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der deutschen Kolonien
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Gewalt vor Recht - geraubt und aufgeteilt
(Teil 3)

 

Deutscher Wiederaufbau in Kamerun
Wilhelm Kemner,
Vorsitzender der Vereinigung Kameruner Pflanzungen

Zu Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts haben in rein vaterländischem Interesse wagemutige deutsche Männer aus dem Rheinland, [327] den Hansestädten und Süddeutschland zum Aufbau einer deutschen Kolonialwirtschaft in Kamerun beträchtliche Kapitalien hergegeben. Das war eine nationale Tat! Niemand wußte, ob Kamerun sich für tropische Kulturen eignen würde. Sichere Kapitalsanlagen in tropischer Bodenwirtschaft mit glänzendem Erfolg waren dagegen in fremden Kolonien ohne weiteres möglich. Dieses Beispiel hat dann größere Nachahmung in unserem Vaterlande gefunden. So entstanden, mit dem Spargroschen des kleinen Mannes, dem Vermögen des Begüterten und der Beteiligung der Großkapitalisten geschaffen, die deutschen Plantagen um den Kamerunberg.

Als diese vorbildlich angelegten und den größten Pflanzungsbetrieben in der Welt in nichts nachstehenden Unternehmungen anfingen, ansehnliche Gewinne abzuwerfen, brach der Weltkrieg aus. Nach heldenmütigem, aussichtslosem Widerstand - 235 Deutsche mit 3300 farbigen Soldaten fochten gegen 28 000 Mann Feindtruppen - mußte die Kameruner Schutztruppe Anfang 1916 wegen Munitionsmangel auf spanisches Gebiet übertreten. Uns folgten 100 Häuptlinge mit 40 000 Kameruner Eingeborenen, die zum Zeichen ihrer Treue und Anhänglichkeit an Deutschland unser Schicksal freiwillig teilen wollten. Darauf wurde Kamerun von den Franzosen und Engländern in Besitz genommen und aufgeteilt. Die Franzosen erhielten den größten Teil mit der Hauptstadt Duala und den beiden Eisenbahnen. Die Engländer haben zwar den kleineren Teil bekommen, aber sie waren sich wohl keinen Augenblick darüber im Zweifel, daß er wirtschaftlich von außerordentlich großer Bedeutung ist. Befinden sich in ihm doch die in der Vereinigung Kameruner Pflanzungen zusammengeschlossenen deutschen Plantagen.

Als im Jahre 1918 der Weltkrieg mit dem Waffenstillstand für Deutschland ein so trauriges Ende nahm und zur Besetzung der Rheinlande führte, versuchten englische Unterhändler - es waren höhere englische Offiziere, die in Kamerun gefochten hatten - im Auftrage der bekannten englischen Seifenfabrik Sunlight Comp. der Lever Brothers, mit den deutschen Plantagen in Verbindung zu treten. Diese Weltfirma trug sich mit dem Gedanken, in Westafrika große Ölpalmenkulturen zu erwerben, deren Rohprodukte sie für die Herstellung ihrer Seifen in großen Mengen benötigt. Zu einer Veräußerung unserer in Feindeshand befindlichen Unternehmungen war aber das Einverständnis des damaligen Premierministers Lloyd George erforderlich, das die Sunlight Comp. erwirken wollte. Schon nach kurzer Zeit traf die Antwort Lloyd Georges ein, die dahin lautete, daß es unstatthaft sei, Engländern allein den Erwerb dieser wertvollen deutschen Pflanzungen zu ermöglichen. Vielmehr müßten auch die übrigen Mitglieder der Entente Gelegenheit haben, sich um den Kauf mitbewerben zu können. Dabei blieb es vorläufig.

Es kam dann zum Diktat von Versailles, in dem wir auch unser gesamtes Privateigentum in Kamerun verloren und hierfür auf [328] eine Entschädigung durch das Deutsche Reich angewiesen wurden. Diese ist dann, wie allgemein bekannt, außerordentlich spärlich und in entwertetem Geld erfolgt.

Im Jahre 1922 versuchte man von Lagos aus, der Hauptstadt der englischen Kolonie Nigeria, die erste "Versteigerung" der deutschen Kameruner Pflanzungen, von der Deutsche auf Grund des Versailler Diktates ausgeschlossen waren. Ein in diesem kritischen Moment einsetzender vulkanischer Ausbruch des Kamerunbergs, der in der ausländischen Presse sensationell aufgebauscht worden war, schreckte Kauflustige stark ab. Die Versteigerung verlief tatsächlich auch fast ergebnislos. Nur eine einzige, wenn auch eine der besten Pflanzungen, wurde veräußert und gelangte in englischen Besitz.

Anfang 1923 kündigte der englische Generalverwalter der ehemals deutschen Pflanzungen aus London seinen Besuch in Berlin an. Bei der Gelegenheit redete dieser Herr einer Zusammenfassung der gesamten deutschen Unternehmungen in einer deutsch-englischen Gesellschaft sehr eifrig das Wort. Es wurde ihm aber erklärt, daß er keinen Deutschen finden würde, der auf ein derartiges Anerbieten einginge, solange wir auf Grund des Versailler Diktates außerstande seien, unser ehemaliges Eigentum direkt oder indirekt selbst zurückzuerwerben und die Entente ihren Vorbehalt nicht aufgebe, auch neu erworbenen deutschen Privatbesitz je nach Belieben wieder zu annektieren. Der Engländer entgegnete darauf, daß seine Regierung auf das Recht, deutschen Privatbesitz weiterhin zu annektieren, verzichten werde, was kurz darauf auch der Fall gewesen ist. Ferner habe er sich bei dem Generalgouverneur in Lagos sehr energisch für den Rückerwerb deutscher Pflanzungen durch ihre früheren Besitzer eingesetzt. Der Generalgouverneur soll darauf geantwortet haben: "Sind Sie Deutscher oder sind Sie Engländer?", worauf er dem Gouverneur erwiderte: "Gerade, weil ich Engländer bin, trete ich hierfür ein und betrachte es als meines Vaterlandes nicht würdig, sich an fremdem Privateigentum vergriffen zu haben!" Tatsache ist jedenfalls, daß die englische Regierung, und zwar unter ihrem Premierminister Macdonald, eine neue Versteigerung der deutschen Plantagen am Kamerunberg für das Jahr 1924 ansetzte, dieses Mal unter dem stillschweigenden Einverständnis, Deutschen den Rückerwerb ihres Eigentums nicht mehr zu verwehren.

Nun war der Augenblick für die in der Kameruner Pflanzervereinigung zusammengeschlossenen Besitzer dieser Plantagen gekommen, sich um den Rückkauf ihres wertvollen Besitzes zu bemühen. Hierbei hat uns der Leiter der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, Herr Gouverneur Brückner, wertvolle Unterstützung zuteil werden lassen. Wir erhielten a conto der zu erwartenden Reichsentschädigung ein Reichsdarlehen, mit dem wir dann in der Versteigerung in London die Pflanzungen zurückgekauft haben.

Die Vorarbeiten hierzu und die Versteigerung selbst nahmen einen äußerst dramatischen Verlauf. Die englische Presse versuchte in scharfen Angriffen, wobei alle möglichen Mordgeschichten wieder aufgewärmt wurden, die die Deutschen in den Kolonien begangen haben sollten, den Rückerwerb der Pflanzungen durch [329] uns zu verhindern. Die Liverpooler Handelskammer richtete eine offizielle Eingabe an den damaligen Premierminister Baldwin, in der sie ihn ersuchte, mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß ein Land, in dem englisches Blut geflossen sei, nie wieder an Deutsche zurückgegeben werden dürfe. - So war sehr scharf gegen die Deutschen gehetzt worden. Da kamen uns zwei Ereignisse unerwartet zu Hilfe. Das war einmal ein Skandalprozeß wegen einer Liebesangelegenheit zwischen einer Engländerin und einem indischen Maharadscha, für die sich die öffentliche Meinung in London weit mehr zu interessieren begann als für die Versteigerung der deutschen Pflanzungen, dann aber vor allem die Ermordung des Sirdars von Ägypten.

Die englische Regierung hat zweifellos von unserer Absicht, die Pflanzungen zurückzuerwerben, gewußt und sich jedenfalls loyal verhalten. Die Versteigerung selbst verlief in höchster Spannung. Ein Polizeiaufgebot war abkommandiert, um uns vor Angriffen zu schützen. Persönlich konnten wir in der Versteigerung nicht mitbieten. Das ist in England nicht üblich. Wir hatten daher einen englischen Strohmann gefunden, der den Kauf in geschickter Weise durchführte. Er saß in der Versteigerung unmittelbar vor uns. Es war ein bestimmtes Morsesystem mit ihm vereinbart, das durch Stöße mit einem Bleistift in seinen Rücken übertragen wurde, so daß er genau wußte, wie hoch er jedesmal ein Gebot überbieten durfte. Auf diese Weise gelang es, den ganzen deutschen Pflanzungsbesitz am Kamerunberg zurückzuerwerben. Am anderen Tage waren die Londoner Zeitungen voller begeisterter Artikel, in denen unser Gewährsmann als Held des Tages gefeiert wurde. Alle Zeitungen brachten sein Bild. In einem Journal hieß es unter der Überschrift "The King of Cameroons", dieser Mann hätte verhindert, daß ein "afrikanisches Königreich" in die Hände der Deutschen zurückgefallen sei. Um zu vermeiden, in der damals politisch sehr erhitzten Zeit unnötig neue Reibungsflächen zu verursachen, wurde auch die deutsche Presse über den wahren Sachverhalt nicht unterrichtet. Sie übernahm die hierüber in den englischen Zeitungen verbreiteten Nachrichten, während die früheren Eigentümer bereits die neuen Urkunden ausgehändigt erhielten, in denen ihnen von der englischen Regierung ihre Pflanzungen als deutscher Privatbesitz garantiert wurden.

So hat sich diese Tatsache unter dem völligen Ausschluß der deutschen Öffentlichkeit vollzogen. Damit waren aber zum ersten Male große Gebietsteile unseres Vaterlandes in Übersee, die wir durch das Versailler Diktat verloren hatten, als unbestrittenes Eigentum, wenn auch unter englischer Mandatsverwaltung, wieder in deutschen Privatbesitz zurückgelangt. Hierbei bleibt jedoch die traurige Tatsache bestehen, daß Deutsche, um sich einen Rest deutscher Kolonialwirtschaft zu erhalten, gezwungen waren, ihr mit Hilfe der Kolonialschuldlüge geraubtes Privateigentum zurückkaufen zu müssen! So machtlos und niedergeworfen war damals unser einst so stolzes deutsches Vaterland!

Schon im März 1925 konnten die deutschen Besitzer den Wiederaufbau ihrer Unternehmungen beginnen, die einen Wert von mindestens 150 Millionen Mark [330] hatten. Der Aufbau war natürlich sehr schwierig. In mühevoller Arbeit mußten die deutschen Pflanzer die während der zehnjährigen englischen Zwangsverwaltung zum Teil stark vernachlässigten Kulturen wieder auf ihren Vorkriegszustand zurückzubringen suchen. Seit zehn Jahren entbehrten diese der früheren gründlichen Pflege. Tausende von Hektaren waren daher verbuscht und mußten freigeschlagen werden, um den darin zu ersticken drohenden Kakaobäumen, Ölpalmen und Heveen Licht und Luft zuzuführen.

Schwer hatten auch die Schädlinge in den Kulturen gehaust. Als weitere Folge waren sowohl Quantität als auch Qualität der Kameruner Plantagenprodukte während der Zwangsverwaltung von Jahr zu Jahr zurückgegangen und bedeutend im Werte gesunken. Die Aufbereitungsanlagen der verschiedenen Produkte hatten die Engländer nur notdürftig instand gehalten. Die während des Bombardements der Kameruner Küste in den ersten Kriegsmonaten zusammengeschossenen Gebäude standen 1925 noch als malerische Ruinen, von Farnkräutern und meterhohem Gestrüpp wild überwuchert.

Das alles mußte erst einmal beseitigt, wieder aufgebaut und notdürftig in betriebsfähigen Zustand versetzt werden. Die hierzu vorhandenen Geldmittel waren sehr knapp. Der Wiederaufbau konnte überhaupt nur gelingen, wenn es möglich war, in kürzester Frist die noch vorhandenen Kulturen abzuernten, ihre Produkte aufzubereiten und auf die europäischen Märkte zu bringen.

Neben allen diesen sorgenvollen Arbeiten blieb die Qualitätsverbesserung sämtlicher Produkte eine der wichtigsten Aufgaben. Bei Kautschuk, Palmöl und Palmkernen gelang dies verhältnismäßig schnell. Große, zum Teil völlig neue Fabrikanlagen sind zu diesem Zwecke entstanden. Kameruner Plantagenkautschuk z. B. gilt heute für ebenso wertvoll wie die besten ostasiatischen Marken. Schwieriger lagen jedoch die Verhältnisse bei Kakao. Trotzdem ist auch bei diesem Produkt in kurzer Zeit schon sehr viel erreicht worden.

Heller Jubel herrschte bei den Eingeborenen, als die Deutschen nach Kamerun zurückkehrten. In großen Scharen strömten sie aus allen Teilen des Landes zusammen, um Arbeit zu nehmen, darunter auch die Söhne der beiden mächtigsten Häuptlinge aus dem Kameruner Hinterlande, Joja von Bamum und Fonjonge aus Bali, die auf den ausdrücklichen Wunsch ihrer Väter nach deutscher Arbeitsmethode erzogen werden sollen.

Mit unendlicher Mühe war dies alles glücklich erreicht, als im Jahre 1928 die Marktpreise für die von uns erzeugten Produkte abzubröckeln begannen. So kündigte sich auch bei uns die dann einsetzende Weltwirtschaftskrise an, die selbst vor den Negerdörfern in Afrika nicht haltmachte. Ähnliches haben wir in Kamerun seit dem Bestehen unserer Unternehmungen jedenfalls noch nicht erlebt. Die Marktpreise unserer Produkte sind inzwischen so tief gesunken, daß sie hart an die Selbstkosten heranreichen, teilweise sogar schon darunter liegen. In den Jahren von 1927 - 1934 fielen die Preise für 1 Kilogramm Kautschuk von 3,70 auf 0,70 Mark, für 50 Kilogramm Kakao von 74 auf 15,50 Mark, für 1 Tonne [331] Palmöl von 680 auf 190 Mark, für eine Tonne Palmkerne von 360 auf 98 Mark. Dazu kommen infolge von Überproduktion in allen tropischen Kulturen und stark verminderter Nachfrage aus allen Erdteilen Absatzschwierigkeiten. Damit sind wieder schwere Sorgen um die Zukunft des deutschen Besitzes in Kamerun heraufgezogen. In einzelnen Fällen ist es
Aus deutschen Bananenpflanzungen in Kamerun quillt reicher Segen.
bereits zu schwierigen Situationen gekommen, deren Lösung ohne Opfer nicht zu ermöglichen war. Durch scharfe Sparmaßnahmen und das gleichzeitige Bestreben, die vorhandenen Kulturen zu verjüngen und zu erweitern oder neue kurzfristige, wie Bananen, aufzunehmen, hoffen wir, die drohende Gefahr glücklich zu bannen. Eine Herabsetzung fast aller Unkosten ist besonders bei den großen Pflanzungen erreicht, und es bleibt zu erwarten, daß mit Hilfe der großen starken Unternehmungen auch die weniger widerstandsfähigen durchgehalten werden können. Voraussetzung hierbei ist natürlich, daß uns die allgemeine Weltwirtschaftslage nicht völlig im Stich läßt und auch einmal wieder bessere Zeiten kommen werden.

Unsere Plantagen waren und sind die Hochschule für den deutschen afrikanischen Siedler, die letzten Stätten, von denen aus deutsche Wissenschaft noch eine Möglichkeit hat, auf deutschem Grund und Boden tropische Studien zu betreiben. Sie sind einige der wenigen Deutschland verbliebenen Keimzellen, aus denen sich ein neues großes Bezugsgebiet für tropische Rohstoffe und Kolonialprodukte entwickeln läßt. Sie halten unserer deutschen Industrie und dem deutschen Handel die Wege offen für künftigen großen Absatz nach Westafrika. Dieser Absatz fällt heute leider fast ausnahmslos den Kolonialvölkern dieser Erde zu, die daraus Arbeit und Brot gewinnen für viele ihrer Volksgenossen. So sind die deutschen Plantagen um den Großen Kamerunberg die letzten Stützpunkte für eine kommende deutsche koloniale Betätigung in Westafrika geworden.

Palmölpresse der Pflanzungsgesellschaft Viktoria in
Kamerun.
[396]      Palmölpresse der Pflanzungsgesellschaft Viktoria in Kamerun.

Deutsches Elektrizitätswerk mitten im Urwald von Kamerun. [431]      Deutsches Elektrizitätswerk mitten im Urwald von Kamerun.

Fahrbare Pumpenanlagen bewässern in Kamerun die
Bananenfelder. [251]      Fahrbare Pumpenanlagen bewässern in Kamerun die Bananenfelder.

In Bonaberri am Kamerunfluß wird die Bananenernte verladen
und verschifft. [251]      In Bonaberri am Kamerunfluß
wird die Bananenernte verladen und verschifft.


Bananenverladung in Tiko, Kamerun. [288]      Bananenverladung in Tiko, Kamerun.
Die der Vereinigung Kameruner Pflanzungen angeschlossenen 15 Unternehmungen besitzen an Grund und Boden rund 120 000 Hektar (480 000 preußische Morgen), also ein Gebiet so groß wie das Land Lippe oder das Saargebiet. Davon stehen zur Zeit etwa 30 000 Hektar unter Kultur. In normalen Zeiten werden etwa 225 Europäer und 15 000 eingeborene Arbeiter beschäftigt.

Nachdem es gelungen war, diese Pflanzungen 1924 in London zurückzuerwerben, kam damit von unserer ehemaligen Kolonie Kamerun ein Bezirk etwa so groß wie die Mark Brandenburg wieder unter unmittelbaren deutschen Wirtschaftseinfluß. Damit ist das Land mit eingerechnet, das von unseren Unternehmungen umschlossen wird. Die Pflanzungen, deren Wiederaufbau im Jahre 1925 begonnen wurde, verfügen heute über modernste Fabrikanlagen zur Aufbereitung ihrer Produkte, wie Palmölwerke, Heißlufttrocknung für Kakao, elektrisch betriebene Werkstätten und Kraftzentralen mit ausgedehnter Hochspannungsleitung. Ein Eisenbahnnetz von etwa 300 Kilometern mit vielen Brücken und anderen Kunstbauten durchzieht die Pflanzungen. Große Mengen rollenden Materials, darunter zahlreiche Lokomotiven, dienen dem Personen- und Güter- [332] verkehr. Außerdem wird das Land durch eine Reihe vorzüglich gepflegter Autostraßen erschlossen, für die bedeutende Autoparks von Personen- und Lastwagen zur Verfügung stehen. Hafenanlagen mit Hochsee- sowie Flußbarkassen und entsprechendem Leichtermaterial stellen die Verbindung mit den Ozeandampfern her. Sechs eigene Bananenschiffe mit einem Fassungsgehalt von je 40 000 bis 70 000 Bündeln Bananen, zu denen demnächst ein siebentes hinzukommen wird, das wieder einer deutschen Werft in Auftrag gegeben worden ist, sind für den unmittelbaren Dienst mit der Heimat vorhanden. Dazu kommen die fahrplanmäßig mehrere Male monatlich verkehrenden Personen- und Frachtdampfer der Deutschen Afrika-Linien. Die bei unseren Unternehmungen in Betrieb befindlichen Maschinen, Fahrzeuge und Aufbereitungsanlagen sind fast ausnahmslos deutsche Erzeugnisse.

Schon heute versorgen die Kamerunpflanzungen den deutschen Markt mit etwa 2000 Tonnen Palmöl, 1700 Tonnen Palmkernen, 2500 Tonnen Kakao, 1000 Tonnen Gummi.

Ferner wurden im Jahre 1935 40 000 Tonnen Bananen, d. h. etwa 2 500 000 Bündel, zur Verschiffung gebracht. Diese in Kamerun noch sehr junge Kultur verspricht ebenfalls eine große Zukunft, so daß mit einer weiteren Steigerung der Verschiffungszahlen gerechnet werden darf. Der Gegenwert aller Produkte und Rohstoffe, die zur Zeit aus deutschen Pflanzungen in Kamerun gewonnen und sich nach Deutschland verschiffen lassen, beträgt bei normalen Preisen etwa 15 Millionen Reichsmark jährlich.

Diese Produkte könnten in deutscher Währung ohne Beanspruchung fremder Devisen eingeführt werden. Ihre Steigerung um ein Vielfaches bleibt ohne jede Schwierigkeit möglich. Sie ist abhängig von dem Interesse, das die deutsche Heimat an der Einfuhr eigener deutscher Kolonialprodukte hat.

Ein großer Teil des für unsere Erzeugnisse erzielten Gegenwertes geht in Form von deutschen Waren nach Kamerun zurück. Sie werden durch deutsche Handelsunternehmungen, die den Pflanzungen angegliedert sind, an Europäer und Eingeborene zur Bedarfsdeckung weiterverkauft.

Die Vereinigung Kameruner Pflanzungen ist das letzte Fähnlein einer einst stolzen und hoffnungsvollen deutschen Kolonialmacht an der Westküste Afrikas. Möchte es Träger einer noch glanzvolleren deutsch-kolonialen Zukunft werden!

Hier wird Gummi gewonnen. Pflanzungsgesellschaft Viktoria in
Kamerun.
[395]      Hier wird Gummi gewonnen.
Pflanzungsgesellschaft Viktoria in Kamerun.


Ein Fabrikhof mitten im Urwald in Kamerun. [144]      Ein Fabrikhof mitten im Urwald in Kamerun.
Die Fruchternte wird auf Gleisen herangebracht, das gewonnene Öl in Fässer gefüllt und verfrachtet. Links eine Motordraisine.


Die Plantagenanlagen der Pflanzungsgesellschaft Viktoria in
Kamerun. [143]      Die Plantagenanlagen
der Pflanzungsgesellschaft Viktoria in Kamerun.
Als tropische Kolonie hat Kamerun unberechenbaren Wert. Längs der Küste in einer Breite von 300 Kilometern zieht sich der Urwaldgürtel hin. In ihm gedeiht vor allem die Hevea brasiliensis, der ergiebigste aller Kautschukbäume. Außerdem liefert er die beste Kautschukqualität. Auf Grund der Erfahrungen, die wir in jahrzehntelanger Tropenarbeit gewonnen haben, lassen sich aus einem Hektar zapfbarer Heveen, je nach den besonderen Verhältnissen, 800 bis 1000 Kilogramm Kautschuk erzeugen. Deutschlands Jahresbedarf an Kautschuk, mit 60 000 Tonnen angenommen, hätte also eine Pflanzungsanlage von [333] etwa 65 000 Hektar Heveen zur Voraussetzung, die ohne besondere Schwierigkeit aus dem Kameruner Urwaldgürtel herauszuschneiden ist.

Ähnlich liegen die Verhältnisse in bezug auf die Versorgung unseres Vaterlandes mit Palmöl. Die Palmöl-Einfuhr Deutschlands betrug im Jahresdurchschnitt der Nachkriegszeit etwa 30 000 Tonnen. Hierfür wären rund 40 000 Hektar an Ölpalmenpflanzungen erforderlich, aus denen zudem noch etwa 25 000 Tonnen Palmkerne anfielen. Unsere Einfuhr an pflanzlichen Ölen und Fetten des verschiedensten Ursprungs (Ölfrüchte und Ölsaaten ausgenommen) belief sich in den Jahren 1931 - 1933 auf etwa 90 000 Tonnen im Jahre. Zur Deckung dieser Menge in Palmöl wären etwa 120 000 Hektar entsprechende Pflanzungsanlagen nötig.

Von den übrigen wichtigsten Kolonialprodukten kommen in Kamerun vor und werden oder wurden dort schon in vorzüglicher Qualität gewonnen: Kakao, Tabak, Bananen, Tee, Kaffee und anderes mehr. Auch der jährliche Bedarf Deutschlands hierin könnte ganz oder doch zum größeren Teil aus Kamerun bezogen werden. Der Jahresverbrauch an Rohkakao zum Beispiel, der sich auf bis zu 100 000 Tonnen beläuft, setzt etwa 80 000 Hektar an Kakaoplantagen voraus, die auch in Kamerun unterzubringen wären.

Selbstverständlich sind diese Kalkulationen rein theoretisch zu werten. Daß ihre Durchführung mit mehr oder weniger großen Schwierigkeiten verbunden sein wird, ist mir natürlich voll bewußt. Es kommt mir zunächst auch nur darauf an, einmal die große Bedeutung Kameruns als Bezugsgebiet für koloniale Rohstoffe und Genußmittel festzustellen.

Auch als Siedlungsgebiet für unsere Volksgenossen steht Kamerun in keiner Weise hinter Ostafrika zurück. Anfang 1935 war ich im Hochland von Dschang, 1380 Meter hoch, etwa 130 Kilometer von Nkongsamba, dem Endpunkt der Duala-Eisenbahn und etwa 300 Kilometer von der Küste entfernt. Dort erblickte ich große zusammenhängende Felder, die mit ihren Furchen den Eindruck einer deutschen Landschaft machten, dazu regelrechte von geflochtenen Zäunen umgebene Gehöfte. Obgleich Ackerwirtschaft und Hausbau auf verhältnismäßig hoher Stufe stehen, leben die außerordentlich fleißigen Eingeborenen äußerst anspruchslos und laufen noch nackt herum. Beobachtet man sie bei der Arbeit mit ihren Ackergeräten urältester Art, wie sie etwa von den alten Ägyptern gebraucht wurden, so glaubt man sich um 3000 Jahre in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit zurückversetzt. Tagsüber trifft man in den Häusern niemanden an. Alles arbeitet auf den Feldern, wo die übliche Eingeborenen-Verpflegung (Makabo, Mais, Planten usw.) und neuerdings auf Anregung der französischen Regierung auch Hirse angebaut werden. Überall wächst in unzähligen Exemplaren die Yuccapalme, die bekanntlich eine vorzügliche Hanffaser liefert. In den Schluchten und Senken findet man noch Ölpalmen. Allerdings vereinzelt und ziemlich kümmerlich, denn wir sind inzwischen auf Höhen von 1500 - 1700 Meter, der Durchschnittshöhe dieses Riesenplateaus, angelangt, wo [334] die Ölpalme nicht mehr wächst. Die Eingeborenen verwenden sie in der Hauptsache nur zur Herstellung von Palmwein. Der Boden ist tiefgründig und sehr fruchtbar. Er eignet sich vor allem auch für Kaffee, der in einer seiner besten Sorten, dem caffee arabica, von Europäern und Eingeborenen im ganzen Lande gepflanzt wird. Viehzucht ließe sich sicherlich in ganz großem Stil betreiben. Trotzdem findet man außer afrikanischen Hausziegen und Hühnern nur ab und zu Rinder, so daß von einer nennenswerten Viehzucht überhaupt nicht gesprochen werden kann.

So besitzt dieses Hochland, wie übrigens auch die anderen großen Hochplateaus, die ich bereist habe und aus denen sich die Geländebildung ganz Mittel- und Nordkameruns bis fast zum Tschadsee zusammensetzt, eine hervorragende Eignung für europäische Siedlungen. Diese Länder bringen einmal alles das hervor, was der Ansiedler für seinen eigenen Bedarf benötigt. Dazu könnten wertvolle Kolonialprodukte wie Tee, Kaffee, Hanf (Yucca) und vieles andere mehr angebaut und außerdem noch Viehzucht betrieben werden.

Noch etwas möchte ich erwähnen. Kamerun ist geologisch bisher sehr wenig erforscht. Nach seiner ganzen Bodengestaltung dürfte nach Ansicht hervorragender afrikanischer Geologen damit zu rechnen sein, daß auch die im übrigen Zentralafrika vorkommenden Bodenschätze in Kamerun vorhanden sein müssen. Gold ist bereits gefunden, Zinn ebenfalls, und Erdöl tritt an verschiedenen Stellen zutage. Vor dem Kriege hat ein Schwesterunternehmen der unter meiner Leitung stehenden W. A. P. V. bei Duala bereits nach Erdöl gebohrt. Drei Bohrschächte von 800 Meter Tiefe sind damals nach dem Rackyschen Verfahren in die Erde getrieben worden. Die Versuche mußten aber leider vorzeitig abgebrochen werden, weil keine Geldmittel mehr vorhanden waren. Die französische Regierung hat diese Vorarbeiten wieder aufgenommen und neuerdings einen größeren Betrag zur Fortführung der Bohrungen nach Erdöl bereitgestellt.

Inzwischen hat man in Frankreich erkannt, welches wertvolle Mandat ihm in Kamerun zufiel und mit seiner Erschließung begonnen. Es hat nach Beschränkung der Selbstverwaltung der Eingeborenen eine zentralisierte Verwaltung eingeführt, durch Zwangsarbeit der Eingeborenen Straßen und öffentliche Anlagen und Bauten errichtet. Durch Rekrutierungszwang ist sogar ein stehendes schwarzes Heer von 1600 Mann geschaffen, aber in der Besiedlung des Landes mit Franzosen mußte es versagen, weil Frankreich doch so sehr unter Menschenmangel leidet, daß es sich genötigt sieht, daheim farbige und auch weiße Arbeiter fremder Nationalität zu Hunderttausenden heranzuziehen. Afrika ist 31 Millionen Quadratkilometer groß, davon entfällt auf das französische Kolonialgebiet fast ein volles Drittel. Sollten die Franzosen, was ihre Kameruner Vertreter wünschen, an Stelle des Mandats in den endgültigen Besitz ihres Anteils in Kamerun gelangen, so würde zunächst dieser Besitz ziemlich brach liegenbleiben und auch die Aufschließung des englischen Teils hemmen. Soll der Reichtum, der aus Kamerun an Rohstoffen, Genußmitteln und Bodenschätzen gewonnen [335] werden könnte, Europa und der Weltwirtschaft zum größten Teil vorläufig verlorengehen?

Fast 30 Jahre verfolge ich nun die Entwicklung Kameruns, den ersten großen Aufschwung in den Jahren vor dem Kriege und den Zusammenbruch im Kriege sowie zu Beginn der Mandatsverwaltung. Keiner der beiden Mandatare hatte wohl geglaubt, sich dauernd des Besitzes von Kamerun erfreuen zu können. Daher hielten sie es für unzweckmäßig, Gelder in das Land hineinzustecken, die sich vielleicht nicht bezahlt machen würden. Immer wieder taucht die Frage auf, was hätte Deutschland inzwischen aus dem Lande wohl gemacht? Der Wiederaufbau der deutschen Pflanzungen um den Kamerunberg berechtigt zu der Annahme, daß wir wohl bestimmt die jetzigen Erfolge überholt haben würden.

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Das Buch der deutschen Kolonien
Herausgegeben unter Mitarbeit der früheren Gouverneure
von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Deutsch-Neuguinea.
Vorwort von Dr. Heinrich Schnee.