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der deutschen Kolonien
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Gewalt vor Recht - geraubt und aufgeteilt
(Teil 2)

 

Ostafrika gestern und heute
Dr. Richard Hindorf

Den deutschen Unternehmungen aller Art war durch den Krieg und das Versailler Diktat ihr gesamtes Eigentum in unseren Kolonien genommen worden.

Auf der Suche nach neuen Arbeitsfeldern zu kolonialer Betätigung war es [322] den Pflanzungsgesellschaften, die vor und nach dem Kriege unter meiner Leitung standen, im Jahre 1923 gelungen, bei zwei großen Sisalpflanzungen, die in Portugiesisch-Ostafrika angelegt werden sollten, sich durch mich mitarbeitend und führend zu beteiligen. Da uns Deutschen der Aufenthalt in unseren ehemaligen Kolonien noch verwehrt war, so haben sich damals auch manche anderen deutschen Unternehmer, besonders solche, die vorher in Deutsch-Ostafrika tätig gewesen waren, nach Mozambique und andere auch nach Angola gewandt. So ist es gekommen, daß in den ersten Jahren nach dem Kriege verhältnismäßig viele deutsche Pflanzungsunternehmungen in den portugiesischen Kolonien Afrikas sich ein neues Arbeitsgebiet geschaffen haben. Auf diese Weise hat die wichtigste Kultur Deutsch-Ostafrikas, der Sisalbau, in Mozambique eine große Ausdehnung erhalten, und sie ist gleichzeitig auch in Angola eingeführt worden. Im Laufe einiger Jahre sind so in Portugiesisch-Afrika eine ganze Anzahl großer und aussichtsreicher Sisalpflanzungen neu entstanden.

Uns alte Deutsch-Ostafrikaner hat es natürlich immer nach Deutsch-Ostafrika zurückgezogen, das von uns, obgleich es englisches Mandat geworden war, nach wie vor als deutsches Gebiet und als unsere geliebte zweite Heimat empfunden wurde. Aber zunächst war uns Deutsch-Ostafrika noch verschlossen. Die sämtlichen Deutschen waren aus dem Lande ausgewiesen worden, und es war niemandem von uns gestattet, zu dauerndem Aufenthalt dorthin zurückzukehren. Das war auch noch die Rechtslage, als ich zum erstenmal im Januar 1924, und zum zweitenmal im Mai 1925, von Mozambique nach Deutschland zurückkehrend, auf deutschem Dampfer Daressalam und Tanga besuchte. Nur solange der Dampfer im Hafen lag, durften deutsche Fahrgäste sich am Lande aufhalten.

Als dann im Juni 1925 von den Engländern diese Einreise- und Niederlassungsbeschränkung aufgehoben wurde, setzte ein lebhafter Zustrom von Deutschen, besonders von ehemaligen Ostafrikanern in das Mandatsgebiet Ostafrika ein und verstärkte sich zunächst von Monat zu Monat. Ich selbst bin im Herbst 1925 nach Ostafrika zurückgekehrt, um dort sobald als möglich die Hand auf geeignetes Gelände zu legen, wo meine Gesellschaften, die früher in Deutsch-Ost, Samoa und Neuguinea gearbeitet haben, wieder Pflanzungen betreiben könnten. Noch vor Schluß des Jahres 1925 haben wir dort mit unseren praktischen Pflanzungsarbeiten wieder begonnen.

Den deutschen Pflanzungsunternehmungen in Kamerun ist es ermöglicht worden, ihre ihnen durch den Krieg genommenen eigenen Pflanzungen zu einem sehr geringen Kaufpreis sämtlich zurückzuerwerben. Wir ostafrikanischen Pflanzer hatten es nicht so gut. Unsere Pflanzungen sind von den Engländern in den ersten Jahren nach dem Kriege in Ostafrika zum Verkauf gestellt, und die größte Zahl der ehemaligen deutschen Pflanzungen, und zwar besonders alle besseren und wertvolleren, sind verkauft worden. Die neuen Eigentümer dieser Pflanzungen waren zumeist Engländer, Schweizer, Griechen und Inder.

Deutsch-Ostafrikanische Sisal-Hanf-Trockung in Ostusambara.
[323-324=Fotos] [325] Uns blieb daher nichts anderes übrig, als entweder von den neuen Erwerbern Pflanzungen zu teueren Preisen zurückzukaufen und diese weiterzuführen und auszubauen, oder geeignetes Gelände zu erwerben und dort neue Pflanzungen anzulegen. Daß dies verhältnismäßig große Mittel erforderte, braucht nicht näher dargelegt zu werden.

Trotzdem setzte alsbald eine umfangreiche und erfolgreiche Tätigkeit der deutschen Pflanzungsunternehmer ein, die für ihre Wiederaufbautätigkeit in Ostafrika die Entschädigungsbeträge verwandten, die sie vom Reiche für die Wegnahme ihres Eigentums erhalten hatten; auch wurden zum Teil noch andere recht beträchtliche Mittel in diese Unternehmungen hineingesteckt. So waren denn im englischen Mandatsgebiet in Ostafrika nach einigen Jahren schon wieder eine ganze Anzahl großer, gut ausgerüsteter und erfolgreich betriebener Großpflanzungen in deutschen Händen, die sich besonders mit dem Anbau von Sisal, Kaffee und Kokospalmen befaßten.

Gleichzeitig waren zahlreiche frühere Ostafrikaner, aber auch andere Deutsche in das Land gekommen, die sich als Ansiedler in den kühlen gesunden Hochländern oder irgendwo im Lande als Unternehmer niederlassen wollten.

Die Gesamtzahl der deutschen wirtschaftlichen Unternehmungen im ostafrikanischen Mandatsgebiet hat etwa fünf Jahre nach der erfolgten Wiederzulassung der Deutschen bereits wieder annähernd 400 betragen. Die lebhafte Tätigkeit der zahlreichen deutschen Unternehmer und Ansiedler hat außerordentlich viel zu dem sehr regen wirtschaftlichen Leben beigetragen, das besonders in den Jahren von 1927 bis 1930 in Ostafrika sich entwickelt hat.

Die allgemeine Weltwirtschaftskrise und besonders der außerordentliche Rückgang der Preise für die hauptsächlichsten ostafrikanischen Pflanzungserzeugnisse, für Sisal, Kaffee, Kopra, Baumwolle, Kapok, haben dann von 1930 an dem bis dahin überraschend schnellen Aufstieg der deutschen wirtschaftlichen Unternehmungen Einhalt getan, und es kann leider nicht bestritten werden, daß die Krise in Ostafrika besonders schwer auf den deutschen Unternehmungen aller Art, den großen und den kleinen, lastete, die ja wohl sämtlich mit nicht voll ausreichenden Betriebsmitteln ausgestattet waren und sind.

Die Not, die über das ganze Mandatsgebiet Ostafrika gekommen ist, und die besonders den deutschen Unternehmungen dortselbst schweren Schaden brachte, hat aber auch zugleich Gutes im Gefolge gehabt. Zweifellos waren auf fast allen Unternehmungen die Ausgaben und die Unkosten zu hoch, und die früheren hohen Gehälter und Löhne waren bei den niedrigen Preisen der Pflanzungserzeugnisse bald untragbar geworden. Zwar haben die älteren großen Pflanzungen im Besitz von Schweizern, Engländern oder Indern, die in den ganzen Jahren nach dem Kriege bei sehr guten Preisen hohe Gewinne erzielt haben, die ganz unzureichenden Preise der letzten drei Jahre ohne besondere Schwierigkeiten ertragen können; aber die jungen deutschen Unternehmungen sind durch den Preisverfall in schwere Bedrängnis geraten. Sie haben beson- [326] ders im Jahre 1931, als es noch nicht gelungen war, die Ausgaben und Unkosten den jäh abgestürzten Preisen anzupassen, mit starken Verlusten gearbeitet. Erst allmählich konnte es gelingen, die Ausgaben so zu senken, daß wenigstens der Betrieb ohne direkte Verluste aufrechterhalten werden konnte.

Zur Zeit decken die für die Pflanzungserzeugnisse erzielbaren Erlöse zwar wohl die eigenen unmittelbaren Gestehungskosten der deutschen Pflanzungen, sie reichen jedoch nicht aus, um darüber hinaus auch noch eine sachgemäße und rechtzeitige Erneuerung der vorhandenen Anlagen und Kulturen zu gewährleisten und um eine, wenn auch nur bescheidene Verzinsung des hineingesteckten Kapitals sicherzustellen. Dieses Ziel, also eine ausreichende Rentabilität der Unternehmungen, kann auch bei sparsamster Betriebsführung nur erreicht werden, wenn die Preise für die Pflanzungserzeugnisse wieder eine angemessene Höhe erreichen.

Handel, Wandel und Verkehr liegen in Ostafrika schon seit geraumer Zeit sehr darnieder. Unter der Not der großen Pflanzungsunternehmungen leiden nicht zuletzt auch die kleinen Ansiedler und Unternehmer. Sie finden zeitweilig nur schwer einen genügenden Absatz für ihre Kartoffeln, Gemüse, Obst, oder für die Erzeugnisse ihrer Geflügel- und Viehzucht, und es fehlt an ausreichender Beschäftigung für Unternehmer und Frachtfahrer. Erst mit dem Wiedererstarken der großen Pflanzungsbetriebe wird hier eine durchgreifende Wandlung zum Besseren eintreten.

Wenn dann im Laufe der Jahre auch die anderen Wirtschaftsbetriebe der Ansiedler, der Anbau von Kaffee, Tee, Mandeln, auch von Lein, Tabak u. a., sowie die gesamte Viehzucht immer mehr erstarken, so werden dann die deutschen Ansiedlungen in den Hochländern Ostafrikas zu einer tragfähigen Grundlage kommen.

Im Laufe der Zeit werden in Ostafrika die großen Unternehmungen und die Kleinsiedlung von selbst immer mehr in ein gedeihliches Zusammenarbeiten hineinwachsen, wie wir es in erfreulichem Maße schon jetzt vor uns sehen. Wenn dann auch die deutschen Schulen und gesundheitlichen Pflegestätten sich mehren und den steigenden Bedürfnissen sich anpassen, und wenn auch die deutschen Missionen ihre Arbeitsgebiete mehr und mehr ausdehnen, so daß immer weitere Teile des Landes wirtschaftlich und kulturell mehr und mehr deutsch werden und deutsch bleiben, so ist das die wirksamste und beste Vorbereitung für die völlige Rücküberführung Deutsch-Ostafrikas in unseren Besitz.

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Das Buch der deutschen Kolonien
Herausgegeben unter Mitarbeit der früheren Gouverneure
von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Deutsch-Neuguinea.
Vorwort von Dr. Heinrich Schnee.