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Bd. 1: Teil 1: Die wirtschaftlichen Folgen des Versailler Vertrages

IV. Das Reparationsproblem   (Teil 3)

c) Endlösung des Reparationsproblems. Die Pariser Verhandlungen

Dr. Bernhard Dernburg
Mitglied des Reichstags, Reichsminister a. D.

Bei Beginn der Pariser Sachverständigenberatungen über die Endregelung des Reparationsproblems soll ein Mitglied der Konferenz auf die Frage, wie lange die Verhandlungen voraussichtlich dauern werden, geantwortet haben: "entweder sechs Tage oder sechs Monate". Damit wollte der Betreffende wohl sagen, daß sechs Tage ausgereicht hätten, um sich von der Aussichtslosigkeit zu überzeugen, bereits jetzt schon zu einheitlichen Auffassungen und gemeinsamen Vorschlägen zu kommen, daß aber sechs Monate verstreichen würden, wenn eine Einigung für möglich gehalten und der Versuch unternommen würde, in allen Haupt- und Nebenpunkten zu einer Übereinstimmung zu gelangen. Dieser Versuch ist erfolgreich unternommen worden. Am 11. Juni sind vier Monate verflossen, seitdem in Paris die Sachverständigen zusammentraten.

Um den Verlauf dieser viermonatigen Verhandlungen zu verstehen, ist ein Rückblick auf die Vorgeschichte dieser neuesten Reparationskonferenz von Wert.

Der Dawesplan, dazu bestimmt, Deutschlands Verpflichtungen aus dem verlorenen Kriege für einen von vorn herein nicht fest umgrenzten Zeitraum zu regeln, ist von seinen Schöpfern selbst nicht als eine endgültige Formel für die Lösung des Reparationsproblems aufgefaßt worden. Er stellt sich dar als ein von unabhängiger sachverständiger Seite unternommener Versuch, die Durchführung der deutschen Reparationsverpflichtungen aus der politischen Atmosphäre herauszunehmen und auf eine wirtschaftlich vernünftige Grundlage zu stellen. Als die Sachverständigen am 15. Januar 1924 zusammentraten, waren die deutschen Verhältnisse so undurchsichtig wie nur möglich und daher einer endgültigen Lösung in keiner Weise günstig. Unter diesen Umständen blieb nichts anderes übrig als die Schaffung eines Provisoriums. Als daher am 9. April 1924 die Sachverständigen ihr Gutachten erstatteten, schlossen sie es mit folgenden Sätzen: "Wir möchten schließlich betonen, daß unser Plan zwar keine Lösung der ganzen Reparationsfrage versucht, wozu er ja auch nicht berechtigt [350] ist, wohl aber eine Regelung ahnen läßt... Gleichzeitig ist er geeignet, ein endgültiges, umfassendes Abkommen über alle Reparations- und verwandte Fragen zu erleichtern, sobald die Verhältnisse dies ermöglichen."

Wir haben den Dawesplan damals angenommen, weil er uns zwischen zwei Übeln, der dauernden Vergewaltigung unserer westlichen Gebietsteile einerseits und einem auf Schätzung aufgebauten Mechanismus andererseits, das kleinere erschien. Wir haben ihn auch bisher loyal und pünktlich erfüllt. Aber mit anderen Mitteln, als die Sachverständigen seinerzeit annahmen. Ein erstes Grundprinzip ihres Berichts war, daß "um die Währung eines Landes dauernd aufrecht zu erhalten, nicht nur sein Haushalt ausgeglichen sein muß, sondern daß auch seine Einkünfte aus dem Auslande ebenso groß sein müssen, wie die Zahlungen, die es an das Ausland zu leisten hat, wobei diese nicht nur die Bezahlung für Wareneinfuhr, sondern auch die Reparationszahlungen einschließen müssen".

Ein zweiter Grundsatz war, daß "wenn Reparationszahlungen durch die Einstellung eines Postens in den Staatshaushalt aufgebracht werden können und müssen - d. h. durch Steuererhebung über die inneren Ausgaben hinaus - so können sie nur durch einen wirtschaftlichen Überschuß aus der Arbeitsleistung eines Landes bezahlt werden".

Im Gegensatz zu diesen Grundprinzipien haben wir unsere Reparationsleistungen nicht durch Ausfuhrüberschüsse aufgebracht, sondern durch Anleiheoperationen finanziert, von denen die Sachverständigen an anderer Stelle erklären, daß sie "die Sachlage zwar verschleiern oder ihre praktischen Auswirkungen zeitig verschieben können, diese aber nicht zu ändern vermögen".

Durch diese "Verschleierung der Sachlage" hat sich in den verflossenen Dawesjahren die eigentliche Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht prüfen lassen. Ihre Feststellung ist aber für die Frage, was Deutschland künftig zahlen kann, absolut maßgebend und überschattet alle anderen Fragen.

Den Begriff der Leistungsfähigkeit hat Herr Mellon, der amerikanische Schatzamtssekretär, gelegentlich der Verhandlungen über die interalliierten Schulden vortrefflich definiert, als er sagte: "Das Prinzip der Leistungsfähigkeit bedeutet nicht, daß der ausländische Schuldner bis zur äußersten Grenze seiner gegenwärtigen oder zukünftigen Leistungsfähigkeit zahlen soll. Man muß ihm erlauben, seine wirtschaftliche Lage auf der gleichen Höhe zu halten und zu verbessern, seinen Haushalt auszugleichen, seine Finanzen und seine Währung auf eine gesunde Grundlage zu stellen und das Lebenshaltungsniveau seiner Bürger aufrecht zu erhalten, wenn möglich, zu verbessern. Kein Abkommen, das erdrückend ist und die Er- [351] holung und Entwicklung des ausländischen Schuldners verzögert, liegt im Interesse der Vereinigten Staaten oder Europas." Diese Grundsätze, der Ausfluß eines gesunden Menschenverstandes, müssen nicht nur auf die interalliierten Schulden, sondern auch auf die deutschen Reparationen Anwendung finden. Hierbei ist es erforderlich, vor allem folgende Tatsachenbetrachtungen vorzunehmen.

Die Reparationen müssen zunächst in Mark aufgebracht werden, und zwar aus der Leistung jedes deutschen Erwerbstätigen. Sie müssen ins Ausland verbracht werden in Form von Waren aus der Leistung der für die deutschen Exporte in Frage kommenden Industrie. Danach ist das Problem ein doppeltes: einmal, was kann die Gesamtheit der deutschen Arbeiter, im weitesten Sinne des Wortes verstanden, leisten, und dann, welche Überschüsse kann die deutsche Exportindustrie über den Betrag, der erforderlich ist, um die deutschen Importe und die Zinsen für die deutsche Auslandsverschuldung zu zahlen, erzielen. Das erste Problem heißt "die innere Aufbringung", das zweite "der Transfer". Die innere Aufbringung erfolgt auf dem Wege der Besteuerung, das heißt über den Reichshaushalt. Der Transfer erfolgt durch Aufkauf der aus den Exportüberschüssen resultierenden Auslandsguthaben, also von Devisen über die Währung. Aber der Maßstab für die Leistungsfähigkeit ist weder der Staatshaushalt, denn er braucht keineswegs mit der Wirtschaftslage in Übereinstimmung zu sein, und für die Leistungsfähigkeit für den Transfer sind keineswegs die jeweils vorhandenen Devisen maßgebend, denn sie können nicht aus den Exportüberschüssen herstammen, sondern das Ergebnis von Kreditoperationen, das heißt einer gesteigerten Auslandsverschuldung sein. In beiden Fällen kommen die Reparationen nicht aus einem Überschuß der deutschen Wirtschaft zustande. Innere Aufbringung durch das Budget und Transfer durch Aufkauf von Devisen sind also lediglich die technischen Mittel, mit denen Reparationen bezahlt werden.

Maßgeblich allein ist der Stand der deutschen Wirtschaft, das heißt die Wirtschaftsbilanz. Mit diesem Problem haben sich die Sachverständigen der Dawes-Kommission eingehend und grundlegend befaßt. Auf Grund der Erkenntnis, die sie anfangs 1924 gewinnen konnten, und der Unterlagen, die ihnen damals zur Verfügung standen, kamen sie zu einem "Non liquet". Sie sagen, "die Wirtschaftsbilanz eines Landes entzieht sich jeder genauen Berechnung, selbst in einem gegebenen Augenblick kann sie nur annähernd geschätzt werden, da die unsichtbare Ein- und Ausfuhr, die doch einen bedeutenden Teil dieser Bilanz ausmacht, nicht genau bekannt sein kann, und eine »potentielle« Wirtschaftsbilanz ist noch etwas viel Ungewisseres.... Wie weit eine Anpassung des Wirtschaftslebens in einer langen Reihe von Jahren und unter dem Druck auswärtiger Verpflichtungen über- [352] haupt möglich ist, kann nur vermutet werden... Die Wirtschaftsbilanz ist daher zum Unterschied vom Haushalt unmöglich genau zu berechnen, schwer zu handhaben und zu dehnbar". Hier liegt also eine sehr erhebliche Schwierigkeit. Man kann einen Haushalt aufstellen und Steuern erzwingen, ohne Rücksicht auf die Wirtschaftslage. Das ist nicht nur in Deutschland der Fall; man braucht nur auf die heutige Lage Englands mit der ausgezeichneten Verfassung seines Staatshaushaltes und seinen dabei sehr mißlichen und schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen hinzuweisen. Wenn die Forderungen des Staatshaushaltes für irgendeine längere Zeit den Betrag übersteigen, den die Wirtschaft leisten kann, kommen sein Gleichgewicht, aber auch die Währung und die Reparationen in Gefahr.

Vielleicht ist es möglich, einen solchen Zustand für kurze Frist aufrechtzuerhalten, aber es ist unmöglich, das auf längere Zeit zu versuchen, denn es ist zwischen der Leistungsfähigkeit in einem gegebenen Moment und der auf eine lange Reihe von Jahren ein gewaltiger Unterschied. Ein Mann kann eine gewaltige Körperanstrengung vielleicht Minuten oder Stunden vollbringen, aber man kann nicht sagen, daß er deshalb dieselbe Leistung dauernd vornehmen kann; überanstrengt er sich, so schädigt er seinen Körper und ist für den Rest seines Lebens leistungsunfähig. Ebenso ist es mit der Wirtschaft, wenn der Staatshaushalt mit oder ohne Reparationen eine dauernde Überanstrengung verlangt. Für die Reparationen aber ist eine gleichmäßige Leistungsfähigkeit über eine lange Reihe von Jahren Voraussetzung.

Das zweite Hauptproblem ist: Welche Möglichkeit besteht, den deutschen Export so zu steigern, daß er soviel Devisen abwirft, wie nötig sind, um über den deutschen Import und die deutschen Zinsenschulden hinaus den Betrag der Reparationen abzuwerfen. Das ist eine Frage der Produktionskapazität der für den Export in Frage kommenden Industrien, der Herstellungskosten ihrer Produkte, also der Kosten der Rohmaterialien, der Löhne, der sozialen Lasten, der Steuern, der Zinsen und der Abschreibungen. Dazu kommt noch eine angemessene Rente für den Eigentümer und sein Kapital, da ohne wirtschaftlichen Erfolg jede industrielle Betätigung verödet. Ebenso wichtig wie die zur Erzielung des Exportüberschusses erforderliche Produktionssteigerung und die Neubeschaffung der dafür nötigen Kapitalien ist aber der Empfangswille unserer ausländischen Kaufkundschaft einschließlich der reparationsberechtigten Länder. Daß hier ein Haupthindernis für die Abtragung unserer Reparationen liegt, soll jetzt schon angedeutet werden. Kein Verständiger kann annehmen, daß Deutschland bei seiner chronischen Arbeitslosigkeit etwa mit Warenexporten zurückhalten könnte, wenn es solche ohne wirtschaftliche Unterbilanz, d. h. Kapitalverlust durchführen könnte. Da [353] etwa ein Viertel der deutschen Arbeiterschaft für den Außenhandel tätig ist, so ist das Aufbringungsproblem nicht etwa ein rein innerdeutsches und das Transferproblem nicht etwa ein außerdeutsches, sondern beide sind Weltwirtschaftsprobleme, die nur in diesem Komplex behandelt und vielleicht gelöst werden können.

In der Beurteilung der künftigen Zahlungsfähigkeit Deutschlands sind auch die Erwartungen der Dawessachverständigen bei aller Klugheit, die ihren Bericht trägt, nach der praktischen Erfahrung von vier Jahren in wichtigen Punkten widerlegt worden. Die Sachverständigen täuschten sich zunächst über den Zustand und die rasche Arbeitsfähigkeit der Betriebsanlagen. Sie haben ferner den deutschen Kapitalbedarf nach der Währungsstabilität unterschätzt, weil sie nur mit einem Mangel an Betriebskapital, nicht aber mit dem tatsächlich in gewaltigem Umfang notwendigen Bedarf auch an Anlagekapital gerechnet hatten. Sie rechneten ferner mit einem baldigen Rückgang, wenn nicht gar Aufhören der Arbeitslosigkeit und schätzten daher die Belastung durch die Erwerbslosenfürsorge viel zu niedrig ein. Weiter rechneten sie mit der völligen Entwertung aller innerdeutschen Schulden und konnten die Entwicklung, die die Aufwertungsfrage später nahm, nicht voraussehen. Sie leisteten sich sogar den Trugschluß, daß die völlige Entwertung der Markwerte die Aufbringungsmöglichkeit verstärke. Auch trugen sie unseren Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrag zum Ersatz der Liquidations- und Verdrängungsschäden keine Rechnung. Schließlich stellten sie auch den Widerstand der Gläubigerländer, deutsche Waren in dem erforderlichen gewaltigen Umfange aufzunehmen, nicht in Rechnung.


Alles dies hat bewirkt, daß der Mechanismus des Dawesplanes nicht in der vorgesehenen Art funktionierte und die Gefahr, daß die darin Deutschland auferlegten Zahlungen schon jetzt kaum mehr transferierbar und unter den zeitigen Umständen wahrscheinlich auch sehr schwer aufzubringen sind, in immer greifbarere Nähe rückte.

Inwieweit diese Befürchtung den Generalagenten für Reparationszahlungen dazu bestimmte, die Frage der endgültigen Regelung des Reparationsproblems aufzurollen, steht dahin. Jedenfalls war er es, der wiederholt die Forderung nach der sogenannten Endlösung erhob. "Es werde", so hieß es zum ersten Male in dem sensationellen Bericht vom Dezember 1927, im Laufe der Zeit "immer klarer werden, daß weder das Reparationsproblem, noch die anderen Probleme, die von ihm abhängen, endgültig gelöst werden können, solange nicht Deutschland endgültig unter eigener Verantwortlichkeit ohne ausländische Überwachung und ohne Transfer- [354] schutz die Vollbringung dieser Aufgabe auferlegt wird". Und dann noch einmal in dem Junibericht 1928 mit noch stärkerem Nachdruck die Mahnung, daß gegenüber der nur provisorischen Lösung, die der Dawesplan bedeutete, das Grundproblem, die endgültige Festsetzung der deutschen Reparationsverpflichtungen, noch ungelöst ausstehe. Im Entscheidenden bedeutete diese Forderung offenbar: endgültige Festsetzung der Höhe der deutschen Jahresleistungen; Festsetzung der Zahl der Jahre, in denen sie geleistet werden sollen; Festsetzung der Kapitalsumme der danach auf Deutschland lastenden Gesamtschuld, zu errechnen durch Kapitalisierung der Jahreszahlungen zu einem ebenfalls durch Vereinbarung festzusetzenden Zinsfuß; endlich Ausgabe einer Anleihe (oder mehrerer Anleihen) zum Zwecke der Kommerzialisierung, der Mobilisierung, der Privatisierung dieser Gesamtschuld und damit Beseitigung des Transferschutzes, Ausschluß künftiger Anträge auf Zahlungsnachlaß oder Zahlungsaufschub.

Neben diesen wirtschaftlichen waren es aber auch politische Erwägungen, die zur Einberufung der neuen Reparationskonferenz führten: Die deutsche Forderung nach restloser Räumung des Rheinlandes, die formell auf der Septembertagung des Völkerbundrates im vergangenen Jahre durch den Reichskanzler gefordert wurde mit der Begründung, daß Deutschland die ihm obliegenden Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrage restlos erfüllt und daher nach Artikel 431 einen Rechtsanspruch auf die Räumung habe. Dieser deutschen These haben die Alliierten widersprochen, indem sie auf die provisorische Natur des Dawesplanes hinwiesen und daraus die Folgerung zogen, daß - abgesehen von der Räumung durch Fristablauf - von einer vorzeitigen Räumung erst die Rede sein könne, wenn die deutschen Reparationsverpflichtungen endgültig geregelt sind. Die deutsche Politik hat stets abgelehnt, anzuerkennen, daß Deutschland seine sämtlichen Vertragspflichten nicht erfüllt habe. Beiden Auffassungen trug das Genfer Communiqué vom 16. September in seinen beiden ersten Punkten Rechnung, die von Einsetzung von Kommissionen sprachen:

  1. über die Eröffnung einer offiziellen Verhandlung über die vom Reichskanzler vorgebrachte Forderung nach alsbaldiger Rheinlandräumung;
  2. über die Notwendigkeit, das Reparationsproblem vollständig und endgültig zu regeln und zu diesem Zweck eine Kommission von Finanzsachverständigen der sechs Regierungen einzusetzen.

Punkt 2 bedeutete nichts anderes als offizielle Wiederaufrollung der Reparationsfrage nach dem Zustandekommen des Dawesplanes. Nach diesem Genfer Beschluß setzten umfangreiche internationale Besprechungen zwischen dem Generalagenten für Reparationszah- [355] lungen, der deutschen und den alliierten Regierungen ein, um das Terrain zu sondieren, die vorbereitenden Schritte zur offiziellen Auftragserteilung an die neue Reparationskonferenz einzuleiten. Diese erfolgte am 22. Dezember 1928. Der Auftrag, der der Sachverständigenkommission gegeben wurde, lautete wie folgt:

      "Die deutsche, die belgische, die französische, die großbritannische, die italienische und die japanische Regierung haben in Verfolg des Genfer Beschlusses vom 16. Sept. 1928, in dem die Einsetzung eines Ausschusses von unabhängigen Finanzsachverständigen vereinbart worden ist, beschlossen, dem Ausschusse den Auftrag zu erteilen, Vorschläge für eine vollständige und endgültige Regelung des Reparationsproblems auszuarbeiten. Die Vorschläge sollen eine Regelung der Verbindlichkeiten umfassen, die sich aus den zwischen Deutschland und den Gläubigermächten bestehenden Abkommen ergeben. Der Ausschuß wird seinen Bericht den an den Genfer Beschluß beteiligten Regierungen sowie der Reparationskommission erstatten."

Über das Ergebnis der Verhandlungen im ganzen gibt nachfolgende, von den beteiligten Mächten vereinbarte Veröffentlichung Aufschluß.

      "Die Regierung der sechs Mächte haben in Verfolg der Besprechungen, die über die Einsetzung des Sachverständigenausschusses geführt worden sind, beschlossen, das folgende Communiqué zu veröffentlichen:
      Herr Raymond Poincaré, Präsident des Ministerrates, und Herr von Hoesch, deutscher Botschafter in Paris, haben die Frage der Einsetzung des Sachverständigenausschusses, wie er in dem Genfer Beschlusse vom 16. September 1928 über die Regelung des Reparationsproblemes vorgesehen ist, geprüft und sind hierbei über folgendes übereingekommen:
      1. Es ist im allseitigen Interesse außerordentlich wünschenswert, daß sich außer den Sachverständigen, die von jeder der an dem vorerwähnten Genfer Beschlusse beteiligten sechs Regierungen zu bestimmen sind, auch Staatsangehörige der Vereinigten Staaten an den Arbeiten des Sachverständigenausschusses beteiligen.
      2. Der Ausschuß soll nach dem Vorgange des im November 1923 eingesetzten ersten Sachverständigenausschusses aus unabhängigen Sachverständigen bestehen, die internationales Ansehen und Autorität in ihrem eigenen Lande genießen und die an keinerlei Instruktionen ihrer Regierungen gebunden sind. Die Zahl der Mitglieder soll zwei für jedes Land betragen. Es besteht jedoch Einvernehmen darüber, daß die Sachverständigen Ersatzmänner hinzuziehen können.
      3. Der Ausschuß wird sobald wie möglich zusammentreten, und zwar vorläufig in Paris. Die endgültige Entscheidung über die Wahl des Tagungsortes bleibt dem Ausschusse vorbehalten.
      4. Der Ausschuß wird von den sechs Regierungen, entsprechend der vorerwähnten Genfer Vereinbarung vom 16. September 1928, den Auftrag erhalten, Vorschläge für vollständige und endgültige Regelung des Reparationsproblems auszuarbeiten. Diese Vorschläge sollen die Regelung derjenigen Ver- [356] pflichtungen umfassen, die sich aus den zwischen Deutschland und den Gläubigermächten bestehenden Verträgen und Abkommen ergeben. Der Ausschuß wird seinen Bericht den am Genfer Beschlusse beteiligten Regierungen sowie der Reparationskommission erstatten.
      5. Was die Ernennung der Sachverständigen betrifft, so soll in folgender Weise verfahren werden: Die Sachverständigen der am Genfer Beschlusse beteiligten Gläubigermächte werden von den Regierungen dieser Mächte bestimmt und nach dem Belieben dieser Regierungen entweder von ihnen selbst oder von der Reparationskommission ernannt. Die Sachverständigen Deutschlands werden von der deutschen Regierung ernannt. Die sechs beteiligten Regierungen werden in geeigneter Weise feststellen, wie die Beteiligung der amerikanischen Sachverständigen am zweckmäßigsten sichergestellt wird."

Seitens der deutschen Regierung und seitens der Reparationskommission wurden nun folgende Sachverständige zu Mitgliedern der Kommission ernannt:

Für Deutschland: Dr. Schacht und Dr. Vögler;
für Frankreich: Moreau und Parmentier;
für Großbritannien: Stamp und Lord Revelstoke;
für Italien: Pirelli und Sovitsh;
für Belgien: Franqui und Gutt;
für Japan: Kengo Mori und Takashi Aoki.

Nach längeren Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung erfolgte dann etwas später die offizielle Ernennung der Herren Owen D. Young und John Pierpont Morgan zu amerikanischen Delegierten, von denen der erstere in der Eröffnungssitzung am 11. Februar einstimmig zum Vorsitzenden der Konferenz gewählt wurde.


Am 11. Februar traten die Sachverständigen in Paris zusammen. Die Verhandlungen der ersten Wochen liefen ohne größere Hemmungen. Die deutschen Delegierten legten die tatsächliche wirtschaftliche Lage dar, sie stützten ihre Ausführungen durch umfangreiches, sorgfältig gesammeltes Material. Die Prüfung der deutschen Leistungsfähigkeit, die eigentliche Grundlage der ganzen Konferenz, verlief programmgemäß. Auch der Arbeitsplan war so geregelt, daß an den Beginn die technischen Zubehörteile des Reparationsproblems, die Reparationsmechanik, gesetzt war. Unterausschüsse, die wieder untereinander in verschiedener Intensität verbunden sind, wurden zur Beratung komplizierter Einzelfragen geschaffen. Eine unermüdliche analysierende und konstruierende Tätigkeit setzte ein. Schließlich trat zunächst der amerikanische Plan in den Vordergrund, die den bisher bestehenden Organisationen und Kontrollinstanzen, die der Friedensvertrag und der Dawesplan geschaffen und die naturgemäß bei einer Endregelung wegfallen müssen, [357] obliegenden Aufgaben in einer zu errichtenden "Bank für internationale Zahlungen" zusammenzufassen. Diese Behandlung des Problems, über Fragen zweiter und dritter Ordnung sich an die Kernpunkte heranzuarbeiten, hatte zweifellos seine Vorteile. Soweit liefen die Verhandlungen ohne Reibungen ab. Bis der Kampf um die Ziffern, um die Forderungshöhe und Zahlungsweise begann. Hier setzte denn auch die erste Krise bald ein.

Es ergab sich gleich, daß die Reparationsgläubiger von ihrem verhängnisvollen System der Addition noch nicht abkommen konnten. Man hatte sich darauf beschränkt, die Ansprüche der einzelnen Gläubiger zu ermitteln und zusammenzuzählen, ohne sich über die Leistungsfähigkeit des Schuldners Gedanken zu machen. Wer erwartet hatte - und man hätte es eigentlich voraussetzen müssen - daß die einzelnen Delegationen die Forderungen ihrer Regierungen vor der Konferenz auf das äußerste Minimum herabgedrückt hätten, um eine Einigung zu ermöglichen, wurde bitter enttäuscht. Jeder Gläubiger erwartete, oder gab es wenigstens vor, mehr zu erhalten als unter dem Dawesplan. So ergab sich denn die merkwürdige Folge, daß das nächste Stadium der Verhandlungen noch nicht eine Verständigung zwischen Gläubigern und Schuldner über die künftige Höhe der Schuld war, sondern die Bemühungen der Gläubiger, durch Verständigung untereinander zu einer Gesamtforderung zu gelangen, die ihrerseits nun erst den Ausgangspunkt für die dann möglichen Verhandlungen mit dem Schuldner darstellte. Hierbei zeigt sich nun die Zwiespältigkeit im Willen der Sachverständigen. Sie waren zwar zusammengetreten, um das Reparationsproblem "endgültig und dauernd nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten" zu lösen, fühlten sich aber dann durch die Forderungen der vertretenen Mächte bald beengt und durch die Zweifel, ob eine allzu weit abweichende Regelung Aussicht auf Annahme habe. Am schärfsten standen sich die französische und deutsche Auffassung gegenüber. Erstere war nach wie vor dieselbe, wie sie Poincaré in seinen Reden in Chambéry, Caen und zuletzt am 22. April in Bar le Duc festgelegt hatte: Ersatz der Kriegsschulden und indemnité nette pour les réparations. Die Frage der Leistungsfähigkeit berührt ihn nicht; im Gegenteil erwartet er aus der "demnächstigen Anwendung des Wohlstandsindex eine beträchtliche Erhöhung der Jahreszahlungen" aus dem Dawesplan, auf den er sich beim Scheitern der Konferenz zurückziehen will. Auch England verlangte neuerdings über den Ersatz seiner Schulden an Amerika hinaus noch eine Summe für seine Dominions sowie Erstattung eines aus seinen vor dem Dawesplan getätigten Schuldenzahlungen an Amerika noch ungedeckten Defizits, alles in allem 3,8 Milliarden Goldmark. Italien will noch eine Schadloshaltung für die Ausfälle seiner Forderungen an Österreich, Ungarn und Bulgarien. [358] Und Belgien fordert Ersatz für die während der Kriegszeit von Deutschland im Okkupationsgebiet ausgegebenen Marknoten, trotzdem am 20. Dezember vorigen Jahres der belgische Außenminister Hymans im Hinblick auf die kommende Reparationskonferenz in der belgischen Kammer erklärte, diese Markschulden würden nicht Gegenstand der Reparationsverhandlungen, sondern unmittelbarer Verhandlungen zwischen Deutschland und Belgien sein. Man sieht, die Gläubiger traten plötzlich mit einer Reihe von Ansprüchen hervor, die mit den deutschen Reparationsverpflichtungen nichts zu tun haben. Aber auch den amerikanischen Sachverständigen waren in eventuellen Erwägungen über Nachlässe an den interalliierten Schulden oder an den amerikanischen Besatzungskosten durch die bisherige streng ablehnende Haltung ihrer Regierung die Hände gebunden. Dadurch wurde in die ganze Zahlendiskussion ein starrer Faktor eingesetzt.

Angesichts dieser Spannung zwischen den Gläubigerforderungen und der deutschen Zahlungsfähigkeit wurde zunächst von keiner Seite ein Zahlungsplan zur Erörterung gestellt, bis endlich am 28. März der amerikanische Vorsitzende der Konferenz, Owen D. Young, sich entschloß, einen Kompromißvorschlag einzubringen, der von Deutschland forderte: Ersatz der Beträge, die die Alliierten für die Bezahlung ihrer Schulden an Amerika brauchen, d. h. die Zahlung von 900 Millionen Goldmark im ersten Jahr ansteigend bis 1,7 Milliarden bis zum Ende des 58. Jahres; Zahlung von 40 Milliarden Papierfranken an Frankreich als Reparation und Wiederaufbaukosten, Zahlung von 75 Millionen Goldmark Jahresdurchschnitt für Zinsen und Tilgungsdienst der Dawesanleihe; Zahlung von 1,4 Milliarden Goldmark an amerikanischen Besatzungskosten in Jahresraten zu je 55 Millionen; Zahlung von 50 Millionen Goldmark für die sogenannten mixed claims (bisher unberücksichtigt gebliebene Restitutions- usw. Forderungen) der Amerikaner. Dagegen sollte England seine Forderung von 3,8 Milliarden fallen lassen. Die weitergehenden Ansprüche Italiens und Belgiens sollten in direkten Verhandlungen zwischen den Delegierten geregelt werden. Der Vorschlag wurde von den Alliierten verworfen.

Am 8. April legte Young einen zweiten Plan vor, der aber nur den ersten wirtschaftlich und politisch begründete und namentlich darlegte, daß man auf die deutsche Zahlungsfähigkeit Rücksicht nehmen müsse.

Nun traten am 13. April die Alliierten mit einem Memorandum hervor, dessen Zahlungsplan für eine Dauer von 37 Jahren als Minimalbeträge Jahresleistungen von 1800 Millionen Goldmark forderte, die im Laufe von wenigen Jahren auf etwa 2,4 Milliarden steigen sollten, was einem Jahresdurchschnitt von 2198 Millionen entspricht. Nach Ablauf der 37 Jahre sollten dann für weitere [359] 21 Jahre zur Deckung der interalliierten Schulden jährlich 1,7 Milliarden bezahlt werden. Zu diesen Beträgen sollten noch die belgischen Markforderungen, Zinsen und Tilgung der Dawesanleihe, die amerikanischen Besatzungskosten hinzutreten, wodurch die durchschnittliche Jahresleistung auf etwa 2,2 Milliarden Goldmark stieg.

Nun überreichte am 17. April die deutsche Delegation ihr Angebot. Dieses zerfällt in zwei Teile. Der erste Teil handelt von den allgemeinen Voraussetzungen und Vorbedingungen, unter denen die Reparationszahlungen geleistet werden können.

      "Bei der Regelung der Reparationszahlungen sollten die folgenden Grundsätze angewandt werden: Es muß versucht werden, alle Ansprüche der Gläubiger bis zu einer vernünftigen Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit zu erfüllen. Bei der Bemessung der deutschen Leistungsfähigkeit sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die der amerikanische Staatssekretär Mellon für die Schuldenverhandlungen mit den alliierten Regierungen aufstellte und in denen er feststellte, daß Einkommen und Lebensstandard der beteiligten Völker berücksichtigt werden müßten und daß die Länder bei Außerachtlassung dieser Grundsätze berechtigt seien würden, jedes Abkommen zu verweigern. Die deutsche Gruppe hat sich bemüht, diese Grundsätze anzuwenden unter Berücksichtigung der jetzigen Verhältnisse und der künftigen Entwicklung.
      Der Dawes-Plan stellte einen Versuch dar, im Wege der Erfahrung ausfindig zu machen, wieviel Deutschland zahlen kann. Gleichzeitig sollte er den Abschluß eines endgültigen Abkommens erleichtern, wenn die Verhältnisse dies erlaubten. In dem Plan ist erklärt worden, daß Zahlungen nur aus dem Überschuß wirtschaftlicher Arbeitsleistungen durchgeführt werden und durch Experten finanziert werden können. Der Dawes-Plan sieht also vor, daß Zahlungen nicht aus dem dauernden Verkauf von Substanz und die Transferierungen nicht auf die Dauer aus Anleihen erfolgen sollen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß zur Durchführung sehr große Teile der deutschen Substanz an das Ausland verkauft werden mußten, und daß die Transferierung nur durch diese Umstände und durch Zustrom von fremden Krediten ermöglicht worden ist. Die deutsche Zahlungsbilanz ist in den Jahren 1924 bis 1928 mit 16½ Milliarden passiv geblieben, wovon 10 Milliarden auf die passive Handelsbilanz entfallen. In der gleichen Zeit sind 15 Milliarden Mark lang- und kurzfristige Kredite nach Deutschland gegangen. Ein großer Teil deutscher Schuldverschreibungen und Aktien ist von Ausländern erworben worden. Die deutsche Landwirtschaft arbeitet seit Jahren mit Verlust, und die Durchschnittsrentabilität der deutschen Industrie ist sehr niedrig. Hinzu kommt die Arbeitslosigkeit (zur Zeit 2,5 Millionen), die zu einer Gefahr geworden ist. Es ist unter diesen Umständen nur eine Frage der Zeit, wann die Schutzmaßnahmen des Dawes-Plans (Einstellung des Transfers und Ansammlung von Markbeträgen bis zur Höhe von 5 Milliarden) in Kraft gesetzt werden müssen. Wenn wir trotz dieser Erfahrungen versuchen, aus dem Zustand der Unsicherheit in einen Zustand der Sicherheit zu kommen, so sind wir uns klar darüber, daß damit ein Risiko übernommen wird. Wir sind bereit, dieses Risiko auf uns zu nehmen, wenn gewisse Schutzmaßnahmen angewandt werden. Die Übernahme des Risikos erfordert eine geordnete Gesetzgebung und Verwaltung in Deutschland, den Fortfall der noch bestehenden [360] fremden Kontrollmaßnahmen und der Behinderungen, die zur Zeit noch für die deutsche Finanzgebarung bestehen.
      Muß aber Deutschland zur Erfüllung der im neuen Plan festzulegenden Verpflichtungen ein Höchstmaß von Energie anwenden, so ist es nötig, daß ihm dazu in stärkerem Maße als bisher die erforderlichen wirtschaftlichen Grundlagen gegeben werden. Deutschland ist in größerem Umfange als irgendein anderes Land gezwungen, zur Aufrechterhaltung und Entwicklung seiner industriellen Produktion Rohstoffe aus dem Auslande einzuführen. Infolge des Krieges ist Deutschlands innere Rohstoffbasis wesentlich eingeschränkt worden, und es ist ihm die Möglichkeit, eigene überseeische Rohstoffgebiete zu erschließen, genommen worden.
      Diese Verluste wirken sich in einer ungewöhnlich starken Belastung der deutschen Handels- und Zahlungsbilanz aus. Wenn aber Deutschland die in diesem Plan festgelegten Zahlungsverpflichtungen ohne eine immer mehr zunehmende neue Verschuldung an das Ausland erfüllen soll, so muß Deutschland Gelegenheit gegeben werden, sich wieder eine eigene überseeische Rohstoffbasis zu schaffen, die es mit eigenen Produktionsmitteln, mit eigener Währung und eigenem Unternehmen entwickeln und ausbauen kann.
      Bezüglich der deutschen Lebensmittelversorgung ist besonders wichtig, daß die Einfuhr von Lebensmitteln verringert und teilweise durch eigene Erzeugung ersetzt wird. Dabei kann man nicht vorübergehen an der Tatsache, daß wichtige landwirtschaftliche Überschußgebiete im Osten Deutschlands durch Abtretung verlorengegangen sind und daß ein größeres, fast ausschließlich der landwirtschaftlichen Erzeugung dienendes Gebiet vom übrigen Teil des Reiches abgeschnürt ist. Infolgedessen geht der wirtschaftliche Wohlstand dieses Gebietsteiles fortgesetzt zurück, und die Reichsregierung muß ihm fortgesetzt Unterstützungen gewähren. Es sollten daher geeignete Maßnahmen vereinbart werden, um diese abträglichen Bedingungen, welche Deutschlands Zahlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, zu beseitigen.
      Ferner sollte die Frage geprüft werden, in welchem Umfange durch eine Steigerung der deutschen Warenausfuhr die deutsche Zahlungsbilanz verbessert werden könnte. Die Tendenz zu einer weiteren Entwicklung des Welthandels und zu einer Erleichterung der internationalen Warenbewegung ist auf immer schwerere Hindernisse gestoßen. Die Zahlungsfähigkeit Deutschlands hängt nicht allein von seiner Warenproduktion, sondern auch von der Bereitwilligkeit der anderen Länder ab, solche Waren aufzunehmen. Es ist nicht Aufgabe des Ausschusses, die handelspolitischen Beziehungen zwischen den einzelnen Nationen zu kritisieren. Er sollte aber feststellen, daß man nicht Zahlungen von einem industriellen Exportlande erwarten kann, wenn man ihm nicht die Möglichkeit gibt, seine Waren auf ausländischen Märkten zu verkaufen, und daß infolgedessen das hier vorliegende Mißverhältnis bei der Bemessung der Höhe der von Deutschland zu erwartenden Zahlungen mitsprechen muß."

Der zweite Teil des deutschen Memorandums enthält nun den eigentlichen Zahlungsplan.

      "Dieser sieht eine feste, auf die Dauer von 37 Jahren zu zahlende unveränderliche Annuität in Höhe von 1650 Millionen Mark vor. Veränderlich gestaltet sind dagegen die Modalitäten und Bedingungen für den Transferschutz und die Aufbringungsmöglichkeiten.
[361]     Die deutsche Delegation unterscheidet hier klipp und klar zwischen zwei Möglichkeiten, und sie hat für beide gesonderte Zahlungspläne aufgestellt.
      Der erste würde zu gelten haben für den Fall, daß die in dem ersten Teil des Memorandums gegebenen Einrichtungen für den Ausbau und die Erhöhung der deutschen Zahlungsfähigkeit von dem Komitee in seiner Gesamtheit akzeptiert würden. In diesem Falle glaubt die deutsche Delegation, für einen Teil der künftigen Annuitäten in Höhe von 450 Millionen Mark auf den Transferschutz verzichten zu können.
      Der zweite Teil der Annuität, der mit 225 Millionen beginnt, in den nächsten zehn Jahren auf 600 Millionen ansteigt und vom 11. Jahre ab auf diesem Betrag verbleibt, soll dem in den früheren Besprechungen des Sachverständigen-Ausschusses in Aussicht genommenen Transferschutz unterliegen.
      Für den 3. Teil der Annuität, der genau die gleiche Stellung erhalten soll, wie der zweite, soll außer dem Transferschutz auch ein 2jähriges Aufbringungsmoratorium geschaffen werden in der gleichen Weise, wie es in dem alliierten Schuldenabkommen mit Amerika enthalten ist.
      Der vierte Teil der Annuität, der mit 750 Millionen beginnt, in zehn Jahren bis auf 200 Millionen herabsteigt und vom elften Jahr völlig in Wegfall kommen würde, soll aus Sachleistungen bestehen und ebenfalls ungeschützt sein.
      Falls die von der deutschen Delegation im ersten Teil des Memorandums empfohlenen wirtschaftlichen Richtlinien abgelehnt werden sollten, würde Deutschland sich auf einen zweiten Zahlungsplan zurückziehen müssen, der zwar Annuitäten in gleicher Höhe vorsieht, aber nur die Sachlieferungen ungeschützt läßt.
      Für den Rest der Annuität wird zur Hälfte der einfache Transferschutz, zur anderen Hälfte Transferschutz plus Aufbringungsmoratorium gefordert. Da auch in diesem Falle die Sachlieferungen auf Grund der bereits früher getroffenen Vereinbarungen mit 750 Millionen beginnen, um nach zehn Jahren mit 200 Millionen zu enden, würden die beiden geschützten Teile mit je 450 Millionen beginnen und im elften Jahre mit 825 Millionen ihren Beharrungszustand erreichen.
      Der Transferschutz ist so gedacht, daß im Falle von Überweisungsschwierigkeiten Deutschland weiter zahlt und die so auflaufenden Beträge zugunsten der Gläubiger zinsbringend angelegt werden sollen. Das Aufbringungsmoratorium sieht eine Aussetzung der Zahlungen bis auf die Dauer von zwei Jahren vor.
      Diese sind jedoch später und eventuell auch nach Ablauf von 37 Jahren nachzuleisten. Offengelassen ist ferner die Möglichkeit einer Umwandlung geschützter in ungeschützte Annuitätenteile nach Maßgabe der dafür von der Gegenseite gebotenen Kompensationen."

Der Schluß des Memorandums enthält schließlich noch folgende Ausführungen :

      "Unter dem Dawes-Plan steht die Gesamtverpflichtung Deutschlands nicht fest, der Umfang und die Dauer der deutschen Zahlungen sind ungewiß. Bei der Einstellung des Transfers brauchen die deutschen Zahlungen nur bis zu einem Gesamtbetrag von 5 Milliarden weiter geleistet zu werden. Unsere Anregung sieht statt dessen vor, daß Deutschland unter allen Umständen 37 Jahre lang zahlen muß, und zwar auch bei Eintritt des Transferschutzes oder bei Inkrafttreten des Aufbringungsschutzes nach Ablauf der 37 Jahre die restlichen Beträge nachzuzahlen hat.
      In früheren Besprechungen war die Konferenz sich grundsätzlich darüber einig geworden, daß ein Anreiz geboten werden müsse, die gebundenen Annuitäten in freie Annuitäten umzuwandeln. Die deutsche Gruppe stimmte [362] dieser Anregung zu. Beide Vorschlagsreihen sehen Zahlungen durch 37 Jahre hindurch vor. Dem Wortlaut und Sinn des Versailler Friedensvertrages entspricht es, daß nur eine Generation mit der Abzahlung der Schulden belastet werden soll. Seit dem Kriegsende sind zehn Jahre verflossen. Deutschland hat außer den 6½ Milliarden im Rahmen des Dawes-Planes weitere rund 40 Milliarden in bar und in Sachlieferungen geleistet. Wenn trotzdem ein Zahlungszeitraum von 37 weiteren Jahren vorgeschlagen wird, so gehen wir damit über die Bestimmungen des Friedensvertrages und des Dawes-Planes hinaus, und eine weitere Belastung kann nicht in Betracht gezogen werden.
      Was die interalliierten Schulden betrifft, die über den Zeitraum von 37 Jahren hinausgehen, so muß für sie eine Vorsorge durch die Gewinne getroffen werden, die die geplante Reparationsbank erzielen würde. Wir setzen voraus, daß die Beträge, die die Reparationskommission von den an dieser Regelung nicht beteiligten Ländern erhält, für den gleichen Zweck verwendet werden.
      Für den Fall, daß aus einer Änderung der interalliierten Schuldenverträge sich während des Zeitraumes von 37 Jahren eine Reduktion ergeben sollte, soll diese in voller Höhe Deutschland zugute kommen. Mit der Annahme des deutschen Planes würden sämtliche Verpflichtungen Deutschlands an die alliierten und assoziierten Mächte abgegolten werden."

Der deutsche Vorschlag verfiel der Ablehnung. Owen Young brachte nun einen dritten Kompromißvorschlag ein, indem er die durchschnittliche Jahresleistung auf 2105 Millionen Goldmark festsetzte d. h. 118 Millionen weniger gegenüber den alliierten Forderungen. Er wurde von der deutschen Delegation sofort verworfen. Die Gefahr des Scheiterns der Konferenz rückte in allernächste Nähe. Nicht, wie die alliierte Presse zu verbreiten suchte, als Folge angeblicher deutscher politischer Revisionsforderungen des Versailler Vertrages, sondern als Folge der enormen Zahlungsdifferenzen.

In letzter Stunde machte Young noch einen vierten Vorschlag zu dem der englische Delegationsführer Stamp die Anregung gegeben hatte und dessen Einzelheiten wie folgt aussehen:

Die 37 Jahreszahlungen beginnen mit 1675 Millionen Mark und steigen um 25 Millionen pro Jahr. Während der ersten zehn Jahre ergibt dies eine Durchschnittsannuität von 1787 Millionen Mark. Hierzu treten die Lasten aus der Dawesanleihe mit einem Jahresdurchschnitt von 75 Millionen sowie die amerikanischen Besatzungskosten. Die Durchschnittsannuität, auf die 37 Jahre bezogen, beläuft sich also auf etwa 2050 Millionen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes besteht dann noch die Zahlung, vom 38. bis 58. Jahre die alliierten Kriegsschulden zu garantieren, deren Betrag in Höhe von 1700 Millionen Mark jährlich durch erwartete Gewinne aus der Reparationsbank aufgebracht werden sollen.

Der Entschluß der deutschen Delegation, diesem Plan zuzustimmen und damit den Wünschen der Gläubiger in weitem Umfang entgegenzukommen, mag neben Erwägungen politischer Zweckmäßigkeit [363] der Überlegung entsprungen sein, daß er wenigstens während der ersten zehn Jahre Deutschland im Vergleich zum Dawesplan eine fühlbare Entlastung bringt. Rein ökonomisch betrachtet sind nach Ansicht des zurückgetretenen Deutschen Delegierten Dr. Vögler diese Ziffern von Deutschland kaum zu verantworten, sie können auch nur unterschrieben werden, wenn ein Schutz eingefügt wird, der Sicherung für den Fall bietet, daß sich die Skala als überbaut erweist. Deutschland muß auf eine volle Rückversicherung bedacht sein, indem es darauf drängt, daß bereits heute schon die technischen Grundlagen für den Fall festgelegt werden, daß die Konzessionen, die man politischen Erwägungen macht, in späteren Jahren von der Wirtschaft nicht getragen werden können.

Die deutsche Delegation mußte also darauf bedacht sein, in dem Maße, in dem sie sich aus politischen Opportunitätsgründen von der Basis der zweifellosen und schließlich auch von der Basis der wahrscheinlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands entfernte, um sich den Forderungen der Gläubiger anzunähern, dem Unsicherheitsfaktor im Sachverständigengutachten Anerkenntnis zu verschaffen. Dem sollten die sogenannten deutschen Vorbehalte dienen. Als Garantie, daß die willkürliche Einschätzung der deutschen Reparationspflicht keine verhängnisvollen Folgen zeitigen kann, sollte das Moratorium für den Transfer, das Moratorium für die Aufbringung und schließlich die Sicherheits- und Revisionsklausel dienen. Nach letzterer sollte das beratende Komite der Reparationsbank das Recht haben, den Regierungen die Überprüfung der deutschen Leistungsfähigkeit und eventuell die Revision des Young-Planes zu empfehlen. Weitere Vorbehalte, von deren Annahme die deutsche Delegation ihre Zustimmung zum Young-Plan abhängig machte, waren ferner die sogenannte politische Klausel, die feststellt, daß die in Aussicht genommene Regelung der Reparationsfrage nicht nur nach rein wirtschaftlichen, sondern auch nach politischen Gesichtspunkten erfolgt; die sogenannte Klausel der gemeinschaftlichen Verantwortung, die besagt, daß die Durchführung des neuen Planes nur durch die Zusammenarbeit aller im Gefühl gemeinsamer Verantwortlichkeit durchgeführt werden kann und daß die andere Seite sich verpflichtet fühlen muß, Deutschland in wirtschaftlicher und politischer Beziehung jede Erleichterung und Hilfe zu gewähren; die Bestimmung, daß durch den neuen Plan alle bisher getroffenen Abkommen über deutsche Zahlungsverpflichtungen als abgegolten zu gelten haben, worin nach der deutschen Ansicht auch die belgische Forderung auf Rückerstattung der ausgegebenen Markbanknoten inbegriffen ist; die Bestimmung, daß sämtliche Diskriminierungen von deutschen Firmen auf wirtschaftlichem, politischem und persönlichem Gebiete [364] und auf dem Gebiete des persönlichen Rechtsschutzes, wie sie der Versailler Vertrag vorgesehen hat, in Fortfall kommen; die Einstellung aller Liquidationen von Privateigentum auf Grund des Versailler Vertrages und die Ausschüttung aller Liquidationserlöse, die Aufhebung der Reparation Recovery Acts; die Forderung, irgendwelche aus der Kommerzialisierung der deutschen Zahlungen herrührende Reparationsanleihe zu einem günstigeren Kurse vorzeitig zurückzuerwerben; die Verwendung der Reparationsbankgewinne für die Deckung der letzten 21 Annuitäten, sowie Verrechnung der eventuellen Einnahmen der Alliierten aus den Friedensvertragsschulden der österreich-ungarischen Nachfolgestaaten auf die deutschen Reparationszahlungen, die für die Deckung der interalliierten Schulden bestimmt sind und endlich die völlige Freistellung der deutschen Reichsbahn.

Fast ebenso wichtig wie das Aufbringungsmoratorium für die Annahme des Young-Planes ist die Frage des ohne jede Schutzbestimmung zu zahlenden Teiles der deutschen Annuität. Der Young-Plan hatte eine Anfangssumme von 750 Millionen vorgesehen, die langsam zunehmen und im 29. Jahre mit einer vollen Milliarde ihren Höhepunkt erreichen sollte. Deutscherseits wird in den Vorbehalten ein gleichbleibender Betrag von 660 Millionen vorgesehen

Da der Young-Plan die zusätzlichen Reparationsforderungen der Alliierten um insgesamt 3 Milliarden beschnitt, waren diese nun vor die Frage einer neuen Verteilung gestellt.

In dem Memorandum, das sie am 22. Mai überreichten, nahmen die Gläubiger die Durchschnittsannuität von 2050 Millionen zur Deckung der Wiederaufbaukosten und der Schulden während der 37 ersten Jahre an, unter der Voraussetzung, daß

  1. den belgischen Forderungen von jährlich 25 Millionen Mark Genüge geleistet wird,
  2. die Zahlungen während der letzten 21 Jahre dazu dienen sollen, die interalliierten Schulden zu decken,
  3. unabhängig von den Zahlungen zur Gründung der geplanten Bank diejenigen Länder, denen die Bank Dienste erweisen wird, sich verpflichten, Zusatzzahlungen in Form von besonderen Beiträgen zu leisten,
  4. sowohl den Vorbehalten der Verbündeten als auch den umgeänderten deutschen Vorbehalten Rechnung getragen wird.

Um nun trotzdem die Sonderansprüche Englands, Italiens, Belgiens zu befriedigen, die durch den Youngschen Verteilungsschlüssel unter den Tisch gefallen waren, und mit den Kosten des Verteilungsstreites ausschließlich das damit ganz unbeteiligte Deutschland zu [365] belasten und eine deutsche Mehrleistung herbeizuführen, ohne nominell von der Youngschen Durchschnittsannuität abzugehen, sind die Gläubiger auf folgenden Ausweg gefallen. Sie wollen den neuen Zahlungsplan neben dem Dawesplan laufen lassen, d. h. Deutschland setzt vom 1. April bis zum 31. Dezember 1929 die Daweszahlungen fort. Die Zahlung der ersten Annuität nach dem Young-Plan beginnt am 1. Januar 1930 und es sind somit für den Rest des neuen Reparationsjahres d. h. bis zum 1. April 1930 420 Millionen, ein Viertel der ersten Jahreszahlung, zu entrichten. Deutschland bezahlt also faktisch vom 1. April 1929 bis 31. März 1930 im ganzen 1875 Millionen, drei Viertel der Dawesannuität plus 420 Millionen, insgesamt also 2295 Millionen. Da nach dem Young-Plan die erste Annuität 1675 Millionen betragen soll, ergibt sich eine Mehrbelastung von 620 Millionen, die aber weder gutgeschrieben noch als Mehrbelastung anerkannt wird. Im Gegenteil kommen die Gläubiger für dieses Jahr auf eine Minderleistung von 1255 Millionen. Die Verlängerung der Daweszahlungen hat nach ihrer Argumentation mit dem künftigen Reparationsplan nichts zu tun. Also zahlt Deutschland, vom neuen Vertrag aus gesehen, in den ersten dreiviertel Jahren nichts und hat also bis zum 1. April 1930 nicht 620 Millionen mehr, sondern 1255 weniger geleistet als es nach dem Young-Plan hätte leisten müssen. Diesen Betrag muß es also nachzahlen, d. h. mit Zinsen und Tilgung 80 Millionen Mark jährlich. Dadurch, daß dieser Steigerung der Youngschen Annuität die Ermäßigung des ersten Jahres gegenübersteht, ist es den Rechenkünsten der Gläubiger gelungen, zum Schluß wieder auf die Youngsche Durchschnittsannuität hinauszukommen. Ihr Gewinn besteht darin, daß die erste Annuität für einen Zeitraum gerechnet wird, in dem Deutschland aus dem Dawesplan weitere Verpflichtungen gleichzeitig erfüllen soll. In Wirklichkeit liegt aber eine deutsche Zusatzleistung vor, durch die die Durchschnittsannuität auf 2130 Millionen erhöht wird. Nach anderen Berechnungen soll die Mehrleistung 52,8 Millionen pro Jahr betragen. Wie dem auch sei, feststeht, daß das Memorandum der Gläubiger vom 22. Mai höhere finanzielle Forderungen stellt. Die Verteilung des Gesamtbetrages der deutschen Leistungen auf die einzelnen Annuitäten ist nicht mehr unter dem Gesichtspunkt erfolgt, sie in Anpassung an die deutsche Wirtschaftslage mit möglichst niedrigen Sätzen beginnen zu lassen und dann allmählich zu erhöhen, sondern ist ausschließlich unter den Gesichtspunkt der interalliierten Schuldenregelung gestellt worden. Dadurch ist die ursprünglich vorgesehene Erhöhung der Leistungen um regelmäßig 25 Millionen Mark im Jahr jedenfalls umgestoßen und die Skala der Jahreszahlungen durch diese Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Gläubiger völlig sprunghaft geworden. Auch in die innere Gliederung der einzelnen Annuitäten sind starke [366] Verschiebungen hineingetragen. Während nach dem deutschen Angebot ein gleichbleibender Betrag von 660 Millionen dem Transferschutz entzogen und für die Mobilisierung freigestellt werden sollte, sieht das Memorandum nach den ersten fünf Jahren eine allmähliche Erhöhung des transferungeschützten, mobilisierbaren Teiles der Annuitäten auf 960 Millionen vor, ein Betrag, der im 29. Jahre erreicht würde.

Von deutschen Vorbehalten wurden angenommen - mit einer geringfügigen Änderung - die Revisionsklausel, die politische Klausel, die Forderung der Annullierung aller deutschen Verpflichtungen aus früheren Verträgen, die Forderung auf Aufhebung der Diskriminierungen der deutschen Waren usw. und schließlich das Transfer-Moratorium.

Die Pfandbelastung der Reichsbahn wurde dahingehend abgeändert, daß man die erste Stelle freigemacht hat.

Zur Diskussion gestellt wurden die Frage des Fortganges der Liquidierung des deutschen Eigentums und der Verwendung ihrer Erlöse, die Verrechnung der Bankgewinne, die Verrechnung der Schulden der Nachfolgestaaten, die Zusatzleistungen an die geplante Bank, die Aufhebung der Reparation-Recovery-Acts.

Nicht erwähnt wurde das Aufbringungsmoratorium. Da es Deutschland gestatten soll, im Falle von Haushaltsschwierigkeiten nicht nur den Transfer, sondern auch die innere Aufbringung von etwa 700 Millionen Mark um zwei Jahre aufzuschieben, ist dies vielleicht der schwerwiegendste Punkt. Angesichts des Umstandes, daß die deutschen Zahlungsverpflichtungen nicht nach rein wirtschaftlichen Grundsätzen festgesetzt werden können, ist gerade diese Klausel von überragender Wichtigkeit und kann nicht aufgegeben werden.


Wieder stand man vor einer Krise. Erneut setzte der Druck der amerikanischen Delegation und namentlich ihres Vorsitzenden ein. Am 29. Mai endlich kam die Einigung über die Ziffern zustande. Das darüber ausgegebene amtliche Communiqué der Konferenz hat folgenden Wortlaut:

      "Die Sachverständigen der Gläubigermächte und die deutschen Sachverständigen haben sich schon seit einiger Zeit bereit erklärt, die Annuitätsziffer von 2050 Millionen Mark, wie sie vom Vorsitzenden vorgeschlagen ist, anzunehmen, obwohl bezüglich einiger Auslegungsfragen noch Meinungsverschiedenheiten bestanden. Diese Meinungsverschiedenheiten sind jetzt geklärt und eine Auslegung gefunden, die sowohl für die Gläubiger wie für Deutschland annehmbar ist, vorbehaltlich allerdings der Einigung über die ungeklärten Bedingungen, deren Entscheidung noch offen steht."

[367] Zunächst bleibt der Dawesplan bis zum 1. September 1929 in Kraft. Von da an beginnen die Zahlungen aus dem Young-Plan, dessen Beginn jedoch pro forma, um die Gleichsetzung des neuen Reparationsjahres mit dem Rechnungsjahr des deutschen Haushalts zu ermöglichen, auf den 1. April 1929 festgelegt ist. Deutschland zahlt demnach zunächst bis zum 31. August 1929 fünf Monatsraten aus dem Dawesplan - etwa 1200 Millionen Mark - und sodann vom 1. September 1929 bis 31. März 1930 aus dem Young-Plan 742,8 Millionen. Die ursprüngliche Absicht der Gläubiger, auch in den ersten fünf Monaten neben den Zahlungen aus dem Dawesplan auch diejenigen aus dem Young-Plan zu fordern, ist von ihnen fallen gelassen worden. Immerhin ist auch durch die jetzige Regelung die deutsche Belastung stärker als nach dem ursprünglichen Youngschen Zahlungsschema. Sie haben dadurch, daß die Kapitalsumme sich anstatt auf 37 volle Jahre nur auf 36 Jahre 7 Monate erstreckt, eine Erhöhung der durchschnittlichen Jahresleistung erzielt.

Die tatsächliche Belastung Deutschlands beträgt nun nach dem neuen Plan:

    Vom 1. April 1929 bis 31. März 1930
        (Zahlungen aus dem Dawesplan und dem Youngplan)  
    1942,8 Millionen
    vom 1. April 1930 bis 31. März 1931 1707,9 "
    für das Jahr 1931/32 1695 "
    für das Jahr 1932/33 1738,2 "
    für das Jahr 1933/34 1804,3 "
    für das Jahr 1934/35 1866,9 "
    für das Jahr 1935/36 1892,9 "
    für das Jahr 1936/37 1939,7 "
    für das Jahr 1937/38 1977 "
    für das Jahr 1938/39 1995,3 "
    für das Jahr 1939/40 2042,8 "
Vom elften Jahre ab wird also die Zwei-Milliarden-Grenze erreicht. Die Zahlen steigen sodann noch weiter langsam an und bleiben auf der ungefähren Höhe von 2,2 bis 2,3 Milliarden.

Die höchste Zahlung, die im vorletzten, also im 36. Jahre der Neuregelung zu erfolgen hat, beträgt 2427 Millionen Mark. Auf diese Weise konnte man für die Zeit von 36 Jahren 7 Monaten die Durchschnittshöhe der von Young vorgeschlagenen Annuität von 1988,8 Millionen Mark beibehalten. Jedoch sind die Ausgaben für den Zinsen- und Tilgungsdienst der Dawesanleihe hinzuzurechnen, so daß sich insgesamt eine Durchschnittsannuität von 2050 Millionen Mark ergibt.


Am 31. Mai wurde nun auch eine Einigung über die deutschen Vorbehalte erzielt.

[368] Die Höhe des transfer-ungeschützten Teiles, für den die Alliierten in ihrem Memorandum eine allmählige Erhöhung auf 960 Millionen Mark verlangt hatten, beträgt nunmehr unveränderlich 660 Millionen einschließlich des Zinsen- und Tilgungsdienstes für die Dawesanleihe. Für die Mobilisierung stehen also 571 Millionen zur Verfügung.

Das Aufbringungsmoratorium ist mit dem Transfermoratorium verkoppelt worden, dergestalt, daß dieses letztere, dessen Dauer sich über zwei Jahre erstrecken kann, ein Jahr in Kraft gewesen sein muß und sich als unzureichend erwiesen hat, ehe Deutschland berechtigt ist, auch die innere Aufbringung einzustellen, und zwar in Höhe der Hälfte des transfergeschützten Teiles der Jahreszahlungen. Hierzu bedarf es der Zustimmung des Advisory Board der Reparationsbank.

Im Falle des Transferschutzes würden die Beträge sich naturgemäß bei der Reichsbank ansammeln. Die Alliierten hatten ursprünglich für diese Beträge eine 25prozentige Deckung, analog der Notendeckung, verlangt. Doch ist diese Forderung wegen der deflatorischen Wirkung, die sich aus ihr ergeben müßte, von der deutschen Delegation abgelehnt worden. Daraufhin ist zugestanden worden, daß eine besondere Deckung für die angesammelten Beträge nicht bereitzustellen ist. Angesammelte Beträge sind innerhalb Deutschlands zinsbringend anzulegen, wobei die Art der Anlage keiner Beschränkung unterliegt. Jedoch ist über die Art der Anlage zwischen der Internationalen Bank und der Reichsbank Einvernehmen zu erzielen, so daß das Einverständnis des Reichsbankpräsidiums zu jeder Art der zinsbringenden Anlage notwendig sein wird.

Des weiteren wurde beschlossen, daß die Transferierung der angesammelten Beträge in Form zusätzlicher Sachlieferungen erfolgen darf, sofern diese Sachlieferungen wirklich zusätzliche Exporte darstellen.

Die Reichsbahn wird von allen Belastungen frei. Nachdem sie bisher 660 Millionen als reine Abgabe und 290 Millionen als Verkehrssteuer aufzubringen hatte, zahlt sie jetzt 660 Millionen in Form einer Steuer, die durch den Haushalt hindurchläuft und auf das Konto der Internationalen Bank bei der Reichsbank einzuzahlen ist.

Mit den Eisenbahnobligationen verschwinden auch die Industrieobligationen, ebenso sämtliche Kontrolleinrichtungen mit samt dem Generalagenten für die Reparationszahlungen.

Die Liquidierungen des beschlagnahmten deutschen Eigentums werden eingestellt. Alle Fragen der Erlöse und sonstige mit den Liquidationen im Zusammenhang stehende Eigen- [369] tumsfragen bleiben direkten Verhandlungen (die aber binnen Jahresfrist beendet sein müssen) zwischen den beteiligten Regierungen überlassen. Gleichzeitig sollen damit auch die gemischten Schiedsgerichte das Ausgleichsverfahren eingestellt werden.

Den Alliierten wird ferner die Aufhebung aller noch aus den Friedensverträgen herrührenden Diskriminierungen wirtschaftlicher Natur empfohlen.

Zugestanden sind ferner die politische Klausel und die Gesellschaftsklausel.

Die Sachleistungen beginnen mit 750 Millionen Mark und fallen um jährlich 50 Millionen Mark bis auf 300 Millionen Mark, um dann überhaupt zu verschwinden. Die Recovery-Acts bleiben bestehen in Höhe von 20% der Sachleistungen und sinken mit ihnen, also von 150 Millionen auf 60 Millionen Mark. Die Sachleistungen sind in den transfergeschützten Teil einrangiert. Der transfergeschützte Teil wird also in den ersten Jahren in der Hauptsache aus Sachleistungen bestehen. Im Falle des Inkrafttretens des Transferschutzes würden diejenigen Sachleistungen eingestellt werden müssen, von denen ein ungünstiger Einfluß auf den Devisenmarkt erwartet wird. Mit dem Transferschutz werden auch die Zahlungen aus dem Recovery-Acts eingestellt werden.

Was die Frage der Deckung für die Zahlung der interalliierten Schulden in den letzten 21 Jahren betrifft, so sollen zunächst 50% des Spezialreservefonds der Internationalen Bank herangezogen werden. Zur Deckung werden ferner verwandt eventuelle Schuldennachlässe der Vereinigten Staaten. Von diesen kommen ⅔ Deutschland und ⅓ den Alliierten zugute, um auf diese Weise ihr Interesse an einer späteren Revision der Schuldenabkommen wachzuhalten. Solange noch keine genügende Deckung für die letzten 21 Jahre vorhanden ist, verpflichten sich die Alliierten ferner, ein Drittel ihrer 25% beizusteuern. Was endlich die Frage der Heranziehung der alliierten Forderungen an die Nachfolgestaaten betrifft, so sollen die Alliierten binnen Jahresfrist sich äußern, in welcher Weise sie über ihre Forderungen zu verfügen gedenken.

Die Funktionen der Internationalen Bank sind vielfältiger Art. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Kontrollapparat des Dawesplans, der künftig mitsamt dem Reparationsagenten fortfallen dürfte, abzulösen und für die Gläubiger nach Fortfall aller Pfänder das Inkasso zu bewerkstelligen. Die Bank wird weiter die Tranferierung der Markguthaben in fremde Währung vorzunehmen haben und die Eingänge unter die verschiedenen Gläubigernationen, die sämtlich bei ihr ein Konto unterhalten werden, verteilen. Sie ersetzt also in gewissem Sinne das Transferkomitee. Sie wird auch als Revisions- [370] instanz für den Pariser Plan eine unter Umständen sehr wichtige Rolle zu spielen haben und ist auch bei der Entscheidung über die Inkraftsetzung des Aufbringungsmoratoriums beteiligt. Endlich wird sie die Mobilisierung der Reparationsobligationen in die Hand nehmen. Während alle diese Funktionen mehr oder weniger treuhänderischer Natur sind, soll sie außerdem noch Gewinne erzielen, mit denen die Zahlungen an die Vereinigten Staaten vom 37. bis 58. Jahre möglichst abgedeckt werden sollen.

Die Kapitalbeschaffung der Bank ist wie folgt gedacht. Das Grundkapital soll 400 Millionen Mark betragen. Daneben werden zu ihrem Betriebsfonds folgende Einzahlungen getätigt: seitens der Alliierten zinslos 200 Millionen, über die sie in der Kasse des Reparationsagenten verfügen, ferner zinspflichtig der Betrag einer ersten ungeschützten Annuität mit 660 Millionen; seitens Deutschlands 100 Millionen, die zur Zeit als Zwischenpfand beim Kommissar für die verpfändeten Einnahmen aufgespeichert sind. Weiter ist in Aussicht genommen, daß Deutschland nach Maßgabe seiner Fähigkeit unter Umständen in Raten 3 bis 400 Millionen verzinslich einzahlt. Im übrigen wird angenommen, daß die Notenbanken gegen einen geringen Zinssatz bei der Reparationsbank Guthaben unterhalten. Da diese schließlich durch die Abwicklung der Zahlungen einige hundert Millionen dauernd zur Verfügung hat, glaubt man, daß sie über ein Betriebskapital von 1½ bis 2 Milliarden Mark verfügen und in der Lage sein wird, erhebliche Gewinne anzusammeln. 80% dieser Gewinne werden in einem außerordentlichen Reservefonds aufgefüllt, dessen eine Hälfte zur Tilgung der letzten 21 Annuitäten nutzbar gemacht werden soll.

Schließlich läßt auch die Bestimmung, wonach die deutsche Regierung zu irgendwelcher Zeit den Regierungen der Gläubigerländer und der Bank für Internationale Zahlungen erklären kann, sie sei im guten Glauben zu dem Schluß gekommen, daß die Währung und das Wirtschaftsleben Deutschlands durch den teilweisen oder vollständigen Transfer des aufschiebbaren Teils der Jahreszahlungen ernstlich in Gefahr gebracht werden könnten und wonach dann der beratende Sonderausschuß der Bank in eine gründliche Prüfung der Lage Deutschlands eintreten soll, Möglichkeiten einer Revision zu. In dieser Bestimmung ist gewissermaßen eine neue Fassung des bisher geltenden Revisionsartikels 234 des Versailler Vertrages zu erblicken.

Unentschieden ist augenblicklich noch die Frage der Ablösung der deutschen Marknoten, die seitens Belgiens erneut in die Debatte geworfen worden ist. Die Verhandlungen darüber dauern zur Zeit der Beendigung dieser Arbeit noch an.


Scriptorium merkt an:
1929, als dieser Bericht verfaßt
wurde, war "eine Bewertung
des Ergebnisses im einzelnen...
natürlich schwer"; 1934 war
dies schon einfacher, und
eine entsprechende Bewertung
finden Sie hier.
[371] Die Pariser Reparationsverhandlungen sind nach 4monatiger Dauer beendet. Ihr Ergebnis ist durch die Erwägungen politischer Zweckmäßigkeit so stark diktiert worden, daß von einer auf der Grundlage der deutschen Zahlungsfähigkeit aufgebauten Sachverständigenlösung nicht mehr gesprochen werden kann. Eine Bewertung des Ergebnisses im einzelnen ist natürlich schwer, solange der offizielle Schlußbericht nicht vorliegt. Nach den bekanntgewordenen Einzelheiten über die doppelte Einigung - Zahlungsplan und deutsche Vorbehalte - kann man aber das Gesamtergebnis ebensowenig einen Mißerfolg, eine Verschlechterung der deutschen Gesamtlage bezeichnen, als man etwa behaupten könnte, es sei befriedigend ausgefallen und habe uns aller Sorgen enthoben. Der Druck auf die deutsche Wirtschaft und die Reichsfinanzen bleibt auch nach dem Inkrafttreten des neuen Youngschen Reparationsplanes so schwer, daß ernste finanz- und wirtschaftspolitische Anstrengungen notwendig sind, um das Gleichgewicht auch nur einigermaßen zu sichern.

Will man vom deutschen Standpunkt aus die jetzige Regelung würdigen, so kann das nur durch einen Vergleich mit dem gegenwärtigen Zustande, durch ein Abwägen der Vor- und Nachteile zwischen dem Dawes- und Youngplan geschehen. Der Dawesplan verlangt jährlich 2500 Millionen Mark auf unbestimmte Zeit, dazu eine zusätzliche Zahlung, berechnet nach Merkmalen, die mit der etwaigen Zunahme des deutschen Wohlstandes sehr wenig zu tun haben. Diese Zusatzzahlung würde schon in diesem Jahre trotz des Rückganges der Wirtschaft einen sehr erheblichen Betrag ausmachen. Der neue Plan beginnt, von dem Übergangsjahr abgesehen, mit etwa 700 Millionen geringerer Jahresleistung. Die Zusatzzahlung fällt weg. Auch in der Höchstsumme nach länger als 10 Jahren bleibt die Zahlung unter 2500 Millionen und im Durchschnitt ist die Ersparnis etwa ½ Milliarde jährlich. Die bisher offene Gesamtsumme ist jetzt geschlossen, wir wissen endgültig, was wir zu zahlen haben. Der Transferschutz bleibt im wesentlichen erhalten. Frei werden nur solche Summen in nicht übermäßigem Ausmaß, die wir uns entweder direkt oder durch die Reparationsbank im Anleihewege beschaffen können. Dieses Geld ist aber keineswegs verloren, sofern es verständig und produktiv in der deutschen Wirtschaft mitarbeitet. Einen Aufbringungsschutz, den der Dawesplan nicht enthält, können wir zu unseren Gunsten buchen. Transfer- und Aufbringungsmoratorium sind allerdings miteinander verkoppelt und letzteres von der Zustimmung der Reparationsbank abhängig gemacht worden. Jedoch sind die Voraussetzungen, unter denen sie in Kraft treten können, vernünftiger als im Dawesplan, der bekanntlich erst nach Ansammlung von 5 Milliarden auf den Konten des Reparationsagenten infolge Unmöglichkeit des Transfers eine Zahlungsstundung [372] vorsah. Die lästigen und entwürdigenden Kontrollen und die das deutsche Selbstgefühl kränkenden Ermahnungen des Reparationsagenten werden wir mit diesem selbst los. Für den internationalen Verhandlungsausgleich sorgt eine von Deutschen mit kontrollierte unabhängige und private Bank, die die Stöße und Unstimmigkeiten der gegenwärtigen Regelung zu beseitigen vermag. Im übrigen vereinigt der neue Plan in gewissem Sinne die Vorteile eines Definitivums mit denjenigen eines Provisoriums, indem seine Klausel noch manchen Ansatzpunkt für eine dereinstige Revision bietet.

Man muß aber auch fragen, welche Wahrscheinlichkeiten etwa bestanden hätten für eine günstigere Gestaltung des neuen Abkommens für Deutschland. Erzwingen ließ sie sich nicht. Das Dawesexperiment fortzusetzen bis zu einer Ausblutung der deutschen Wirtschaft und zu einer wirklichen Gefahr für die Währung, hätte leicht zu sehr schweren Störungen unseres Wirtschaftslebens führen können. Zwar ist die deutsche Währung durch den Dawesplan garantiert und steht auch sonst auf festen Füßen, aber die Handhabung dieses Planes war willkürlich und die Erfahrungen der 3. April-Dekade zeigen, wie stark das Inflationsgespenst unberechtigterweise im In- und Ausland noch umgeht und wie leicht es neu heraufbeschworen werden kann. Welche Erwartungen konnte man berechtigterweise hegen, daß die Gläubiger ihre Forderungen noch erheblich senken würden. Die verpfändeten Einnahmen erbrachten und bringen dauernd mehr als die Zahlungsverpflichtungen, die Gläubiger konnten deshalb mit Ruhe zusehen, wie Deutschland sich weiter ausblutete.

Ich komme darauf zurück, was ich im Anfang erörtert habe. Die Konferenz nahm ihren Ausgang von politischen Erwägungen und von einer wichtigen deutschen Forderung. Sie hat unter dem Zeichen der Politik dank der Haltung der Gegner andauernd gestanden. Die Zurückhaltung, die die deutsche Reichsregierung geübt hat, ist von den anderen Regierungen nicht befolgt worden. Das wichtige politische Ziel, die Befreiung des Rheinlandes, wird in greifbare Nähe gerückt, und die deutsche Souveränität wird dort, soweit es der Pariser Vertrag erlaubt, ebenso wieder hergestellt, wie die wirtschaftliche durch das Verschwinden der landfremden Kontrollen aus unserem Vaterland. So schwer also die Last ist, die uns geblieben ist, so ist der politische Erfolg wohl einige Opfer wert. Und wenn unsere rheinischen Landsleute sie auch niemals von uns verlangt haben, so sind wir doch in Ehren verbunden, sie sobald zu bringen als das irgend möglich ist.

Die in Paris getroffenen Abreden sind Vorschläge, die den verschiedenen Regierungen gemacht werden. Sie haben die volle Freiheit, sie anzunehmen oder abzulehnen. Im ersteren Falle gilt es, das neue Zahlungsschema samt seinen Modalitäten in die Form internationaler [373] Verträge zu gießen, und, nicht an letzter Stelle, auch über das Ende der Besatzung im Rheinland und über das Schicksal des Saargebietes feste Abmachungen zu treffen. Dem Reichstag fällt dann, wie den Parlamenten der anderen Länder, die Aufgabe zu, das neue Vertragswerk, das an Stelle des Londoner Pakts von 1924 tritt, zu ratifizieren und die innere Gesetzgebung der neuen Ordnung anzupassen.

Der Bericht enthält einen Satz, der darauf hinweist, daß nur durch eine bereite und freundwillige Zusammenarbeit aller am Vertragswerk Beteiligten ein wirklicher Erfolg erzielt werden kann. Nur dann wird jene wirtschaftliche Beruhigung, jene bereinigte Atmosphäre eintreten können, von der politisch wie wirtschaftlich die Fortentwicklung der Welt abhängt, die den Krieg - soweit das möglich ist - liquidiert.

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Zehn Jahre Versailles
in 3 Bänden herausgegeben von
Dr. Dr. h. c. Heinrich Schnee und Dr. h. c. Hans Draeger