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Der ekle Wurm
der deutschen Zwietracht

Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944


Friedrich Lenz


12. Das Attentat vom 20. Juli 1944:
der Schuß in den eigenen - und in Deutschlands Fuß


Die Durchführung der eigentlichen Aktion des 20. Juli 1944 war - obwohl der rote General Kurt Hammerstein kurz vor seinem Tode "leidenschaftlich beschwörend" zu Herrn von Hassel gesagt hatte: "Macht nur keinen Kapp-Putsch. Sagen Sie dies Herrn Gördeler" - so miserabel organisiert, daß man nur den Kopf schütteln kann.

Man stelle sich vor: Deutschland steht im Kampf gegen die mehrfache Zahl Soldaten der Gegner, und da sagen einige Wahnsinnige: Wir schießen den obersten Staatschef tot, geben einigen Divisionen den Befehl, nach Berlin zu marschieren und dann ist alles in Ordnung. Was los ist, wenn der Staatschef nicht tot ist und die Divisionen nicht marschieren, braucht uns ja gar nicht zu kümmern, denn er muß tot sein, weil wir es wollen.

Da er aber nicht tot war, log man ihn wenigstens für einige Stunden tot, wieder ohne Rücksicht auf die simple Erkenntnis, daß auch diese Lüge nur sehr kurze Beine hatte. Und diese Clique wollte einen Adolf Hitler ablösen, der, um ihren Jargon anzuwenden, mindestens in seiner "teuflischen Schlauheit" ein Genie war. Daß er am 1. Septemeber 1939 und am Tage von Dünkirchen falsche Entscheidungen traf, geschah nämlich nicht aus politischer Kurzsicht, sondern aus dem unüberwindbaren Zwang einer kristallklaren, deutschbedingten Fernsicht heraus: mangels genügender demokratischer Freiheiten kann ich dies hier nicht näher begründen, doch wird die Zeit die Richtigkeit meiner Behauptungen beweisen. Zum Beweis für die dilettantische Organisation des Putsches führe ich zwei Schlußfolgerungen aus dem Kreise der Verschwörer selbst an:

Emil Henk schreibt in seinem Beitrag zum 20. Juli 1944: "Die Verschwörung war also auf eine sehr entscheidende Voraussetzung aufgebaut: auf Hitlers Tod. Sie hatte zu wenig damit gerechnet, daß das Attentat scheitern könnte. Sie mußte präzis vorbereitete Pläne für einen Aufstand besitzen, selbst für den Fall, daß Hitler lebte.

Sie dachte allein an das Attentat. Sie dachte an militärische Aktionen nach Hitlers Tod, aber sie dachte nicht an den Bürgerkrieg, den sie zwangsläufig entfesseln mußte, wenn der Despot auch nur schwer verwundet war. Mit beiden Marschrouten: Attentat und Bürgerkrieg, mußte man in den verhängnisvollen Tag hineinmarschieren. Die Entscheidung war sehr einfach: nur der Bürgerkrieg konnte sie notfalls und konnte Deutschland retten.

Mit anderen Worten: der Putsch stand lediglich auf militärischen Beinen. Die Massenerhebung, die nach der militärischen Aktion kommen sollte, kam nicht zur Auslösung. Das Signal, das die politische Elite zum Kampf aufrufen sollte, zum Generalstreik, zu bewaffneten Aktionen, dieses Signal blitzte nicht auf.

Es ist klar: Revolutionen werden von Eliten eingeleitet. Gleichgültig welchen. Ihre Aufgabe ist es, die alles verändernde Anfangssituation zu schaffen und den Anmarsch der Massen in den Umsturz durchzuführen.

Beides war nicht genügend vorbereitet und für beides fehlte auch die entscheidende geistige Klarheit. Es fehlte auch das taktische Vermögen. Den Bürgerkrieg hatten die Militärs nicht gewagt. Es war fast ein Zufall, daß Stauffenberg das Attentat riskieren konnte. Es gehörte ein mörderischer Mut und Eiseskälte dazu. Aber alles hing an einem einzigen Mann! Versagte er, so versagte ein weltgeschichtlicher Umsturz. Welch geschichtliches Paradoxon!"

H. B. Gisevius sagte kürzer: "Am Morgen nach dem 20. Juli - beginnt die Tragödie des 20. Juli. Denn nicht das mißglückte Attentat, nicht der gescheiterte Putsch können als Tragödie empfunden werden, dazu ist zuviel Unzulänglichkeit am Werke, zuviel Unachtsamkeit, zuviel Unentschlossenheit, zu viel blinder Glaube an blinden Gehorsam. Nichts geschieht an diesem Tage ganz. Alles bleibt im Halben stecken. Alles sehen diese Offiziere kommen, die militärische Niederlage, sogar ihre eigene Katastrophe. Sie begreifen, daß es 'so' nicht mehr weitergeht. Sie ringen sich zu dem Entschluß durch, daß sie handeln müssen. Sie nehmen einen Anlauf. Aber dann springen die einen zu kurz, die anderen legen mitten im Endspurt eine Pause ein. Wieder andere machen am Sprungbrett kehrt, und der Rest beweist hinterher schlüssig, daß man den Absprung nicht hätte wagen dürfen."

Henry Bernhard, Sekretär Stresemanns, ein unbeteiligter, aber gleichgesonnener Fachmann in 'Finis Germaniae': "Soviel steht jedenfalls fest, daß die ganze Aktion des 20. Juli 1944 mit einer geradezu seltenen Ungeschicklichkeit gestartet worden ist. Und wenn es richtig ist, daß zwischen der Planung des Ganzen und der Ausführung fast zwei Jahre liegen, dann ist das erst recht der Beweis für Mangel an Reife und kluger Umsicht... Aus der Vielzahl der Gespräche, die ich mit Freunden, Bekannten und Journalisten führe... wird der Eindruck bestätigt, daß es sich bei diesen Männern zum Teil um Dilettanten der Politik und Naturen handelt, die keineswegs zum 'Verschwörer' geboren oder geeignet waren."

Über die moralische Seite zitiere ich aus unbekannter Quelle: "Es begann schon damit, daß sich außer Stauffenberg in dem ganzen Verschwörerkreis nicht einer gefunden hatte, der bereit gewesen wäre, das Attentat durchzuführen. Man vergegenwärtige sich einmal, daß von dem Attentat nach Auffassung der Verschwörer das Schicksal einer Nation von 80 Millionen Menschen abhing. Man vergegenwärtige sich ferner, daß Tausende von deutschen Soldaten in sehr bewußtem Einsatz ihr Leben gewagt hatten, um als Kampfschwimmer ein feindliches Schiff zu versenken, als Einzelkämpfer einen Panzer zu knacken oder als Kampfflieger ein taktisch wichtiges Einzelziel zu erledigen, und daß Millionen an allen Fronten im Kampf um ein Haus, ein Grabenstück, eine Batteriestellung usw. gefallen waren. Dann ermesse man den Geist dieser Verschwörer des 20. Juli, denen es nicht um ein Haus, nicht um einen Panzer oder ein Schlachtschiff, sondern vorgeblich um das Schicksal einer Nation ging. Und für dieses Ziel fand sich nur einer - Stauffenberg - bereit, das Attentat zu wagen."

Ein Freund des Obersten Stauffenberg, der beim Attentat schwer verletzt wurde, schrieb: "Stauffenberg war oft und allein bei Hitler zum Vortrag. Weshalb also schoß er ihn nicht nieder, sondern legte eine Bombe, um sich danach zu entfernen und mich und seine anderen Freunde, die nichtsahnend anwesend blieben, mit in den Himmel zu befördern?"

Ein besonderes Kapitel bilden die verheerenden Auswirkungen der Tätigkeit der Verschwörer auf die militärische Situation selbst, welche so ernsthaft bestritten werden. Wenn auch die kriegsgeschichtliche Forschung erst noch ihre Ergebnisse zeitigen wird, so kann man doch jetzt schon sagen, daß neben der Übermacht und den eigenen Fehlern, welche aber weniger auf militärischen als auf wirtschaftlichen und sonstigen Gebieten liegen, der Verrat einen entschidenden Anteil an der Niederlage hatte; ich weise besonders auf folgendes hin:


1. Die Verschwörer haben jahrelang nicht nur selbst einen Hauptteil ihrer Tätigkeiten auf Putschvorbereitungen verwendet, sondern für diese Zwecke auch viele Offiziere und Soldaten teils mit, teils ohne deren Wissen eingeschaltet. Sie haben sich beurlauben, krankschreiben und felddienstuntauglich stellen lassen. Sie haben falsche Meldungen vorgelegt und echte unterschlagen, um die Führung zu täuschen. Hierzu sagt der mit der Tätigkeit der Verschwörer wohlvertraute Amerikaner Dulles: "Aber bestimmte Leute, die Schlüsselstellungen in der Abwehr hatten, fälschten absichtlich geheime Berichte, um Hitler irrezuführen, sie unterbanden einige von Hitlers wichtigsten und häufigsten Plänen."


2. Durch die stimmungsmäßige Beeinflussung weitester Kreise lähmten sie die Einsatzbereitschaft zahlreicher Soldaten und Rüstungsarbeiter und vor allem der Zivilbevölkerung. Ich zitiere Herrn J. Eckert, der Folgendes verkündete: "Niemals werden wir erfahren, welche Unsummen von größeren und kleineren Sabotageakten in den Fabriken, in den Werkstätten, auf Verkehrswegen und Verkehrseinrichtungen, an militärischen Anlagen usw. von Gegnern des Nazismus und des Krieges von Deutschen begangen wurden. Niemals werden wir genau erfahren, was sonst im Kleinen oder im Großen selbst in militärischen Dienststellen im Geheimen zum Zwecke der Abkürzung des Krieges geschehen ist. Wir können uns denken, daß unsere militärischen Gegner von gestern darüber mehr wissen als wir selbst."


3. Bekannt ist, daß das Gelingen der Invasion eine entscheidende Bedeutung für die Niederlage hatte. Der englische Militärschriftsteller Liddell Hart schreibt darüber: "Drei Tage darauf, am 20. Juli, kam der Versuch, Blumentritt Hitler in seinem Hauptquartier in Ostpreußen zu töten. Die Bombe der Vetrschwörer verfehlte ihr Hauptziel. Aber sie hatte schreckliche Rückwirkungen auf die Schlacht im Westen in ihrem kritischen Stadium." Liddell Hart zitiert als Zeugen dafür in seinem Buche den General Blumentritt, Generalstabschef des Feldmarschalls von Kluge, des Oberbefehlshabers im Westen: "Das alles hatte eine sehr üble Auswirkung auf das, was uns noch an Aussichten geblieben war, den Ausbruch der Alliierten zu verhindern. In den Tagen der Krise wandte Kluge seine Aufmerksamkeit nur zum Teil den Vorgängen an der Front zu, denn zugleich sah er besorgt über die Schulter nach rückwärts auf Hitlers Hauptquartier... Er war nicht der einzige General, der sich in diesem Zustand der Sorge wegen der Verschwörung zum Anschlag auf Hitler befand. Furcht durchdrang und lähmte die höheren Kommandostellen in den folgenden Wochen und Monaten. Der Einfluß des 20. Juli auf die Generale ist ein Thema, das ein ganzes Buch für sich füllen könnte." Der dies sagte, gehörte zu den Verschwörern!

General Speidel, Chef des Generalstabes der Heeresgruppe B (Rommel) schildert in seinem Buche Invasion 44, womit sich die Herren vor der Invasion beschäftigten: "...Nach vorbereitenden Besprechungen des Chefs des Generalstabes der Heeresgruppe B fand in Gegenwart beider Chefs der Generalstäbe am 15. Mai 1944 in einem Landhaus in Mareil-Marly bei St. Germain eine eingehende Aussprache Rommels und Stülpnagels über die notwendigen Maßnahmen für eine Beendigung des Krieges im Westen statt. Nach einem Überblick über die politischen und militärischen Begebenheiten und für den Sturz des nationalsozialistischen Regimes wurden die theoretischen und praktischen Vorbereitungen im einzelnen festgelegt. Beide Militärbefehlshaber trugen auch dem Oberbefehlshaber West, von Rundstedt, wiederholt ihre politischen und militärischen Sorgen eindringlich vor und fanden offenes Gehör. Der Generalquartiermeister des Heeres, General der Artillerie Eduard Wagner [mit verantwortlich für die fehlende Winterausrüstung der Ostfront 1941/42] kam zur Koordinierung der notwendigen Maßnahmen im Westen mit den Vorbereitungen des Oberkommandos des Heeres im Mai auf den Gefechtsstand der Heeresgruppe. Er unterrichtete Rommel über die aktiven Widerstandskräfte im Oberkommando des Heeres, die 'kalendermäßigen' Vorbereitungen für eine Erhebung und erstmals über die früheren Anschlagsversuche auf Hitler. Der Feldmarschall trat den Attentatsabsichten entgegen, da er Hitler nicht zum Märtyrer gemacht wissen wollte...

Weiterhin wurden die Möglichkeiten erörtert, mit den westlichen Alliierten ins Gespräch zu kommen; über den Vatikan, über den britischen Botschafter in Madrid, Sir Samuel Hoare, und über Schweizer Verbindungen. Sondierungen zur Gegenseite über Rom, Madrid und Lissabon seien bereits eingeleitet worden, aber noch ohne Ergebnis geblieben...

In der zweiten Besprechung wurde die Verbindung zwischen den Widerstandslagern näher geknüpft und ein Nachrichtenweg mit dem Gefechtsstand Rommels festgelegt, der sich bewährte und unentdeckt blieb...

Finckh Im Auftrag des Generalquartiermeisters, General der Artillerie Wagner, meldete sich der neue Oberquartiermeister im Westen, Oberst im Generalstab [Eberhard] Finckh, auf dem Gefechtsstand der Heeresgruppe und trug über die Vorbereitungen zur Beseitigung Hitlers und die geplante Staatsumwälzung zur Rettung der Heimat vor. Er berichtete von den Fehlschlägen früherer Attentate und von den Vorbereitungen für einen neuen Anschlag, der in Berchtesgaden ausgeführt werden sollte. Rommel ließ erneut seine Auffassung übermitteln, daß er aus den bekannten Gründen eine Tötung Hitlers durch ein Attentat für unzweckmäßig erachte und an dessen Verhaftung und Aburteilung durch ein deutsches Gericht festhalte. Er beauftragte Oberst Finckh, mit dem Generalquartiermeister die dringend notwendige Gleichordnung aller Maßnahmen im Hauptquartier und in der Heimat vorzubereiten und ihm darüber baldmöglichst Bericht zu erstatten. Nach seiner Auffassung werde diese entscheidende Frage an zu vielen Stellen gleichzeitig erwogen...

...In diesen vom Unheil bedrohten Abendstunden standen die Fronten bei Caen und St. Lo in einer Abwehrkrise, Oberbefehlshaber und Chef riefen an, erbaten Reserven und verlangten Klarheit über die Ergebnisse im Führerhauptquartier und in Berlin, die sie aus dem Rundfunk erfahren hatten. Der Chef des Generalstabes der Heeresgruppe hatte diese Frage zu beantworten und die notwendigen Entscheidungen einsam zu treffen, damit die Front gehalten würde!

...Auch aus politischen Erwägungen erschien es dem Feldmarschall zweckmäßig, zuverlässige Panzer-Verbände für etwa kommende Ereignisse greifbar zu haben."

Nach seinem Buch Verschwörung in Deutschland konnte Dulles schon im April 1944 auf Grund von Mitteilungen der Verschwörer nach Washington funken, daß deutsche Generäle, die das Kommando an der Westfront haben, bereit seien, den Widerstand aufzugeben und die Landung der allierten Truppen zu erleichtern. Es würden sogar Vorbereitungen getroffen, um alliierte Fallschirmtruppen in den Schlüsselstellungen in Deutschland zu empfangen. Anfang Mai 1944 erhielt er von Gisevius aus Berlin einen Plan mitgebracht, wonach die Generäle bereit waren, den amerikanischen und britischen Truppen den Weg freizumachen.

In der gleichen Sache bringt Nation Europa noch folgende Feststellungen: "Zur Abwehr der Invasion standen Rommel 500,000 Mann zur Verfügung. Zur gleichen Zeit hielt der Oberbefehlshaber des Ersatzheeres über 600,000 Mann kriegsverwendungsfähiger Truppen in den Kasernen des Heimatgebietes zurück, um den Umsturz zu sichern.

Zur Abwehr der sowjetischen Panzermassen in der kriegsentscheidenden Durchbruchsschlacht Rußland-Mitte standen der Truppe panzerbrechende Waffen nicht zur Verfügung. Die Gesamtproduktion an Panzerfäusten war von den Saboteuren - nach Griechenland geleitet worden, wo es Partisanen, aber keine Panzer gab.

Bei Beginn der Invasion befand sich der verantwortliche Oberbefehlshaber trotz höchster Alarmbereitschaft und strenger Urlaubssperre nicht an der Front, wo der Einsatz seiner Persönlichkeit das Schicksal hätte wenden können, sondern in Herrlingen bei Ulm."


4. Geradezu fürchterliche Auswirkungen hatte das Attentat in psychologischer Hinsicht. Einerseits zeigte es den feindlichen Völkern selbst, welche ja von den Staatsstreichplänen keine Ahnung hatten, einen "schwachen" Punkt des Feindes von erheblicher Bedeutung. Dies mußte naturgemäß die Siegeszuversicht dieser Völker stärken, unsere eigene dagegen schwächen, zumal gerade in jenen Wochen die Ostfront im Zeichen einer größeren Krise stand. Diese behandele ich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Herrn Generalmajors v. Tresckow.


5. Die prosowjetische Spionageorganisation Rote Kapelle setzte sich zwar in der Hauptsache aus kommunistischen Gegnern Hitlers zusammen, doch zählten ihre Mitglieder noch lange zu den "Helden des Widerstandes",27 bis der Kampf gegen den einstigen Verbündeten Rußland Mode geworden war. Durch die "Rote Kapelle" wurden an die Sowjets verraten:

  • Die Stärke der deutschen Luftwaffe bei Beginn des deutsch-russischen Krieges;
  • Die monatliche Produktion der deutschen Flugzeugindustrie;
  • Zahlenangaben über die Treibstofflage Deutschlands;
  • Die Vorbereitungen zum Angriff auf die Ölfelder von Maikop;
  • Die örtliche Konzentration chemischer Kampfstoffe in Deutschland;
  • Die Verlegung deutscher Fallschirmjägerverbände von Kreta nach dem Osten;
  • Die Engpässe beim Lokomotivbau und der Erzeugung von Spezialventilen;
  • Die monatliche Flugzeugproduktion in Charleroi;
  • Die örtliche Lage der Schiffsreparaturanstalten in Amsterdam;
  • Die Rüstungsproduktion in Amsterdam und Rotterdam;
  • Die Truppenbewegungen an der belgischen und französischen Küste;
  • Die Eisen- und Stahlproduktion in Belgien;
  • Die Pläne einer Flugzeugfabrik an der Strecke Dresden-Berlin;
  • Die Entwicklung der deutschen Gewehrgranate;
  • Die Stationierung der deutschen Marine;
  • Tabellen über die monatliche Rüstungsproduktion;
  • Bombenschäden und Verluste im Osten.

Zum Schluß wurde durch ein raffiniertes Hörspiel den Amerikanern verraten, daß Deutschland den Kairo-Code entschlüsselt hatte. Die Folgen waren für die Afrikafront Rommels von entscheidendem Nachteil.


6. Der Vollständigkeit halber erwähne ich hier noch die landesverräterische Tätigkeit des Meisterspions Dr. Richard Sorge in Japan. OttEr hat zwar in allererster Linie als überzeugter Kommunist für die Sowjetunion gearbeitet, doch hat sich ergeben, daß ihm seine Tätigkeit durch die Freundschaft und den bodenlosen Leichtsinn des Botschafters Ott in Tokio sehr erleichtert wurde. Wenn man nun weiß, daß Ott früher rechte Hand Schleichers war, so erklärt sich vielleicht manches. Über Sorge schrieb das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 13. Juni 1951:

"Wenn Stalin ihm nicht nachträglich den kostbarsten Orden verleiht, den er zu vergeben hat, ist er wirklich ein Geizhals, denn: als die deutschen Armeen in Westrußland vorstießen, also große russische Einheiten zerschmettert und vernichtet waren, wurde die Frage sibirischer Verstärkung lebenswichtig. Aber die Rote Armee konnte ihre sibirische Flanke nicht entblößen, solange die japanische Armee angriffsbereit stand. Sorge konnte glaubhaft zusichern, die Japaner würden nicht angreifen. So konnten die sibirischen Truppen nach dem Westen abgezogen werden und erschienen rechtzeitig zur erfolgreichen Verteidigung Mokaus. Sorge Nach der Kesselschlacht von Minsk und Orel waren die Russen äußerst besorgt, die Japaner könnten den gerade abgeschlossenen Nichtangriffspakt annullieren und den bedrängten Roten Truppen in die sibirische Flanke fallen. Im August 1941 meldete Sorge, Japans Flotte habe für zwei Jahre Öl, die Armeen nur für ein halbes Jahr. Unter den ungezählten politischen, wirtschaftlichen und militärischen Informationen, die Sorge der russischen Abwehr zehn Jahre lang übermittlete, befand sich auch die Meldung vom 20. Mai 1941, daß 170-190 Divisionen bereitstanden, am 20. Juni mit Hauptstoß Moskau anzugreifen."


Rommel 7. Generalmajor H. v. Tresckow war einer der Hauptakteure innerhalb der Verschwörung gegen Hitler. Er war Generalstaabschef der Heeresgruppe Mitte. Zunächst suchte er jeweils nicht nur alle Offiziere seiner Umgebung, sondern auch möglichst die jeweiligen Oberbefehlshaber der Heeresgruppe zur Verschwörung gegen Hitler zu gewinnen. Mehrmals versuchte er Hitler zu Besprechungen zum Hauptquartier der Gruppe zu locken. Als ihm dies gelungen war, gab er einem ahnungslosen Begleiter Hitlers ein getarntes Paket mit, das eine Sprengbombe enthielt und während des Fluges explodieren sollte. Das Flugzeug kam jedoch wohlbehalten im Hauptquartier an, denn die Bombe versagte. Es folgten noch mehrere Versuche.

v. Tresckow ließ sich unter dem Vorwand völliger Erschöpfung mehrere Monate nach Berlin beurlauben und fertigte in dieser Zeit in der Wohnung seiner Schwester die ganzen gefälschten Pläne für eine angebliche Walküre-Übung, welche den Umsturz vom 20. Juli tarnen sollte. Er soll sich am 21. Juli erschossen haben, doch wird dies bestritten.

Der Engländer Jan Colvin berichtet in seinem Buche Chief of Intelligence, daß wichtige Einzelheiten des Operationsplanes "Seelöwe" (Landung in England) vom Fleck weg an Churchill verraten worden seien. Er läßt durchblicken, daß dafür Canaris in Frage käme. Da nun v. Tresckow engste Beziehungen zu Canaris und Oster hatte und an maßgeblicher Stelle des Sonderstabes für die Ausarbeitung der Pläne eingesetzt war, nimmt man an, daß er Anteil an dem Verrat hatte.

Malte Plettenberg, der Verfasser des sehr sachlich und doch eindrucksvoll gehaltenen Buches Guderian, Hintergründe des deutschen Schicksals 1918 bis 1945, schreibt: "Die Forschung wird sich noch eingehend mit den Gründen des Zusammenbruchs der Heersgruppe Mitte befassen, deren Chef des Stabes, Tresckow, die Seele der militärischen Verschwörung war. Das Ausmaß dieser Katastrophe ist weit größer als die Tragödie von Stalingrad: der Truppenbestand einer Heeresgruppe, die Austrüstung für zwei Heeresgruppen sind einfach verschwunden. Der Wegfall dieser Rüstung wird nicht mehr aufzuholen sein."

Die Front verlief am 22. Juni 1944 noch von Rogatschew über Orscha bis Witebsk und befand sich am 3. Juli schon in Ostpreußen. Kein Wunder, daß Hitler ausrief: "Wie kann man eine solche Front verlieren! Die ganze Entwicklung ist mir rätselhaft."


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Anmerkung

27Die in diese Verratsaktionen verwickelten Frauen der "Roten Kapelle" wurden noch am 20. Juli 1952 in der Sondernummer des Regierungsorgans Das Parlament belobigt. ...zurück...


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