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Der ekle Wurm
der deutschen Zwietracht

Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944


Friedrich Lenz


11. Die Bedeutung des Widerstandes in der Sicht der Engländer

Als "gründlicher" Deutscher will ich aber noch einige Beweise dafür anführen, daß die Engländer der Arbeit des Widerstandes allergrößte Bedeutung beimaßen.


1. Die Londoner Vierteljahreszeitschrift Contacts schrieb:

"Die Existenz einer deutschen Verschwörung war zur Zeit der Kriegserklärung wohlbekannt; und sie muß damals in den Erwägungen der englischen Regierung eine erhebliche Rolle gespielt haben."


2. Churchill schreibt:

"Jan Colvin, der Sohn des bekannten Leitartiklers der News Chronicle - in Berlin tätig - ließ sich tief in die deutsche Politik ein und knüpfte Beziehungen höchst geheimer Natur mit einigen deutschen Generalen an, aber auch mit unabhängigen und charaktervollen und tüchtigen Deutschen. Mehrmals besuchten mich hochgestellte Leute aus Deutschland, die mir in ihrer bitteren Not das Herz ausschütteten... Alle Tatsachen, die ich aus irgendeiner Quelle erfuhr... meldete ich von Zeit zu Zeit der Regierung."


3. Der frühere südafrikanische Verteidigungsminister Oswald Pirow war kurz vor Kriegsausbruch nach England gekommen, um im Zusammenwirken mit Chamberlain und Hitler, dem er gut befreundet war, einen deutsch-englischen Ausgleich herbeizuführen. Dabei stieß er aber in England auf verschiedene Gruppen, welche "München" als englische Niederlage ansahen und gegen jede Verständigung waren. Über seine Erfahrungen bei der Suche nach den Gründen dieser ablehnenden Haltung schrieb er:

"Während mein Auftrag nach Berlin auf diese Weise klarere Formen annahm, benutzte ich meine freie Zeit, um mir über die Hemmnisse Klarheit zu verschaffen, die einer deutsch-englischen Verständigung im Wege standen.

Die Juden habe ich in diesem Zuammenhange erwähnt.

Ihr nächster Bundesgenosse war Winston Churchill, der noch immer in der Atmosphäre des Ersten Weltkrieges lebte und der sich offensichtlich durch seine deutschfeindliche Haltung einen Wiederaufstieg in der Politik versprach. Ich hatte mich bei einem früheren Besuch in London mit ihm über die europäische Lage ausgesprochen. Er stand sich mit Chamberlain so schlecht, daß ich diesmal jeder Begegnung mit ihm auswich.

An dritter Stelle mußte der Arbeiterführer Major Attlee erwähnt werden. Er und seine Partei standen dem Kommunismus sehr nahe und wurden durch die jüdische Propaganda überall, wo es ihr paßte, eingeschaltet.

Die vierte Gruppe, die sich gegen eine deutsch-englische Verständigung setzte, war ernster zu nehmen, als die erwähnten Politiker. Es waren die Chauvinisten aller Parteien und Klassen, die in München die größte Demütigung Englands sahen, seit die Holländer mit ihren Kriegsschiffen die Themse hinaufgefahren waren. Von diesen Leuten stand ein großer Prozentsatz in der Armee und im Foreign Office.

Ich nahm Fühlung mit ihnen und bekam Sachen zu hören, die ich damals als leere Wunschträume der Erzähler ansah. So wurde mir zum Beispiel mitgeteilt, daß, wenn der Krieg ausbräche zwischen Deutschland und England, mit einem Aufstand gegen Hitler zu rechnen sei. Hieran würden sich führende Politiker und sogar hohe Militärs beteiligen. Als ich über diese Prophezeihungen lächelte, versicherte man mir, daß die erwähnten Leute schon in London Verbindung aufgenommen hätten! Ich, der meinte, etwas von der deutschen Ehre und dem Fahneneid des Soldaten zu wissen, wies diese Behauptungen entschieden zurück. Heute freilich kommt es mir vor, als ob diese Engländer in ihren Erzählungen vom deutschen Verrat noch vor Kriegsausbruch recht gehabt haben!

Das also waren die Faktoren, die gegen Chamberlains Friedenspolitik kämpften: die maßlos erbitterte Propaganda des Weltjudentums, der politische Egoismus von Churchill und einer Handvoll seiner Getreuen, die damals kaum über seinen Familienkreis hinausgingen, die halbkommunistischen Umtriebe der Arbeiterpartei und die durch deutsche Verräter ermutigte Kriegshetze der Chauvinisten. Im November 1938, als ich mit Chamberlain unterhandelte, war es dieser merkwürdigen Koalition noch nicht gelungen, seine politische Partei zu erschüttern, wie das später passieren sollte..."


4. Der französische Außenminister Bonnet schreibt in seinem Buche Vor der Katastrophe:

"Es muß zugegeben werden, daß zahlreiche Informationen aus dem Ausland zu der Vorstellung führen konnten, unserem Gegner gehe es bereits sehr schlecht. Solche Nachrichten erhielt ich direkt oder durch unsere Botschafter.

Außer den altbekannten Geschichten über die streikenden deutschen Arbeiter und die Soldaten, die den Kampf verweigerten, kam man uns immer wieder mit der Hoffnung auf ein bevorstehendes Attentat, das schon vorbereitet war und den Nationalsozialismus zu Fall bringen sollte. Wie auch im Jahre 1938 hatte man uns hiervon bereits dauernd in der letzten Woche vor dem Krieg erzählt. Faßte man alles zusammen, so lauteten die Worte: 'Haltet aus, und die deutschen Generale werden Hitler stürzen! Halder hat bereits den Abschied genommen.' Am 31. August faßte unser Deuxième-Bureau die Nachrichten, die eben eingegangen waren, folgerndermaßen zusammen: 'Hitler hat in Berchtesgaden einen Nervenzusammenbruch gehabt, und Dr. Bunck aus München ist an sein Bett gerufen worden. Er ist wieder hergestellt, doch der Arzt hält sich noch zu seiner Verfügung. Der deutsche Generalstab hofft den nervösen Zustand Hitlers zu nützen, um einen militärischen Staatsstreich durchzuführen...' Indessen erklärten Großbritannien und Frankreich am 3. September 1939 Deutschland den Krieg. Der Weg war also frei für den 'militärischen Staatsstreich', den man uns so verbindlich angekündigt hatte. Dieses Gerücht verbreitete man übrigens auch noch in den ersten Tagen des Krieges. So erhielt ich am 5. September den Besuch eines meiner alten Kollegen aus dem Staatsrat, der seit drei Monaten im Einvernehmen mit mir einen offiziösen Nachrichtendienst über das Deutschland Hitlers aufgebaut hatte; er sagte mir: 'Es ist uns bekannt, daß gegen Hitler ein Komplott im Gange ist. Ehe ein Monat vergangen ist, werden er und sein Regime gestürzt sein.' Er hat diese Meinung von einem deutschen Politiker, der seit Jahren als Flüchtling im Ausland lebte, um sich den Nationalsozialisten zu entziehen, und der anscheinend ein vertrauenswürdiger Mann war."


5. Eine wie große Rolle die Staatsstreichpläne auch bei den polnischen Entschlüssen spielten, beweist folgende Stelle aus dem bereits genannten Buch des Schweden Dahlerus, Der letzte Versuch:

Dahlerus war mit dem britischen Botschaftssekretär Forbes zu dem polnischen Botschafter Lipski gefahren, um diesem die deutschen Vorschläge vorzulegen. "Auf dem Rückweg erzählte mir Forbes etwas, das mich erschreckte: Während ich der Sekretärin diktierte, hatte Lipski Forbes mitgeteilt, daß er in keiner Weise Anlaß habe, sich für Noten oder Angebote von deutscher Seite zu interessieren. Er kenne die Lage in Deutschland nach seiner fünfeinhalbjährigen Tätigkeit als Botschafter gut und habe intime Verbindung mit Göring und anderen aus den maßgebenden Keisen; er erklärte, davon überzeugt zu sein, daß im Fall eines Krieges Unruhen in diesem Land ausbrechen und die polnischen Truppen erfolgreich gegen Berlin marschieren würden."


Daß sich die Verschwörer über diese Folgen ihrer Verbindung mit dem Ausland klar waren, ergibt sich aus verschiedenen Anhaltspunkten, insbesondere aus dem Buch des Amerikaners A. W. Dulles, Verschwörung in Deutschland. Er scheibt, Halder sei der Meinung gewesen, daß innere Unruhen einen Angriff von außen geradezu herausfordern würden. Männer wie Beck, Halder, Canaris, Weizsäcker, Kordt usw. mußten sich über die Folgen ihres Verhaltens völlig im Klaren sein. Man kann ihnen nicht die Gutgläubigkeit und das edle Wollen einer Krimhilde zuschreiben, welche glaubt, ihren Siegfried durch den Verrat seiner einzigen verwundbaren Stelle an Hagen zu schützen.

Aber diese Herren waren die gleichen wie jene, welche ihre gegnerische Tätigkeit von 1938 täglich weiter fortsetzten bis zum 20. Juli 1944, bis eben ihr ergeiziger Haß durch den Mordversuch an Hitler befriedigt schien - getreu der Erkenntnis Talleyrands, daß das Verbrehen ein Hilfsmittel politischer Tröpfe sei.

Und nun komme ich zu der Schlußfolgerung, daß der 20. Juli 1944 nachträglich wenigstens den Vorteil hat, daß er dem deutschen Volk beweist, welche "Clique" Schuld war, daß Großdeutschland nicht das blieb, was es am 1. September 1939 war, nämlich das stolze und mächtige Vaterland aller Deutschen und der einzige Schutz des Abendlandes. Es ist eine Ironie der Weltgeschichte, daß sich nunmehr mächtige Siegernationen um den Wehrbeitrag eines jämmerlichen Bruchstückes dieses Großdeutschlands bemühen.

Soweit diese klugen und edlen Herren noch leben, bekennen sie bedeppert mit den vielsagenden Worten des Hofdichters der Verschwörer, Ernst Wiechert: "Wir, die wir uns für die 'besseren Deutschen' hielten, haben nichts sehnlicher gewünscht als den endgültigen Untergang der Tyrannis, wir haben sogar für den Sieg der Alliierten gebetet, während ihre Bomben unsere Städte zerstörten, da wir hofften, dies sei der letzte Krieg und die demokratische Idee eines gerechten und eines dauernden Friedens würde siegen."


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