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Erstes Kapitel   (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen

B. Deutschlands Bemühen
um eine Verständigung mit Polen, 1933 bis 1939

VII. Der Deutsch-Polnische Notenaustausch
über das Olsa-Gebiet und das Polnische Vorgehen
gegen die dortige Deutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis März 1939)

Nr. 118
Das Auswärtige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Erlaß

Berlin, den 15. Oktober 1938

Eine Zusammenstellung von Meldungen über deutschfeindliche Vorgänge im Olsa-Gebiet ist heute dem Ersten Sekretär der Polnischen Botschaft Herrn Malhomme mit dem Bemerken übergeben worden, daß die betreffenden Nachrichten zwar noch nicht hätten nachgeprüft werden können, daß aber, wenn sie auch nur zum Teil der Wirklichkeit entsprächen, die Lage in diesem Gebiet vom deutschen Standpunkt aus als höchst unerfreulich bezeichnet werden müsse. Herr Malhomme ist gleichzeitig auf die große Erregung hingewiesen worden, die durch das gemeldete polnische Vorgehen in deutschen Kreisen weit über das Grenzgebiet hinaus hervorgerufen worden ist. Er wurde gebeten, seiner Regierung von der Zusammenstellung zwecks Veranlassung des Erforderlichen Kenntnis zu geben und versprach, noch mit dem heute abgehenden Kurier nach Warschau berichten zu wollen.

Ich bitte, auch dortseits tunlichst bald im Polnischen Außenministerium ernste Vorstellungen zu erheben und über das Veranlaßte zu berichten.73

Im Auftrag
Fürst von Bismarck




Nr. 119
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 25. Oktober 1938

Der Notenaustausch, betreffend die Behandlung der deutschen Minderheit in Teschen, ist am 18./20. d. M. vollzogen worden. In der Anlage beehre ich mich, die beiden Noten vorzulegen.

von Moltke

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Anlagen

Der Deutsche Botschafter in Warschau
an den Polnischen Minister für Auswärtige Angelegenheiten

Warschau, den 18. Oktober 1938

Herr Minister!

Im Hinblick auf die Angliederung bisher tschechischen Gebietes an den Polnischen Staat beehre ich mich auftragsgemäß, die Aufmerksamkeit Euerer Exzellenz auf einen Umstand zu lenken, dem die Deutsche Regierung in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung in Deutschland besondere Wichtigkeit beimißt.

In den genannten Gebieten ist eine erhebliche Anzahl von Angehörigen des deutschen Volkstums ansässig, die besonders dort, wo sie in größeren Gruppen zusammenwohnen, eigene soziale und kulturelle Einrichtungen unterhalten. Die Deutsche Regierung geht davon aus, daß sich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen, die sich bei der Behandlung des tschechischen Problems erneut bewährt haben, künftig auch bei der Behandlung derjenigen Deutschen als wirksam erweisen, die nunmehr Angehörige des Polnischen Staates werden. Die Deutsche Regierung erwartet deshalb, daß diese Deutschen nach den Zeiten der Bedrückung, die sie durchlebt haben, seitens der polnischen Behörden eine Behandlung erfahren, die den seinerzeit von beiden Seiten abgegebenen Minderheitenerklärungen74 entspricht, und daß sie demgemäß nicht nur ihren gegenwärtigen kulturellen Besitzstand aufrechterhalten können, sondern darüber hinaus im Rahmen des Polnischen Staates glücklichere Daseinsbedingungen finden werden, als sie ihnen bisher zuteil geworden sind.

Ebenso hält die Deutsche Regierung es für selbstverständlich, daß den deutschen Reichsangehörigen, die in den bezeichneten Gebieten wohnen, aus dem Wechsel der Staatsgewalt keinerlei Nachteile erwachsen und daß sie insbesondere in der Durchführung ihrer bisherigen Berufstätigkeit nicht beeinträchtigt werden.

Ich bin beauftragt zu erklären, daß die Deutsche Regierung ihrerseits ihr Verhalten nach den gleichen Grundsätzen gegenüber polnischen Volks- oder Staatsangehörigen regeln wird, die sich in dem Gebiet befinden, das jetzt aus tschechischer in deutsche Staatsgewalt überführt wird.

Soweit polnische Volks- oder Staatsangehörige in den jetzt Deutschland zufallenden Gebieten und soweit umgekehrt deutsche Volks- oder Staatsangehörige in den jetzt Polen zufallenden Gebieten den Wunsch haben, das Staatsgebiet zu verlassen, schlägt die Deutsche Regierung vor, die sich hieraus ergebenden Fragen alsbald durch eine besondere Vereinbarung zu regeln.

Genehmigen Sie, usw.

von Moltke

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Der Polnische Minister für Auswärtige Angelegenheiten
an den Deutschen Botschafter in Warschau
(Übersetzung)
Warschau, den 20. Oktober 1938

Herr Botschafter!

Ich beehre mich, den Empfang des Schreibens Euerer Exzellenz vom 18. Oktober 1938 zu bestätigen, in welchem Euere Exzellenz auf gewisse Zentren von Personen deutschen Volkstums aufmerksam machen, die sich in den letzthin Polen durch die Tschechoslowakei zurückgegebenen Gebieten befinden. Es handelt sich hierbei um Personen, die polnische Staatsbürger werden.

Ich möchte vor allem der Überzeugung Ausdruck verleihen, daß die Anwendung der deutsch-polnischen Minderheitenerklärung vom 5. November 193775 auf diese Minderheit wie auch auf die polnische Minderheit, welche auf Grund der letzthin durchgeführten territorialen Änderungen zum Deutschen Reich gekommen ist und die ebenfalls größere geschlossene Zentren aufweist, diesen Minderheiten nicht nur die Möglichkeit geben wird, ihren bisherigen kulturellen Besitzstand zu behaupten, sondern ihnen auch glücklichere Daseinsbedingungen verschaffen wird, als das bis jetzt der Fall war.

Auch bezüglich der Frage des Aufenthalts deutscher Staatsangehöriger in dem besagten Gebiet wird die Polnische Regierung eine wohlwollende Haltung unter der Bedingung der Gegenseitigkeit und unter der selbstverständlichen Wahrung der im polnischen Staate geltenden Gesetze einnehmen.

Ferner ist die Polnische Regierung auch bezüglich der Personen, welche die Gebiete, die sie jetzt bewohnen, verlassen wollen, überzeugt, daß sich dieses Problem für den Fall, daß es aktuell wird, günstig und ohne Nachteil für beide Staaten wird regeln lassen.

Schließlich beehre ich mich der Überzeugung Ausdruck zu geben, daß die Atmosphäre der zwischen beiden Staaten herrschenden freundschaftlichen Beziehungen zu einer Regelung der obigen Fragen beitragen wird.

Genehmigen Sie, usw.

Der Minister
In Vertretung
Szembek




Nr. 120
Der Reichsminister des Innern an das Auswärtige Amt
Berlin, den 5. November 1938

Als Rückwirkung der Entdeutschungsmaßnahmen, die mit der Besetzung des Teschener Gebiets durch polnische Truppen begonnen haben, ist ein außerordentlich starker Zustrom von Flüchtlingen festzustellen. Allein in den mir unterstehenden Flüchtlingslagern wurden bis zum heutigen Tage über 5.000 Personen gezählt. Abgesehen hiervon sind noch viele Flüchtlinge über die [118] Reichsgrenze gekommen, die sich in keinem Lager gemeldet haben. Deren Zahl dürfte ebenfalls in die Tausende gehen. Ungefähr 30 bis 40% der deutschen Bevölkerung des Teschener Landes dürfte bereits die Heimat verlassen haben.76 Trotz der von deutscher Seite angeordneten Grenzsperre kommen auch jetzt noch täglich ungefähr 120 Flüchtlinge über die Grenze, da sie im Olsagebiet dem Hunger preisgegeben sind.

Von den Flüchtlingen wird nur ein geringer Teil in die Heimat zurückkehren können, da den meisten polnischerseits der Grenzübertritt nur gegen den schriftlichen Verzicht auf die Rückkehr erlaubt worden ist.

Im Auftrag
Vollert




Nr. 121
Das Auswärtige Amt an den Deutschen Geschäftsträger in Warschau
Erlaß
Berlin, den 26. November 1938

Nach den von den verschiedensten Stellen hier eingegangenen Informationen dauert die Entdeutschung des Olsagebiets durch polnische Maßnahmen trotz des Notenwechsels mit der Polnischen Regierung über den Schutz der Minderheiten unvermindert an. Diese Maßnahmen liegen insbesondere auf folgenden Gebieten:

a. Verdrängung vom Arbeitsplatz
Den deutschen Arbeitnehmern wird in der Regel entweder von ihrem Arbeitgeber oder behördlicherseits eröffnet, daß sie mit einer Weiterbeschäftigung nur rechnen könnten, wenn sie nach drei Monaten den Nachweis der Beherrschung der polnischen Sprache erbracht hätten. In einigen Betrieben, z. B. im Eisenwerk Trzyniec, wurde den Arbeitern der Zutritt nur gegen Vorzeigung eines Ausweises einer polnischen Organisation gestattet, wenn sie auf einer Unbedenklichkeitsliste verzeichnet waren. Durch solche Bedingungen werden die Arbeitnehmer praktisch gezwungen, schon jetzt ihre Stellungen aufzugeben. In zahlreichen Fallen sind deutsche Arbeiter sogar sofort nach der Besetzung des Landes durch die polnischen Truppen entweder ohne Weiterzahlung der Löhne und Gehälter bis auf weiteres beurlaubt oder auch entlassen worden, während gleichzeitig polnischstämmige Arbeiter neu eingestellt wurden. In den Freistädter Industriewerken ist gerade in den letzten Tagen wieder zahlreichen deutschstämmigen Arbeitern zum nächstzulässigen Termin gekündigt worden. Betroffen werden vornehmlich Familienväter, die ihre Kinder nicht zur polnischen Schule angemeldet haben. In Oderberg erhielten in der vorigen Woche sämtliche Arbeiter und Angestellten der Ölraffinerie "Odra", soweit sie dem deutschen Volkstum angehören, die Kündigung zum 31. Dezember d. J., das Röhrenwalzwerk Hahn in Neu-Oderberg hat etwa 50 deutschstämmigen Angestellten und über 100 deutschen Arbeitern zum 31. Dezember 1930 gekündigt.

Neben Arbeitern und kleinen Angestellten von privaten Betrieben sind in zahlreichen Fällen auch leitende deutschstämmige Beamte, wie Ingenieure und Direktoren, entlassen oder ohne Weiterzahlung des Gehalts bis auf weiteres beurlaubt worden.

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b. Einstellung der Zahlungen an Pensionäre
Soweit frühere Arbeiter, Angestellte und Beamte bisher von den tschechischen Arbeitgebern oder ihren Verbänden oder vom Staat bzw. den Gemeinden Unterstützungen oder Pensionen erhielten, werden diese seit dem Souveränitätswechsel nicht mehr gezahlt. Die betroffenen Familien sind nunmehr völlig mittellos. Die Folge ist, daß auch in diesen Kreisen des Deutschtums eine trostlose wirtschaftliche Lage herrscht.

c. Behinderung der deutschen Betriebe durch Zwangsverwalter
Die bei der Besetzung in deutsche Betriebe eingesetzten polnischen Zwangsverwalter sind bisher nicht zurückgezogen worden. Durch diese Zwangsverwaltungen wird die Führung der Betriebe in unerträglicher Weise erschwert, der Betrieb letzten Endes sogar ruiniert.

d. Schwierigkeiten bei der Erteilung von Rückreisesichtvermerken an Reichsdeutsche in wirtschaftlichen Stellungen
Bei der Erteilung von Rückreisesichtvermerken für Reichsangehörige, die im Olsagebiet wirtschaftlich tätig sind und aus beruflichen Gründen genötigt sind, häufig Reisen in das Ausland zu unternehmen, werden seitens der zuständigen polnischen Stellen so große Schwierigkeiten gemacht, daß diesen Personen ihre Berufsausübung wesentlich erschwert, teilweise sogar unterbunden wird.

e. Schädigungen des deutschen Schulwesens
Während der Betrieb der polnischen Schulen seit Wochen in vollem Gange ist; werden der Wiedereröffnung der deutschen Schulen alle nur erdenklichen Schwierigkeiten bereitet. So sind z. B. zahlreichen deutschen Eltern schulpflichtiger Kinder schriftliche Aufforderungen des Inhalts zugegangen, daß die Leitung der am Ort befindlichen polnischen Schule sie letztmalig auffordere, ihre Kinder innerhalb von 24 Stunden nach der Zustellung dieser Aufforderung bei der polnischen Schule einzuschreiben, andernfalls sie bestraft oder ausgewiesen werden würden.

Wenn trotz dieser Drohungen die deutschen Eltern ihre Kinder zu einer deutschen Schule anmelden, so werden wiederum bei dieser Anmeldung die größten Schwierigkeiten in Form von Prüfungen gemacht, durch die die Zugehörigkeit zum Deutschtum in Zweifel gezogen werden soll. So geht z. B der Kommissar für das deutsche Schulwesen in Neu-Oderberg in der Weise vor, daß er zunächst einmal die angemeldeten Schüler polnisch anspricht. Antworten sie ihm polnisch, so lehnt er die Einschreibung entweder von vornherein ab oder fragt sie noch nach bekannten Persönlichkeiten der polnischen Geschichte. Zeigt sich das angemeldete Kind darüber einigermaßen unterrichtet, so wird es ohne weiteres an die polnische Schule verwiesen. Kommen trotz aller dieser Versuche einige Einschreibungen zustande, so werden die Verhandlungen mit den noch nicht abgefertigten Eltern plötzlich auf den nächsten Tag verschoben, in der Erwartung, daß sich Kinder und Eltern doch noch für die polnische Schule entscheiden werden. Der polnische Direktor des deutschen Gymnasiums in Neu-Oderberg hat zahlreiche Anmeldungen von einwandfreien Volksdeutschen lediglich mit der Begründung zurückgewiesen, daß die angemeldeten Kinder polnische Namen führten. Die Einschreibungen deutscher Kinder in die deutsche Schule in Teschen wurde von dem polnischen Lehrer Cachl aus Kattowitz dadurch sabotiert, daß er zu den Verhandlungen mit den deutschen Eltern Polizeibeamte hinzuzog, die auf die Eltern mit Gummiknüppeln ein- [120] schlugen, wenn sie auf der Einschreibung für die deutsche Schule bestanden. In zahlreichen Fällen haben solche Eltern dem gewaltsamen Druck nachgegeben. Ein weiteres Mittel, das deutsche Schulwesen zu schädigen, ist die Festsetzung wesentlich höherer Schulgelder bei deutschen Schulen im Vergleich zu den polnischen.

Der Erfolg aller dieser Maßnahmen ist ein katastrophaler Rückgang des gesamten deutschen Schulwesens. Während vor der Besetzung Teschens durch die Polen dort 4 hochorganisierte öffentliche und 1 private Volksschule, 2 öffentliche und 1 private Bürgerschule, 1 Gymnasium, 1 Realschule, 1 Handelsschule, 1 staatliche Lehrerbildungsanstalt und eine private Lehrerinnenbildungsanstalt vorhanden waren, existiert zur Zeit nur noch eine einzige, noch dazu einklassige deutsche Volksschule. Von den früheren 680 bis 700 Schülern des Gymnasiums in Neu-Oderberg sind lediglich 150 wieder eingeschrieben worden. Die deutsche Bürgerschule in Neu-Oderberg, die von mehr als 400 Schülern besucht wurde, ist noch gänzlich geschlossen.

Insgesamt sollen bisher etwa nur ein Zehntel der deutschen Kinder, die bisher deutsche Schulen besucht haben, wieder zu deutschen Schulen angemeldet worden sein.

Naturgemäß muß dieser starke Rückgang der Schülerzahl zahlreiche Entlassungen deutscher Lehrer zur Folge halben, die inzwischen auch zum größten Teil abgewandert sind.

Ich bitte, die vorstehend gekennzeichnete unerträgliche Lage des Deutschtums im Teschener Gebiet im Polnischen Außenministerium eingehend darzulegen und unter Berufung auf den Notenwechsel vom 18./20. Oktober 1938 mit allem Nachdruck zu fordern, daß die Polnische Regierung nunmehr dort endlich einen den gegebenen Zusicherungen entsprechenden Zustand herstellt.

Im Auftrag
Woermann




Nr. 122
Der Deutsche Geschäftsträger in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 6. Dezember 1938

Wegen der Entdeutschungsmaßnahmen im Olsa-Gebiet habe ich weisungsgemäß sehr ernste und nachdrückliche Vorstellungen im Polnischen Außenministerium erhoben,77 wobei ich die unerträgliche Lage des Deutschtums mündlich eingehend dargelegt und auch ein Aide-Mémoire, in dem unsere Beschwerdepunkte vorgebracht werden, übergeben habe.

Der Stellvertretende Leiter der Westabteilung Herr Kunicki, mit dem ich die Unterhaltung führte, erklärte, daß er über die Einzelheiten der polnischen Maßnahmen im Olsa-Gebiet nicht unterrichtet sei, daß er aber sofort Nachforschungen anstellen und sich der Angelegenheit mit besonderem Interesse annehmen wolle. Er sagte zu, sobald als möglich eine Antwort zu erteilen.

von Wühlisch



[121]
Nr. 123
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 20. Dezember 1938

Auf die von der Botschaft erhobenen Vorstellungen wegen der Entdeutschungsmaßnahmen im Olsa-Gebiet hat der Stellvertretende Leiter der Westabteilung Herr Kunicki heute eine vorläufige Antwort erteilt.

Bei dieser Gelegenheit übergab er auch eine Notiz, die sich jedoch meritorisch mit unserer Beschwerde nur befaßt, soweit sie sich auf die Lage der Reichsdeutschen bezieht. Da das Polnische Außenministerium auf dem grundsätzlichen Standpunkt steht, daß Reklamationen für Minderheitsangehörige unter Vermeidung des diplomatischen Weges unmittelbar von den Minderheitsorganen bei den polnischen Behörden vorgebracht werden sollen, hat es sich wegen der verschiedenen von uns vorgebrachten Beschwerdepunkte bezüglich der Minderheitsangehörigen auf eine mündliche Antwort beschränkt.

Bezüglich der Verdrängung vom Arbeitsplatze führte Herr Kunicki aus, daß den polnischen Behörden keine genauen Zahlen über die Arbeiterentlassungen vorlägen, daß wegen der Umstellung der Wirtschaft auf die polnischen Verhältnisse in der Tat Entlassungen hätten stattfinden müssen, daß diese aber gleichmäßig polnische und deutsche Arbeiter beträfen.

Die Frage der Auszahlung der Pensionen sei inzwischen zum Teil bereinigt worden. Mit einer völligen Erledigung dieser Angelegenheit sei in kurzer Zeit zu rechnen.

Die in die deutschen Betriebe eingesetzten Zwangsverwalter seien zum Teil bereits zurückgezogen worden. Herr Kunicki bat, ihm konkrete Fälle zu diesem Thema zu benennen.

Bezüglich der Schädigungen des deutschen Schulwesens erklärte Herr Kunicki, daß im Olsa-Gebiet inzwischen über 1.000 Kinder zum Besuch der deutschen Schulen eingetragen worden seien. Er entnehme diese Zahl einem Bericht, der aus den ersten Tagen des Dezembers stamme. Auf Grund der erfolgten Eintragungen sollten nunmehr folgende deutsche Schulen eröffnet werden:

    in Oderberg ein Gymnasium, eine Bürgerschule und eine Volksschule,

    in Teschen eine Bürgerschule, eine Volksschule und eine Mädchenschule.

Ferner würden an der polnischen Schule in Pudlow deutsche Klassen eingerichtet werden. In Karwin und Freistadt sei die Zahl der deutschen Kinder zu gering, so daß auf Grund der bestehenden Vorschriften deutsche Schulen an diesen Orten nicht eröffnet werden könnten.

Herr Kunicki erklärte abschließend, daß die Zentralbehörden auf dem Standpunkt ständen, daß auch in dem Olsa-Gebiet die deutsch-polnische Minderheitenerklärung unbedingt anzuwenden sei und daß die örtlichen Behörden entsprechende Weisungen erhalten hätten. Er müsse zugeben, daß in der ersten Zeit nach der Machtübernahme durch die Polen in diesem Gebiet Maßnahmen getroffen worden seien, wie sie bei einem normalen Funktionieren des Verwaltungsapparates nicht vorgekommen wären. Er gab der bestimmten Zuversicht Ausdruck, daß in absehbarer Zeit auch im Olsa-Gebiet die Verhältnisse in ein ruhigeres Geleise kommen würden.

von Moltke



[122]
Nr. 124
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswärtige Amt
Bericht
Teschen, den 4. Januar 1939

Nach einer vertraulichen Mitteilung des Direktors Olszak liegt bereits eine nachdrückliche Weisung des Woiwoden vor, alle nichtpolnischen Arbeiter und Angestellten ohne Rücksicht auf irgendwelche für die Werke nachteilige Folgen zu entlassen.

von der Damerau




Nr. 125
Das Auswärtige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Erlaß
Berlin, den 1. Februar 1939

Entgegen den Erklärungen des Stellvertretenden Leiters der Westabteilung im Polnischen Außenministerium78 haben bisher die Entdeutschungsmaßnahmen im Olsa-Gebiet nicht aufgehört, vielmehr wird nach den hier vorliegenden Informationen weiter mit allen Mitteln versucht, die dortige deutsche Volksgruppe zu verdrängen.

Im einzelnen ist in Ergänzung des Erlasses vom 26. November 193879 folgendes zu bemerken:

a. Verdrängung vom Arbeitsplatz
Die Entlassung volksdeutscher und auch reichsdeutscher Arbeitskräfte wird in jüngster Zeit in verschärftem Maße betrieben. Wie aus den dort vorliegenden Berichten des Konsulats Teschen hervorgeht, sind beim Trzyniecer Eisenwerk der Berg- und Hüttengewerkschaft und bei den unter polnischer Leitung stehenden Graf Larisch-Mönnich'schen Betrieben in Karwin und Petrowitz um die Jahreswende wieder zahlreiche Entlassungen von Deutschen erfolgt.

b. Einstellung der Zahlungen an Pensionäre
Außer der Frage der Weiterzahlung der bisher von tschechischer Seite (Staat, Gemeinde usw.) gezahlten Pensionen an volksdeutsche Beamte, Angestellte, Lehrer, Witwen u. dgl. im Olsa-Gebiet bedarf auch die Frage der weiteren Versorgung volksdeutscher Kriegsbeschädigter, Kriegshinterbliebener und ehemaliger Berufsmilitärpersonen sowie ihrer Hinterbliebenen in dem polnisch gewordenen tschechoslowakischen Gebiet einer grundsätzlichen Regelung. Die Versorgung dieser Personengruppen der ehemaligen österreichisch-ungarischen Wehrmacht obliegt Polen als Nachfolgestaat zweifellos auch dann, wenn diese inzwischen durch einseitige polnische Regelung staatenlos geworden sind.

c. Schädigungen des deutschen Schulwesens
Die von Herrn Kunicki insoweit angegebenen Zahlen sind der beste Beweis für die Berechtigung unserer Beschwerde. Nach seinen Ausführungen sind gegenwärtig in sechs deutschen Schulen des Olsa-Gebietes 1.000 Schüler angemeldet, während früher dreizehn Anstalten von über 3.000 deutschen Kindern besucht wurden.

[123] Bezüglich der deutschen Schulen in Freistadt und Karwin, die nach Angabe des Herrn Kunicki nicht wieder eröffnet worden sind, weil zu wenig deutsche Kinder vorhanden gewesen seien, liegen hier Meldungen vor, nach denen zahlreiche Eltern ihre Kinder zum Schulbesuch anmelden wollten, aber abgewiesen worden sind. Auch in Karwin und Peterswald wurden Gründungsversammlungen der deutschen Schulvereine im letzten Augenblick verboten.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, daß auch die deutschen Büchereien im Olsa-Gebiet bisher nicht wieder eröffnet werden durften.

d. Ausweisungen (Evakuierungen) aus der Grenzzone
Nachdem bereits in den Monaten Oktober, November und Dezember 1938 fortgesetzt Volksdeutsche in beträchtlicher Zahl veranlaßt worden sind, das Olsa-Gebiet zu verlassen, sind nach den Feststellungen der innerdeutschen Stellen Anfang Januar weitere 250 volksdeutsche Familien aus dem dortigen Gebiet ausgewiesen worden. Die Gründe für diese Ausweisungen sind bisher nicht bekanntgeworden.

Bei dieser Sachlage bitte ich, abermals im dortigen Außenministerium gegen die systematische Entdeutschung des Olsa-Gebietes nachdrücklichste Vorstellungen zu erheben.

Falls die Polnische Regierung unseren berechtigten Wünschen in bezug auf die gleichartige Behandlung der Deutschen im Olsa-Gebiet auch in Zukunft nicht Rechnung tragen sollte, würden wir genötigt sein, unsere Einstellung gegenüber den Angehörigen polnischen Volkstums im Troppauer Schlesien grundsätzlich zu revidieren. Ich stelle anheim, dies der Polnischen Regierung gegenüber schon jetzt anzudeuten.

Im Auftrag
Woermann




Nr. 126
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswärtige Amt
Bericht
Teschen, den 21. März 1939

Aus fast allen Plätzen des Olsa-Gebietes treffen laufend Nachrichten immer neuer Entlassungen von Volksdeutschen und ehemaligen Tschechen ein.

Am 19. März 1939 sprach der polnische Direktor Olszak beim Grafen Larisch-Mönnich vor und verlangte dessen Unterschrift unter die Aussperrungserklärung einer größeren Zahl Volksdeutscher und ehemaliger tschechischer Arbeitnehmer der Larisch-Betriebe. Graf Larisch hat die Vollziehung der Unterschrift verweigert, worauf Direktor Olszak erklärte, er werde eine entsprechende schriftliche Verfügung des Woiwoden Grasżyński beibringen, um den Grafen zur Unterschrift zu zwingen. Olszak hat sich heute nach Kattowitz begeben. Auch aus Trzyniec werden neue Entlassungen gemeldet.

Es ergibt sich der Eindruck einer groß angelegten Massenaktion gegen die gesamte hier noch ansässige deutsche und ehemalig tschechische Arbeiter- und Angestelltenschaft, vornehmlich der Großbetriebe.

von der Damerau



[124]
Nr. 127
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswärtige Amt
Bericht
Teschen, den 13. Mai 1939

Die polnischerseits aufgestellte Behauptung, daß bereits vor und während der Okkupation die meisten nichtpolnischen Arbeiter und Angestellten den Arbeitsplatz freiwillig verlassen hätten, trifft nur bedingt zu. Zweifellos sind einige Arbeitnehmer während der außerordentlich gespannten Wochen September-Oktober 1938 auf Grund damaligen tschechischen Terrors nach Deutschland geflüchtet. Die Zahl dieser Flüchtlinge ist nachträglich nicht zu ermitteln, doch dürfte sie nur einen geringen Prozentsatz der Abwanderung ausmachen. Wenn dann auch noch einige Arbeiter nach der Besetzung durch die Polen nach Deutschland geflohen sind, so nur deshalb, weil sie infolge des damals einsetzenden polnischen Terrors, der den ehemals tschechischen erheblich in den Schatten stellte, ihres Arbeitsplatzes in keiner Weise mehr sicher waren. Es ist jedoch erwiesen, daß der bei weitem größte Teil der Beamten, Angestellten und Arbeiter ohne jede Rücksicht auf Dienstjahre, Lebensalter, Verdienste und weitere Verwendbarkeit sofort nach der Besetzung von den Polen grundlos aus Arbeit und Brot verjagt worden ist.

von der Damerau




73In Verfolg der daraufhin im Polnischen Außenministerium eingeleiteten Besprechungen wurde vereinbart, durch einen Notenwechsel die Anwendung der Minderheitenerklärung vom 5. November 1937 (vgl. Nr. 101) auf die deutsche Minderheit im Olsagebiet bzw. auf die polnische Minderheit im Sudetengebiet auszudehnen (vgl. Nr. 119). ...zurück...

74Vgl. Nr. 101. ...zurück...

75Vgl. Nr. 101. ...zurück...

76Dieser Hundertsatz hat sich, einer weiteren Mitteilung des Reichministers des Innern zufolge, im Laufe der folgenden Wochen noch wesentlich erhöht. ...zurück...

77Auch dem Polnischen Außenminister gegenüber hat der Deutsche Botschafter diese Fragen in ernster Form zur Sprache gebracht. (Vgl. Nr. 199.) ...zurück...

78Vgl. Nr. 123. ...zurück...

79Vgl Nr. 121. ...zurück...


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