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Zur Einführung

1. An der Schwelle des dritten Kriegsjahres

Als in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 die Alarmglocken ihren schrillen Ruf durchs Land tönen ließen, der deutsche Kaiser ans Schwert griff und Jugend und Alter die Hände sich reichten zur unerschrockenen Verteidigung des von allen Seiten bedrohten Vaterlandes, da hat wohl keiner geglaubt, daß auch das dritte Jahr noch im Zeichen des Mars stehen würde. Die Kriegsfurie hat noch nicht ausgerast, und der schreckliche Gott fordert Tag für Tag die furchtbarsten Opfer.

Wann wird es enden? Wir wissen nicht, was die ewige Vorsehung in ihrem unerforschlichen Ratschluß ersonnen. Wir wissen nur, daß nichts in der Welt uns abhalten kann, den uns von tückischen Feinden aufgezwungenen Krieg bis zu einem siegreichen Ende zu führen, daß unsere Waffen zugleich eine hohe Kultur, das Erbe Luthers und Goethes, Dürers und Beethovens, Bachs und Kants verteidigen, daß der deutsche Gott, der die Fluren wieder mit reichen Ernten segnete, Recht und Gerechtigkeit nicht untergehen lassen wird.

Wie in den Tagen der Freiheitskriege ist unser Volk von Monat zu Monat je mehr und mehr in dem Feuer gemeinsamer Nöte zusammengeschweißt worden. Trotz mannhafter Aussprache in Wort und Schrift verhindert der in echt vaterländischem Sinne gewahrte Burgfrieden das Aufflammen alten Parteihaders. Seit besonders unser grimmigster Feind jenseits des Kanals zu der Einsicht gekommen war, daß an ein militärisches Niederzwingen Deutschlands nicht gedacht werden könne und deshalb zu dem verwerflichen Mittel des Hungerkrieges griff, galt es im Vaterlande, unter dem Drucke Englands manche schwere Einschränkung zu ertragen. Aber der arglistige Feind setzte doch auf eine falsche Karte, wenn er sich der Hoffnung hingab, auf diese Weise den Willen zum Siege in unserem Volke erschüttern zu können. Greise, Frauen und Mädchen rafften ihre Kräfte zusammen, um dem fruchtbaren Boden seine Schätze abzuringen. An Deutschlands Landfrauen wandte sich denn auch der als Präsident an die Spitze des Reichskriegsernährungsamtes berufene frühere Oberpräsident Exzellenz von Batocki mit Worten wärmster Anerkennung für die in schwerer Kriegszeit bewährte Arbeitstreue. Zugleich aber legte er ihnen aufs dringlichste ans Herze Hand anzulegen, damit das Erzeugte auch denen zugeführt werde, die es brauchen; alles irgend im ländlichen Haushalt Entbehrliche muß der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. "Das geht nicht", – schreibt Exzellenz von Batocki – hat mir mancher Zweifler in den letzten Wochen gesagt. "Du kannst der Bauersfrau, der Eigenkätner- und Landarbeiterfrau nicht vorschreiben, wieviel Milch, wieviel Butter, wieviel Eier sie abliefern soll. Sie ist gewöhnt, darin aus dem Vollen zu wirtschaften, ihren Mann, Kinder und Gesinde reichlich damit satt zu machen und nur das dann noch übrige zu verkaufen." "Es muß gehen", habe ich den Zweiflern geantwortet; "kein Soldat, kein Verwundeter, kein Munitionsarbeiter, keine deutsche [4] Frau wird durch die Schuld der deutschen Landfrauen hungern, wenn diesen der Ernst der Lage und der Ernst ihrer Pflicht nur klar wird! Helfen kann nur der gute Wille, die verständige Einsicht, nur die Erkenntnis der Gefahr, die jedem deutschen Manne, jeder deutschen Frau und jedem deutschen Kinde droht, wenn der feindliche Aushungerungsplan gelingen sollte. Nur durch vernünftige freiwillige, von vaterländischer Gesinnung getragene Mitarbeit der Landleute kann das Ziel erreicht werden, daß niemand für sich und die Seinigen mehr an Nahrungsmitteln verbraucht als unbedingt nötig, und daß alles irgend Entbehrliche dem allgemeinen Verbrauch zugeführt wird."

In der Tat hat sich denn auch die heimische Landwirtschaft leistungsfähig genug erwiesen, den Tisch auch des Ärmsten, insbesondere der großstädtischen Bevölkerung, wenigstens mit den notwendigsten Lebensmitteln zu versorgen. In zahlreichen Fällen haben im Dienste der Lebensmittelversorgung und der ebenfalls überaus schwierigen Lebensmittelverteilung Stadt- und Gemeindevertretungen geradezu Wunder der Organisation vollbracht. Es ist an der Zeit, auch einmal dieser erfolgreichen Wirksamkeit unserer Bürgermeister und Vorsteher mit Anerkennung zu gedenken. Ihre hohe vaterländische Gesinnung bewies auch die gesamte deutsche Presse aller Parteien, indem sie unermüdlich ihr gewichtiges Wort der Aufklärung in das öffentliche Urteil mischte. Mit starkem Verantwortlichkeitsgefühl erhob sie ihre Stimme, die Lauen und Zagen aufzurütteln und zu stärken.

Es kann nicht geleugnet werden, daß die lange Dauer des Weltbrandes das deutsche Volk mit den Lebensgewohnheiten einer fortgeschrittenen Kultur früher nicht geglaubt hätte ertragen zu können. Abgeschnitten von allen Zufahrtsstraßen waren wir auf die Schätze des eigenen Bodens und den Ertrag der eigenen Arbeit angewiesen. Wie es uns möglich wurde, die Anschläge der Feinde zunichte zu machen und bis zum höchstmöglichen Grade aller Wirtschaftsnöte Herr zu werden, daß erzählt der Präsident des Kriegsernährungsamtes in einem zusammenfassenden Bericht über die ersten drei Monate seiner Tätigkeit. Da heißt es:

    "Drei Monate sind ins Land gegangen, seitdem das Kriegsernährungsamt am 26. Mai, dem Tage, an dem Präsident und Vorstand ernannt waren, seine Tätigkeit begann. Die dringenden Aufgaben gestatteten es nicht, dem Amte vor Inangriffnahme der Geschäfte die notwendigen Grundlagen in Organisation und Stellenbesetzung zu geben, es mußte dies vielmehr fortlaufend neben der Durchführung der sofort erwachsenden, schnell zu erledigenden Arbeiten geschehen. Erst vor kurzem ist die innere Organisation des Amtes, dessen Mitarbeiter, etwa 200 an der Zahl, von überall her, zum Teil aus dem Felde, zusammenberufen werden mußten, im Wesentlichen vollendet. Der dringenden Aufgaben waren viele; in den Industriegebieten schwere Notstände, die sofortiges Eingreifen durch Verteilung verfügbarer Lebensmittel bedingten, von überall Klagen und Beschwerden über Wucherpreise, Handelsmißbräuche, ungerechte Verteilung und unzweckmäßige Austeilung des Vorhandenen. Dazu die dringende Notwendigkeit, den neuen Wirtschaftsplan für die beginnende Ernte der Ackererzeugnisse, für die Fett-, Milch- und Fleischversorgung durch eine ganze Reihe von Verordnungen festzustellen.

    Die Einrichtung des Eriegsernährungsamtes war im Lande mit hochgespannten Hoffnungen begrüßt worden. Man erwartete eine alsbaldige Beseitigung aller Mißstände, die den Fernstehenden so leicht und einfach erschienen.

    [5] Das Amt trat in Tätigkeit in einem Zeitpunkt, in dem der verfügbare Bestand aus der alten Ernte, abgesehen von Brotgetreide, fast völlig aufgebraucht war, und die Auffüllung durch die neue Ernte vor Ablauf von Monaten nicht beginnen konnte.

    Zunächst galt es, die dringlichsten Notstände zu lindern. Um die Kartoffelnot nicht in eine Hungersnot ausarten zu lassen, wurde das Verbot des Verbrennens und der Verfütterung der zur menschlichen Ernährung geeigneten Kartoffeln erlassen, gleichzeitig wurde der Kartoffelverbrauch der Landbevölkerung stark beschränkt, Maßnahmen, die angesichts der Lage trotz der schweren damit verbundenen Nachteile für die Landwirtschaft und die Schweinemast angeordnet werden mußten. Örtliche Revisionen der Kartoffelvorräte durch Beauftragte des Kriegsernährungsamtes fanden in den stark kartoffelbauenden Kreisen statt, um das Letzte an Speisekartoffeln herauszuholen. Aber die alten Bestände waren schon im Mai fast restlos verbraucht, die Frühkartoffeln wurden wegen des damaligen kühlen Wetters verspätet reif, und schwere örtliche Kartoffelnotstände waren trotz aller Abhilfsmaßregeln die Folge. Zum Glück konnte, wo die Kartoffelnot zu schwer war, wenigstens Brotgetreide als Ersatz gegeben werden, dank der vorsorglichen Wirtschaft der Reichsgetreidestelle.

    Zur Linderung der Lebensmittelnot in den Großstädten und Industriebezirken wurde die Ausschüttung der vorhandenen Reserven an Hülsenfrüchten, Fett, Speck, Gefrierfleisch, Konserven u. a. angeordnet. Da die Vorräte nicht reichlich genug waren, um sie mit wirklichem Vorteil unter die gesamte Bevölkerung zu verteilen, mußten die Zulagen auf die besonders schwer Arbeitenden beschränkt werden, nach einem Plan, der zwar sorglich ausgearbeitet war, dessen Durchführung im Einzelnen aber den örtlichen Behörden große Schwierigkeiten bot. Für die Großstädte wurden, soweit verfügbar, Nahrungsmittel zu Massenspeisungen bereitgestellt, deren Errichtung sich in den letzten Monaten allgemein ausgedehnt hat.

    Zur Bekämpfung des Lebensmittelwuchers und des unlauteren Handels überhaupt erging unter dem 24. Juni eine Verordnung, die den Kettenhandel unter Strafe stellte, unlautere Zeitungsanzeigen verbot und den Lebensmittelhandel zum Teil konzessionspflichtig machte.

    Die die Bewirtschaftung der Ackerfrüchte 1916/17 regelnden Verordnungen über Brotgetreide, Hafer, Gerste, Kartoffeln, Ölfrüchte, Hülsenfrüchte und Buchweizen, deren Vorbereitung dem Kriegsernährungsamt oblag, erforderten gegen das Vorjahr zum Teil erhebliche Veränderungen, die das Ergebnis langwieriger Beratungen und Verhandlungen bildeten.

    Von Beginn an wurde der Fettversorgung besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Es ergingen darüber die vorbereitende Verordnung vom 8. Juni und die Hauptverordnung vom 20. Juli. Sie bezwecken, möglichst viel Butter in die öffentliche Hand und zur gleichmäßigen Verteilung an die Bevölkerung zu bringen. Die Fettkarte auf ein einheitliches Quantum wird durch das ganze Reich hindurch eingeführt. Die Durchführung der Verordnung liegt der vom Kriegsernährungsamt gegründeten Reichsspeisefettstelle ob, die gleichzeitig die Milchversorgung zu regeln hat.

    Knapp wird die Fettversorgung bei der Knappheit der Gesamtmenge leider trotz aller Bemühungen um richtigere Verteilung bleiben, ebenso wie die Versorgung mit Fleisch gleichfalls eingerichtet ist.

    Auch einer Zuckerknappheit infolge übermäßigen Gebrauches für Mensch und Tier im Winterhalbjahr stand das Kriegsernährungsamt bei seiner Errichtung gegenüber. Geholfen wurde nach Möglichkeit durch verstärkte Herstellung und erweiterte Verwendung von Süßstoff (Saccharin), ferner wurde eine Menge zur Verfütterung bestimmten Rohzuckers für die mensch- [6] liche Ernährung frei gemacht. Die fertig vorliegende, demnächst zur Veröffentlichung gelangende Verordnung über die Bewirtschaftung des Zuckers für das Jahr 1916/17 soll eine Wiederholung der diesjährigen Mißstände ausschließen.

    Der Feststellung der vorhandenen Hauptlebensmittel soll die auf den 1. September anberaumte allgemeine Bestandsaufnahme dienen. Eine Verordnung über die Vervollkommnung der für richtige Wirtschaftspläne wichtigen, in der Durchführung besonders schwierigen Ernteschätzungen wird ergehen.

    Besonders scharf ist die Kritik zur Zeit auf dem Gebiet der Obst- und Gemüse-, sowie der Frühkartoffelversorgung und in der Frage der Preisgestaltung. Der Raum verbietet leider, auf diese bedeutsamen Fragen, die sich mit einigen Sätzen nicht erledigen lassen, einzugehen. Nur so viel sei gesagt, daß Kritisieren leichter ist als Bessermachen, und daß mit der Höchstpreisfestsetzung für Sommerobst und Sommergemüse, Freigabe des Kartoffelhandels, plötzlicher Ermäßigung aller Erzeugungspreise usw. mehr geschadet als genützt worden wäre.

    Auf drei Monate sorgenvoller Arbeit, deren Erfolg notwendigerweise hinter den Aussichten zurückbleiben mußte, blickt das Kriegsernährungsamt heute zurück. An Ratschlägen hat es uns bei unserer Arbeit wahrlich nicht gefehlt. Die Beratungen des Reichstagsplenums, des Reichstagshauptausschusses und des Reichstagsernährungsbeirates, des Bundesrates und seines Ausschusses, der Beiräte der verschiedenen Reichsstellen, Besprechungen mit Behörden und Berufsvertretern in den Hauptstädten der Bundesstaaten, Einzelberatungen mit Sachverständigen und Vertretern bestimmter Berufs- und Erwerbsgruppen, die während der bisherigen 90 Arbeitstage stattfanden, haben viele wichtige Anregungen gegeben. Tausende von Zuschriften, Tausende von Zeitungsartikeln haben Ratschläge gebracht und Kritik geübt, die bei so verwickelten Aufgaben nützlich und anregend und willkommen ist. Und wenn die Kritik auch einmal über das Ziel schoß, wenn der Kritiker ohne genügende Kenntnis der Dinge vorschnell urteilte, oder wenn er gar einmal dem persönlichen Ärger, daß er selbst nicht genügend mitzureden und daß nicht alles nach seinem Kopf geht, etwas zu sehr Raum gibt, 'darum keine Feindschaft nicht'. Das deutsche Volk hat in all dem Schweren, das es durchmacht, eine bewundernswerte Nervenstärke bewiesen. Ein Ventil muß in solcher Zeit wenigstens da sein, um dem erklärlichen Bedürfnis nach Kritik und Äußerung von Ärger und Unwillen Raum zu geben. Mit Recht ist die Ernährungsfrage hierzu bestimmt als eine jedem Einzelnen besonders nahe berührende und verhältnismäßig unpolitische. Schaden kann selbst die lebhafteste Kritik nur, wenn sie die verantwortliche Stelle dazu bringt, selbst die Nerven oder gar den Kopf zu verlieren. Ich glaube versprechen zu können, daß wenigstens dies unter keinen Umständen geschehen wird und daß wir weiter unseren Weg gehen werden, gewiß nicht frei von Irrtümern und Fehlern bei unserem Bestreben, die bestehenden Mängel immer mehr zu beseitigen, aber frei von bureaukratischer Besserwisserei, von ängstlicher und von unberechtigter Rücksichtnahme nach irgendeiner Seite; daß wir diesen Weg gehen werden in unbegrenztem Vertrauen auf unser deutsches Volk, daß alles Ungemach des Aushungerungskrieges zwei Jahre standhaft getragen hat und dessen Vertretungen aus allen Ständen und Parteien durch ihren Beitritt zu unserm Aufruf vom 2. August den festen Entschluß bekundet haben, mutig weiter auszuharren bis zum siegreichen Frieden."

Generalfeldmarschall von Hindenburg wies noch kürzlich gelegentlich eines Besuches an der Westfront auf den berühmten Grundsatz des Montecucculi hin, daß zum Kriegführen Geld, Geld und abermals Geld gehöre. Die Finanzierung des Krieges gehört bei unsern [7] Feinden zu den vornehmsten Sorgen. So wertvoll immerhin der Kräftezuwachs durch Beitritte neuer Bundesgenossen zu den Heeren der Entente war, so schwach war der geldliche Rückhalt aller dieser neuen Freunde, denen zuerst Frankreich und England, hernach nur noch England die Taschen füllen mußten zur Deckung des Kriegsbedarfs. Natürlich spielte England den Bankier nicht ohne Eigennutz. Während die Bundesgenossen die Blüte des Volkes auf den Schlachtfeldern hinmähen lassen mußten von der Sense des Kriegsgottes, wartete England mit seinen Söldnertruppen auf und wußte auch nach Einführung der sogenannten allgemeinen Wehrpflicht das Blut der Söhne des eigenen Volkes recht gut zu schonen. Ganz offen war die Schonung des eigenen Menschenmaterials noch kürzlich – im September vorigen Jahres – in der französischen Kammer Gegenstand heftigster Auseinandersetzungen. Die rassemordenden Menschenverluste Frankreichs gaben dem Abgeordneten Roux-Costadau Veranlassung zu der Forderung, die Regierung müsse dafür sorgen, daß Frankreich nicht sterbenskrank sei, wenn es auf dem Friedenskongresse stehen werde. "Heute, da die Regierung Geld fordert, müsse man wissen, ob der Berg der Leichen nicht bald an den Himmel reichen wird. Frankreich ist am Ende seiner Kraft angelangt. Es hat sechzig Milliarden ausgegeben und mehr als fünf Millionen Mann aufgestellt. Wi[r] werden bis hundert Milliarden kommen, und wir sind die einzige alliierte Nation, die fünfundvjerzigjährige Männer ins Feuer schickt. Dieser Krieg hat weit, weit in die Reihen der Bauern gemäht. Die Bauernklasse hat weder Glück noch Stern. Sollen wir ihrer tragischen Vernichtung zusehen? Was mich beunruhigt, ist die Furcht, daß das Land der Gallier nur noch eine Wüste sein wird. Ich gehöre keiner Klique an, ich gehöre nicht zur Internationale, verlange aber von unsern Alliierten, die noch nicht genügend der Opfer gebracht haben, daß sie ihren Platz an der Front einnehmen. Bei den Opfern, die wir bringen, wird die französische Rasse zerstört werden. Die Russen haben uns ein paar Brigaden geschickt. Ich verlange vom Ministerpräsidenten, daß er die Absendung seiner drei oder vier Millionen Soldaten fordert."

Englands materielle Überlegenheit ermöglicht ihm nicht nur einen sparsamen Menscheneinsatz, sondern auch die Beherrschung des Marktes. Besonders Italien hat den englischen Terrorismus in der Kohlenfrage am eigenen Leibe erfahren müssen, als es in Ermangelung deutscher Kohlen britische zu ganz unglaublichen Frachtsätzen einzuführen gezwungen war, um seine durch den Krieg ohnehin bedrängten Industrieen nicht völlig der Vernichtung anheimfallen zu lassen. Der russische Finanzminister Bark hat manche Fahrt nach London unternehmen müssen, um den leergewordenen Staatsbeutel Rußlands wieder zu füllen. Auch durch seine Geschütz- und Munitionslieferung erhält England seine Bundesgenossen in Abhängigkeit.

Die Finanzierung des Weltkrieges geschah in Deutschland vor allen Dingen durch vier Reichsanleihen, deren erste nahezu fünf Milliarden erbrachte, die zweite über neun, die dritte über zwölf, die vierte über zehn und deren Gefolgschaft soeben durch die Ausschreibung einer fünften Reichsanleihe gesichert ist. Die Aufbringung einer Gesamtsumme von sechsunddreißig Milliarden wäre nicht möglich gewesen ohne die Gebefreudigkeit unserer großen Industrien, Bankinstitute und Städte. Aber in stets steigendem Maße ist unter den Zeichnern auch der kleine Mann, nicht in letzter Linie auch die deutsche Jugend, vertreten. So ist es in vollstem Maße berechtigt, wenn seinerzeit der Kaiser an den Staatssekretär des Reichschatzamtes, Dr. Helfferich, dem der gewaltige Erfolg unserer Reichsanleihen wesentlich zu danken ist, telegraphierte: "Das deutsche Volk hat im vollen Vertrauen auf die eigene Kraft damit dem Feinde und der ganzen Welt bekundet, daß es auch fernerhin einmütig wie [8] ein Mann zusammensteht und in dem unerschütterlichen Willen, den durch freventlichen Überfall uns aufgezwungenen Krieg bis zum siegreichen Ende durchzuführen und für die Sicherheit und Freiheit des Vaterlandes jedes erforderliche Opfer an Gut und Blut freudig darzubringen."

Die finanzielle Kraft des Staates kommt am deutlichsten in seinem Goldbestand zum Ausdruck. In klarer und überaus dankenswerter Weise hat kürzlich der Reichsbankdirektor Gartenschläger aus Berlin in einem Vortrage die Bedeutung der "Goldenen Kugeln" für Deutschland dargelegt. Zu Beginn des Krieges – so berichtet dieser Fachmann – waren 1350 Millionen Mark in Gold in der Reichsbank vorhanden. Der Ausbruch des österreichisch-serbischen Krieges hatte zur Folge, daß sofort der Goldbestand um 100 Millionen Mark zurückging, sodaß am letzten Tage des Friedens 1250 Millionen an Goldbestand vorhanden waren. Bekanntlich liegen im Juliusturm 120 Millionen Mark als "eiserner Bestand" aufbewahrt. Daneben war eine außerordentliche Reserve von 120 Millionen in Gold und 120 Millionen in Silber vorgesehen. Der Goldschatz der Reichsbank betrug 85 Millionen Mark. Die Reichsbank trat also mit rund 1550 Millionen Mark Gold in den Krieg ein. Heute ist er auf 2468 Millionen gestiegen. Dieser Bestand genügt aber nicht den Aufgaben, denen er zu dienen hat. So muß der dritte Teil der ausgegebenen Banknoten durch Gold gedeckt sein. Der internationale Handelverkehr und die Zahlungen in den von uns besetzten feindlichen Gebieten beanspruchen höhere Goldbestände. Der Banknotenumlauf betrug am 30. Juni 7216 Millionen, und es muß mit seiner weiteren Erhöhung gerechnet werden. Aus diesem Grunde ist es dringend notwendig, daß der Goldbestand der Reichsbank wesentlich erhöht wird.

Die englische Fachpresse hat es versucht, in den neutralen Staaten, namentlich in Nordamerika, den Verdacht zu erwecken, daß es mit Deutschlands Finanzen schlecht bestellt sei. Deutschland lasse zu, daß die deutschen Reichsbanknoten durch Darlehnskassenscheine gedeckt würden. Und sie machten einen kühnen Gedankensprung hinzu und sagten, das, was die Reichsbank alle Monate als Bestand aufweist, ist einfach nicht mehr da, das Gold ist in das neutrale Ausland geflossen! Dieses Mißtrauen ist inzwischen geschwunden, nachdem amerikanische Finanzleute sich durch persönlichen Augenschein in Berlin von den Veröffentlichungen der Reichsbank überzeugt haben!

Deutschland hat durch seinen Export vom Auslande mehr zu fordern, als wir ihm schuldig sind. Aus diesem Grunde ist es der Reichsbank auch möglich gewesen, recht viel Gold aus dem Auslande hereinzubekommen. Der Import während des Krieges ist außerordentlich angeschwollen. Wir haben es vermocht, Kriegsmaterial und Lebensmittel in derartigen Mengen hereinzuholen, die der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt geworden sind. Dadurch sind wir naturgemäß stark in Verschuldung gegenüber dem Ausland geraten. Die Reichsbank hat dieser entgegengewirkt, indem sie das Geld ins Ausland legte. Dies ist ermöglicht worden dadurch, daß von den Geldeingängen der einzelnen Niederlagen der Reichsbank vorweg Millionen ins Ausland gelegt wurden. Wenn z. B. von einer Bank 50 Millionen Mark einlaufen, was nichts seltenes ist, so hat die Reichsbank davon sofort 30 bis 40 Millionen ins Ausland gelegt und den Rest von 10 Millionen als Zuwachs in den Monatsausweisen aufgeführt. Die Reichsbank ist aber seit geraumer Zeit nicht mehr imstande, diejenigen Beträge ins Ausland zu geben, die notwendig sind. Läßt sich der Zufluß an Gold im Inlande nicht steigern, dann bleibt nichts anderes übrig, als die Goldbestände aus den Reserven zu nehmen, die die Reichsbank in ihren Kellern lagern hat. Das würde aber bedeuten, daß der Höhepunkt des Goldbestandes der Reichsbank überschritten ist. Diese Entwicklung würde ein [9] Jubelgeschrei in der ganzen feindlichen Presse auslösen. Dazu darf es nun und nimmer kommen. Es liegt also daran, die im Volke noch vorhandenen Goldbestände der Reichsbank zuzuführen, zu welchem Zwecke die bisher an etwa 400 Orten ins Leben gerufenen Sammelstellen von goldenen Schmuckstücken errichtet worden sind.

In Hinsicht auf die Geschütz- und Munitionsherstellung ist Deutschland ganz auf sich allein angewiesen, wenn man von dem Austausch in den Beständen mit seinen Bundesgenossen absehen will. Freilich hat der Feind nicht unwesentlich zur Verstärkung des deutschen Geschützparkes beigetragen, und der Kanonenkönig Krupp in Essen bleibt dauernd bemüht, die zahllosen erbeuteten Geschütze wieder gebrauchsfertig zu machen. Oft genug sind aber unseren tapferen Truppen auch Kanonen in die Hände gefallen, die kaum benutzt waren und die der Russe beim ersten Schrecken des Ansturms in Stich gelassen hat. In unseren Artilleriewerkstätten haben neuerdings auch Frauen Beschäftigung gefunden, wie sie überhaupt in vielen Betrieben in anerkennenswerter Weise an der Lösung der großen vaterländischen Aufgaben mitarbeiten. Das vorliegende Werk gestattet uns einen interessanten Einblick in eine staatliche Artilleriewerkstatt.

Während fleißige Hände sich regen, den Tapferen da draußen die todbringenden Geschosse herzustellen, sind ebensoviele fleißige Hände am Werk, die Wunden, die der Krieg schlug, zu heilen. Und wieder leisten Frauen und Mädchen ihr gutes Stück Arbeit! Wer in irgendeinem Feldlazarett oder einem Lazarett der Heimat hat weilen müssen, wird die ungeheuren Verdienste des deutschen Arztes und der deutschen Pflegerin freudig anerkennen. Aufs trefflichste konnten den unglücklichen Verwundeten, die den Verlust von Gliedmaßen zu beklagen hatten und dadurch für das Erwerbsleben verloren schienen, die unglaublichen Fortschritte der deutschen chirurgischen Wissenschaften zur Verfügung gestellt werden. Man kann mit Recht sagen: es gibt keine Krüppel mehr!

Eine große Wohltat erwiesen die miteinander in Krieg verwickelten Staaten den in ihre Hände gefallenen Verwundeten, deren Verletzungen so schwer waren, daß ihre weitere Beteiligung an Kriegshandlungen unmöglich geworden war, durch deren Freilassung in die Heimat. So haben im Austauschverfahren zahlreiche Züge von Schwerverwundeten die verschiedenen Grenzen überschritten. Überall grüßte die Helden ein herzliches: Willkommen in der Heimat! Festliche Empfänge fanden statt, an denen verschiedentlich deutsche Fürsten und Fürstinnen teilgenommen haben. Aber der Jubel erreichte seinen Höhepunkt, wenn endlich der Vater wieder heimgekehrt war zu Frau und Kindern!

Schwierige Verwaltungsaufgaben galt es in den besetzten Gebieten zu lösen. Nach der Berufung des hochverdienten ersten Generalgouverneurs von Belgien, Generalfeldmarschall Freiherrn von der Goltz, nach Konstantinopel stellte allerhöchstes Vertrauen am 28. November 1914 den Generalobersten Freiherrn von Bissing in Belgien an die Spitze der Verwaltung. Wo einst die Häuser heimtückischer Franktireurs in Flammen aufgehen mußten, sind unter der glänzenden Fürsorge deutscher Herrschaft neue Siedlungen entstanden. Es bedurfte der Überwindung ganz erheblicher Schwierigkeiten und der Aufbietung großen Geschicks, den von seinen höheren Beamten vielfach verlassenen belgischen Staat wieder in Betrieb zu bringen. Hand in Hand mit der Erweckung des Eisenbahn-, Post-, Gerichts-, Steuer- und Schulwesens ging die kraftvolle Förderung des wirtschaftlichen Lebens, die Flottmachung von Bergwerk und Fabriken, die Bearbeitung des fruchtbaren Ackers.

Mit Ernst und Wohlwollen zugleich hat der Generalgouverneur die deutsche Herrschaft [10] zu behaupten gewußt. Mit starker Hand wehrte er sich gegen die Übergriffe der Presse sowie gegen die staatsgefährlichen Umtriebe Merciers, ohne je unbesonnen über das im Augenblick notwendige Ziel hinauszuschießen. Es ist erstaunlich, wie bei der gewaltigen Arbeitslast, die es hier zu bewältigen gab, die Pflege der Kunst nicht unterblieb und von sachkundiger Hand die außerordentlich bedeutsamen Kunstschätze des Landes in staatlichen Schutz genommen werden konnten. Man werfe einen Blick in das glänzende bildgeschmückte von Walter Stein herausgegebene Montanusbuch: Belgien sonst und jetzt, in welchem Tony Kellen in feinsinniger Weise das gesamte geistige und wirtschaftliche Leben des durch den Krieg so schwer heimgesuchten alten Kulturlandes aufs trefflichste zur Darstellung bringt. Da werden wir über die Geschichte Belgiens, über Land und Leute, über das Wirtschaftsleben, Kunst und Literatur, die Provinzen und ihre Städte, die Eroberung Belgiens und die deutsche Verwaltung sachkundig unterrichtet.

Mit ebenso großen, wenn auch Schwierigkeiten anderer Art hatte der General der Infanterie Hans von Beseler zu rechnen, den Seine Majestät der Kaiser als Generalgouverneur an die Spitze der deutschen Verwaltung Polens berief. Einer Bevölkerung, die in ihren wertvollsten Gliedern der russischen Herrschaft abgeneigt war und seit Jahrhunderten nicht aufgehört hat, in den Nöten der Fremdherrschaft den Traum der Freiheit im Herzen zu bew[ahr]en, konnte seitens der deutschen Regierung ein großes Maß von Vertrauen entgegengebracht werden. In der Tat hat der Generalgouverneur von Polen es trefflich verstanden, überall da Selbstverwaltung herbeizuführen, wo es mit den Notwendigkeiten des Krieges irgend vereinbar war. Otto Kessler gibt in seiner mit Urkunden fleißig belegten Schrift Das deutsche Polen Bericht von dem starken Einfluß deutscher Arbeit und deutschen Kapitals in Polen und von den klugen Verwaltungsmaßnahmen seit unserer Besitzergreifung.

Daß auch hier das geistige Leben reiche Förderung erfahren hat, zeigt sich in der Wiedereröffnung der technischen Hochschule und der Universität in Warschau. Es ist eben bezeichnend für deutsche Art, daß der siegreiche Festungseroberer zugleich ein Mann der Wissenschaft ist.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Helfferich, weilte Ende Juni und Anfang Juli 1916 zwei Wochen lang in den besetzten Gebieten Polens. Die Reise gab dem Staatssekretär Gelegenheit, den gegenwärtigen Stand der landwirtschaftlichen und gewerblichen Verhältnisse in den okkupierten Provinzen kennen zu lernen und sich von den unter der Fürsorge der deutschen Verwaltung erreichten wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritten zu überzeugen.

Die landwirtschaftliche Bevölkerung Polens hat unter den planmäßigen Verwüstungen der zurückflutenden russischen Truppen unbeschreiblich gelitten. Russische Brandkommandos haben ganze Städte und Dörfer in Asche gelegt, die Getreideschober angesteckt, auf breiten Flächen rechts und links der Verkehrswege das Korn auf dem Halm vernichtet; heute reift auf dem größten Teile der verwüsteten Flüchen eine reiche Ernte der Sense des Schnitters entgegen. Die aus ihren Verstecken zurückkehrende Bevölkerung wurde durch Tausende deutscher Soldaten unterstützt, die man zur Bestellung der Felder abkommandierte. Zuchtvieh ist aus Deutschland eingeführt worden. Die Militärverwaltung tat alles, um die landwirtschaftliche Kultur zu fördern. So mußten gelegentlich auf Befehl des Generals Ludendorff zwei Kavallerieregimenter ihre gesamten Pferde zum Ackern zur Verfügung stellen. Der rasche Wiederaufbau der zerstörten landwirtschaftlichen Betriebe wurde ins Werk gesetzt. Das Ergebnis dieser [11] organisatorischen Riesenarbeit wird eine Ernte sein, die nicht nur die einheimische Bevölkerung und das Ostheer versorgt, sondern von der vermutlich auch noch ein gewisser Überschuß nach Deutschland abgeliefert werden kann.

Für die Hebung der Industrie hat die deutsche Verwaltung das unter den gegebenen Umständen Mögliche geleistet. Bei der Montanindustrie wird die Förderung in der allernächsten Zeit den Umfang der Friedensproduktion erreichen. In anderen Zweigen, namentlich in der Textilindustrie, waren die Erfolge geringer; einmal wegen des Mangels an Rohstoffen und wegen der Kreditschwierigkeiten, außerdem infolge der Zerstörungsarbeit, die die Russen auch auf diesem Gebiete geleistet hatten. Die große Leinenfabrik Czirardorff bei Warschau, die über 8000 Arbeiter beschäftigt hatte, ein ähnliches mustergültig eingerichtetes Riesenunternehmen in Chotocz bei Bialystok, das Eigentum eines Deutschrussen war, wurde von den Truppen des Zaren vernichtet. Den Kreditschwierigkeiten hat man durch Errichtung von Geldinstituten abzuhelfen versucht. Der Rohstoffmangel ist lediglich Schuld der Wirtschaftskriegführung der Entente; für diese Tatsache haben die polnischen Industriellen, mit denen der Staatssekretär in Fühlung trat, volles Verständnis gezeigt. Zur Sicherung des Erwerbs der Arbeiter haben die deutschen Verwaltungsbehörden Arbeitsämter geschaffen, die sowohl in Polen selbst wie nach Deutschland Stellen vermitteln. Den Familien der in Deutschland beschäftigten Arbeiter wird ein Teil des Lohnes durch die deutschen Behörden ausgezahlt.

Außerordentlich umfangreich war die Tätigkeit der deutschen Verwaltung für die Förderung des Verkehrswesens. Die alten Wege sind überall vorzüglich in Stand gesetzt, viele Kilometer neuer Straßen geschaffen, an Stelle der zerstörten Brücken – auch derer, die über die großen Ströme führten – sind durchweg neue errichtet.

Größer noch als die wirtschaftlichen sind die kulturellen Leistungen und Erfolge der deutschen Verwaltung. Schulen sind entstanden, wo es in der Zeit der Russenherrschaft keine gab. Die Selbstverwaltung ist ausgebaut, und auch den bisher von der russischen Regierung unterdrückten Nationalitäten und Konfessionen – vor allem den Juden – ein gerechter Anteil an ihr gegeben. Geradezu Vorbildliches hat die deutsche Medizinalverwaltung geleistet. In Lodz fand man Häuserblocks mit 5000 Bewohnern, in denen es keine Klosettanlagen gab. In den Lodzer Schulen, die als Lazarette eingerichtet waren, hatte man, als die Deutschen einzogen, seit Monaten die Senkgruben nicht mehr geleert. Lodz, das Industriezentrum, eine Stadt von mehr als einer halben Million Einwohnern, besitzt weder Wasserleitung noch Kanalisation. Welchen Nährboden für Infektionskrankheiten solche Verhältnisse lieferten, kann man sich unschwer vorstellen. Die deutsche Regierung brachte soviel Ärzte in das besetzte Gebiet als irgend freigemacht werden konnten, verbesserte zahllose Brunnen, führte Reinigungen und Desinfektionen in größtem Stile durch, verbreitete Aufklärung durch Flugblätter und Geistlichkeit, nahm Zwangsimpfungen vor, errichtete mehr als dreihundert Absonderungshäuser für Infektionskranke und Ansteckungsverdächtige. Mehr als hundert Entlausungsanstalten wurden eingerichtet. Mancher deutsche Arzt ist im Kampfe gegen das Fleckfieber gestorben; aber der angestrebte Erfolg wurde erzielt, die Seuche ist zurückgedrängt. Die Cholera ist ganz ausgerottet. Unter den ungünstigsten Voraussetzungen, auf dem steinigsten Boden sind diese Siege deutscher Gesundheitspflege errungen worden. So arbeitet Deutschland im besetzten Gebiete. Unterdessen hat England, der Zionswächter der Humanität, den Polen die Rohstoffe für ihre Arbeit und das Brot für ihren Hunger gesperrt.

Ein Volk wie das deutsche, das nicht nur in der Lage ist, seine Grenzen gegen den [12] Ansturm feindlicher Übermacht zu halten, den Krieg in Feindesland zu tragen, und in den Tagen schwerster Kriegsnot sowohl im Inland als auch in den besetzten Gebieten die Segnungen seiner großen und reichen Kultur zu entfalten, erbringt dadurch vor der Geschichte den Beweis, daß es wahrhaft unbezwingbar ist, und daß es seine Stelle im Rate der Völker nicht aufgeben könnte, ohne den Fortschritt der Menschheit überhaupt zu schädigen.


2. Der westliche Kriegsschauplatz

Der Herbst des Jahres 1915 brachte das Aufflammen einer gewaltigen englisch-französischen Offensive auf der ganzen von den Vogesen bis zum Meere spannenden Front. Geplant war ein kraftvoller Durchbruch, der die deutsche Stellung erschüttern sollte, um der Welt den Frieden wiederzugeben. Ungeheure Munitionsmengen hatte der Feind zu diesem Schlage eingesetzt. Starke Kräfte waren zu einem entscheidenden Schlage zusammengezogen. In siebzigstündigen Artilleriekämpfen versuchte der ergrimmte Feind die deutschen Stellungen zu erschüttern. In der Tat ebnete der Hagel von Geschossen an mehreren Stellen der Front, insbesondere bei Loos und in der Champagne, die erste Ordnung deutscher Schützengräben völlig ein.

Der Bodengewinn, den die furchtbaren Infanteriekämpfe brachten, war überaus gering. Schon glaubte der Feind den Augenblick siegreichen Durchbruchs für gekommen und setzte zum Überrennen der deutschen Stellung seine Kavallerie ein. Aber sie erlitt im Feuer unserer Maschinengewehre eine vernichtende Niederlage. Die Folge brachte eine deutsche Gegenoffensive, die in kurzer Zeit den Geländegewinn des Feindes wieder einbrachte. Seine ungeheuren blutigen Verluste werden von allen bezeugt, die in diesen furchtbaren Kämpfen gestanden haben. So berichtet ein Augenzeuge im Daily Chronicle: "Die ersten zwei deutschen Linien waren unversehrt geblieben. Als die Engländer sie stürmten, ergoß sich aus überall aufgestellten Maschinengewehren ein tödlicher Strom von Blei. Die Maschinengewehre standen in den Fenstern der Häuser und auf den Kränen der Bergwerksschächte. Auf dem Friedhofe südwestlich von Loos, den die Engländer durchschreiten mußten, standen nicht weniger als hundert Maschinengewehre. Erst anderthalb Stunden nach Eröffnung des Sturmes hatten sich diejenigen Engländer, welche noch nicht gefallen waren, bis zum Rande des Dorfes durchgekämpft. Noch zwei Stunden lang wurde wütend in den Gassen gerungen. Mehrere Bataillone wurden dabei aufgerieben, viele Offiziere getötet oder verwundet. Ein wütendes Handgemenge fand im Innern der Häuser statt. Die Häuser stecken voll deutscher Soldaten. Kleine Gruppen von deutschen Soldaten wehrten sich mit dem Mute der Verzweiflung. Das Schnellfeuer aus den Kellern fügte den Engländern furchtbare Verluste zu."

In der Folge trat der Krieg an der Westfront wieder in das Stadium des Stellungskrieges. Schützengräben und Unterstände waren inzwischen mit solcher Vollkommenheit ausgebaut und eingerichtet und gegen Geschosse möglichst gesichert, sodaß sich ein Leben entwickeln konnte, das nicht verglichen werden darf mit dem der ersten Kriegsperiode. Natürlich setzte der Kampf an keiner Stelle der ungeheuren Front auf längere Zeit ganz aus. Wo der inzwischen bedauerlicherweise gestorbene General Gaede die Wacht hielt, in den Vogesen, brachte der Januar 1915 schwere und wechselvolle Kämpfe um die Höhe des Hartmannsweilerkopfes. Hier wurde den Franzosen durch einen überraschenden Vorstoß ein Grabenstück ent- [13] rissen, wobei über sechzig Jäger gefangen in unsere Hand fielen. Am folgenden Tage gelang es am Hirzstein, den letzten der am 21. Dezember in Feindeshand gefallenen Gräben zurückzuerobern und dabei 20 Offiziere, über 1000 Jäger gefangenzunehmen und 15 Maschinengewehre zu erbeuten. Kämpfe ähnlicher Art, die den Beweis erbringen, daß wir auch die Verteidigung angreifend zu führen verstehen, setzten nicht aus.

Mitte Januar meldet der Generalstab einen erfolgreichen Vorstoß in der Champagne, wo der Feind seine Beobachtungsstellen und seine Gräben in einer Breite von mehreren hundert Metern lassen mußte; seine Versuche, die bei Massiges verlorenen Gräben zurückzugewinnen, scheiterten unter bedeutenden Verlusten. Ebenso brach ein französischer in einer Breite von etwa tausend Metern vorgetragener Angriff bei Le Mesnil in unserem Feuer, ehe er recht zur Entwicklung gekommen war, zusammen. Dagegen war ein Sturmangriff unserer Truppen bei Neuville erfolgreich.

Der Februar brachte gewaltige Kämpfe besonders an der Somme, an der Combreshöhe und gegen die englischen Stellungen bei Ypern. Hier nahmen unsere Truppen nach ausgiebiger Artillerievorbereitung etwa 800 Meter der englischen Stellungen. Der mit starkem Feuer eingeleitete Gegenangriff der Engländer konnte zum Scheitern gebracht werden. Im weiteren Verlaufe des Kampfes wurde am Yserkanal nördlich von Ypern die englische Stellung in etwa 350 Meter Frontbreite gestürmt. Fast gleichzeitig erfolgten nach vielen Tagen unsichtigen Wetters an vielen Stellen der Front lebhafte Artilleriekämpfe, so zwischen dem Kanal von La Bassée und Arras, wo wir im Sturm den Franzosen 800 Meter ihrer Stellung entrissen.

Von der Heftigkeit der Artilleriekämpfe kann man sich eine ungefähre Vorstellung machen aus den Photographien dieses Werkes aus dem Priesterwald. Wahre Schauer der Vernichtung wehen den Leser an. Von besonderer Lebhaftigkeit waren überall die Kämpfe unserer tapferen Piloten, die zahlreiche feindliche Luftschiffe zum Absturz brachten. Eine Reihe von Fliegern erwarben sich auf diese Weise neben dem Eisernen Kreuz den Orden Pour le mérite.

Der unvergeßliche Oberleutnant Immelmann wurde leider ein Opfer seines Mutes. Nach vielen glänzend bestandenen Luftkämpfen erlag er einem feindlichen Angriff. Der Bahnhof der Neustädter Güterbahn in Dresden war durch eine Kompagnie des Grenadierregiments Kaiser Wilhelm Nr. 101 abgesperrt. Eine große Menschenmenge hatte sich eingefunden, die in ehrfürchtigem Schweigen verharrte. In den Amtsräumen der Bahnhofskommandantur hatten sich zahlreiche hohe Offiziere, besonders der Fliegertruppen, versammelt. Auf einem Kissen lagen sämtliche Orden des Helden. Nachdem die Mutter des Frühvollendeten, die keine Trauer angelegt hatte, sowie die nächsten Angehörigen eingetroffen waren, hoben Mannschaften des Jägerbataillons Nr. 13 den schmucklosen hellbraunen Sarg aus dem Güterwagen. Eine Fülle riesiger Kränze in den Farben der verschiedenen Bundesstaaten bedeckte den Sarg, in einige derselben waren Bruchstücke von Immelmanns Flugzeug eingeflochten. Dann setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Neben dem vierspännigen Leiterwagen schritten die Jäger. Die Menge, die dem Zuge folgte, wuchs von Straße zu Straße in die Zehntausende. Pfadfinder bildeten Spalier. Abends traf der Zug auf dem Johannisfriedhof in Tolkewitz ein, wo am folgenden Tag die Einäscherung erfolgte.

Inzwischen haben zahlreiche deutsche Flieger neue Lorbeeren geerntet; immer wieder tauchen in den Generalstabsberichten neue Namen von Fliegern auf, die sich den hohen Orden Pour le mérite erwarben. Unter ihnen ragt der erfolgreiche Flieger Hauptmann Boelke [14] hervor. Mit berechtigtem Stolze blickt das ganze deutsche Volk auf die rumvolle Kriegsbewährung dieser jungen Waffe.

Ein Denkmal setzte ihr der Montanusverlag in dem von Walter Stein herausgegebenen Montanusbuch: Deutschlands Eroberung der Luft, in welchem der Ingenieur der Albatroswerke Willi Hackenberger an Hand von 315 Wirklichkeitsaufnahmen die Entwicklung des deutschen Flugwesens zur Darstellung bringt. Hellmut Hirt gab dem interessanten Werk ein Geleitwort mit auf den Weg, in dem er ausführte: "Bis zu Beginn des großen Krieges wurden die Flieger zumeist für Akrobaten gehalten, und Ingenieurflieger, die dringend benötigt wurden, wollten ihre sicheren Stellungen aus vielerlei Rücksicht nicht aufgeben. Das große Völkerringen hat der Flugzeugtechnik aber einen gewaltigen Aufschwung gegeben. War es doch das erste Mal, daß die bisher im sportlichen Rahmen geleistete Arbeit praktisch verwertet wurde. Tausende junger Techniker sind Flieger geworden; das Geld wurde flüssig für die Ausführung von Ideen, die in Friedenszeiten wohl erst in Jahren zur Verwirklichung gekommen wären. Das als Sport betriebene Flugwesen wurde von weitblickenden Offizieren als überaus wichtiges militärisches Hilfsmittel erkannt. Von diesen Herren gingen dann Anregungen aus, mit deren Hilfe die Flugzeuge bis zur militärischen Brauchbarkeit weiter entwickelt wurden. Die bekannt deutsche Gründlichkeit benötigte für die exakte Durchbildung der Flugzeuge etwas mehr Zeit als unsere Feinde. Aber schon im Jahre 1913 konnten wir mit Recht behaupten, daß unsere Flugzeuge und Zubehörteile an erster Stelle standen. Mit Stolz schauen wir auf die Leistungen unserer Flieger und ihrer Maschinen während des jetzigen mörderischen Völkerringens."

Nur um einen Anhalt zu geben von der Kriegstätigkeit unserer jungen Luftflotte geben wir an dieser Stelle eine Anmerkung unserer Obersten Heeresleitung wieder, wie sie sich im Generalstabsbericht vom 28. Januar 1916 findet. Da heißt es: Im englischen Unterhause sind über die Ergebnisse der Luftgefechte Angaben gemacht worden, die am besten mit der folgenden Zusammenstellung unserer und der feindlichen Flugzeugen beantwortet werden. Seit unserer Veröffentlichung vom 6. Oktober 1915, also in dem Zeitraum seit dem 1. Oktober 1915 sind an deutschen Flugzeugen an der Westfront verloren gegangen:

Im Luftkampf 7
Durch Abschuß von der Erde   8
Vermißt 1
Im ganzen   16

Unsere westlichen Gegner verloren in dieser Zeit:

Im Luftkampf 41
Durch Abschuß von der Erde   11
Durch unfreiwilige Landung innerhalb unserer Linien   11
Im ganzen   63

Es handelt sich dabei nur um die von uns mit Sicherheit festzustellenden Zahlen der in unsere Hand gefallenen Flugzeuge.

Ein ähnliches Bild geben die weiteren Zählungen unserer Obersten Heeresleitung, die immer wieder feindlicher Verdächtigung gegenüber darauf hinweist, daß grundsätzlich nur die in unsere Hand gefallenen oder brennend abgestürzten, nicht die zahlreichen sonst hinter den feindlichen Linien abgeschossenen Flugzuge des Gegners aufgeführt werden. Der deutsche [15] Verlust an der Westfront betrug im Februar 6, der feindliche 20 Flugzeuge; im März war das Verhältnis 14 zu 44, im April 26 zu 22, im Mai 47 zu 16, im Juni 7 zu 37!

Ende Februar kam der Krieg auf der Westfront in einen neuen Abschnitt. Am 25. Februar hörte man aus dem Generalstabsbericht, daß die Unternehmungen auf dem rechten Ufer der Maas eine zusammenhängende zielsichere Bedeutung hätten. Die befestigten Dörfer und Höfe Champneuville, Cotelettes, Marmont, Beaumont, Chambrettes und Ornes wurden genommen, außerdem sämtliche feindliche Stellungen bis an den Louvemontrücken. Die blutigen Verluste des Feindes waren außerordentlich schwer, die unsrigen blieben erträglich. Die Zahl der Gefangenen stieg auf über 10.000! Es begannen die großen Operationen unserer Heeresleitung gegen die Festung Verdun mit einem für uns recht erfreulichen Auftakt.

Das freudige Staunen wuchs, als am folgenden Tage die Nachricht eintraf, daß die Panzerfeste Douaumont, der nordöstliche Eckpfeiler der permanenten Hauptbefestigungslinie der Festung Verdun, durch das brandenburgische Infanterieregiment Nr. 24 erstürmt und fest in unserer Hand sei. Über den schneidigen und so überaus erfolgreichen Angriff verlautete dann weiter: Östlich der Maas wurden in Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers und Königs an der Kampffront bedeutsame Fortschritte erzielt. Die tapferen Truppen erkämpften sich den Besitz der Höhe südwestlich Louvemont, des Dorfes Louvemont und der östlich davon liegenden Befestigungsgruppe. In stetem Drange nach vorwärts stießen brandenburgische Regimenter bis zum Dorf und der Panzerfeste Douaumont durch, die sie mit stürmender Hand nahmen. In der Woevreebene brach der feindliche Widerstand auf der ganzen Front bis in die Gegend von Marcheville (südlich der Nationalstraße Metz – Paris) zusammen. Unsere Truppen folgten dem weichenden Gegner dichtauf.

Fünfmal wiederholte Angriffe frisch herangebrachter Truppen der Franzosen, die die verlorene Panzerfestung zurückerobern sollten, wurden blutig abgewiesen. Westlich der Feste nahmen unsere Truppen nunmehr Champneuville, die Côte de Talon und kämpften sich bis nahe an den Südrand des Waldes nordöstlich von Bras vor. Östlich der Feste erstürmten sie die ausgedehnten Befestigungsanlagen von Hardaumont. In der Woevreebene schreitet die deutsche Front kämpfend gegen den Fuß des Côtez de Lorraines rüstig vor. Soweit Meldungen vorliegen, beträgt die Zahl der unverwundeten Gefangenen bis jetzt fast 15.000.

Die folgenden Tage sollten nun den gewaltigen Bogen, den die deutschen Truppen seit mehr als Jahresfrist um die Befestigungsanlagen von Verdun gezogen hatten, immer mehr verengen. In planmäßigem Fortschritt drängten sie über Etain und Hennemont hinaus aus der Woevreebene hervor und schoben sich im Laufe eines Monats über die Maas, nunmehr die Befestigungen von Verdun auch von den jenseitigen Höhen aus unter furchtbares Feuer nehmend. Die Feinde waren gezwungen, von den übrigen Kriegsschauplätzen alle irgend verfügbaren Truppen zur Verteidigung der aufs äußerste bedrohten Festung zusammenzuziehen. Furchtbare Kämpfe entwickelten sich nun auch westlich von Verdun im Gehölz von Forges bei Malancourt, Bethincourt, Cumières, dem Toten Mann und Chattoncourt. Jeder Fußbreit Bodens mußte mit ungeheuren Nahkämpfen, die mit unvergleichlicher Tapferkeit von beiden Seiten geführt wurden, erkauft werden.

Am 9. März gelang es nach gründlicher Artillerievorbereitung Teilen der posenschen Reserveregimenter Nr. 6 und 19 unter Führung des Kommandeurs der 9. Reserve-Division General der Infanterie von Suretzky-Cornitz vorübergehend im Dorf Vaux festen Fuß zu fassen. [16] Infolge furchtbaren Artilleriefeuers mußten diese Truppen jedoch im Laufe der folgenden Nacht zurückgenommen werden. Deutscherseits wurden dann die letzten von den Franzosen noch im Raben- und Cumièrewald behaupteten Nester gesäubert, dann schoben schlesische Truppen mit kräftigem Schwung ihre Linien aus der Gegend westlich des Rabenwaldes auf die Höhe Toter Mann vor, wobei der Feind über 1000 unverwundete Gefangene einbüßte. Am 21. März erstürmten nach sorgfältiger Vorbereitung bayrische Regimenter und württembergische Landwehrbataillone die gesamten stark ausgebauten französischen Stellungen im und am Walde nordöstlich von Avoucourt. Am 31. März fiel das Dorf Malancourt und die beiderseits anschließenden Verteidigungsanlagen im Sturm in unsere Hand. Große Verluste erlitt der Feind wieder Anfang April, als ihm das Dorf Haucourt entrissen war. Im Anschluß an diese Waffentat erfolgte die Erstürmung des Termitenhügels durch Schlesier und Bayern. Am 10. April wurden auf dem Westufer der Maas Bethincourt und die ebenso stark ausgebauten Stützpunkte Alsace und Lorraine südwestlich davon abgeschnürt. Der Gegner suchte sich dieser Gefahr durch schleunigen Rückzug zu entziehen, wurde von den Schlesiern aber noch gefaßt und büßte neben schwere blutigen Verlusten hier 700 unverwundete Gefangene ein. Rechts der Maas wurde alsdann eine Schlucht am Südwestrande des Pfefferrückens gesäubert.

Mitte April konnten links der Maas feindliche Angriffsabsichten gegen unsere Stellungen auf "Toter Mann" und südlich des Raben- und Cumièrewald, die durch große Steigerung des Artilleriefeuers vorbereitet wurden, in unserem vernichtenden, von beiden Maasufern auf die bereitgestellten Truppen vereinten Feuer nur mit einigen Bataillonen gegen "Toter Mann" zur Durchführung kommen. Unter schwersten Verlusten brachen die Angriffswellen vor unserer Linie zusammen; einzelne bis in unsere Gräben vorgedrungene Leute fielen hier im Nahkampf.

Einem halbamtlichen Versuch gegenüber, die deutschen Angaben über die gemachten Gefangenen in Zweifel zu ziehen, erklärt der deutsche Generalstabsbericht am 18. April, daß bisher in den Kämpfen im Maasgebiet seit dem 21. Februar 711 Offiziere und 38.155 Mann gefangen genommen worden sind, deren Namen ebenso in der Gazette des Ardennes veröffentlicht werden, wie die Namen aller in diesem Kriege gefangenen Franzosen.

Auch für die Folge hielt sich die ganze Kampfzone um Verdun ausnahms- und unterbrechungslos im Feuer. Immer wieder mußten erbitterte Angriffe abgeschlagen werden, so am "Toten Mann" und bei Thiaumont, ehe es versucht werden konnte, den Schritt wieder weiter vorzusetzen. Im Mai folgten dann die zuerst von wechselndem Erfolg begünstigten, hernach aber für uns siegreichen Kämpfe um die Höhe 304, die von uns alsbald zu einer wichtigen Stellung ausgebaut werden konnte.

Nach heftiger Steigerung ihres Artilleriefeuers und nach einleitenden Sprengungen griffen starke englische Kräfte Anfang Juni westlich und südwestlich von Givenchy an. Sie wurden im Nahkampf zurückgeworfen, soweit sie nicht bereits im Sperrfeuer unter großen Verlusten umdrehen mußten. Auf dem Westufer der Maas brachen die Franzosen erneut zum Angriff vor, dem aber keinerlei Erfolg beschieden war. Östlich des Flusses stürmten unsere Truppen den Cailettewald und die beiderseits anschließenden Gräben. Der Juni brachte dann auch nach unvergleichlich heftigen Kämpfen die von den Franzosen zurückeroberte Panzerfestung Vaux endgültig in unsere Hand.

Der Generalstabsbericht vom 7. Juni verlautet darüber: Die Panzerfeste Vaux ist seit heute Nacht in allen ihren Teilen in unsern Händen. Tatsächlich wurde sie schon am 2. Juni [17] durch die 1. Kompagnie des Paderborner Infanterieregiments unter Führung des Leutnants Rackow gestürmt, der dabei durch Pioniere der 1. Kompagnie Reservepionierbataillons 20 unter Leutnant der Reserve Ruberg wirkungsvoll unterstützt wurde. Den Erstürmern folgten bald andere Teile der ausgezeichneten Truppe. Die Veröffentlichung ist bisher unterblieben, weil sich in uns unzugänglichen unterirdischen Räumen noch Reste der französischen Besatzung hielten. Sie haben sich nunmehr ergeben, wodurch einschließlich der bei den gestrigen vergeblichen Entsatzversuchen Eingebrachten über 700 unverwundete Gefangene gemacht, und eine große Anzahl Geschütze, Maschinengewehre und Minenwerfer erbeutet wurden. Auch die Kämpfe um die Hänge beiderseits des Werkes und um die Höhenrücken südwestlich des Dorfes Damloup sind siegreich durchgeführt. Der Feind hatte in den letzten Tagen verzweifelte Anstrengungen gemacht, den Fall der Feste und der anschließenden Stellungen abzuwenden. Alle seine Gegenangriffe sind unter schwersten Verlusten fehlgeschlagen. Neben den Paderbornern haben sich andere Westfalen, Lipper und Ostpreußen bei diesen Kämpfen besonders hervortun können. Seine Majestät der Kaiser hat dem Leutnant Rackow den Orden Pour le Mérite verliehen.

Die Kämpfe um Verdun erreichten ihren Höhepunkt mit der am 24. Juni erreichten Besitznahme von Thiaumont und Fleury, wobei an 3000 Gefangene eingebracht werden konnten. Ende Juni setzte dann der Feind eine Generaloffensive an allen Stellen der Front und zugleich auf allen anderen Kriegsschauplätzen an, gezwungen von der Erwägung, den alle Kräfte zermürbenden Krieg unter gleichzeitigem Einsatz aller Machtmittel endlich zum Abschluß zu bringen.

Seine Haupttätigkeit verlegte der Feind in den Sommeabschnitt, in dem er schon Ende Juni begonnen hatte, vorzutasten. Die Hauptrichtungen seines mit gewaltigem Trommelfeuer eingeleiteten Angriffs gingen auf Peronne und Bapaume. Trotz der starken Inanspruchnahme der deutschen Truppen vor Verdun, wie in Rußland an der Seite der Verbündeten, wie endlich mit dem Eintritt Rumäniens in den Weltkrieg auf dem Balkan gelang es den Feinden nicht, die deutsche Westfront wesentlich zu verändern.

Am 2. Juli begann der erste Hauptvorstoß der feindlichen Kräfte zur Erzwingung eines Durchbruchs. Der Generalstabsbericht verlautbart darüber: In einer Breite von etwa 40 Kilometern begann gestern der seit vielen Monaten mit unbeschränkten Mitteln vorbereitete große englisch-französische Massenangriff nach siebentägiger stärkster Artillerie- und Gasvorwirkung auf beiden Ufern der Somme sowie des Ancrebaches. Von Gommecourt bis in die Gegend von La Boiselle errang der Feind keine nennenswerte Vorteile, erlitt aber schwere Verluste. Dagegen gelang es ihm, in die vordersten Linien der beiden an die Somme stoßenden Divisionsabschnitte an einzelnen Stellen einzudringen, sodaß vorgezogen wurde, diese Divisionen aus den völlig zerschossenen vordersten Gräben in die zwischen erster und zweiter Stellung liegende Riegelstellung zurückzunehmen. Das in der vordersten Linie fest eingebaute, übrigens unbrauchbar gemachte Material ging hierbei, wie stets in solchem Fall, verloren. Starke Kräfte setzte der Feind im weiteren Verlauf seiner Offensive zwischen Ancre und Somme gegen die Front Thiepval – La Boiselle – Wäldchen von Mametz, südlich der Somme gegen die Linie Barleux – Belloy an. Dem hohen Einsatz an Menschen entsprachen seine Verluste in unserm Artillerie- und Infanteriefeuer. Einzelne kleine Dörfer mußten von uns in erbitterten Kämpfen geräumt werden, so Hem, Estrees, Hardecourt, Biaches, Longueval u. a. Doch kamen im furchtbarsten Nahkampf wichtige Positionen oftmals wieder in unsere Hand. Im ganzen ist [18] der Fortschritt der Feinde kaum nennenswert, dagegen übersteigen seine blutigen Verluste alles Maß. Aufs neue brachte der mit allen Mitteln neuzeitlicher Kriegführung vollzogene Generalangriff den Beweis, daß es auch der vereinigten äußersten Kraftanstrengung unserer Feinde nicht gelingen kann, Deutschland militärisch niederzuringen.

Große Wahrscheinlichkeit hat eine Nachricht für sich, die auf dem Wege über das neutrale Ausland zu uns gelangt ist. Danach war der französisch-englische Generalangriff erst für den Spätherbst beschlossen. Die bestimmten Versprechungen Briands in der Geheimsitzung der Kammer, die eine den Waffenstillstand fordernde Tagesordnung verhinderten, haben die Entente zum vorzeitigen Losschlagen veranlaßt. Gelingt diese Generaloffensive wieder nicht, dann dürfte die Stimmung in Frankreich für die Fortsetzung des Krieges kaum noch aufrecht zu erhalten sein.

Mit besonderem Interesse wird man das während der schrecklichen Offensive aufs neue glänzend bewiesene deutsche Heldentum im Spiegel der Auslandspresse, insbesondere der feindlichen, verfolgen. Da berichtet der im englischen Hauptquartier befindliche Vertreter der Times:

"Dem Angriff ging ein heftiges Bombardement von fünf Tagen voraus, das sich über eine Frontlänge von 30 Meilen erstreckte. Mit jedem Tage wurde die Beschießung heftiger. Ein entsetzliches Chaos entstand in den feindlichen Linien, und die Verbindungswege hinter der feindlichen Frontlinie wurden vernichtet, verschiedene Gebäude und ganze Dörfer unhaltbar gemacht usw. An der englischen Front hatte man noch nie ein so heftiges Bombardement gehört. Tag und Nacht wurden wohl jede Minute 100 Granaten abgefeuert. Die Engländer hatten ihre Kanonen auf dem linken Flügel bei Thiepval, im Zentrum bei La Boiselle und auf dem linken Flügel bei Fricourt bis Mametz aufgestellt. Man begreift nicht, wie die Deutschen es in diesem Höllenfeuer aushalten können. Als die Uhr ½8 schlug, kündigte das heftige Schießen den Zeitpunkt für den Angriff an. Mitten durch den Kanonendonner hindurch konnten wir auf dem linken Flügel bei Thiepval sowie in der Richtung auf Auchonvillers und Hebuterne das schwere Knattern der Gewehre hören. Eine dunkle Rauchwolke mischte sich in den Nebel, der den Horizont unsichtbar machte. Auf dem rechten Flügel sahen wir einen Streifen weißer Wolken und gleich darauf den Rauch der platzenden Granaten, wodurch der Angriff unsichtbar wurde."

In einem späteren Bericht gibt der Timesvertreter zu, daß trotz anfänglicher Erfolge den Engländern auf der ganzen Front erbitterter Widerstand entgegengesetzt wurde. Einen besonderen Abschnitt widmet er der Schilderung des Hexenkessels von Thiepval. Da heißt es:

"Bei Thiepval wird mit einer Heftigkeit gestritten, die alle Begriffe übersteigt. Beim ersten Angriff drangen die Engländer in Thiepval ein. Eine größere Anzahl Deutscher hielt sich in Vertiefungen verborgen und verteidigte sich mit Maschinengewehren und Minenwerfern. Sie versuchten standzuhalten, aber gleich darauf eröffneten die Engländer ein heftiges Artilleriefeuer auf die Stadt. Granaten von großer Sprengkraft und Lydditbomben regneten über die ganze Stadt, während die Luft infolge der explodierenden Geschosse undurchsichtig wurde. Die Laufgräbenmörser arbeiteten gleichfalls unaufhörlich. Die Stadt wurde zum wahren Hexenkessel. Grüne und weiße Rauchwolken hingen überall in der Luft. Man konnte nicht verstehen, daß dort noch jemand in der Zeit von 3 Uhr 45 Minuten bis 7 Uhr 15 Minuten abends, während welcher Zeit der Kampf hier am schrecklichsten tobte, leben konnte."

[19] Für uns Zeugen, so sagt der Korrespondent, war dieser Augenblick schrecklich. Natürlich waren, wie der Times-Korrespondent offen zugibt, die Angriffe der Engländer mit schweren Verlusten verknüpft.

Nicht weniger anerkennend äußert sich der Frontberichterstatter der Nowoje Wremja, der seinem Blatt über die Sommekämpfe drahtete:

"Tagelang beschoß eine unerhörte Artilleriekonzentration aller Kaliber die deutschen Stellungen, und zwar mit sichtbarem Erfolg. Erprobte und neue Geschoßtechnik wetteiferten, um die feindlichen Stellungen zu zermürben. Ein furchtbares Trommelfeuer zerriß Drahtverhaue, warf spanische Reiter in die Luft, sengte Wälder nieder, legte Ortschaften in Asche. Es schien, als ob ein Riesenkrater jahrelang gesammelte Erzblöcke auf die Erde werfe und alles mit krachender, berstender Lava übergieße. Deutlich ließ sich feststellen, daß das Trommelfeuer die erste Linie auf verschiedenen Frontabschnitten völlig einebnete, so daß sich dort kein Mensch halten konnte. Auf einigen anderen Abschnitten war das Feuer von nicht derartiger Auswirkung. Das lag aber nicht daran, daß die Bauart der feindlichen Verteidigungsstellung nicht gleichmäßig, d. h. auf der einen Stelle ungenügend, auf der anderen solider gewesen ist, sondern in der Hauptsache in der Bodenbeschaffenheit. Auf hartem Boden gelegene Stellungen wurden vollkommen zerrissen. Das Trommelfeuer dauerte 6 Tage und 6 Nächte lang, ohne nennenswerte Unterbrechungen. Man kann es sich kaum ausmalen, welche Riesenmengen Munition ein derartiges Bombardement verschlingt. Darauf wurde dann schweres Sperrfeuer hinter die erste deutsche feindliche Linie gelegt und sehr starke Sturmkolonnen, bestehend aus Kanadiern, Engländern, Australiern, Schotten und Farbigen, angesetzt. Vielfach hatte der Feind die arg verwüsteten Stellungen verlassen, aus zahlreichen Abschnitten tackte aber ein wahnsinniges Maschinengewehrfeuer auf. Man hätte es nie nie für möglich gehalten, daß nach derartiger Artillerievorbereitung noch Menschen in derartig verwüsteten Stellungen aushalten können."

Auch die holländischen Blätter weisen fast übereinstimmend darauf hin, daß die Fortschritte der Verbündeten im Westen, wenn man sie richtig einschätze, recht winzige seien. Es ist nur eine Stimme der Anerkennung, daß die Deutschen sich nicht bloß verteidigend verhalten, sondern trotz des Druckes an allen Fronten auch noch offensiv auftreten. Das beweise die Wiedereroberung von Longueval. Wenn die Verbündeten auf dieselbe Weise wie jetzt Fortschritte machen – so heißt es weiter – ist es sicher, daß die Deutschen nicht aus Frankreich und Belgien vertrieben werden können. Es scheint, daß die Engländer das einsehen. Sie melden nämlich, daß die Deutschen in Belgien nicht zwei oder drei Linien haben, sondern daß sie auf ihre methodische Art durch ganz Belgien Verteidigungslinien angelegt haben. Die Blätter meinen, daß die Engländer derartige Berichte bringen, um jetzt schon zu verkündigen, daß ihre Offensive schließlich ganz aufhören werde.

Das Petit Journal bringt über die Kämpfe bei Ovillers folgende für uns überaus rühmliche Einzelheiten, offenbar, um auf die Schwierigkeiten eines Erfolges das französische Volk langsam vorzubereiten. Da heißt es:

"Bei dem ersten Angriff auf Ovillers waren die Engländer, welche glaubten, unter den Ruinen des Dorfes wohl die Leichen von deutschen Soldaten zu finden, sehr überrascht, als sie plötzlich ein sehr heftiges Maschinengewehrfeuer auf sich gerichtet sahen. Um Verluste zu vermeiden, beschlossen die Führer der englischen Regimenter, eine regelrechte Belagerung des Dorfes vorzunehmen. Die Verteidigung wurde durch Sperrfeuer isoliert [20] und alle Verbindungen nach hinten zerstört. In tagelanger Arbeit näherten sich die Briten langsam dem Dorfe und hatten am 7. Juli den Rand eines Gehöftes erreicht. Dann begann ein geradezu heroischer Kampf, der 8 Tage lang dauerte. Die Garnison, die aus einem Bataillon der preußischen Garde bestand, verteidigte sich mit Heldenmut. Sie kämpfte um jeden Zoll Boden. Die Engländer mußten die Ruinen eines jeden einzelnen Hauses belagern. Schließlich mußte sich die Besatzung nach nahezu 14tägigem Kampfe ergeben. Am Montag Morgen war das ganze Dorf in den Händen der Engländer."

Immer lebhafter beginnt nunmehr in der feindlichen Presse eine pessimistische Auffassung der Kriegslage Platz zu greifen. Die Times schreiben in einem Leitartikel:

"Die traurigen Listen in unseren Spalten geben uns ein Bild unserer Verluste und bestärken die Nation in dem Entschluß, daß so große Opfer ihre Früchte tragen müssen. Es ist eine kostspielige Arbeit, Stellungen anzugreifen, die der Feind seit langer Zeit stark befestigt hat. Es gibt aber keinen anderen Weg zum Siege. Das ganze Gelände, das die Engländer eroberten, wird hartnäckig festgehalten, und man kann nunmehr den Beginn des Angriffes auf die zweite Linie des Feindes erwarten. Vielleicht wird dieser Angriff weniger schwierig sein, aber es sind Anzeichen vorhanden, daß man darauf nicht zu fest bauen darf. Die Deutschen ziehen immer mehr Truppen zusammen, um den Angriff der Engländer zum Stehen zu bringen, und sie werden uns jeden Zoll Grund streitig machen. Man muß auch mit einer Verstärkung der feindlichen Artillerie rechnen. Die Bodenbeschaffenheit gewährt den Deutschen noch immer gewisse Vorteile, und das Wetter hat in der letzten Zeit die Operationen der Engländer nicht begünstigt. Der rasche Fortschritt unserer Verbündeten beim Beginn der Offensive wird sich nicht mehr wiederholen, und man muß viele langsame hartnäckige Arbeit erwarten, ehe die Franzosen an einigen Punkten stromabwärts von Biaches über die Somme kommen. Man kann mit Sicherheit erwarten, daß der Feind nicht an allen bedrohen Orten längs der ganzen Linie, die jetzt angegriffen wird, sich fest eingräbt. Ein Faktor aber begünstigt die Offensive der Verbündeten. Obgleich man Verteidigungswerke schnell improvisieren kann, ist die erstaunliche Stärke der bereits genommenen Stellungen doch das Produkt einer monatelangen Arbeit gewesen. Die Schlacht an der Somme wird in ihrer zweiten Phase wahrscheinlich noch viel heftiger werden. Die Aussichten sind gut, aber das Resultat wird nur langsam erzielt werden."

Nicht minder pessimistisch äußert sich die französische Presse über den Fehlschlag der englischen Offensive: "Die in einer Reutermeldung wiedergegebene Erklärung Haigs, er wolle die Deutschen so lange schwächen, bis sie außerstande seien, die deutschen Grenzen zu verteidigen, scheint mehr geeignet, in Frankreich Beunruhigung und Enttäuschung hervorzurufen, als in Deutschland. Das französische Volk hat den in der Neujahrsrede Poincarés gegebenen Versprechungen blindlings vertraut, daß die Heere noch vor Jahresschluß in die Heimat zurückkehren würden. Durch die Erklärung Haigs wird jedoch das Versprechen Poincarés zu einer leeren nichtssagenden Prahlerei gestempelt, da jedermann in Frankreich weiß, daß Haig niemals imstande sein wird, seinen Plan durchzuführen oder, falls dies gelingen sollte, würden auch die französischen und englischen Heere vollständig aufgerieben sein."

Die Deutschen müssen es nun ihren Feinden überlassen, sich in Klagen über den Mißerfolg ihrer mit so viel Geschrei ausposaunten Generaloffensive hinwegzutrösten. Mit Vertrauen schritt das deutsche Volk ins dritte Kriegsjahr. Es weiß seine Sache in guten Händen. Es kämpft bis zum letzten Mann.

[21]
3. Der östliche Kriegsschauplatz

Es war den Russen ein leichtes, auch nach den schwersten Niederlagen aus seinem überreichen Menschenreservoir immer wieder neue Armeen aufzustellen. In der Zwangslage, gleichzeitig ihr Schwert gegen Serbien und Rußland führen zu müssen, vermochten unsere österreich-ungarischen Bundesgenossen zunächst nicht, ihre Grenzen gegen den Ansturm russischer Übermacht zu schützen. Galizien mußte den Barbarenhorden überlassen werden.

Da verkündete der Bericht vom 2. Mai, daß im Beisein des Oberbefehlshabers Feldmarschall Erzherzog Friedrich, unter Führung des Generalobersten von Mackensen die verbündeten Truppen gestern nach erbitterten Kämpfen die ganze russische Front in Westgalizien von nahe der ungarischen Grenze bis zur Mündung des Dunajec in die Weichsel an zahlreichen Stellen durchstochen und überall eingedrückt haben. Diejenigen Teile des Feindes, die entkommen konnten, werden im schleunigen Rückzuge nach Osten stark verfolgt von den verbündeten Truppen. Die Trophäen des Sieges lassen sich noch nicht annähernd übersehen.

Nun folgte Schlag auf Schlag auf das Haupt der in Eilmärschen vorwärtstreibenden Russen. Am 1. Juni ergaben sich den stürmenden Bayern bereits einzelne Forts von Przemysl, der bayrische General Graf Bothmer rückte gegen den stark befestigten Ort Stryj und bereitete so den Entsatz Lembergs vor und die Abdrängung der Russen in die Dnjestrsümpfe. Am 22. Juni erobert der österreichische General Boehm-Ermolli Lemberg zurück; Generaloberst von Mackensen wird zum Generalfeldmarschall ernannt.

Die ganze russische Front gerät ins Wanken. In einer festgefügten, lückenlosen Linie von der Bukowina an bis zur Ostsee setzten die verbündeten Streitkräfte die eisernen Klammern an. Ein furchtbarer Druck geht aus von den Armeen der Feldherren Pflanzer-Baltin, von Prinz Leopold von Bayern, von Woyrsch, von Hindenburg, von Gallwitz, von Scholtz, von Eichhorn und von Below. Schon stehen die großen Festungen der Bobr-Narew-Weichsellinie in schwerster Gefahr. Die Nowoje Wremja bereitet vor: "Man muß aus dem Vordringen des Feindes schließen, daß neue russische Gebiete in Feindeshand übergehen werden. Die Russen müssen sich auf eine sichere Verteidigungsstellung zurückziehen. Wir werden gezwungen sein, gewisse Teile des Landes vorläufig dem Feinde zu überlassen, der die reife Ernte unserer bürgerlichen Arbeit für sich beanspruchen wird. Die Bürgerschaft und die unbewaffnete Bevölkerung muß alles wertvolle mit sich nehmen, damit der Feind so wenig wie möglich in Besitz bekommt. Wir haben bereits aus diesen Gebieten alles in das Innere des Landes befördern lassen. Was nicht befördert werden kann, wird von uns vernichtet. Wir dürfen dem Feinde nichts überlassen, was für ihn wertvoll sein kann."

Von Belows kraftvoller Vorstoß gegen Kurland brachte Windau, Tukum und alsbald Mitau in unsere Hand und drängte die Russen aus Schaulen. Das Heer des Generals von Gallwitz warf den Feind über den Narew und bezwang im Sturm die Festungen Rozan und Pultusk. Am 4. August rückte Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern in Warschau ein, während sich Erzherzog Joseph Ferdinand in den Besitz von Iwangorod setzte. General von Scholtz nahm Lomza, Generaloberst von Eichhorn Kowno, und am 20. August bezwang General von Beseler die Festung Nowo-Georgiewsk. Generalfeldmarschall von Hindenburg nahm die von den Russen geräumte Festung Ossowicz am Bobr, und am 25. August fiel als letztes Bollwerk auch Brest-Litowsk.

[22] Es mußte als völlig ausgeschlossen angesehen werden, daß es den Russen noch im gleichen Jahre gelingen könnte, das Schicksal der Schlachten zu wenden. So blieb den Truppen der Verbündeten Gelegenheit, ihre Stellungen aufs sicherste auszubauen. Bis in die vordersten Stellungen hinein grüßte der Kaiser seine tapferen Truppen. Von einem solchen Kaiserbesuch berichtet folgender Privatbrief:

"Zwei Tage vor dem Besuch des Kaisers in Pinsk kam spät abends der Divisionsbefehl: Morgen früh zehn Uhr melden sich die Kapellen vom Landsturmbataillon am Bahnhof Pinsk, da hoher Besuch bevorsteht. Sofort wurde angenommen, daß entweder Seine Majestät oder Exzellenz von Hindenburg kommen würden. Am andern Morgen gab es natürlich überall Bewegung; der Parademarsch und das Präsentieren wurde geübt. Aber der Besuch kam nicht, das Ganze sollte nur eine Übung sein. Nun hieß es, daß am folgenden Nachmittag 2 Uhr der Kaiser in Pinsk eintreffen solle. Überall waren in Pinsk Doppelposten aufgestellt. Am Abend wurden Waffenrock und Waffen in tadellose Ordnung gebracht. Die Stiefel wurden gewichst – eine schwere Arbeit, da dieselben lange keine Wichse mehr gesehen hatten. Am folgenden Morgen wurde natürlich das Präsentieren noch einmal geübt. Gegen 10 Uhr kam plötzlich ein Major im Galopp herangesprengt mit dem Befehl, die Mannschaften an ihren Bestimmungsort treten zu lassen, da Seine Majestät sich auf dem Wege zu unserer Batterie befände. Nun aber kam Bewegung in die Batterie! Wir waren dazu bestimmt, Spalier und eine Ehrenkompagnie zu bilden. Auf den Straßen war kein Mensch mehr zu sehen, dagegen befand sich zu beiden Seiten der Straße Militär mit aufgepflanztem Seitengewehr. Auf dem Kloster, einem hohen Gebäude, auf dem sich eine unserer Beobachtungsstellen befindet, war der Kaiser schon gewesen. Da erscheint an der Straßenecke plötzlich ein Auto, ihm folgen mindestens noch acht. In unsern Reihen heißt es: Der Kaiser kommt! Da halten die Autos bei der Ballonabwehrkanone still. Die Herren verlassen die Fahrzeuge und begeben sich querfeldein zu einer Feldartilleriebatterie. Wird der Kaiser uns nicht besuchen? Doch da kommt der große Stab wieder. Nachdem er Platz genommen hat, setzen sich die Autos in Bewegung: Richtung unsere Batteriestellung! Immer näher kommen sie. Präsentiert das Gewehr! kommandiert unser Leutnant. Das erste Auto fährt an uns vorüber, der Kaiser ist nicht darin und das zweite folgt, da sitzt hinten im Auto rechts ein Mann mit Pelzkragen. Bei seinem Anblick durchläuft es mich kalt. Er grüßt freundlich und winkt uns mit der Hand. Es ist der Kaiser unser oberster Kriegsherr, auf den die ganze Welt mit Bewunderung blickt! Die anderen Autos folgen, jetzt halten sie. Seine Majestät verläßt das Auto, und sofort nehmen rechts und links von ihm je drei Soldaten der Garde Aufstellung. Der Kaiser betritt inmitten des Stabes unsere Batteriestellung und besichtigt sie genau. Die Bedienungen grüßt er mit: Guten Morgen, Artilleristen! und Guten Morgen, meine Leute! Er durchschritt die Batterie mit langsamem, aber festem, majestätischem Schritt. In der Hand trug er den Marschallstab. Sein Blick war ernst; man konnte ihm ansehen, daß der Krieg schwer auf seinen Schultern lastet. Nachdem Seine Majestät sich alles genau angesehen hatte, bestieg er sein Auto und verließ mit seinem Gefolge unsere Stellung. Kaum hatte er uns verlassen, da erscheint hoch in den Lüften ein feindlicher Kampfflieger. Schon werden ihm von einer Ballonabwehrbatterie eiserne Grüße entgegengesandt. Nun tauchen zwei deutsche Kampfflieger auf. Jetzt geht es: Tack, tack... das Maschinengewehr läßt seine Sprache tönen. Schon nimmt der Russe Reißaus. Nachmittags 4 Uhr verließ Seine Majestät Pinsk wieder, und wir freuten uns alle, unsern obersten Kriegsherrn so aus der Nähe gesehen zu haben."

Das Stimmungsbild eines deutschen Telegraphisten aus dem rus- [23] sischen Winter wird gewiß nicht ohne Interesse sein. Da heißt es: "In der letzten Zeit sind wir stark in Atem gehalten worden. Heftige Schneestürme verursachten Leitungsstörungen über Leitungsstörung. Da heißt es denn, die zerstörten 'Strippen' wieder in Ordnung bringen. Bei Tage ist das noch angängig, unangenehm ist es, wenn die Leitungen des Nachts geflickt werden müssen. Ausgerechnet wurden die Störungen der wichtigsten Leitungen erst bei einbrechender Dunkelheit gemeldet. Da stiefelt man nun in die dunkle Nacht hinaus. Eisig weht der Wind über die weite Fläche und jagt einem den feinen Flugschnee ins Gesicht. Schon nach wenigen Minuten ist man vollständig durchfroren. So läuft man nun der 'Quasselstrippe' nach. Das ist gar nicht so einfach, wie man sich das wohl denkt. Meistens ist es so finster, daß man die Leitung gar nicht sieht. Da findet man sich nur an den gesetzten Stangen zurecht. Da der Stellungskrieg aber eine Unmenge Leitungen geschaffen hat, so kommt es oft vor, daß man in der Dunkelheit eine ganz falsche Leitung verfolgt. Da gewisse Merkmale, denen man bei der gestörten Leitung zustrebt, ausblieben, merkt man bald, daß man auf dem falschen Wege ist. Nun geht es wieder zurück und der alten Leitung nach. Viertelstunde um Viertelstunde watet man durch tiefen Schnee. Solange die Leitung über freies Feld führt, hat man wenigstens noch Aussicht, die Störung zu finden. Sobald aber Wald kommt, ist es vorbei. Nun hat man den Schaden gefunden. Die Leitung hat stark durchgehangen, und irgend ein 'Bagagebruder' fuhr einfach darüber weg. Daß man diesem kein Loblied nachsingt, läßt sich ja denken. Mit seinen steifen Händen beseitigt man die Störung und tritt dann schleunigst den Rückweg an."

Ein weiteres Stimmungsbild aus dem russischen Winterstellungskrieg wird nicht minderem Interesse begegnen. Es lautet: "Meine Truppe liegt nun schon seit fünf Monaten in ein und derselben Stellung. Als wir hier ankamen, lernten wir die russischen Zustände aufs beste kennen. Überall großer Schmutz, nicht allein auf den Straßen, sondern auch in den Häusern. Doch kaum waren wir einige Zeit da, war aller Schmutz entfernt. Die Straßen sind mit Tannen bepflanzt, die Häuser haben wir angestrichen. Da gibt es jetzt hier eine Litzmann-, Goeben- und Prinz-Oskar-Straße, ein Soldaten- und ein Litzmann-Heim. Hier bekommt der Soldat für fünf Pfennige eine gute Tasse Kaffee oder Tee, auch Bier gibt es für angemessenes Geld. Diese Heime sind sehr segenbringend, ist man doch nun nicht mehr auf die sehr berüchtigten russischen Teestuben angewiesen. Ich habe vorige Woche Unglück gehabt. Als Prinz Oskar mit Hindenburg und Litzmann erschienen, hatten die Russen wohl etwas gemerkt und belegten unsere Stellungen mit schweren Geschossen. Prinz Oskar wurde bei dieser Gelegenheit leicht verwundet, ein hoher Stabsoffizier starb den Heldentod. Auch in meiner Nähe schlägt eine 15-cm-Granate ein und wirft mir so viel Dreck ins Gesicht, daß meine Brillengläser vor Schreck platzen und auch ich eine Verwundung davontrage. Nun bin ich in der hintersten Reservestellung und warte auf neue Fensterscheiben, kaum hörte der Oberkommandant davon, gleich ließ er mich kommen und stellte mich bis auf weiteres als Ortsschullehrer an. Ich wußte erst gar nicht, was ich anfangen sollte. Russisch kann ich nicht, aber ich sollte ja deutsch unterrichten. Da bekam ich eine gute Idee: ich baute mir einen Fritz Strichmann, ein Zeichenmodell. Und siehe da, es ging, und es geht noch! Also Fritz Strichmann ist von Deutschland nach Rußland gereist. Aber auf der Reise hat er sich sicher eine Krankheit zugezogen, denn wenn er Holz hacken soll, dann fallen ihm die Arme ab. Auch seine Beine stecken voller Gicht. Er ist altersschwach und Landsturmmann geworden, und ich muß ihn nach Deutschland entlassen zur Frühjahrsbestellung."

[24] Nach langer Pause setzten dann die Russen um die Wende des Jahres 1915 – gedrängt von ihren Verbündeten – zu einer neuen großen Offensive alle Kräfte an. Von ihrer aufgespeicherten Munition machten sie den verwegensten Gebrauch. Österreichisch-ungarische Truppen standen in furchtbarstem Feuer. In zahlreichen Angriffswellen trug die russische Infanterie, stellenweise vier-, fünfmal den Angriff gegen unsere Stellungen vor. Die Januarschlacht in Ostgalizien dehnte sich bald über den ganzen Kriegsschauplatz aus und ergriff auch, offenbar mit politischer Absicht auf Rumänien, die bessarabische Front der Armee Pflanzer-Baltin. Der zum entscheidenden Stoß vorgetriebene Feind achtete nicht seiner unsäglichen blutigen Opfer. Tausende von Leichen lagen vor unseren Stellungen, aber der Feind zögerte nicht, immer neue Opfer in den blutigen Kessel zu stürzen. Der österreichische Bericht vom 7. Januar meldet, daß nach zuverlässigen Schätzungen die Verluste des Feindes in den Neujahrskämpfen an der bessarabischen Grenze und an der Strypa mindestens 50 000 Mann betragen!

Schien es erst Mitte Januar, als ebbte der russische Angriff ab, so sollte die Folge doch zeigen, daß die Absicht eines gewaltsamen Durchbruchs noch immer nicht aufgegeben war. Besonders heftige Kämpfe spielten sich um die Brückenschanze nordwestlich von Usciesko am Dnjestr ab, wo es dem Feind gelang, nach vielen mißlungenen Versuchen einen kleinen Geländegewinn zu erzielen. Inzwischen hatten auch die deutschen Truppen der Nordfront manchen schweren Stoß abzuwehren, so vor Dünaburg und bei Baranowitschi. Am 19. März meldet der deutsche Generalstab eine neue russische Offensive. Sie setzte auf der Front Dryswjatysee–Postawy und beiderseits des Naroczsees mit großer Heftigkeit ein. Überall holte sich der Feind blutige Abfuhr. Zusammenfassend heißt es am 1. April im deutschen Bericht: Es scheint, als ob sich der russische Ansturm zunächst erschöpft hat, der mit dreißig Divisionen, gleich über fünfhunderttausend Mann, und einem für östliche Verhältnisse erstaunlichen Aufwand an Munition in der Zeit vom 18. bis 28. März gegen ausgedehnte Abschnitte der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg vorgetrieben ist. Er hat dank der Tapferkeit und zähen Ausdauer unserer Truppen keinerlei Erfolg erzielt.

Welcher große Zweck mit den Angriffen angestrebt werden sollte, ergibt folgender Befehl des russischen Höchstkommandierenden der Armeen an der Westfront vom 1. März:

                  Truppen der Westfront!

Ihr habt vor einem halben Jahre, stark geschwächt, mit einer geringen Anzahl Gewehre und Patronen den Vormarsch des Feindes aufgehalten und, nachdem ihr ihn im Bezirk des Durchbruchs bei Molodetschno aufgehalten habt, eure jetzigen Stellungen eingenommen. Seine Majestät und die Heimat erwarten von euch jetzt eine neue Heldentat: die Vertreibung des Feindes aus den Grenzen des Reiches! Wenn ihr morgen an diese hohe Aufgabe herantretet, so bin ich im Glauben an euren Mut, an eure tiefe Ergebenheit gegen den Zaren und an eure heiße Liebe zur Heimat davon überzeugt, daß ihr eure heilige Pflicht gegen den Zaren und die Heimat erfüllen und eure unter dem Joche des Feindes seufzenden Brüder befreien werdet. Gott helfe uns bei unserer heiligen Sache!

General-Adjutant gez. Ewert.      

Freilich ist es für jeden Kenner der Verhältnisse erstaunlich, daß ein solches Unternehmen zu einer Jahreszeit begonnen wurde, in der seiner Durchführung von einem Tage zum andern [25] durch die Schneeschmelze bedenkliche Schwierigkeiten erwachsen konnten. Die Wahl des Zeitpunktes ist daher wohl weniger dem freien Willen der russischen Führung als dem Zwang durch einen notleidenden Verbündeten zuzuschreiben. Wenn nunmehr die gegenwärtige Einstellung der Angriffe von amtlicher russischer Seite lediglich mit dem Witterungsumschlag erklärt wird, so ist das sicherlich nur die halbe Wahrheit. Mindestens ebenso wie der aufgeweichte Boden sind die Verluste an dem schweren Rückschlage beteiligt. Sie werden nach vorsichtiger Schätzung auf mindestens 140 000 Mann berechnet. Richtiger würde die feindliche Heeresleitung daher sagen, daß die "große" Offensive bisher nicht nur im Sumpf, sondern in Sumpf und Blut erstickt ist.

Nach monatelanger Ruhe lebte die Kampftätigkeit an der russischen Front im Zusammenhang mit den kriegerischen Operationen der Entente Anfang Juli wieder auf. Sowohl die Armeen des Generalfeldmarschalls von Hindenburg, wie des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern, der Generale von Linsingen und von Bothmer, wie endlich der österreich-ungarischen Feldherren standen in schwerem Feuer. Gegen eine ungeheure Übermacht mußten besonders auf der Südfront, in der Bukowina und in Ostgalizien die Truppen der Verbündeten zurückgenommen werden, was ohne große eigene, aber unter Beibringung schwerer Verluste an den Feind gelang, der jeden Fußbreit Boden mit ungeheuern Opfern erkaufen mußte. In Wolhynien und am Stochod verbrachten unsere Truppen wahre Wunder der Tapferkeit. Am 18. Juli wird von schweren russischen Angriffen vor Riga gemeldet, die indes alle vor unseren Stellungen blutig zusammenbrachen. Seine Versuche, beiderseits von Friedrichstadt über die Düna zu setzen, konnte der Feind im deutschen Feuer nicht fortsetzen.

Der österreichische Generalstabsbericht vom 28. Juli meldet zunächst von abgewiesenen russischen Massenangriffen bei Brody und faßt dann die Lage mit folgenden Worten zusammen: Um Mitte Juli hat der Feind nach einer Pause von vier Wochen in Wolhynien seine Offensive wieder aufgenommen. Das Gesamtergebnis derselben läßt sich bis heute dahin zusammenfassen, daß auf unserer Seite ein 80 Kilometer breites Frontstück in einer Tiefe von nicht mehr als 15 Kilometer zurückgedrängt wurde. Diesen geringen Raumgewinn hat der Feind durch eine ununterbrochene Reihe schwerer Angriffe mit ungeheuren Opfern erkauft.

Es folgten nun am Ende des Monats überaus heftige Kämpfe am Stochod und im folgenden Monat russische Stürme im Raume von Baranowitschi, freilich, ohne dem Gegner nennenswerte Vorteile zu bringen. Im Gegenteil gelangen, als während der Anwesenheit des deutschen Kaisers an der Ostfront und in Übereinstimmung mit dem Kaiser von Österreich der durch die allgemeine russische Offensive geschaffenen Lage durch die Ernennung von Hindenburgs zum Oberbefehlshaber über größere Truppenverbände an der Ostfront Rechnung getragen wurde, eine Reihe recht wirkungsvoller deutsch-österreich-ungarischer Vorstöße, die dem Feinde an verschiedenen Stellen der Front seine mühsam errungenen Erfolge wieder streitig machten.

Über die fürchterliche Wirkung des deutschen Angriffs auf die Russen berichtet der Vertreter der Kölnischen Zeitung bei der Heeresgruppe des Prinzen Leopold von Bayern:

"Überläufer des Feindes, die sich in den letzten Tagen regelmäßig einfanden, bringen immer wieder neue bestätigende Nachrichten über die fürchterliche Wirkung unseres Sturmabwehrfeuers. Sowohl die Infanterie wie die Artillerie mähten die feindlichen Truppen nieder, und so erklären sich die Verluste des Gegners, der auf knappem Raum drei Korps einsetzte und dabei erleben mußte, daß ihm Division auf Division einfach zu Haufen von Toten [26] und Zerstückelten kartätscht wurde. Schlecht sahen die von ihren Truppenteilen in unsere Linien sich hinüberstehlenden Leute aus. Sie sind entsetzlich verschmutzt, haben kranke Gesichtsfarbe, tragen zu einem hohen Teil verwahrlostes Schuhzeug und stehen allen Dingen, die die russische Armee angehen, fast taub gegenüber."

Man kann es verstehen, wenn sich im August deutlich ein Nachlassen der russischen Stoßkraft, ein Ermatten der russischen Offensive auf der ganzen Front bemerkbar macht. So wird der Berliner Volkszeitung aus dem Kriegspressequartier gemeldet:

"Im Raume von Brussilows Offensive folgt noch immer Angriff auf Angriff, aber es fehlt ihnen die Stoßkraft des Anfangs und weder Versprechungen auf ein nahes und siegreiches Ende des Kampfes, noch Drohungen, Knute, Revolver und Maschinengewehre sind imstande, das rasche Ermatten der wieder aufgefüllten und massiert ins Feuer geworfenen Sturmkolonnen zu verhindern. Die Verbündeten werden ihrer meist schon Herr, wenn die Russen aus ihren Gräben vorbrechen, selten noch muß zu den Waffen des Nahkampfes gegriffen werden, um die Gegner vollkommen abzutun. Solche zwar mit erheblichem Munitions- und Menscheneinsatz ins Werk gesetzte, aber jedesmal unschwer abgeschlagene Vorstöße ereigneten sich bei Buczacz, nächst Brody, zwischen den Quellen des Turyaflusses und an der Bahn Rowno – Kowel, ferner am Stochod, wo der Gegner vergeblich bei Kaszowka vorzudringen versuchte."

Wie der Nationaltidende aus Petersburg gemeldet wird, können die russischen Truppen noch immer die Offensive halten. Bei Kowel dagegen waren sie außerstande, den Widerstand des Feindes zu brechen. Die Stadt, die von großer strategischer Wichtigkeit ist, wird vom Feinde tapfer verteidigt. Heftig gekämpft wurde gleichfalls westlich von Luck sowie bei der galizischen Stadt Monasterzyska. Nach Berichten von anderer Seite müssen die Verluste der Russen in den letzten Wochen grauenerregend gewesen sein. Längs aller Eisenbahnlinien, die mit der Front in Verbindung stehen, werden in größter Eile unzählige Lazarettbaracken errichtet, die mit Kranken und Verwundeten angefüllt sind, jedoch ohne ärztliche Pflege bleiben müssen, da es überall an der Front an Ärzten und Pflegematerial fehlt. Auch Typhus und Cholera räumen im russischen Heere mit furchtbarer Grausamkeit auf. Man hat keine Zeit mehr, die Toten zu beerdigen, die Leichen wirft man einfach in die Flüsse, die mit Tausenden von russischen Leichen angefüllt sind. Aus dem Hauptquartier ist an die Befehlshaber der allerstrengste Befehl ergangen, die Offensive unter Anspannung der äußersten Kräfte, ohne sich durch blutige Opfer oder Epidemien abschrecken zu lassen, solange durchzuführen, wie die jetzige Gruppierung der deutschen und österreichischen Truppen dies ermöglicht. Alles deutet darauf hin, daß die gegenwärtige Offensive die letzte Kraftanstrengung sein wird, zu der Rußland fähig ist.

Die Russen haben eine für sie günstige Lage immerhin ausnutzen können, ihre Lage ein wenig zu verbessern. Freilich haben alle Sturmläufe nicht vermocht, die Deutschland zugekehrte Front zu verschieben oder irgendwo einen Durchbruch zu erzielen. Und der kleine Geländegewinn in Galizien entspricht kaum den geradezu fabelhaften Opfern, mit denen er hat erkauft werden müssen. Nachdem nun Mackensens Schläge in der Dobrudscha den russischen Traum, eine Verbindung nach Konstantinopel zu finden, zertrümmert hat, also Rußlands letztes und höchstes Kriegsziel unerreichbar geworden ist, bleibt es abzuwarten, ob Rußland, das mit den Mächten der Entente keine einzige natürliche Interessengemeinschaft besitzt, Lust hat, weiterhin für seine Verbündeten zu bluten.

[27]
4. Die Kämpfe zur See

Auch in der vergangenen Kriegsperiode hat sich die junge deutsche Flotte aufs glänzendste bewährt. Kraftvoll in der Verteidigung, mutig im Angriff hat sie sich im heißen Ringen manchen Lorbeer zu erringen gewußt. Stetig bewegt von dem Gedanken: Wir fahren gegen Engelland! erhielt jeder ihrer Vorstöße Wucht und Schwung.

Ein Marineluftschiffgeschwader hat in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar Dock-, Hafen- und Fabrikanlagen in und bei Liverpool und Birkenhead, Eisenwerke und Hochöfen von Manchester, Fabriken und Hochöfen von Nottingham und Sheffield sowie große Industrieanlagen am Humber und bei Great Yarmouth ausgiebig mit Spreng- und Brandbomben belegt. Überall wurde starke Wirkung durch mächtige Explosionen und heftige Brände beobachtet. Am Humber wurde außerdem eine Batterie zum Schweigen gebracht. Die Luftschiffe wurden von allen Plätzen aus stark beschossen, aber nicht getroffen. Sämtliche Luftschiffe sind trotz der starken Gegenwirkung wohlbehalten zurückgekehrt. Die Herren Engländer haben sich Besuche dieser Art in ziemlich großer Zahl gefallen lassen müssen.

Mindestens ebenso unangenehm waren ihnen die Spaziergänge der deutschen Unterseeboote, die sich nicht scheuten, bis an Englands Küsten ihre fleißige Vernichtungstätigkeit zu entfalten. So hat in der Nacht zum 1. Februar ein deutsches Unterseeboot in der Themsemündung einen englischen armierten Bewachungsdampfer und drei englische zu Bewachungszwecken dienende Fischdampfer versenkt.

Wenige Tage später kam es zu einem für uns siegreichen Gefecht an der Doggerbank. Unsere Torpedoboote trafen bei einem Vorstoß etwa 120 Seemeilen östlich der englischen Küste auf mehrere englische Kreuzer, die alsbald die Flucht ergriffen. Bei der Verfolgung versenkten sie den neuen Kreuzer "Arabis" und erzielten einen Torpedotreffer auf einen zweiten Kreuzer. Durch unsere Torpedoboote wurde der Kommandant der "Arabis", ferner zwei Offiziere und 21 Mann gerettet. Unsere Streitkräfte haben keinerlei Beschädigungen oder Verluste erlitten. Wie nachträglich mit Sicherheit festgestellt werden konnte, ist auch das zweite englische Schiff gesunken; auch hat sich die Zahl der Geretteten erhöht.

Wie in den heimischen Gewässern, so trug die deutsche Flotte auch die Vernichtung in die fernsten Meere. So versenkte ein deutsches Unterseeboot am 8. Februar an der syrischen Küste südlich von Beirut den französischen Panzerkreuzer "Admiral Charner". Das Schiff sank innerhalb zwei Minuten. Am 1. März wurden von unseren U-Booten zwei französische Hilfskreuzer mit je vier Geschützen vor Le Havre und ein bewaffneter englischer Bewachungsdampfer in der Themsemündung versenkt. Im Mittelmeer wurde der französische Hilfskreuzer "La Provence", der mit einem Truppentransport von 1800 Mann nach Saloniki unterwegs war, versenkt, wobei nur etwa 700 Mann gerettet werden konnten.

Von einer überaus erfolgreichen Beutefahrt kehrte nach mehrmonatiger Abwesenheit S.M.S. "Möve" unter dem Befehl des Kommandanten Korvettenkapitän Burggraf und Graf zu Dohna-Schlodien in den heimatlichen Hafen zurück. Es war dem kühnen Seefahrer gelungen, die englische Linie zu durchbrechen, das Meer zu gewinnen, eine große Zahl englischer Dampfer aufzubringen und größtenteils zu versenken. Die "Möve" hat ferner an mehreren Stellen der feindlichen Küste Minen gelegt, denen u. a. das englische Schlachtschiff "King Edward VII." zum Opfer gefallen ist. Von seinem verwegenen Fischzug brachte der Kommandant vier englische Offiziere, 29 englische Seesoldaten und Matrosen und 166 Gefangene [28] feindlicher Dampferbesatzungen, sowie eine Million Mark mit heim. Mit Staunen und Bewunderung nahm auch das Ausland die Kunde von diesem Husarenstück auf.

Von großem Erfolg war auch der deutsche U-Bootkrieg, der – wie ausgestreuten Gerüchten gegenüber erklärt werden mußte – entsprechend der bekannten Denkschrift der Reichsregierung an die neutralen Mächte in vollem Gange blieb. So werden für den Monat März als feindliche Schiffsverluste 80 Handelsschiffe mit rund 207 000 Bruttoregistertonnen gemeldet, für den Monat April 96 feindliche Handelsschiffe mit rund 225 000 Bruttoregistertonnen, für den Monat Mai 56 Schiffe mit einem Bruttogehalt von 118 500 Registertonnen. Leider trat der verdienstvolle Großadmiral von Tirpitz am 15. März vom Staatssekretariat des Reichsmarineamts zurück, doch fand sich in der Person des Admirals von Capelle ein bewährter Ersatz.

Verschiedentlich kam es zu kleineren Seegefechten. So am 29. Februar in der nördlichen Nordsee zwischen dem deutschen Hilfskreuzer "Greif" und drei englischen Kreuzern, sowie einem Zerstörer. Der "Greif" hat im Laufe des Gefechts einen großen englischen Kreuzer von etwa 15 000 Tonnen durch Torpedoschuß zum Sinken gebracht und sich zum Schluß selbst in die Luft gesprengt. Ein für uns erfolgreiches Gefecht fand am 20. März vor der flandrischen Küste zwischen drei deutschen Torpedobooten und einer Division von fünf englischen Zerstörern statt. Der Gegner brach das Gefecht ab, nachdem er mehrere Volltreffer erhalten hatte, und dampfte mit hoher Fahrt aus Sicht. Am Morgen des 24. April erschienen vor der flandrischen Küste zahlreiche englische Streitkräfte aus Monitoren, Torpedobootzerstörern, größeren und kleineren Dampfern bestehend, welche anscheinend Minen suchten und Bojen zur Bezeichnung von Bombardementsstellungen auslegten. Drei unserer in Flandern befindlichen Torpedoboote stießen mehrfach gegen die Monitors, Zerstörer und Hilfsfahrzeuge vor, drängten sie zurück und hinderten sie an der Fortführung ihrer Arbeiten. Trotz heftiger Gegenwirkung sind unsere Torpedoboote unbeschädigt geblieben. Die englischen Seestreitkräfte verließen die flandrische Küste wieder.

Vom 1. April an wiederholten sich in ziemlich rascher Folge Angriffe unserer Marine-Luftgeschwader auf London und industriell oder militärisch bedeutsame Plätze der englischen Südostküste.

Über die bei dem letzten Angriff am 8. und 9. August auf die englische Ostküste erzielten Erfolge ist bisher trotz möglichster Geheimhaltung durch die englischen Behörden bisher folgendes bekannt geworden: In Hull am Humber in der Dockstation der North-Eastern-Eisenbahngesellschaft ist in einem Holzlager ein großer Brand verursacht worden. Die Kohlenübernahme-Schütten am Humber und die Kaianlage sind schwer beschädigt, eine Munitionsfabrik wurde in Brand gesetzt. Ein voller Getreidespeicher von 200 Meter Länge ist gänzlich ausgebrannt, eine monumentale Brücke wurde völlig zerstört, das große Zollhaus und verschiedene Häuser in seiner Nähe sind bis auf den Grund niedergebrannt. Ein großer Schaden wurde in dem Alexandradock angerichtet, ein ganzes Dock soll unbrauchbar geworden sein. Ferner ist festgestellt, daß zwei bei Havtorn und Lessuv (Hebburn) auf Stapel liegende Torpedoboote vernichtet und bei Gades Head ebenfalls eine Munitionsfabrik in die Luft geflogen ist. Außerdem sind noch sehr schwere Materialschäden gemeldet worden. Ein in Ladung liegender russischer Dampfer ist total vernichtet worden. In Middlesborough und Hartlepool wurden große Brände von Fabriken und Einstürze von Lagerhäusern am Pier festgestellt. Allgemein herrscht in England große Trauer und Bestürzung über diese neuen großen Erfolge unserer Luftschiffe und die Erregung unter der Bevölkerung ist stark. Der Regierung werden schwere Vorwürfe gemacht. Mit Schrecken sieht man neuen Angriffen entgegen. Vorschriften über das Abblenden sowie sonstige Abwehrmaßregeln werden dauernd nach Möglichkeit verschärft.

[29] Ein für unsere Flotte ruhmvoller Tag war der 31. Mai. Hier kam es zu der siegreichen Seeschlacht am Skagerrak, von der der Chef des Admiralstabes meldet:

"Unsere Hochseeflotte ist bei einer nach Norden gerichteten Unternehmung am 31. Mai auf den uns erheblich überlegenen Hauptteil der englischen Kampfflotte gestoßen. Es entwickelte sich am Nachmittag zwischen Skagerrak und Horns Riff eine Reihe schwerer für uns erfolgreicher Kämpfe, die auch während der ganzen folgenden Nacht andauerten. In diesen Kämpfen sind, soweit bisher bekannt, von uns vernichtet worden: das Großkampfschiff 'Warspite', die Schlachtkreuzer 'Queen Mary' und 'Indefatigable', zwei Panzerkreuzer, anscheinend der Achillesklasse, ein kleiner Kreuzer, die neuen Zerstörerführerschiffe 'Turbulent', 'Nestor' und 'Alcaster', sowie eine große Anzahl von Torpedobootszerstörern und ein Unterseeboot. Nach einwandfreier Beobachtung hat ferner eine große Reihe englischer Schlachtschiffe durch die Artillerie unserer Schiffe und durch Angriffe unserer Torpedobootflottillen während der Tagschlacht und in der Nacht schwere Beschädigungen erlitten. Unter anderen hat auch das Großkampfschiff 'Marlborough', wie Gefangenenaussagen bestätigen, Torpedotreffer erhalten. Durch mehrere unserer Schiffe sind Teile der Besatzungen untergegangener englischer Schiffe aufgefischt worden, darunter die beiden einzigen Überlebenden der 'Indefatigable'. Auf unserer Seite ist der kleine Kreuzer 'Wiesbaden' während der Tagschlacht durch feindliches Artilleriefeuer, und in der Nacht S.M.S. 'Pommern' durch Torpedoschuß zum Sinken gebracht worden. Über das Schicksal S.M.S. 'Frauenlob', die vermißt wird, und einiger Torpedoboote, die noch nicht zurückgekehrt sind, ist bisher nichts bekannt. Die Hochseeflotte ist im Laufe des heutigen Tages in unsere Häfen eingelaufen."

Zu den Verlusten der Seeschlacht am Skagerrak gesellen sich auf unserer Seite noch S.M.SS. "Lützow" und "Rostock", die auf dem Wege zu ihren Reparaturhäfen verloren gegangen sind, nachdem die Versuche fehlgeschlagen waren, die schwerverletzten Schiffe schwimmend zu erhalten, sowie auf englischer Seite noch eine ganze Reihe großer und kleiner Kriegsschiffe, deren Verlust so lange wie möglich von der englischen Admiralität geheimgehalten wurden.

Einen unblutigen Sieg über unsere Feinde errangen wir noch mit dem Handelsunterseeboot der Deutschen Ozean-Reederei in Bremen "Deutschland", das mit Farbstoffen aller Art befrachtet unter Kapitän Paul Königs glänzender Leitung trotz feindlicher verschärfter Blockade den Weg nach Baltimore fand und unversehrt, mit Gummi, Kupfer und Nickel reich beladen, wieder den Heimathafen erreichte. Die Deutsche Ozean-Reederei meldete am 23. August:

"Das erste Handels-U-Boot der Deutschen Ozean-Reederei ist in der Wesermündung geankert. An Bord alles wohl. Die amerikanische Regierung verhielt sich durchaus korrekt neutral. Die amerikanische Flotte hat mit Strenge darauf gesehen, daß die Grenze von unseren Feinden, sowohl den Engländern wie den Franzosen, geachtet wurde. Diese Vorsichtsmaßnahmen wurden besonders verschärft, nachdem ein englischer Kreuzer nachts heimlich in die Bucht eingefahren war. Bei der Ausfahrt befanden sich nicht weniger als acht englische Kriegsschiffe auf der Lauer, umgeben von zahlreichen gemieteten amerikanischen Fischdampfern zum Zweck der Auslegung von Netzen und der Benachrichtigung des Feindes. Trotzdem gelang die Ausfahrt. Die Ozeanfahrt war anfangs stürmisch, später weniger bewegt. An der englischen Küste viel Nebel. In der Nordsee war das Wetter stürmisch. Das Schiff erwies sich als ausgezeichnetes Seeschiff. Die Maschinen haben tadellos gearbeitet ohne jegliche Störung. Es wurden keine Eisberge passiert. Die 'Deutschland' ankerte heute nachmittag um 3 Uhr in der Wesermündung."

[30] Der Präsident der Deutschen Ozean-Reederei, Herr Alfred Lohmann, fuhr der "Deutschland" bis auf die Höhe von Helgoland entgegen. Er begrüßte dort den Kapitän, die Offiziere und die Mannschaft, die sich in großartiger Stimmung befanden und sämtlich erklärten, sich für eine neue Reise wieder anmustern zu lassen. Herr Alfred Lohmann nahm die wichtige Kurierpost in Empfang. Das Schiff hat eine gute Ladung genommen. Tatsächlich wurde die Erwartung der Reeder inbezug auf die Ladefähigkeit übertroffen. Es war ein überaus erhebender Anblick, wie die "Deutschland" am Horizont gesichtet wurde. Das Deck war von Wetter und Wogen hart mitgenommen, Kapitän König in seiner schlichten Seemannsart stand auf dem Turm des Schiffes und gab ruhig und bestimmt seine Befehle. Trotz des großen Augenblickes schien ihm nichts mehr am Herzen zu liegen, als die kostbare Warenladung dem deutschen Volke sicher zuzuführen.


5. Von den Kämpfen unserer Verbündeten

In schwerem Ringen haben unsere Verbündeten auf allen Kriegsschauplätzen aufs beste standgehalten. Vielfach Schulter an Schulter mit deutschen Truppen errangen sie über eine gewaltige numerische Übermacht Sieg um Sieg.

Der 16. Mai brachte den Anfang einer wohlvorbereiteten Offensive der Österreicher gegen Italien. Mit bewunderungswürdiger Tapferkeit drangen unsere Verbündeten aus den Hochgebirgsstellungen, die sie monatelang gegen den Ansturm der Feinde gehalten hatten, hervor und drängten ihn in die Ebene zurück. In Südtirol breiteten sich ihre Truppen auf dem Armentarrarücken aus, nahmen auf der Hochfläche von Vielgereuth die feindliche Stellung Soglio – d'Aspio – Coston – Costa – d'Agra – Maronia, drangen im Terragnolaabschnitt in Piazza und Valdugo ein, vertrieben die Italiener aus Moscheri und erstürmten die Zigna Torta, südlich von Rovreit. Am 19. Mai fielen die beiden Panzerfesten Campomolon und Toraro in die Hand der Österreicher. Nördlich des Suganatales nahmen unsere Verbündeten die Cima Tista, überschritten den Masobach und rückten in Strigno ein. Am 27. Mai fiel das Panzerwerk Casa Ratti, wenig später Punta Crobin und am 31. Mai die Festungen Asiago und Arsiero. Freilich gelang es unseren Verbündeten, die inzwischen durch die russische Offensive stark in Anspruch genommen wurden, nicht, ihre Eroberungen gegen die Gegenoffensive Cadornas sämtlich zu behaupten. Immerhin ist der Erfolg ihrer Waffen ein ganz bedeutender.

Als denkwürdigstes Ereignis des Krieges wird der kraftvolle Vorstoß bezeichnet werden, den die Verbündeten unter Mackensens Oberbefehl gegen Serbien unternahmen, und der – nachdem auch die Bulgaren auf den Kriegsschauplatz getreten waren und ihr erprobtes Schwert in die Wagschale warfen – zu einer furchtbaren Katastrophe für Serbien und Montenegro wurde.

Inzwischen haben die Mächte der Entente in Saloniki festen Fuß gefaßt und sich in Griechenland unter skrupelloser Verletzung der Neutralität zu Herren des Landes gemacht. Ihre Truppen unter Sarrail drängten von hier aus gegen die Heere der Bulgaren vor, ohne daß es ihnen gelungen wäre, sie auch nur einen Schritt zurück zu drücken. Einem Feldpostbrief vom serbischen Kriegsschauplatz entnehmen wir über die Fahrt an die Front:

    "Wir hatten eine kriegsstarke Kompagnie für die Armee Mackensen nach Serbien zu stellen. Dort ging es um diese Zeit frisch-fröhlich voran. Mit einem beispiellosen Schneid stürmten unsere Truppen von Dorf zu Dorf, von Erfolg zu Erfolg. Wie ein gewaltiger Sturm fegten sie durch das feindliche Land, alles vor sich hertreibend und niederwerfend. Den ruchlosen [31] Kriegshetzern und Anstiftern des entsetzlichsten Weltenbrandes, der die Erde in ihren Grundfesten zu erschüttern droht, erteilten sie in furchtbarer Lektion die gerechte Strafe. Da schlug einem das Herz höher bei dem Gedanken, einer solchen Armee angehören zu sollen. Darum meldete ich mich sofort freiwillig für den Transport und hatte auch das Glück, angenommen zu werden. Am 2. November abends kurz vor 12 Uhr, fuhr unser Zug ab, der uns in flotter Fahrt der Erfüllung und Verwirklichung aller unserer Wünsche und Träume näherbringen sollte. Am Bahnhofe gab es eine kurze, eindrucksvolle Abschiedsfeier, die mit dem alten evangelischen Trutz- und Kampfliede von der festen Burg begann, die unser Gott für alle die sein will und ist, die ihm vertrauen und auf ihn bauen und mit dem immer schönen und erhabenen 'Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten' schloß. Unter den flotten Marschweisen der Bataillonskapelle setzte sich unser Zug in Bewegung, aus dem unsere Rufe, Gesänge und Lieder der Heimat das letzte herzliche Lebewohl zuriefen. –

    In flotter Fahrt gings zunächst durch Süddeutschland über Karlsruhe, Ulm und München. Eine eingehende Schilderung dieses Fahrtteiles dürfte sich erübrigen, da die herrlichen Landschaftsbilder, durch die die Bahn auf süddeutschem Gebiete führt, vielen aus eigener Anschauung bekannt sein dürfte. Groß war in Süddeutschland überall die Begeisterung. Oft wurde man an die ersten Tage des großen Krieges erinnert, an denen man noch selbst Tag für Tag an der Eisenbahn stand und den nach dem Westen rollenden Zügen zujubelte, damals allerdings noch nicht ahnend, daß man dereinst selbst mal eine solche Triumpffahrt gegen einen unserer Feinde antreten würde. Unsere Begeisterung bei Antritt der Ausreise war an und für sich schon groß und echt. Aber auf der Fahrt steigerte sie sich unter solchen Umständen bis zum Siedepunkte. Am Morgen des zweiten Reisetages erreichten wir den Fuß der Alpen. Wir hatten es uns in unserem Abteile 2. Klasse recht gemütlich und bequem gemacht und die Nacht tadellos verschlafen, d. h. damit auch die Durchfahrt durch Bayerns Residenz verpaßt, worüber wir uns um nächsten Tage nicht schlecht geärgert haben. Verträumt und verschlafen wachte ich am kommenden Morgen auf als es gegen 6 Uhr hell wurde. Ein Blick aus dem Fenster des Eisenbahnwagens machte mich und die anderen in einem Augenblicke munter und lebendig. Wie bezaubernd wirkte der erste Anblick des gewaltigen Gebirges auf alle. Im ersten Morgensonnenschein lagen die Vorberge der Alpen da mit ihren schroffen, kahlen gen Himmel so trutzig ragenden Gipfeln. Zwar waren sie noch Zwerge im Vergleich zu den schnee- und eisbedeckten Riesen des Hinterlandes, die den malerischen Hintergrund dazu bildeten. Für mich war das herrliche Bild neu, und ich konnte mich an ihm nicht satt sehen. In stundenlanger Fahrt ging es an dem Gebirge entlang. Welch' herrliches Fleckchen Erde hat da doch unseres allmächtigen Schöpfers gewaltige Hand geschaffen! Immer wieder hielt es einen wie gebannt am Fenster fest. Mit den Augen hätte man das immer neue und immer gewaltiger werdende Landschaftsbild aufsaugen können. Inzwischen kamen wir über die Grenze, und als unser Zug nach langer Zeit zum erstenmal wieder in Salzbrunn hielt, befanden wir uns im Land unseres Bundesgenossen.

Zu den großen Schwerterfolgen unserer Verbündeten, der Österreicher, Ungarn und Bulgaren, traten die der Türken, deren Truppen sich überall siegreich gegen den Feind behaupteten, sein Vordringen im Kaukasus hemmten und den Armeen der Entente auf Gallipoli eine furchtbare Niederlage bereiteten. Das mit so ungeheuer viel Geschrei aufgenommene Dardanellenunternehmen mußte gänzlich unter dem Feuer der türkischen Geschütze aufgegeben werden.

Recht bezeichnend für die Kampfesweise der Engländer ist folgender Brief eines deutschen Kämpfers auf Gallipoli:

    "Ich möchte Ihnen nun einiges über den ruhmlosen Abzug der Feinde [32] schildern. Ein Artikel unserer Zeitung hat mich dazu veranlaßt. Dieselbe schreibt, daß der Feind den Abzug nur unter dem Schutze der Roten-Kreuzflagge ohne Verluste hätte ausführen können. Welchen Mißbrauch der Engländer an der Suvlabucht mit der Flagge getrieben hat, sollen Ihnen einige Beispiele zeigen. An der Küste nördlich des Salzsees schien ein großer Dampfer auf Strand gelaufen zu sein. Natürlich wurde er von unserer Artillerie unter Feuer genommen. Es dauerte nicht lange, da hißte der Feind die Rote-Kreuzflagge. Diesen gestrandeten Dampfer benutzte der Feind aber auch zugleich als Landungsbrücke. Eines Tages beobachtete man, daß er dort Kriegsmaterial jeglicher Art (Geschütze usw.) transportierte. Größere Transporte Mannschaften lud er aus. Unser Bataillonskommandeur gab wieder Befehl, die Gesellschaft mit einigen Granaten zu beglücken. Wir hatten die Geschütze schon eingerichtet und fertig zum Feuern gemacht, da kam vom Beobachtungsstand Befehl, das Feuer zu unterlassen. Ein Engländer trug verschiedene Tragbahren hin und her. Letzteres etwas genauer besehen, trug man aber keine Kranken usw. an Bord; denn dann hätte der Engländer enorme Verluste haben müssen; sondern in den Tragbahren transportierte man Material. Es war für uns strengster Befehl, die Rote-Kreuzflagge zu respektieren, daher unterblieb das Schießen. Oft haben wir beobachtet, daß Wagen mit acht Pferden bespannt die Rote-Kreuzflagge trugen. Natürlich war uns sofort klar, daß hier statt Verwundeter Munition transportiert wurde. – Die Lazarettschiffe haben oft allerhand Material ausgeladen. Die Ablösung der Truppen von Imbros kamen dauernd mit einem Lazarettschiff an. – Zum Schutze jeden Zeltlagers hatte der Engländer zwei oder drei Rote-Kreuzflaggen gehißt, obwohl hier kein Kranker oder Verwundeter weilte, ja, er scheute sich nicht, eine schwere Batterie unter den schönen Schutz zu stellen. Hinter dem Lule Buba, Bergrücken am Salzsee, hatte er eine Batterie aufgestellt gleich hinter einem größeren Lager. Zum Schutze des Lagers und zugleich der Batterie hißte er eben auf dem Höhenzug sein schon oft bewährtes Schutzmittel, die Flagge des Roten Kreuzes. – Beim Abzug haben sämtliche Lazarettschiffe große Transporte aufgenommen und sind dann abgefahren. Die Lazarettschiffe vermitteln auch den Verkehr zwischen den kämpfenden Truppen durch Heliographendienst. Bei einem nächtlichen Feuerüberfall auf unsere Linien wurde von einem Lazarettschiff das Signal zum Beginn des Schießens durch weiße Raketen gegeben. So hat, wie diese Beispiele zeigen, sozusagen der Engländer seine ganze Expedition auf Gallipoli unter den Schutz des Roten Kreuzes gestellt, und wir waren manchmal machtlos dagegen; denn wir scheuten uns, dieses Zeichen der Kampfunfähigkeit mit Bomben zu belegen. Achtete er aber auch unsere Flagge hier, die natürlich nicht das Rote Kreuz, sondern den roten Halbmond zeigte? Nein, gerade das Gegenteil, jedes türkische Lazarett, das er mit seinen weittragenden Geschützen und mit seinen Fliegerbomben erreichen konnte, nahm er unter Feuer. Im Lazarett in Akbasch (Expedition des Grafen Hochberg) mußten zwei Rote-Kreuzschwestern ihr Leben aushauchen, während eine andere zum Krüppel wurde und beide Beine verlor. Solches nennt der Engländer Völkerrecht und Respektierung der Roten-Kreuzflagge! Soll da den Soldaten nicht eine gerechte Wut fassen? Die Zeitung schreibt also ganz richtig, wenn sie sagt: 'Der Feind konnte nur unter dem Schutze der 'Roten-Kreuzflagge' Gallipolis Boden ohne Verluste räumen.'"

So heftet der Heldenmut und die Tapferkeit unserer Verbündeten Lorbeerreis um Lorbeerreis in den grünen Kranz des Sieges. Möchte ihnen wie uns bis zum endlichen Frieden das Schlachtenglück günstig bleiben!

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Um Vaterland und Freiheit.
Wirklichkeitsaufnahmen aus dem großen Kriege.