes! Etwa zwanzig Zentner schwere Geschosse schleudert der 42 cm-Mörser auf eine Entfernung von 12 Kilometern unter ohrenzerreißendem Getöse mit einer nie geahnten Schwung- und Durchschlagskraft. Beim Aufschlagen wühlt sich das furchtbare Geschoß erst etwa zwei Meter in den Grund, um dann zu explodieren und sechs Meter dicke Eisenbetonschichten und Panzertürme zu zertrümmern und aus tiefem Trichter haushoch in gigantischer Vernichtung emporzuschleudern. Ein einziger, wohlgezielter Schuß [15] brachte oft ein feindliches Fort zum Schweigen; man sah Forts, die nur noch einen tiefen Krater bildeten, in dessen grausige Tiefe unter haushohen Trümmern ihre Verteidiger ein furchtbares Grab gefunden hatten.


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Nach dem gewaltigen Erfolg von Lüttich, der die Besiegten bestürzt aus allen Wolken fallen ließ, gab die deutsche Regierung der belgischen noch einmal Gelegenheit, das Land vor weiterem Schaden zu bewahren; ihr freundliches Anerbieten aber fand Ablehnung, offenbar gestützt auf versprochene französisch-englische Hilfe. Wohl erschienen die Verbündeten mit Verstärkungen auf dem Plan, wurden aber von den unaufhaltsam vordringenden Deutschen unter großen Verlusten und unter Hinterlassung wertvoller Kriegsbeute völlig geschlagen, so am 18. August in der Reiterschlacht bei Perwez, am 19. August bei Tirlemont, so daß am 20. August der Einmarsch der Deutschen in die belgische Hauptstadt Brüssel (Abb. 68 und 69) erfolgen konnte, nachdem König und Regierung sich bereits in Antwerpen in Sicherheit gebracht hatten, ein Beispiel, dem zahlreiche Flüchtlinge folgten. Löwen ergab sich zuerst – gleich andern Plätzen – freiwillig (Abb. 70 bis 73), eröffnete aber mit Einbruch der Nacht des 24. August aus dem Hinterhalt ein mörderisches Feuer auf unsere Truppen, das zur Beschießung und Einäscherung eines großen Teiles der Stadt führte. Das wunderbare gotische Rathaus, sowie die Kathedrale ließen sich mit wenigen Kunstschätzen vor der Vernichtung retten, die durch den heimtückischen Verrat an unseren braven Soldaten notwendig geworden war.


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Am 25. August erfolgte auf Befehl des Kaisers für die besetzten Gebiete die Einsetzung deutscher Verwaltung, mit der als Generalgouverneur Generalfeldmarschall Freiherr von der Goltz (Abb. 77), als Zivilgouverneur Regierungspräsident Exzellenz Dr. von Sandt aus Aachen betreut wurden.

Um Belgien als Stützpunkt der deutschen Operationen benutzen und dem Vordringen des französisch-englischen Bundesheeres zuvorkommen und entgegentreten zu können, bedurfte es der Besitzergreifung der zweiten großen Festung Belgiens: Namur (Abb. 74 bis 81). Am 22. August begannen unsere furchtbaren Geschütze die starke mit neun weit hinausgeschobenen Forts befestigte Stadt unter Feuer zu nehmen. Ein Fort nach dem andern verstummte, mit wenigen Schüssen in einen Trümmerhaufen verwandelt, die kolossalen Zementgewölbe zermalmt, eiserne Panzertürme ausgehoben, geborsten und niedergeworfen, als ob in einem Erdbeben die Wut der Elemente entfesselt sei. Ein glänzender und für die weiteren kriegerischen Maßnahmen überaus wichtiger Erfolg war es, als dann am 26. August der Generaloberst von Bülow die Festung Namur zu Fall brachte, freilich unter heiligen Blutopfern. Durch einen Granatschuß getroffen, besiegelte auch der edle Prinz Friedrich von Sachsen-Meiningen seine Treue zu Kaiser und Reich mit dem Heldentode.

Mit dem Fall von Namur ergab sich für die deutschen Heere die Möglichkeit, der vorrückenden französischen Armee kraftvoll entgegenzutreten.


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In Belgien selbst aber galt es, nicht nur den Besitzstand zu wahren, sondern weiter nach Norden vorzurücken, die Städte Mecheln (Abb. 86) und Gent zu besetzen und endlich die trutzige Seefestung Antwerpen, den letzten Stützpunkt des geschlagenen belgischen Heeres, die letzte Stätte der Zuflucht von König und Regierung, zu bezwingen. Die Belagerung und Einnahme [16] Antwerpens wurde erschwert durch die Zusammenziehung größerer Truppenmassen des Gegners, durch die Kriegshilfe, die vor allen Dingen England den von ihm verführten Belgiern leistete (Abb. 88 und 89). Englische Soldaten und Geschütze wurden in die Festung entsandt, dieses letzte Bollwerk vor den Händen der Deutschen zu bewahren. Mit diplomatischen Ränken hatte England den kleinen Nachbarstaat auf seine Seite gezogen, tatenlos sah es zu, wie die belgische Armee einen Schlag nach dem andern erhielt, wie eine Stadt nach der andern in die Hände des Siegers fiel. Seinen ganzen Einfluß bot es nun auf, Antwerpen, die uneinnehmbare, durch einen doppelten Kranz von Forts befestigte Stadt, zu halten (Abb. 91 bis 104). Am 28. September lösten die Deutschen die erste Granate, eine Befestigung nach der andern wurde beschossen und genommen, manches Fort auf einen einzigen Treffer, jeder Ausfallsversuch des um 8000 Engländer verstärkten belgischen Besatzheeres wurde blutig abgewiesen, über Nethe, Rupel und Schelde rückten – zuweilen mit großen Opfern – die Deutschen näher auf die Unbezwingbare heran. Am 7. Oktober standen unsere großen Geschütze bereit, die Festung selbst zu beschießen. König Albert will das furchtbare Unheil von seiner unglücklichen Stadt abwenden, die Festung übergeben, aber England widerspricht. Ein furchtbarer Feuerregen ergießt sich über die Festung, eine wilde Flucht beginnt, Frauen und Kinder ergreifen ihre geringen Habseligkeiten, das benachbarte Holland zu erreichen, wo ihnen freundliche Zuflucht gewährt wird. Das Besatzheer befindet sich in voller Auflösung. Etwa 25 000 englische und belgische Soldaten werden im neutralen Holland entwaffnet, Heerestrümmer rücken über die Schelde auf Ostende zu, von der deutschen Artillerie aufs furchtbarste beschossen. Zahlreiche Gefangene und gewaltige Vorräte gelangen in des Eroberers Hand. Dem General der Infanterie von Beseler (Abb. 90) wird für die außerordentliche Leistung, die seine Truppen durch die Bezwingung Antwerpens vollbracht, der Orden Pour le mérite verliehen. Über Antwerpen weht die schwarz-weiß-rote Flagge!


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Belgien hat bis jetzt das vernichtendste, wahnwitzigste Opfer bringen müssen für seine blinde, der englischen Politik geleistete Gefolgschaft. Mit dem Sturz Antwerpens erlitt aber auch England einen furchtbaren Schlag, der sein Ansehen herabdrückte und aller Welt kundtat, wie verlassen der ist, der sich vertrauend auf Albion verläßt. Deutschland setzte den ehernen Fuß auf die Küste des von England beherrschten Kanals!


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4. Gegen den Erbfeind

Als Rußland auf den uferlosen Wassern seiner panslawistischen Politik in den furchtbaren Krieg hineintrieb, hielten die Kriegshetzer Frankreichs die große Stunde ihres Vaterlandes für gekommen (Abb. 108 und 13). Dreiundvierzig Jahre mühsam gezügelte Revanchegelüste flammten im gallischen Herzen auf; der ehrgeizig genährte, nie aufgegebene Traum einer Wiedervereinigung Elsaß-Lothringens mit Frankreich – endlich sollte er zur Wirklichkeit werden! Freilich, es war nicht gekommen, wie es seit Jahrzehnten beabsichtigt und von den politischen Vertretern Frankreichs vorbereitet war. Nicht Frankreich hatte das Sturmsignal gegeben, gestützt auf die mit ungeheuren Geldmitteln erkaufte Gefolgschaft des russischen Bären. Nein, trotz aller jahrzehntelangen [17] Vorbereitungen im gegebenen Augenblick doch nicht vorbereitet genug, mußte Frankreich – wollte es die Gunst der Stunde nicht ungenutzt verfliegen lassen – in den Dienst slawischer Politik und auf die Seite der Königsmörder von Serajewo treten.

Den gewaltigen Auftakt des deutsch-französischen Krieges bildete der wohlüberlegte Vorstoß des französischen Heeres in das Freie Reichsland Elsaß und Lothringen (Abb. 111 bis 114). Noch vor dem Austausch der Kriegserklärungen – also mitten im Frieden – hatte Frankreich die Feindseligkeiten eröffnet. Bombenwerfende Flieger überflogen von Belgien aus deutsches Gebiet, französische Patrouillen beschossen deutsche Grenzwachen, geschlossene Kompagnien begannen den Einmarsch ins Oberelsaß, die Besetzung der Vogesentäler und deutscher Ortschaften. Gestützt auf den gewaltigen Festungsgürtel Belfort, Epinal, Toul und Verdun gedachte die französische Heeresleitung die deutsche Wacht am Rhein rasch zu überrumpeln, den Krieg in Feindesland zu tragen, die gesegneten Fluren Deutsch-Elsaß' und Lothringens zum Schauplatz der Entscheidungskämpfe zu machen, die deutsche Herrschaft aufzuheben und die Bewohner des Landes für die französische Sache zurückzulocken.


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In planmäßiger Eile besetzten französische Truppenkörper die "Schlucht" in den Vogesen, Metzeral, Markirch, Gottesthal, Altkirch und rückten – aus Belfort vorstoßend – am Abend des 8. August in Mülhausen ein, wo der Generalissimus der französischen Armee, Joffre (Abb. 194), am folgenden Tage im Rathaus die "endgültige Besitzergreifung Mülhausens durch Frankreich" verkündete. Französische Flieger warfen über dem Elsaß – Tann und Sennheim waren inzwischen auch besetzt worden – Zettel mit der Aufschrift nieder: "Kinder des Elsaß! Nach 44 Jahren schmerzlichen Wartens betreten französische Soldaten wiederum den Boden eures edlen Landes. Sie sind die ersten Arbeiter des großen Werkes der Revanche. Es erfüllt sie mit Rührung und Stolz. Um das Werk zu vollbringen, geben sie ihr Leben dahin. Die französische Nation steht einmütig hinter ihnen, und in der Falte ihrer Fahnen sind die zauberhaften Worte 'Freiheit und Recht' eingegraben. Es lebe das Elsaß! Es lebe Frankreich! Der französische Generalissimus Joffre."

Von unrühmlichen, verächtlichen Ausnahmen abgesehen, verhallte der Sirenengesang wirkungslos. Das von den Feinden besetzte Land bewahrte seine Reichstreue, wie es dies schon vorher durch Meldung von über hunderttausend Kriegsfreiwilligen, durch Treubekenntnisse seiner Abgeordneten und der Häupter seiner Städte zum Ausdruck gebracht hatte. Der Vandalismus, mit dem die Eindringlinge besonders in Mülhausen wüteten, die Zerstörung und Plünderung der Wohnungen deutscher Offiziere und Beamten und die demütigende Hinwegführung von Vorstehern, Richtern und Lehrern, gegen die man als die Hauptverbreiter der deutschen Idee besonders wütete, als Geiseln waren nicht geeignet, die Kultur des Eindringlings in besonders verlockendem Lichte erstrahlen zu lassen.

Der Rausch eines großen Sieges ging über das leicht entflammte französische Herz. Die Besitzergreifung friedlicher und unverteidigter Ortschaften erschien den so wenig verwöhnten Friedensbrechern als eine Heldentat ohnegleichen. Phantastische Lügenberichte sollten die Lage ausnutzen und im In- [18] und Ausland Stimmung machen für ein Heer, das sich mit so viel Bravour geschlagen hatte; man faselte von Ehrenpforten, die dem Befreier errichtet seien und von unbeschreiblichem Jubel der Bevölkerung. Der französische Kriegsminister Messimy drahtete an den Oberbefehlshaber Joffre: "Der Einmarsch französischer Truppen in Mülhausen unter dem Jubel der Bevölkerung hat ganz Frankreich in Enthusiasmus erzittern lassen".

Nur zu rasch sollte der Traum der Eroberer einer schrecklichen Ernüchterung Platz machen. Die deutsche Heeresleitung, die schwachen Besatztruppen zuerst ein Ausweichen gegen den übermächtigen Feind anbefohlen hatte, griff nun in entschlossener Abwehr zum Schwert (Abb. 115 bis 118). Nachdem bereits am 6. August Briey, nordwestlich von Metz, von deutschen Truppen besetzt war, folgte jetzt Schlag auf Schlag auf das Haupt der siegessicheren französischen Armee. Am 10. August warfen die Truppen des Generalobersten von Heeringen die Franzosen in furchtbaren, zum Teil nächtlichen Straßenkämpfen aus Mülhausen, wo sie sich fest verschanzt hatten.


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Den großen Verlusten des Gegners – 10 Offiziere, über 500 Soldaten, 4 Geschütze, 10 Fahrzeuge, zahlreiche Waffen fielen in die Hände des Siegers, – sollte am folgenden Tage, am 11. August, ein neuer, ebenso schwerer hinzugefügt werden. In der Schlacht von Lagarde wurden die Franzosen in den Wald von Parroy, nordöstlich von Lunéville, blutig zurückgeworfen. Die erste französische Fahne wird in erbittertem Handgemenge erbeutet! Über tausend Kriegsgefangene müssen die Waffen strecken, – ein Sechstel der beiden französischen Regimenter, die im Gefecht standen. Am 19. August schlugen bayerische und badische Truppen die bis Weiler vorgedrungene 55. Infanterie-Brigade, brachten ihr große Verluste bei und warfen sie über die Vogesen zurück.

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Vernichtende Schläge versetzten dann drei prinzliche Heerführer dem Feinde. Am 21. August überwältigte eine Armee von deutschen Truppen aller Stämme unter dem Oberbefehl des Kronprinzen Rupprecht von Bayern (Abb. 119 u. f.) acht französische Armeekorps zwischen Metz und den Vogesen so völlig, daß ihr Rückzug in wilde Flucht ausartete, bei der sie über 10 000 Gefangene und 50 Geschütze in den Händen des Siegers zurücklassen mußten. Das deutsche Heer blieb dem geschlagenen Gegner auf den Fersen und jagte ihn über die Linie Lunéville–Blamont zurück, ihm auch hier nicht Sammlung und Ruhe gönnend. In Baccarat erlitt der sozialdemokratische Abgeordnete Frank den Heldentod. Der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm (Abb. 134) unternahm am 22. August stürmische Angriffe auf französische Truppen bei Longwy, schlug sie vollkommen und zwang sie zu regelloser Flucht, bei der die Fliehenden die Rückzugsstraße mit fortgeworfenen Waffen, Tornistern, Munitionen übersäten. Die Grausamkeit französischer Kriegsführung zeigte sich in der völkerrechtswidrigen Benutzung von Dumdumgeschossen, die infolge Abplattung der Spitze unnötig schwere Verwundungen der Getroffenen herbeiführen. Am 26. August setzte sich der Sieger in den Besitz der Festung Longwy, wo der deutsche Kronprinz dem Kommandanten den ehrenhalber zurückgereichten Degen wieder nehmen ließ, da sich in der Festung eine Maschine zur Herstellung von Dumdumgeschossen vorgefunden hat. Der ritterliche Prinz warf dann abermals aus Verdun gegen [19] ihn vordringende Streitkräfte zurück und sicherte seiner Armee so den Vormarsch auf die Maas.


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Inzwischen erfocht am 23. August der Herzog Albrecht von Württemberg (Abb. 138) einen vollständigen Sieg über die Feinde bei Neufchâteau am Semois. Die Armee des Generalobersten von Heeringen setzte südlich in den Vogesen die Verfolgung der Franzosen kräftig fort, so daß es dem Gegner trotz wiederholter neuer Versuche, die noch wochenlang fortgesetzt, aber stets blutig abgeschlagen wurden, nicht gelang, im Freien Reichsland festen Fuß zu fassen. An der siegreichen deutschen Wacht am Rhein war sein Plan zerschellt.

Die unvergleichlichen Erfolge des deutschen Heeres in Belgien, der überraschend schnelle Sturz Lüttichs und Namurs, ermöglichte im Verein mit den gewaltigen Siegen an den Vogesen den Einmarsch in Frankreich von Norden und Westen. In sieben Heeressäulen überschritten deutsche Truppen die Grenze, im Norden unter dem Oberbefehl der Generalobersten von Kluck (Abb. 139), von Hausen und von Bülow (Abb. 140), sowie des Herzogs Albrecht von Württemberg, im Westen unter dem Kommando Friedrich Wilhelms, des deutschen Kronprinzen, des bayerischen Kronprinzen Rupprecht und des Generalobersten von Heeringen. Inzwischen waren am 16. August – nachdem die planmäßige Aufstellung der deutschen Heere vollzogen war – Seine Majestät der Kaiser zum Kriegsschauplatz geeilt, um nach der ritterlichen Überlieferung der Hohenzollern inmitten seiner kämpfenden Truppen zu weilen und die Kriegsberatungen zu leiten. Bald verbreitete sich die Nachricht, daß der Kaiser im Heer seines tapferen Sohnes auf dem Schlachtfelde eingetroffen sei, umjubelt von den braven Truppen, die der junge Kaisersohn von Sieg zu Sieg führte.

Mit Tag und Nacht nicht versiegender Energie stießen nun die sieben Armeen in Feindesland vor. Es folgt jetzt ein Kriegsabschnitt raschester und stärkster Erfolge. Des Gegners Offensive ist völlig zusammengebrochen, der Krieg in Feindesland getragen, kaum vermag der Gegner trotz englischer Hilfe mit blutigsten Verlusten und schweren Opfern an Kriegsmaterial seinen über alles Maß eiligen Rückzug zu decken. Wie eine alles zermalmende eherne Walze schieben sich die sieben deutschen Armeen gegen ihn vor, schlagen ihn aufs Haupt und lassen ihm nach furchtbaren Schlägen nicht Ruhe zur Besinnung und Sammlung, sondern heften sich an seine Fersen als der marschierende Sieg. In deutscher Knappheit berichtete der Generalquartiermeister von Stein am 27. August aus dem Großen Hauptquartier:

"Die Armee des Generalobersten von Kluck hat die englische Armee bei Maubeuge geworfen und sie heute südwestlich Maubeuge unter Umfassung erneut angegriffen. Die Armeen des Generalobersten von Bülow und des Generalobersten Freiherrn von Hausen haben etwa acht Armeekorps französischer und belgischer Truppen zwischen Sambre, Namur und Maas in mehrtägigen Kämpfen vollständig geschlagen und verfolgen sie jetzt östlich von Maubeuge vorbei. Die Armee des Herzogs Albrecht von Württemberg hat den geschlagenen Feind über den Semois verfolgt und die Maas überschritten. Die Armee des deutschen Kronprinzen hat eine befestigte Stellung des Feindes vorwärts Longwy genommen und einen starken Angriff aus Verdun abge- [20] wiesen. Sie befindet sich jetzt im Vorgehen gegen die Maas. Longwy ist gefallen. Die Armee des Kronprinzen von Bayern ist bei der Verfolgung in Lothringen von neuen feindlichen Kräften aus der Position von Nancy und aus südlicher Richtung angegriffen worden. Sie hat den Angriff zurückgewiesen. Die Armee des Generalobersten von Heeringen setzt die Verfolgung in den Vogesen nach Süden fort."

In der Schlacht bei St. Quentin am 31. August nahm von Bülow zuerst eine englische Infanterie-Brigade gefangen und schlug dann die französisch-englische Armee völlig. Gleichzeitig warf von Hausen die Franzosen bei Rethel und drängte sie gegen die Aisne zurück, wohin auch der Herzog von Württemberg siegreich vorzudringen vermochte. Der deutsche Kronprinz setzte sich in den Besitz der Festung Montmédy, nachdem er Kommandant und Besatzung bei einem Ausfall gefangen genommen hatte. Nach dem Übergang über die Maas lieferte er zwischen Reims und Verdun etwa zehn französischen Armeekorps eine siegreiche Schlacht. Ohne Aussicht, den Norden des Landes gegen den überwältigenden Ansturm der Deutschen halten zu können – nachdem am 28. August das stärkste französische Sperrfort Manonviller und am 31. August auch die Festung Givet durch den Herzog Albrecht von Württemberg mit wertvoller Unterstützung einer österreichischen Mörserbatterie zu Fall gebracht war – übergab der Gegner ohne Schwertstreich die Sperrbefestigungen Hirson, Condé, La Fère, Laon, die Festung Reims und die Städte Boulogne, Amiens, Rouen. Die deutschen Armeen überschritten Aisne, Somme, Oise, drangen bis an die Marne vor, und Reiterpatrouillen der von Kluckschen Armee trugen den Schrecken bis Paris heran, das von der Regierung verlassen wurde, die ihren Wohnsitz eiligst nach Bordeaux verlegte, die Verteidigung der Hauptstadt dem General Gallieni übertragend. Alles bereitete sich in Paris auf eine Belagerung vor, die Kunstschätze des Louvre wurden in Sicherheit gebracht, zahllose Flüchtlinge begaben sich in die Provinz. Bleiche Furcht ging um, nachdem deutsche Flieger, zuerst Leutnant Hiddesen, aus Flugzeugen Bomben auf die Seinestadt niedergeworfen hatten (Abb. 143 bis 146).


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Ohne Kampf ergab sich am 4. September das ehrwürdige, kathedralgekrönte Reims den deutschen Fahnen (Abb. 141) und ermöglichte die Erbeutung eines großen Flugzeugparks, und am 8. September erfolgte die Kapitulation der Festung Maubeuge, die sich gegen den furchtbaren Angriff der deutschen schweren Artillerie, die durch die österreichische Mörserbatterie kräftig unterstützt war, nicht zu halten vermochte. Der edle, erst neunzehnjährige Prinz Ernst von Sachsen-Meiningen fiel an der Spitze seiner tapferen Truppen, nachdem er noch den echt fürstlichen Wunsch geäußert hatte, nicht in der Fürstengruft, sondern gemeinsam mit den gefallenen Soldaten bestattet zu werden. Der junge Held war rasch und würdig seinem bei Namur gefallenen Vater, dem Prinzen Friedrich von Sachsen-Meiningen gefolgt. Der mit so viel edlem Blut erkaufte Sturz von Maubeuge vernichtete den wichtigsten schon im Frieden dazu erkorenen Stützpunkt der französisch-englisch-belgischen Armeen und brachte neben wertvollem Kriegsgerät 40 000 Gefangene in unsere Gewalt. In weiterem erfolgreichen Vordringen gelang es den deutschen Armeen eine Schlachtfront zu besetzen, die etwa von Meaux über Mont- [21] mirail und Sézanne nach St. Dizier ging. Diese Aufstellung erlitt einen schweren Stoß, als es den Franzosen gelang, gewaltige Verstärkungen heranzuziehen. Die sichere Neutralität Italiens machte im Süden große französische Heeresmassen frei, und gewaltige Aufgebote aus den Kolonien, Turkos und Zuaven und Senegalneger trafen auf dem Kriegsschauplatz ein. Die Engländer – selbst bei Maubeuge und St. Quentin furchtbar geschlagen – vermochten durch Nachschub wenn auch wenigausgebildeter Truppen, sowie durch Hilfe aus den Kolonien, neue Unterstützung zu geben (Abb. 147 bis 154). Durch sie wurde die ohnehin bunte Völkerkarte noch wesentlich erweitert. Schamlos bot England seine unzivilisierten Horden gegen uns auf, und setzte so zu seinem eigenen Schaden das Ansehen der herrschenden weißen Rasse in den Augen der Schwarzen und Gelben aufs empfindlichste herab.


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Die deutsche Heeresleitung vermochte aufs trefflichste inzwischen eine Stellung einzunehmen, die sich als natürliche Feldbefestigung uneinnehmbar erwies. Ihre Linie ging von der Maas hinter Reims vorbei auf Laon und Roye zu. Wochenlang wütete hier ein furchtbarer Kampf, der trotz zahlreicher Teilerfolge im ganzen unentschieden zu bleiben drohte. In Schützengräben lagen sich die Gegner gegenüber, nächtliche Angriffe im dichten Argonnenwald forderten schmerzliche Verluste. Es gelang bei [Camp] des Romains und St. Mihiel zwischen Toul und Verdun (Abb. 155 bis 160) den feindlichen Gürtel zu durchbrechen, aber immer neue Verstärkungen zogen die Verbündeten heran. Da jeder Durchbruchsversuch der aufs erbittertste kämpfenden Gegner blutig abgeschlagen war, versuchten sie, unsern rechten Flügel zu umfassen. Zu diesem Zwecke schoben sie – zum Teil mit ihren Eisenbahnen – in großer Eile immer neue Truppenmassen zum Norden. Aber der deutsche rechte Flügel vermochte mit beispielloser Geschwindigkeit den Bewegungen des Gegners zu folgen.


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Ohne den Krieg zwischen Maas und Oise zu verschleppen – wenn hier die Heftigkeit auch tagweise nachließ – verlängerte sich die Schlachtfront im Westen bis an und über die belgische Grenze. Teilniederlagen erlitt die Armee der Verbündeten bei Noyon, Roye, Péronne, Bapaume, Arras, Lens, Lille, Armentières, Hazebrouck, und endlich – nach Antwerpens Fall – wurde in zahlreichen Gefechten an der belgischen Küste der letzte Versuch der Gegner zuschanden gemacht, größere Mengen vom geschlagenen Rest des Antwerpener englisch-belgischen Besatzungsheeres mit der französisch-englischen Armee zu wirksamen Schlägen zu vereinigen.


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Furchtbare Kämpfe tobten in den letzten Tagen des Oktober am Yserkanal (Abb. 142) zwischen Ostende, Ypern, Dixmuiden und Arras. Schritt für Schritt mußte das deutsche Heer blutig, oft in erbittertstem Nahkampf, jeden Fußbreit Landes erobern, mit schwerer Artillerie gleichzeitig englische Schiffe bombardierend, die vom Meer aus dem Heer der Verbündeten Deckung geben wollten, sich aber, von Volltreffern schwer beschädigt, außer Sicht halten mußten. Die Öffnung der Schleusen zur Überschwemmung des Ysergebietes und wochenlang andauernde Regenfälle vermochten das natürlich schwer behinderte Vordringen der Deutschen nicht völlig aufzuhalten, langsam aber sicher wälzen sich ihre Massen gegen die Küste vor...

Abb. 161
Abb. 162
Die großen Erfolge der deutschen Heere in West und Ost lösten im ganzen Reiche ungeheuren Jubel aus (Abb. 161 und 162). Mit den Gefühlen heißesten Dankes [22] lauschte jedesmal das deutsche Ohr den siegverkündenden Klängen seiner ehrwürdigen Kirchenglocken, und in Stadt und Land entfalteten sich die schwarz-weiß-roten Fahnen! Am Sedantage wurde die Reichshauptstadt Schauplatz einer besonders festlichen Kundgebung. Durch das Brandenburger Tor setzte sich ein seltsamer Festzug in Bewegung: erbeutete französische, belgische und russische Kanonen wurden als Siegestrophäen auf der alten historischen Lindenstraße durch eine unübersehbare von Stolz und Freude bewegte Menge zum Schloß gefahren. Freilich erreichten nirgendwo im Land die begeisterten vaterländischen Kundgebungen des Volkes jene Blindheit, die den Sieg schon für erstritten hält, die der Tapferkeit und Ausdauer der Gegner leichtfertig Hohn lächelt und die die schweren eigenen Opfer, deren Kunde die schwarzen Verlustlisten durchs Land tragen, übersieht. Alle Siegesfreude erschien vielmehr geadelt und verklärt durch die feste Entschlossenheit auch der Letzten, in dem furchtbaren Weltkrieg, der uns aufgezwungen ist, im Vertrauen auf unsere gerechte Sache, der Gottes Hilfe gewiß [sei], durchhalten zu wollen in Not und Tod – bis unsere Fahnen zum letzten entscheidenden Sieg und zum Gruß des ehrenvollen Friedens sich entfalten!


Abb. 163
5. Das deutsche Schwert im Osten

In der Geschichte Ostpreußens und Deutschlands wird dauernd der Name des Generalfeldmarschalls von Beneckendorf und Hindenburg (Abb. 163) lebendig bleiben, der mit eiserner Faust den freventlichen Einbruch der russischen Barbaren auf den geheiligten Boden der deutschen Erde zunichte machte. Ganz in Übereinstimmung mit dem französischen Kriegsplan hatte auch der russische Generalstab (Abb. 164 und 165) schon in Friedenszeiten den plötzlichen Einfall in deutsches Gebiet vorbereitet. Durch die gleichzeitige Überrumpelung von Frankreich, Belgien und Rußland sollte Deutschland – ehe ihm die Aufstellung seiner Streitkräfte möglich war – eisern umklammert und erdrosselt werden. Weihnachten gedachte der russische General in Berlin zu sein; mit dieser Zuversicht erfüllte er seine verwilderten Truppen,


Abb. 164


Abb. 165
die schon in der Nacht vom 1. zum 2. August – also vor der Kriegserklärung – bei Eichenried, an der Bahnstrecke Jarotschin–Wreschen, vom deutschen Boden zurückgedrängt werden mußten, gleichzeitig eine Unternehmung gegen den Bahnhof Miloslaw vereitelt sahen, dann aber mit Verstärkung die Grenze bei Schwiddern überschritten. Schwache deutsche Grenzbesatzungen, nur durch Nachschub aus den nahen Festungen wie Thorn und Graudenz und von Landwehr- und Landsturmleuten verstärkt, wagten es, sich der brandenden slawischen Woge entgegenzustellen. Nicht selten konnten sie hungernde russische Deserteure zu Gefangenen machen, Kosaken, die der Landbevölkerung ihre Pferde für wenige Mark überließen. Dem vielfach überlegenen Gegner erwies sich der deutsche Grenzschutz als eine todesmutig-kühne Macht. So griff deutsche Kavallerie das von Russen besetzte Kibarty an und schlug den Feind über die Grenze zurück. Am 5. August verblutete eine russische Kavalleriebrigade bei Soldau im Feuer unserer Maschinengewehre. Kurz darauf erlitt ein feindliches Korps bei Neidenburg, dann am 9. August bei Bialla eine schwere Niederlage, die zahlreiche Kriegsge- [23] fangene und wertvolles Kriegsmaterial in unsere Hand brachte. Am 28. August wurde Mlava besetzt und bei Stallupönen ein Sieg über die Russen erfochten, der mehr als 3000 Gefangene einbrachte; am 22. August gelang dann in der Schlacht bei Gumbinnen die Gefangennahme weiterer 8000 Kriegsgefangener.

Entsetzliches Elend mußte Ostpreußen, dessen teilweise Räumung die deutsche Heeresleitung anordnete, unter der Schreckensherrschaft der Russen erleiden (Abb. 166 bis 175). Wohl wurde in manchen Korps auf Mannszucht gehalten, zahlreiche Offiziere duldeten aber nicht nur die schändliche Mißhandlung ostpreußischer Bauern, die Einäscherung ihrer Dörfer, den Raub ihrer Ernten, die sinnlose Vernichtung der Bahnhöfe, sondern beteiligten sich an diesen Schändlichkeiten. Im Automobil eines in Gefangenschaft geratenen russischen Generals fand sich ein Silberaufsatz, der einem preußischen Beamten von den Ständen zum Geschenk gemacht war! Landräte, die sich pflichttreu der Drangsalierung ihrer Kreise widersetzten, wurden von rohen Kosaken mißhandelt und als Geiseln mitgeführt. Zahlreichen Flüchtlingen gelang es unter Zurücklassung allen Eigentums ein schützendes Obdach in den vom russischen Barbarismus nicht heimgesuchten Gegenden unseres Vaterlandes zu erreichen. Freundlich nahm sich besonders auch die Reichshauptstadt der von ihrer Scholle Vertriebenen an, indem sie ihnen gastlich eine vorläufige Freistatt bot.


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Die ostpreußische Russenherrschaft erfüllte die Franzosen, die selbst bereits niederschmetternde Niederlagen erlitten hatten, mit Freude und Hoffnung. Gelang erst der russischen Armee der Vorstoß gegen Berlin, so erwarteten sie von der dadurch herbeigeführten Schwächung Deutschlands den Sieg auch für ihre Heere. Aber aller Siegesfreude und Hoffnung bereitete Generalfeldmarschall von Hindenburg ein jähes Ende durch seine beispiellosen Siege bei Tannenberg, Gilgenburg und Ortelsburg am 27., 28. und 29. August. Eine mehr als doppelt überlegene Streitmacht, die nördliche unter General Rennenkampfs, die südliche unter General Schilinsky Oberbefehl, hatte sich in erdrückender Wucht gegen die deutsche Armee vorgeschoben.

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Die von Landwehrleuten behauptete Mitte unseres Heeres mußte in blutigem dreitägigen Ringen die Verteidigungsstellung hinter Tannenberg und Hohenstein halten. Indes gelang es dem genialen Heerführer, den rechten Flügel von Gilgenburg und Soldau nach Neidenburg angreifend vorzuschieben, den linken über Allenstein nach Passenheim und Ortelsburg – so daß etwa 200 000 Russen eingekreist und gegen die Masurischen Seen gedrängt wurden. Nur versprengten Abteilungen der Narew-Armee gelang es, sich durch Flucht über die Grenze zu retten (Abb. 176 bis 180). Viele Tausende gingen jämmerlich in Sumpf und See zugrunde. Sämtliche Geschütze, an 500, gelangten in des Siegers Hände, 92 000 Russen, darunter zahlreiche Offiziere, gerieten in Kriegsgefangenschaft. Dreieinhalb Korps waren vernichtet, eineinhalb Korps in die Flucht geschlagen, Ostpreußen vom russischen Einbruch bewahrt! Aber der Sieger nutzte seinen Sieg völlig aus, schlug die fliehenden Heerestrümmer und die neu gegen ihn heraufziehende Wilna-Armee in der Gegend von Insterburg völlig, zwang sie über den Njemen und säuberte bis Mitte September den deutschen Boden vom Feind, dem es auch bei späterem Versuch nicht glückte, wieder in Ostpreußen festen Fuß zu fassen. Im Gegenteil gelang es nun rasch, den Krieg in [24] Feindesland zu tragen. Die Niederwerfung des XII. russischen Armeekorps ermöglichte die Besetzung des Gouvernements Suwalki, das unter die Leitung des Regierungspräsidenten von Merveldt aus Münster gestellt wurde.

Wohl galt es treue Wacht zu halten, denn immer wieder mußten neue russische Vorstöße zurückgewiesen werden, so bei Augustow und bei Suwalki, so noch einmal wieder auf deutschem Boden in Lyck, wohin eine Kolonne aus der Festung Lomzka gedrungen war. Gleichen Schritt aber mit den gewaltigen Fortschritten der österreichischen Bundesgenossen in Südpolen und Galizien hielt unser Vorstoß gegen die Weichsel. Bald konnte in Lodz die deutsche Herrschaft erhoben und Polen militärisch besetzt werden. Auf einer mehrere hundert Kilometer langen Front entwickelte sich hinter Warschau und Iwangorod die neue Schlachtaufstellung der Deutschen und Österreicher. Unsere Flieger warfen vernichtende Bomben auf das fiebererregte Warschau, das die Russen mit überwältigenden Anstrengungen zu halten sich bemühten.


6. Der See- und Kolonialkrieg

Seit Deutschland zur Weltpolitik ausholte und die alten sturmerprobten Hansafahnen aufgriff und über das blaue Meer trug, erwuchs ihm mit steigenden Erfolgen auch der steigende Neid des meerbeherrschenden England. Deutschland erkannte seine Zukunft und ließ nicht ab, sich durch den Erwerb wertvoller Kolonien seinen Platz an der Sonne zu sichern. Aber es begegnete auch jedem feindlichen Angriff auf seinen überseeischen Besitzstand durch die Gründung einer Flotte, die gleich ausgezeichnet ist durch die Güte, Geschwindigkeit und Bestückung ihrer Fahrzeuge, wie durch den Heldengeist, der ihre Mannschaft beseelt. Wilhelm II. ist der weitblickende Schöpfer großdeutscher Seemacht, sein Bruder Prinz Heinrich ihr begeisterter, tatkräftiger Förderer, Großadmiral von Tirpitz der kluge Berater seines kaiserlichen Herrn (Abb. 181 bis 183).


Abb. 181

Abb. 182

Abb. 183

Abb. 185
Gleich in den ersten Tagen des Kriegs erschien unsere Flotte auf dem Plan. Am 2. August schoß der kleine Kreuzer "Augsburg" (Abb. 185) den russischen Kriegshafen Libau in Brand. Drei Tage später erschienen die im Mittelmeer befindlichen deutschen Kriegsschiffe "Goeben" und "Breslau" an der Küste von Algier und zerstörten einzelne befestigte Plätze, Philippeville und Bône, Einschiffungsorte für französische Truppentransporte.

Abb. 109
Abb. 190
Abb. 191
Abb. 192
Abb. 193
Durch die am 4. August erfolgte Kriegserklärung Englands wurde der europäische Krieg vollends zum Weltkrieg. König Eduard VII. war der erste große Neider des aufstrebenden neuen Deutschland. Seine kluge Einkreisungspolitik zog alte Feinde Deutschlands in seine Netze und warb neue. Georg V. (Abb. 109) griff die Politik der Selbstsucht auf, freilich mit weit geringerer Begabung. Sein Minister des Auswärtigen Sir Edward Grey spann im Verein mit dem Marineminister Churchill die Fäden der Einkreisung weiter, indem er gleichzeitig uns durch Abrüstungsvorschläge hinzuhalten versuchte (Abb. 190 bis 193). Interessante Aufschlüsse über die Heimtücke englischer Politik gegen Deutschland gaben Dokumente, die nach Eroberung Belgiens im Generalstab beschlagnahmt wurden. Aus ihnen geht deutlich hervor, daß Eng- [25] land schon im Jahre 1906 die Entsendung eines englischen Expeditionskorps nach Belgien für den Fall eines deutsch-französischen Krieges in Aussicht genommen hatte. Bis in alle Einzelheiten war das Zusammenwirken Englands, Frankreichs und Belgiens ausgearbeitet worden. Dünkirchen, Calais und Boulogne waren als Ausschiffungspunkte für die englischen Truppen vorgesehen; belgische Eisenbahnen sollten sie ins Aufmarschgebiet bringen. Englischerseits wird die Einrichtung eines belgischen Spionageplatzes in der Rheinprovinz angeregt. Die Einbeziehung Frankreichs beweist, daß vorher auch mit dem französischen Generalstab Vereinbarungen erfolgt sind, wie denn auch die vorgefundenen Pläne von den "verbündeten Armeen" sprechen. Die gegen Deutschland gerichteten Abmachungen sind dann – wie es aus den Akten hervorgeht – später wiederholt worden.

Die englische Kriegspartei hatte es nicht leicht, das englische Volk von der Notwendigkeit eines Krieges an Rußlands Seite zu überzeugen; Flugblätter in Londons Straßen warnten öffentlich vor einem schmählichen und unsinnigen Krieg. Die englische Regierung benutzte heuchlerisch den durch die Gegner erforderten deutschen Durchbruch durch belgisches Gebiet als Vorwand zur Rechtfertigung ihrer Kriegserklärung. England, das in seiner maßlos grausamen Kolonialpolitik – noch zuletzt gegen die unglücklichen Buren Südafrikas – stets Menschenrecht und Menschenwürde der Schwachen in den Staub getreten, das seit Jahren in seinen Kriegsplänen den Bruch der belgischen Neutralität vorgesehen hatte, wagte es nun, gegen die ritterlichste und rechtlichste Nation diesen Kriegsgrund geltend zu machen. Freilich konnte England die Schnelligkeit der Entlarvung seiner Treulosigkeit und Heuchelei nicht vorausahnen. Übrigens beabsichtigte England durchaus nicht, mit Einsetzung eigener Werte die Niederwerfung Deutschlands zugunsten seines Welthandels herbeizuführen. Vielmehr sollten die Bundesgenossen die Kastanien aus dem Feuer holen. Eine geringe englische Landarmee, teilweise – wie bei Antwerpen – von frivoler Minderwertigkeit, Söldnertruppen für wenige Schilling geworben, sollten den Einsatz Englands bilden bei dem eisernen Würfelspiel, bei dem sich Belgiens und Frankreichs Jugend verbluten mußte. Seine Schiffe hielt es vorsichtig genug zurück, um noch bei Ausgang des Krieges im Besitz der Mittel zu sein, die seine Macht ausmachen. Nur hinterlistige Angriffe und feige Überfälle auf meist unverteidigte Kolonialplätze wurden gewagt, wo Polizeitruppen oder höchstens eine kleine Friedensbesatzung rasch zu überwältigen waren. Hinzu trat dann noch ein haßtriefender, widerwärtiger Nadelstichkrieg: deutsche Kabel wurden zerschnitten, damit nur noch englische Lügennachrichten besonders ins neutrale Ausland dringen konnten, deutsche Patente wurden für vogelfrei erklärt, allen Kaufleuten wurden deutsche Geschäftsverbindungen und Zahlungen selbst für Waren, die vor dem Krieg geliefert oder bestellt waren, bei Zuchthausstrafe verboten. Der niedrigste Krämergeist kam so zu klarstem Ausdruck. Durch die schamlose Behandlung in England verbliebener Deutscher, die teilweise seit Jahrzehnten naturalisiert oder mit Engländern verheiratet waren, ihre Massenunterbringung in den gefürchteten Konzentrationslagern, strich sich England aus der Liste der zivilisierten Völker. Im Verlauf des für England so kläglichen Krieges rief dann das stolze Inselreich auch halbwilde und wilde [26] Völker als Bundesgenossen an seine Seite. Zuerst Japanesen, dann Indier, Kanadier und immer schönere Marken seines reichen Völkerlagers. Das Aufgebot der gelben und schwarzen Rasse gegen die herrschende wurde überall besonders schmerzlich empfunden; nur zu bald aber sollte England selbst erfahren, wie in den Kolonien dadurch sein Ansehen rasch herabgemindert wurde. Japan besorgte unter dem Deckmantel freundlicher Bundeshilfe seine eigenen Geschäfte und bedrohte jeden europäischen Kolonialbesitz in Ostasien. Indien, Ägypten und Kapland lohten in Empörung auf. Englands und Rußlands Schwäche gaben der Türkei eine Sprache ein, die den Umschlag in der Bewertung englisch-russischer Machtfülle deutlich zum Ausdruck brachte. Bis endlich Ende Oktober die Türkei tätlich in die Kriegshandlungen eingriff, die Belästigung türkischer Schiffahrt in den Dardanellen und die englischerseits erfolgte Beschlagnahme der Panzerschiffe "Reschadie" und "Sultan Osman", sowie die Nichtanerkennung des Ankaufs der beiden deutschen Kriegsschiffe "Goeben" und "Breslau" mit der Sperrung der Dardanellen, dem Versenken russischer Kriegsschiffe und der Beschießung Odessas und Sebastopols beantwortete.

Abb. 188
Abb. 189
Abb. 204
Abb. 195
Der deutsche Seekrieg gegen England begann mit einem Heldenstück eines als Minenschiff ausgerüsteten Bäderdampfers der Hamburg-Amerika-Linie, der "Königin Luise" (Abb. 188 und 189), die unter Führung des Korvettenkapitäns Biermann am 6. August wagemutig bis vor die Themsemündung fuhr und Minen legte. Von einer englischen Torpedobootsflottille nach vollendetem Werk überrascht und beschossen, erwiderte die "Königin Luise" erst das Feuer und sank dann in die Tiefe. Gleichzeitig stieß der englische Kreuzer "Amphion" auf eine Mine und sank ebenfalls. Deutsche Unterseeboote begaben sich in den folgenden Tagen an die Ostküste Englands und Schottlands bis hinauf zu den Shetlandinseln, ein Wagnis, dem am 12. August "U 15", von dem englischen Kreuzer "Birmingham" beschossen, zum Opfer fiel. Am 18. August griffen die Kreuzer "Straßburg" und "Stralsund" (Abb. 204 und 195) an der südlichen Nordseeküste Englands zwei feindliche Unterseeboote an, von denen die "Straßburg" eines durch wenige Schüsse zum Sinken brachte, während die "Stralsund" in einem Feuergefecht zwei feindliche Torpedobootzerstörer schwer beschädigte.

Die Kreuzer des Mittelmeergeschwaders "Goeben" und "Breslau", die sich durch Beschießung der Häfen Philippeville und Bône in Algier verdient gemacht hatten, ergänzten in Messina ihre Kohlenvorräte, durchbrachen die Kette feindlicher Kriegsschiffe und erreichten Konstantinopel. Hier wurden sie von der türkischen Regierung für 80 Millionen Mark angekauft, um die durch völkerrechtswidrige Einbehaltung zweier türkischer Kriegsschiffe entstandene Lücke wieder auszugleichen. Ein unglaublicher Gewaltakt und Völkerrechtsbruch geschah am 19. August in Tanger, indem der Kaiserlich Deutsche Geschäftsträger nach Zustellung der Pässe gewaltsam auf dem französischen Kreuzer "Cassard" aus Marokko, das unter der Kontrolle der Signaturmächte von Algeciras steht, entfernt wurde.

Abb. 198
Abb. 203
Am 20. September vernichtete der kleine Kreuzer "Königsberg" (Abb. 198) vor Sansibar erst ein britisches Wachtboot, dann den englischen Kreuzer "Pegasus".

[27] Ein heroisches Ende fand am 26. August der Kreuzer "Magdeburg" (Abb. 203) bei einem Vorstoß im Finnischen Meerbusen. Im Nebel geriet das Schiff in der Gegend der Insel Odensholm auf Grund und wäre hier überlegenen russischen Streitkräften zum Opfer gefallen, wenn Kapitän und Besatzung nicht einen ehrenvollen Heldentod vorgezogen und ihr Schiff in die Luft gesprengt hätten. Dem Torpedoboot "V 26" gelang es unter dem Feuer der feindlichen Geschütze, den größten Teil der Mannschaft zu retten.

Abb. 196
Abb. 200
Abb. 201
Abb. 197
Schwache deutsche Kräfte hatten am 28. August in einem Seegefecht bei Helgoland einen schweren Stand gegen ein nordöstlich auf die Inselfestung im Nebel vorstoßendes, weit überlegenes englisches Geschwader. Es griff die Kreuzer "Ariadne", "Köln", "Mainz" (Abb. 196, 200, 201) und das Torpedoboot "V 187" an, die, von zahlreichen Kriegsschiffen beschossen, das furchtbare Feuer bis zum Sinken todesmutig erwiderten, so daß auch der Gegner schwere Verluste erlitt. Der englische Kreuzer "Arethusia", der erst eben fertiggestellt war, wurde zum Wrack geschossen und mußte in den Hafen geschleppt werden. Am 31. August wurde unter Neutralitätsbruch der als Hilfskreuzer ausgerüstete Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd "Kaiser Wilhelm der Große" von dem englischen Kreuzer "Highflyer" in den Gewässern der spanischen Kolonie Rio del Oro versenkt, nachdem es dem deutschen Kreuzer vorher gelungen war, den Dampfer "Kaipara" zu vernichten. Am 5. September wird vor dem Firth of Forth der englische Kreuzer "Pathfinder" vom deutschen Unterseeboot "U 21" zum Sinken gebracht, wobei fast die ganze Besatzung mit unterging. Am 13. September gelang es einem englischen Unterseeboot, den kleinen Kreuzer "Hela" (Abb. 197) durch einen Torpedoschuß zu vernichten.

Die zahlenmäßig weit überlegene englische Seemacht würde – so hatte man in England und in den Ländern der Verbündeten bestimmt erwartet – der deutschen Flotte bald den Garaus machen. Aber die englischen Kriegsschiffe zogen vor, außer Schußweite zu bleiben und sich mit ganz kleinen Augenblickserfolgen zu begnügen, wiewohl auch diese immer mit schweren Schädigungen verbunden waren. Vom ersten Kriegstage an hatte dagegen die deutsche Marine den Schrecken ins feindliche Meer getragen und die Unsicherheit englischer Seefahrt herbeigeführt, die im

Abb. 206
weiteren Verlauf des Krieges nur noch wachsen sollte. Denn am 22. September gelang es dem heldenmütigen Kapitänleutnant Otto Weddigen mit einer Schar todesmutiger Seeleute sein Unterseeboot "U 9" in die feindliche Nordsee nordwestlich von Hoek van Holland zu leiten, mit wohlgezielten Torpedoschüssen die englischen Panzerkreuzer "Aboukir", "Hogue" und "Cressy" in etwa zwei Stunden zu vernichten und nach vollbrachtem Heldenstück, das der ganzen Besatzung das Eiserne Kreuz eintrug, unversehrt Wilhelmshaven wieder zu erreichen (Abb. 206 bis 210).


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Abb. 205
Am 29. September bohrten bei Tahiti die Kreuzer "Scharnhorst" und "Gneisenau" das französische Kanonenboot "Zede" in den Grund. Am 6. Oktober wurde beim Vorpostendienst in der Nordsee unser Torpedoboot "S 116" durch ein englisches Torpedo vernichtet. Einen großen Erfolg errang "U 26" am 11. Oktober im Finnischen Meerbusen, als es ihm gelang, den russischen Panzerkreuzer "Pallada" (Abb. 205) zu vernichten. Der russische Kreuzer "Bajan" floh, ohne sich um die Rettung der Schiffbrüchigen zu kümmern. Der [28] Kapitänleutnant Freiherr von Berckheim wurde mit der ganzen Besatzung durch Verleihung des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Am 15. Oktober holte Kapitänleutnant Weddigen mit seiner wackeren Schar von "U 9" wieder zu einem kräftigen Schlag aus; er vernichtete den englischen Kreuzer "Hawke", wofür er mit dem Orden Pour le mérite ausgezeichnet wurde. Ein dunkler Tag für unsere Flotte war der 17. Oktober, der uns in einem Seegefecht in der Nordsee den Verlust der Torpedoboote "S 115", "S 117", "S 118" und "S 119" brachte, von deren Besatzung nur etwa 30 Mann gerettet werden konnten, während weit über 100 brave Seeleute den Heldentod erlitten. Am 18. Oktober fand das englische Unterseeboot "E 3" ein gleiches Schicksal; es wurde durch eine Mine vernichtet. Am 29. Oktober brachte der deutsche Kreuzer "Emden" den russischen Kreuzer "Schentschug" und einen französischen Torpedojäger zum Sinken.

Immer bedeutendere Anstrengungen machte England, durch Wachtdienst und Minenabsperrung wenigstens die Seeherrschaft im Kanal zu behaupten, aber es mußte am 31. Oktober erleben, daß ein deutsches Unterseeboot bei Dover im Kanal erschien und den englischen Kreuzer "Hermes" vernichtete.

Schwere Wertverluste erlitt auch die feindliche, besonders die englische Handelsseefahrt. Die englische Admiralität hat am 28. September eine amtliche Liste herausgegeben, aus der die Opfer zu ersehen sind, die deutsche Minen und Kreuzer gefordert haben. Die Zahl der Verluste ist hernach in einer Weise gewachsen, die das Ansehen der englischen Seeherrschaft aufs kräftigste erschütterte. Gleich zu Anfang des Krieges jagte der kleine Kreuzer "Dresden" den englischen Schnelldampfer "Mauretania" in den Hafen von Halifax und brachte an der brasilianischen Küste den Kohlendampfer

Abb. 211
Abb. 212
"Holmwood" zum Sinken. Der Hilfskreuzer "Kronprinz Wilhelm" versenkte im Atlantischen Ozean den englischen Dampfer "Indian Prince". Eine unglaublich erfolgreiche Tätigkeit in der Lahmlegung besonders englischen Handels entfalteten die Kreuzer "Leipzig", der an der Küste von Peru den britischen Dampfer "Lankfied" versenkte, "Geier", der die australisch-asiatischen Gewässer unsicher und englische Schiffe durch Herausnahme von Maschinenteilen fahrunfähig machte, "Karlsruhe", der bis Ende Oktober 18 Schiffe in den Grund bohrte oder kaperte und die unter dem Befehl des kühnen Korvettenkapitäns Karl von Müller stehende "Emden" (Abb. 211 und 212), die der feindlichen Seefahrt im Bengalischen Meer in der gleichen Zeit 51 schwere Verluste beibrachte. Die Unruhe über diese deutschen Erfolge steigerte sich in England zu einer lebhaften Nervosität, die sich in schweren Anklagen gegen die untätige eigene Marine, die nicht annähernd gleichwertige Taten aufzuweisen habe, und gegen den Marineminister Churchill, dem jegliche Fachkenntnis abginge, Luft machte.

Abb. 213
Abb. 214
Abb. 215
Abb. 216
Selbst im Kolonialkrieg sind die Erfolge der Engländer verhältnismäßig gering (Abb. 213 bis 216). Am 9. August fällt Lome in Togo in ihre Hand, am 11. August zerstören sie die deutsche Funkspruchstation in Daressalam. Von England aufgerufen, forderte am 19. August der japanische Botschafter die Zurückziehung der deutschen Kriegsschiffe aus dem ostasiatischen Gewässern oder ihre Abrüstung, ferner die bedingungslose Übergabe des gesamten Pachtgebietes von Kiautschou. Auf dieses unerhört freche Ansinnen [29] weigerte sich die deutsche Regierung eine Antwort zu erteilen, zugleich stellte sie dem japanischen Gesandten die Pässe zu. Schon der wackere Gouverneur Meyer-Waldeck hatte nach Bekanntwerden des japanischen Ultimatums telegraphiert: "Einstehe für Pflichterfüllung bis zum äußersten." Und aufs treueste und tapferste hat er mit seiner Besatzung sein Gelöbnis erfüllt. Die englisch-japanischen Operationen wurden kräftig aufgehalten durch den heldenhaft kühnen Widerstand der todesmutigen Besatzung und die Wirksamkeit des deutschen Kanonenboots "Jaguar", dem die Österreicher in ritterlicher Kampfgenossenschaft das Kriegsschiff "Kaiserin Elisabeth" beigesellt hatten. Am 6. Oktober gelangte die Siegesnachricht zu uns, daß bei einem Sturm auf die Infanteriewerke Tsingtaus die vereinigten Japaner und Engländer mit einem Verlust von 2500 Mann zurückgeschlagen wurden. Die Wirkung der deutschen Minen, Geschütze und Maschinengewehre war vernichtend, während die deutschen Verluste gering sind. Der Kreuzer "Kaiserin Elisabeth" und das Kanonenboot beschossen wirksam den rechten Flügel der Verbündeten. Ende Oktober wurden die Angriffe der Feinde verschiedentlich wiederholt, ohne daß es bis jetzt gelungen wäre, die kleine Besatzung zu bewältigen, was bei der gewaltigen Übermacht immerhin wohl nur eine Frage der Zeit ist. Am 17. Oktober wurde in der Kiautschoubucht der japanische Kreuzer "Takatschio" durch das Torpedoboot "S 90" vernichtet.

Am 29. August wurde Samoa von englischen Truppen ohne Kampf besetzt, am 11. September fällt Herbertshöhe nach heldenhaftem Widerstand der wenigen dort lebenden Deutschen. Am 19. September nimmt eine deutsche Abteilung von der englischen Polizeistation Rietfontain, östlich von Keetmanshoop, Besitz, Ende September beginnen deutsch-englische Kämpfe in Südwestafrika, wo südafrikanische Truppen Lüderitzbucht angreifen und nach verlustreichen Kämpfen besetzen. Einen Mißerfolg hatten die Engländer Anfang Oktober an der Grenze des Randfontain- und des Warmbaddistriktes. Der Aufstand der Kapkolonie brachte England endlich selbst in eine verzweifelte Lage. Am 28. September fallen Franzosen und Engländer in Kamerun ein, nehmen den Hafen in Besitz, erleiden aber im Innern des Landes verlustreiche Schlachten, die sich erbittert bis in den Oktober hinein wiederholen. Anfang Oktober besetzen die Japaner die unbewaffnete deutsche Insel Jaluit und erregten mit diesem dreisten Diebstahl Aufsehen und Protest, insbesondere auch bei den Vereinigten Staaten von Amerika, die ihre eigenen Besitzungen gefährdet sehen. Belgische Truppen erlitten Ende Oktober in einem Gefecht bei Kissenji am Kivusee im Kongostaat durch die Deutschen eine vollständige Niederlage. Es war vorauszusehen, daß es uns nicht gelingen würde, unseren kolonialen Besitzstand vor den Angriffen Englands zu sichern. Im Gegenteil kann Deutschland freudig überrascht sein über den heftigen und teilweise so erfolgreichen Widerstand unserer tapferen Besatzungen. Wie immer aber auch der Kolonialkrieg, von dem nur selten, spärlich und auf Umwegen Kunde zu uns gelangt, enden wird – über den endgültigen Besitz deutschen Landes im fernen Süden und Osten werden die Schlachten auf europäischem Boden entscheiden, und in Belgien und den besetzten Gebieten in Frankreich und Rußland besitzt Deutschland ein ausreichendes Faustpfand, um sich für frechen und feigen Raub schadlos zu halten!

[30]
Abb. 6
7. Heldenkämpfe unserer Bundesbrüder

Bismarcks prophetisches Wort "wenn der Kaiser von Österreich (Abb. 6) zu Pferde steigt, folgen ihm alle seine Völker" sollte aufs herrlichste zur Wahrheit werden, als die Donaumonarchie zur Wahrnehmung ihrer Lebensinteressen und zur Wahrung ihrer Großmachtstellung kühn gegen Serbien und Rußland zum Schwerte griff. In Jahrzehnten des Friedens haben Kaiser und Regierung es vermocht, die verschiedenen Völker der Krone in freiheitlich großzügiger Selbständigkeit zu erhalten und sie mit jener heißen Dankgesinnung zu erfüllen, die sie in der Stunde vaterländischer Not alle um des Reiches Sturmfahne vereinen ließ! (Abb. 19, 20, 28.) Begeisterte Kundgebungen durchbrausten die Länder Österreich-Ungarns und jauchzten empor zum Throne des glühend verehrten Landesvaters. Seinem Kriegsruf folgten todbereit und siegesgewiß die Völker zur furchtbaren Feuerprobe ihrer Vaterlandsliebe und Tatkraft. Mehr denn 1 000 000 Freiwillige reihten sich freudig in die rasch mobilisierten Armeen.


Abb. 19

Abb. 20

Abb. 28

Das Oberkommando über die österreichische Armee übernahm Erzherzog Friedrich, die Generalinspektion der Freiwilligen Sanitätspflege Erzherzog Franz Salvator. Chef des Generalstabes der österreichisch-ungarischen Armee ist Freiherr Conrad von Hötzendorf (Abb. 217 bis 220).


Abb. 217

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Abb. 219

Abb. 220

König Peter von Serbien und Ministerpräsident Pasitsch verlegten den Sitz der Regierung nach Nisch. Alle wehrfähigen Männer vom 18. bis 60. Jahre wurden unter die Waffen gerufen, aber auch jugendliche Freiwillige folgten den Fahnen. Zum serbischen Oberbefehlshaber wurde der Kronprinz Alexander ernannt, der für den erkrankten König die Regierung übernahm, zum Generalstabschef der General Putnik (Abb. 221 bis 226).


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Von zwei Seiten bedroht, mußte Österreich-Ungarn den weitaus größten Teil seiner Streitkräfte gegen Rußland bereit halten. Gegen Serbien konnten deshalb nur kleine Truppenverbände entwickelt werden, die zunächst vom ungarischen Ufer und von Donaumonitoren aus die Befestigungen des bald von Truppen entblößten Belgrad unter Feuer nahmen und niederlegten (Abb. 227 und 228), dann gleichzeitig an verschiedenen Stellen ins Land eindrangen, die Drina, den westlichen Grenzfluß Serbiens, und von Norden nächtlicherweile unter serbischem Feuer die Save überschritten und den Feinden bei Schabatz am 15. August eine schwere Niederlage beibrachten. Am 20. August folgte eine blutige Niederlage der Serben bei Visegrad, wo den Österreichern die Waffenhilfe des aus Albanien zurückgezogenen deutschen Skutari-Detachements zuteil wurde. Der von den Österreichern hinhaltend geführte serbische Krieg wurde immer aufs neue durch serbische Vorstöße in Fluß gehalten, die aber stets blutig abgewiesen werden konnten. Am 6. September werden 5000 Serben bei Mitrowitza vernichtet, am folgenden Tag 1500 bei Indjija in Gefangenschaft gebracht. Hunger und Seuchen traten in Serbien als furchtbare Würger auf und begünstigten das Abflauen der Kriegsbegeisterung. Auch den Montenegrinern, die sich beim Ausbruch des Krieges auf Serbiens Seite gestellt hatten, gelang kein Vorstoß; der Kreuzer "Szigetvar" erschien vor Antivari und zerstörte die Funkenstation, in der Schlacht bei Bileca wurden sie am 3. September verlustreich zurückgeschlagen.

[31] Die Hauptstoßkraft der österreichisch-ungarischen Armee richtete sich gegen Rußland. Eine Proklamation brachte die Polen freudig auf die Seite der Donaumonarchie, die sie in besondere Verbände zusammenfaßte (Abb. 229). Den linken Flügel der gegen den russischen Ansturm angreifend vorgehenden Armee befehligte der General Viktor Dankl, dessen Truppen mit unsäglichen Mühen durch Sumpf- und Morastgebiete vordrangen, dann aber in der furchtbaren dreitägigen Schlacht bei Krasnik vom 23. bis 25. August in 70 km breiter Front mehr als vier russische Armeekorps schlugen und neben reicher Kriegsbeute 3000 Gefangene machten. Im Vorgehen gegen Lublin fielen dem Feldherrn abermals 1000 Gefangene des fluchtartig enteilenden russischen Heeres in die Hände. Der rechte Flügel unter dem Oberbefehl des Generals Moritz Ritter von Auffenberg errang einen gewaltigen Sieg bei Zamosc und Komarow, der 20 000 Gefangene und 200 Geschütze einbrachte. Russische Übermacht läßt dann die Armee Auffenberg auf Lemberg zurückgehen, wo sie den Russen eine harte, fünftägige Schlacht liefert, 10 000 Gefangene und zahlreiche Geschütze erbeutet, dann aber durch weitere russische Verstärkungen gezwungen wird, hinter Lemberg eine neue günstige Stellung einzunehmen, um den von wochenlangen Kämpfen ermüdeten Truppen Erholung zu verschaffen. Ein Vorstoß der Russen gegen Czernowitz, die Hauptstadt der Bukowina, wird abgewiesen. Nun aber geht die österreichisch-ungarische Armee, der im Nordwesten Unterstützung durch die siegreich in Polen vordringenden Deutschen winkt, kräftig zur Offensive über. Den Russen war es nicht gelungen, bei ihrem Einbruch in Galizien die Festung Przemysl, die mit ungeheurer Tapferkeit verteidigt wurde, in Besitz zu nehmen (Abb. 230 bis 233). Vielmehr wurde ihnen nun an dieser Festung eine furchtbar blutige Niederlage bereitet, durch die den verbündeten Armeen die Möglichkeit gegeben war, gegen die Weichsel vorzudringen und den Russen vor Warschau und Iwangorod in gewaltiger Schlachtfront entgegenzutreten.

Große Erfolge haben unsere Bundesbrüder bisher errungen, ihre Heldentaten sind mit eisernem Griffel in den Tafeln der Weltgeschichte eingegraben. Ihrer klugen Heerführung und der ausdauernden Tapferkeit ihrer Truppen verdanken sie die Befreiung des geliebten Vaterlandes von dem Einbruch der Russen und Serben. Damit vernichteten sie den Kriegsplan der Gegner, die die schöne Donaumonarchie zum Tummelplatz wilder Horden machen wollten. Österreichische Bundestreue hielt tatkräftig und opferwillig den überlegenen Gegner auf, um so die kriegerischen Maßnahmen des deutschen Heeres zu begünstigen, das den ersten Schlag gegen Frankreich richten mußte. Österreichische Tapferkeit trug unerschüttert durch schwere blutige Hemmnisse den Krieg in Feindesland. Es kann nicht ausbleiben, daß der Sieg den Fahnen der Tapferen folgt....

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Um Vaterland und Freiheit.
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