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X. Die Anschlußfrage als Wirtschaftsproblem   (Forts.)

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Finanz-, Bank- und Börsenwesen
Dozent Dr. jur. et rer. pol. Richard Kerschagl (Wien)

Die Währungsentwicklung im Deutschen Reich und in Österreich • Die Reichsbank und die Österreichische Nationalbank • Das Kommerzbankwesen • Verflechtungen zwischen Deutschland und Österreich • Bedeutung der Kapitalsanlehnung Österreichs an das Deutsche Reich.

Die Währungsentwicklung in den beiden Staaten Deutschland und Österreich hat einen voneinander ziemlich verschiedenen Gang genommen und damit den vorläufigen Ausbau ihrer derzeitigen Währungs- und Notenbanksysteme nicht unmaßgeblich beeinflußt. Österreich war bereits nach Fertigstellung der Genfer Verträge im Oktober 1922 so weit, seiner Inflation ein vorläufiges Ende setzen zu können, eine Notenbank, die österreichische Nationalbank, zu gründen und nach einer Übergangsfrist von ungefähr zwei Jahren auch die Frage der Währungseinheit durch Erlassung des Schillingrechnungsgesetzes vom 20. Dezember 1924 endgültig zu regeln. In Deutschland hat hingegen die Inflation erst ihren Höhepunkt erreicht, als in Österreich die Stabilisierung der Währung bereits vollzogen war, und es hat dann ohne eigentliches oder doch wenigstens sehr kurzes Übergangsstadium mit einem Schlage die Notenbankfrage gleichzeitig mit der Frage der neuen Währungseinheit endgültig geregelt durch die Gesetze vom 30. August 1924. Übrigens sei in diesem Zusammenhange auch darauf hingewiesen, daß, während Deutschland doch die alte Währungseinheit, wenngleich unter einem neuen Namen und nicht in obligationenrechtlichem Sinne wiederhergestellt hat, Österreich mit der Schillingwährung eine gänzlich neue Währung beziehungsweise Rechnungseinheit geschaffen hat. Schließlich sei noch bemerkt, daß Deutschland seine Stabilisierung auf einem ungleich weitergehenden Stand der Entwertung des Geldes vornehmen mußte, als dies in Österreich der Fall war. Deutschland aber ging dann noch über diese Maßnahmen hinaus und hat auch eine Reihe mit der Währung zusammenhängender obligationenrechtlicher Fragen generell geregelt, und zwar in seiner Aufwertungsgesetzgebung und vor allem in dem Aufwertungsgesetz vom 16. Juli 1925 und 9. Juli 1927 und den dazugehörigen Novellen, während man in Österreich über reine Spezialgesetze, wie etwa das Familiengläubigergesetz, nicht hinausgekommen ist und von einer Aufwertung bisher eigentlich grundsätzlich abgesehen hat.

Ist im vorhergehenden auf eine ungleiche Richtung in der Währungsentwicklung hingewiesen worden, so sei auf jene An- [395] sätze verwiesen, welche doch eine gewisse Gleichrichtung und ein Zusammengehen beweisen. Deutschland hat neben der Reichsbank vier kleinere Privatnotenbanken, nämlich die Bayrische Notenbank in München, die Sächsische Bank in Dresden, die Württembergische Notenbank in Stuttgart und die Badische Bank in Mannheim, weiter bestehen lassen. Die Prinzipien der modernen Notendeckung sind ferner einander so ähnlich, daß, wenngleich man in Deutschland wegen der Verpflichtung der 40%igen Minimaldeckung in Gold oder Devisen, wovon mindestens drei Viertel aus Gold bestehen müssen, eher von einer Goldkernwährung und in Österreich nach dem jetzigen Wortlaut des Art. 85 der Statuten eher von einer Golddevisenwährung sprechen kann, doch hier tiefgründige Unterschiede eigentlich nicht bestehen. Man darf auch nicht vergessen, daß neben den Devisenbeständen sowohl in Österreich als in Deutschland ein recht bedeutender Kern aus effektivem Golde besteht, der allerdings in Deutschland unverhältnismäßig größer ist. Wenn auch darauf hingewiesen werden könnte, daß in Deutschland die Barzahlung im Zuge des Inkrafttretens des Young-Planes zur Aufnahme gelangt, so hat dies überwiegend theoretische Bedeutung, denn diese Barzahlung besteht bekanntlich in der Einlösung von Noten der Bank nach Wahl derselben in Gold oder Devisen, ein Zustand, der zwar nicht rechtlich, aber doch tatsächlich nicht nur in Deutschland schon vorher bestand, sondern auch in Österreich, insbesondere seit dem Fallen der letzten Devisenvorschrift durch die Verordnung vom 18. Dezember 1926, restlos gehandhabt wurde, schon aus dem Grunde, weil ja doch heute jeder schon weiß, daß die tatsächliche Einlösung des eigenen Geldes in fremdem Gelde das einzige sichere Mittel zur Aufrechterhaltung fester Währungsparitäten ist und alle anderen Maßnahmen eigentlich nur Hilfsmittel zu diesem Zwecke sein können. Auf eine Gleichrichtung sei insbesondere auch in der Richtung verwiesen, daß die ausländische Kontrolle, welche in Österreich durch einen Berater der österreichischen Nationalbank ausgeübt wurde und nach einmaliger Verlängerung mit 30. Juni 1929 aufgehört hat, nach der Annahme des Young-Planes auch für Deutschland zu Ende ist, wo sie in ungleich stärkerer Form sowohl in bezug auf die Zusammensetzung des Generalrates als auch in der Form des ausländischen Kommissärs bei der Notenbank bisher bestand.

[396] Was das Kommerzbankwesen anbetrifft, so sind die gegenseitigen Verflechtungen zwischen Deutschland und Österreich nicht nur an sich sehr stark, sondern sie sind gerade durch die Entwicklung der Nachkriegszeit und vor allem der Inflationszeit noch verstärkt worden. Dies gilt schon für die österreichischen Großbanken. Im Jahre 1927 wurde der seit längerer Zeit bestehende Besitz der Deutschen Bank an Aktien des Wiener Bank-Vereines durch Übernahme weiterer Aktien aus einer Kapitalsvermehrung erhöht. Im Jahre 1930 hat dann der Wiener Bank-Verein abermals ein großes Paket seiner Aktien, das vor allem aus einem Rückfluß von Aktien herrührte, welche mit zeitweiliger Bindung aus Anlaß seiner letzten Kapitalsvermehrung in Amerika placiert worden war, bei seinen alten Aktionären, nämlich bei der D. D. Bank, der Société Général de Belgique und der Basler Handelsbank fest placiert. Im Zusammenhang damit erfolgte der Eintritt des Bankiers Alexander Weiner vom Bankhaus Ephrussi & Co., das eine Kommandite der D. D. Bank ist, als Vizepräsident in den Verwaltungsrat des Wiener Bank-Vereines. Es liegt also hier eine Verbindung der beiden Stützpunkte der D. D. Bank in Wien vor, bemerkenswerterweise in erster Linie durch einen österreichischen Vertrauensmann der deutschen Gruppe. Was die Niederösterreichische Escompte-Gesellschaft betrifft, so hatte die enge Geschäftsverbindung, welche seit einer Reihe von Jahren zwischen dieser und der Berliner Handelsgesellschaft bestanden hat, dadurch eine Verstärkung erfahren, daß die Berliner Handelsgesellschaft Ende 1928 einen größeren Posten von Aktien der Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft zu dauerndem Besitz erworben hat. Was die österreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe betrifft, so beteiligte sich dieselbe an der Gründung der Bank für auswärtigen Handel, Berlin, 1922, durch Übernahme eines namhaften Aktienpakets. Von den anderen Banken wäre noch die Mercurbank zu erwähnen, welche heute eigentlich ein Zweigunternehmen der Darmstädter und Nationalbank ist. Schon im Jahre 1903 erwarb die Mercurbank das Bankhaus Dutschka & Co., wodurch eine Anlehnung an die Bank für Handel und Industrie, Berlin (jetzt Darmstädter und Nationalbank), welche diese Firma bis dahin kommanditierte, gewonnen wurde. In den Jahren 1926 und 1927 wurde der in der Inflationszeit übermäßig angeschwollene Apparat [397] der Mercurbank den tatsächlichen Bedürfnissen angepaßt. Die Reorganisation erfolgte unter Mitwirkung der Darmstädter- und Nationalbank, die ihr Interesse an der Mercurbank nun auf breitere Basis stellte und jetzt weit mehr als die Hälfte des Aktienkapitals besitzt. Von den anderen Banken wäre vor allem folgendes zu erwähnen: An der Bank für Oberösterreich und Salzburg ist seit dem Jahre 1921 die Bayrische Vereinsbank in München (Nürnberg) interessiert. Die seit langem bestehenden umfangreichen Beziehungen zum Lande Oberösterreich wurden im Jahre 1920 durch Aktienübernahme und im Jahre 1926 durch Garantieübernahme (5 Millionen Schilling) gefestigt. Die derzeitige Hauptbank für Tirol und Vorarlberg beschloß in ihrer außerordentlichen Generalversammlung vom 25. September 1926 ab 1. Jänner 1926 die Fusion mit der unter Patronanz der Allgemeinen Österreichischen Boden-Credit-Anstalt und der Deutschen Bank gestandenen Tiroler Hauptbank und Bank für Tirol und Vorarlberg. Die Bank für Kärnten A. G. wurde von der Allgemeinen Österreichischen Boden-Credit-Anstalt und der Bayrischen Hypotheken- und Wechselbank unter Heranziehung maßgebender Kärntner Wirtschaftskreise gegründet. Dieselbe übernahm die Geschäfte des Kärntner Kredit- und Wechselbankgeschäftes Ehrfeld & Co. aus dem Interessenkreise der Bayernbank. Von den kleineren Banken wäre noch zu erwähnen, daß im Jahre 1928 die Süddeutsche Bank A. G., Graz, mit Unterstützung reichsdeutscher Stellen die Besiedlungstätigkeit wieder als Geschäftszweig aufnahm; als solche Stellen kommen in erster Linie die Bayrische Siedlung- und Landbank in München und die hinter ihr stehenden Institute in Betracht. Außerdem wäre zu erwähnen, daß die Salzburger Kredit- und Wechselbank eine im Jahre 1921 erfolgte Gründung der Bayrischen Hypotheken- und Wechsel-Bank, München, und der Bayrischen Diskonto- und Wechsel-Bank in Nürnberg ist. Auch hatte beispielsweise die Bayrische Hypotheken- und Wechsel-Bank, München, schon jahrelang das Bankhaus Scherbaum & Co. als Kommanditistin. Bemerkenswert ist auch, daß die Girozentrale der österreichischen Genossenschaften unter hervorragender Mitwirkung deutschen Kapitals gegründet worden ist. Anläßlich des Verkaufes des Boden-Credit-Anstalt-Anteiles an der Girozentrale der österreichischen Genossenschaften in der Höhe von 1,2 Millionen Schilling ging dieser zuerst an die Credit-Anstalt und dann [398] an die österreichische Postsparkasse über. Von dem Gesamtkapital von 5 Millionen Schilling befinden sich 3 Millionen Schilling in dem Besitz der Preußenkasse, des Generalverbandes der Raiffeisengenossenschaften und der Schultze-Delitzsch-Organisation. Die Girozentrale hat bereits für das landwirtschaftliche Kreditwesen Außerordentliches geleistet und hat auch schrittweise ihre Tätigkeit auf einzelne Gebiete des gewerblichen Kreditwesens ausgedehnt. Zu erwähnen wäre auch, daß die Deutsche Bau- und Bodenbank und die Wiener Baukreditbank zur Wohnbauförderung in Österreich in der Weise zu einem gemeinsamen Vorgehen gebracht sind, daß die Deutsche Bau- und Bodenbank die Aktienmehrheit der Wiener Baukreditbank erwerben soll. An der Deutschen Bau- und Bodenbank ist das Deutsche Reich zu 80% beteiligt. Die Zusammenarbeit der beiden Institute ist im Augenblick des Abschlusses dieses Beitrages noch nicht in allen Einzelbestimmungen festgestellt. Es ist eine Herabsetzung des derzeitigen Aktienkapitals von 800.000 Schilling auf 80.000 Schilling und gleichzeitige Erhöhung auf den ursprünglichen Betrag geplant, wobei sich die Deutsche Bau- und Bodenbank mit einer genügend großen Quote an der Wiener Baukreditbank beteiligen wird. Sie soll auch durch zwei Vertrauensmänner in dem aus sechs Personen bestehenden Verwaltungsrat, dem ein Delegierter der österreichischen Regierung angehören wird, vertreten sein. Die Wiener Baukreditbank wird sich zunächst, wie bereits erwähnt, mit den Kontrollagenden der Wohnbauförderungsaktion befassen, späterhin jedoch auch das Baukreditgeschäft selbst pflegen. (Abgeschlossen Anfang Juni 1930.)

Aus dem Vorhergesagten geht hervor, daß zufolge der ungleichen Währungsentwicklung in den beiden Staaten heute sicher noch ziemlich starke Ungleichmäßigkeiten bestehen, allerdings auch wieder Gemeinsamkeiten in Aufbau und Ausbau. Es darf auch nicht vergessen werden, daß durch den kunstvollen Bau der Kooperation der Notenbanken auch wieder die österreichische Nationalbank mit der Deutschen Reichsbank heute schon verbunden erscheint und daß der tatsächliche Ausbau dieser Zusammenarbeit gerade zwischen diesen beiden Instituten schon sehr viel geleistet hat und noch leisten wird. Im übrigen ist ja eine sehr weitgehende, ja möglichst vollständige Wirtschaftsverbindung eine unbedingt notwendige Voraussetzung für das Anstreben einer möglichst innigen währungstechnischen Beziehung. Dies gilt natürlich auch in hohem Ausmaße für das [399] Kommerzbank- und Kreditwesen. Hier sind die bestehenden Beziehungen heute schon sehr enge und wohl auch in vieler Hinsicht in einem weiteren Ausbau begriffen. Hier wird besonders klar, was auch für zahlreiche andere Gebiete des wirtschaftlichen Anschlusses zu gelten hätte. Österreich, in seiner Doppelstellung als Glied wirtschaftlicher uralter Verbindungen der Nachfolgestaaten einerseits, der Stammeszugehörigkeit zu Deutschland anderseits, ist der gegebene Mittler Deutschlands nach Osten und Südosten. Dies gilt nicht nur in dem Sinne, als Deutschland auf die wertvollen Verbindungen Österreichs einerseits nicht verzichten kann und anderseits Österreich in einer Kapitalanlehnung an Deutschland zur Erfüllung wichtiger Aufgaben sehr gestärkt werden könnte, sondern vor allem auch in dem Sinne, daß der Strom des Kapitals, der von Westen nach Osten geht, bei einer wahrhaft organischen Entwicklung und bei einem günstigen wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands, Österreich gerade als Verbindungsglied Deutschlands nach Osten noch weniger entbehrt werden könnte, als etwa Deutschland als Beeinflusser der Richtung dieses Kapitalstroms. Bei dem allen aber darf nicht übersehen werden, daß es hier nicht nur auf Worte allein ankommt, ja vielleicht nicht einmal auf den Willen allein und die Tat allein, sondern auf das Planmäßige der Verflechtung unter Wahrung und Förderung der beiderseitigen Interessen, denn gerade für das Geld und Bankkapital hat wohl das Wort zu gelten, daß die Erkenntnis von gegenseitig fördernder Interessengemeinschaft nicht nur als Konsequenz gesteckter politischer oder ähnlicher Ziele, sondern auch als Ursache und wichtiger Grund für das Anstreben solcher in Betracht kommen kann, ja kommen muß.


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Die Anschlußfrage
in ihrer kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bedeutung

Friedrich F. G. Kleinwaechter & Heinz von Paller