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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

[380] Kapitel 17: Die Sommerkämpfe 1917
gegen Rußland und Rumänien

Oberstleutnant Rudolf Kißling1

Nach dem Abflauen der Kämpfe im Westen und am Isonzo konnten die Mittelmächte im Juni endlich dem Gedanken näher treten, gegen Rußland einen entscheidenden Schlag zu führen. Sowohl aus politischen, als auch aus operativen Gründen war es jedoch wünschenswert, daß die Russen vorher selbst zum Angriffe schritten. Zum ersten sollte der Regierung Kerenski kein Vorwand geboten werden, die Feindseligkeiten - wie längst geplant - wieder aufzunehmen. Zum anderen war es nützlich, daß sich die russischen Stoßkräfte banden, ehe man selbst zum Angriff überging.

Auf Seite der Verbündeten waren an der Ostfront seit dem Abklingen der Brussilow-Offensive keine wesentlichen Veränderungen eingetreten. In dem für die Schilderung der Sommerkämpfe 1917 in Ostgalizien und in der Bukowina in Betracht kommenden Raume, das ist am Südflügel der Heeresfront Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern, standen Ende Juni drei, zur Heeresgruppe des Generalobersten v. Böhm-Ermolli zusammengefaßte Armeen:

Die 2. Armee, vom Heeresgruppen-Kommandanten selbst befehligt, zwischen dem oberen Styr und der Bahn Lemberg - Tarnopol mit dem XVIII. Korps Feldmarschalleutnant Czibulka, und dem V. Korps Feldzeugmeister Goglia, dann dem Abschnittskommando Zloczów, Generalleutnant v. Winkler (deutsches I. Korps), dem auch das IX. Korps Feldmarschalleutnant Kletter unterstellt war, insgesamt in der Front 5 österreichisch-ungarische und 3 deutsche Infanteriedivisionen und 1 österreichisch-ungarische Kavalleriedivision. Reserven: beim Abschnitt Zloczów und V. Korps je eine deutsche Infanteriedivision, beim XVIII. Korps die Leibhusarenbrigade. Eine deutsche Infanteriedivision war noch im Anrollen, die k. k. 12. reitende Schützendivision in Lemberg in Aufstellung.

Die deutsche Südarmee, Generaloberst Graf v. Bothmer, südlich anschließend bis zum Dnjestr bei Halicz mit dem XXV. Korps Feldmarschalleutnant Hofmann, deutschen XXV. Reservekorps Generalleutnant Heineccius, XV. osmanischen [381] Korps und dem deutschen XXVII. Reservekorps General der Kavallerie v. Krug mit 4 deutschen, 3 österreichisch-ungarischen und 1 türkischen Infanteriedivision in der Front und 2 deutschen Infanteriedivisionen in der Reserve. Die 19. osmanische Infanteriedivision war eben im Abrollen nach dem asiatischen Kriegsschauplatz; das XV. Korpskommando folgte ihr Mitte Juli.

Die 3. Armee, seit März 1917 vom Generalobersten v. Tersztyanszky befehligt, südlich vom Dnjestr bis zum Pantyr-Paß mit dem XXVI. Korps Feldmarschalleutnant v. Hadfy und XIII. Korps Feldmarschalleutnant v. Schenk, insgesamt 4 österreichisch-ungarische Infanteriedivisionen und 1 österreichisch-ungarische Kavalleriedivision in der Front, 1 deutsche, und 1 österreichisch-ungarische Infanteriedivision in Reserve hinter dem Nordflügel.

Von der Heeresfront Generaloberst Erzherzog Josef stand die 7. Armee Generaloberst v. Köveß im allgemeinen am Karpathenkamm vom Pantyr-Paß bis zur Dreiländerecke mit dem XVII. Korps Feldmarschalleutnant v. Fabini, dem deutschen Karpathenkorps Generalleutnant v. Conta und der Gruppe Feldmarschalleutnant Alfred Kraus (I. Korps), dem nebst 2 Kavalleriegruppen auch das XI. Korps Feldmarschalleutnant v. Habermann unterstellt war, zusammen 6 österreichisch-ungarische Infanteriedivisionen und 4 Kavalleriedivisionen, dann 2 deutsche Infanteriedivisionen. Als Heeresfrontreserve wurde die 7. Infanteriedivision bei Dés gesammelt.

Die gegenüberstehende russische Südwestfront befehligte General Gutor. Von der 11. Armee standen in dem der 2. Armee gegenüberliegenden Teile das XXXII., V. sibirische, XVII., XLIX. und VI. Korps, dahinter das I. Gardekorps, zusammen 19 Infanteriedivisionen und mindestens 2 Kavalleriedivisionen, hiervon die Hauptkraft am Südflügel bei Zborów. Südlich davon war die 7. Armee Bjelkowitsch der deutschen Südarmee gegenüber und reichte noch auf das südliche Dnjestrufer hinüber. Sie vereinigte auf engem Raume 24 Infanteriedivisionen, die am Nordflügel in drei Treffen hintereinander standen und zwar das XLI., VII. sibirische, III. kaukasische und XXXIII. Korps mit 16 Infanteriedivisionen im ersten Treffen, das XXXIV. und XXII. Korps mit 6 Divisionen im zweiten und das II. Gardekorps im dritten Treffen. Außerdem waren noch das II. und V. Kavalleriekorps mit 4 Kavalleriedivisionen im Armeebereiche. Die 8. Armee Kornilow, gegenüber der 3. und 7. Armee, zählte 18 Infanteriedivisionen und 3 Kavalleriedivisionen, die bei Stanislau im XII. Korps wohl dichter standen, ohne aber nur annähernd an die Truppenmassierung bei Brzezany und Zborów heranzureichen, dann das XVI., XI., XXIII. und XVIII. Korps, deren Divisionen im Karpathenwaldgebirge ziemlich gleichmäßig verteilt waren.

Die Kerenski-Offensive. Lage am 30. Juni 1917.
[382]      Skizze 12: Die Kerenski-Offensive. Lage am 30. Juni 1917.

Aus der russischen Kräfteverteilung von Ende Juni 1917 und aus sonstigen Anzeichen konnten die verbündeten Heeresleitungen unschwer auf die Absichten des russischen Oberkommandos schließen. Mit den 29 Infanteriedivisionen [382=Karte] [383] und 4 Kavalleriedivisionen, die an den inneren Flügeln der 11. und 7. Armee zwischen der Straße Zborów - Zloczów und an der mittleren Narajówka auf 50 km Frontbreite versammelt waren, sollte ein wuchtiger Hauptangriff in der Richtung auf Lemberg geführt werden. An dieser Angriffsfront hatte die russische Heeresleitung nur solche Truppen versammelt, die durch die gegnerische Frontpropaganda nicht beeinflußt waren, teils weil sie sich seit jeher gegen sie ablehnend verhalten, teils weil sie in Reserve gestanden hatten. Anscheinend sollte dieser Hauptangriff von Nebenaktionen gegen die alten Druckpunkte bei Riga, Dünaburg, Smorgon, westlich von Luck, bei Stanislau und gegen den Kirlibaba- und Mestecanesti-Abschnitt begleitet werden.

Ob für den endgültigen Entschluß zur Offensive der Druck der Entente oder der Wunsch des Oberkommandanten ausschlaggebend war, ist nicht klargestellt. Sicher ist, daß die russische Regierung über die Maßnahmen ihrer Heeresleitung nicht voll unterrichtet war; denn am Vortage des Infanterieangriffes reiste der Minister des Äußeren zum Oberkommando ab, um dort die Folgen zu erörtern, die ein Mißlingen der beabsichtigten Offensive nach sich ziehen würde. Es wurde der Befürchtung Ausdruck verliehen, daß für diesen Fall die russische Regierung auf große Umwälzungen im Innern des Landes und auf eine weitere Demoralisation des Heeres gefaßt sein müßte.

Die russischen Angriffsvorbereitungen begannen Mitte Juni mit allmählich anwachsendem Artilleriefeuer gegen die Abschnitte der 2. und Süd-Armee sowie mit dem unverkennbaren Zusammenziehen starker Truppenmassen im Raume Zborów - Podhajce. Vom 25. Juni an steigerte sich die russische Artillerietätigkeit erheblich und richtete sich demonstrativ auch gegen die 3. Armee im Raume bei Stanislau und gegen die 4. Armee General der Kavallerie Freiherr v. Kirchbach beiderseits der Straße Luck - Wladimir Wolynskij. Vom 28. Juni an wurde das russische Artilleriefeuer gegen die Südarmee und gegen den Abschnitt Zloczów zum planmäßigen Einschießen, Sappen wurden vorgetrieben und die russischen Hindernisse weggeräumt. Am 30. Juni setzte heftiges Artilleriewirkungsschießen gegen Mitte und Nordflügel der Südarmee und gegen den Südflügel des Abschnittes Zloczów ein und starke Erkundungsabteilungen fühlten gegen die beabsichtigten Einbruchspunkte vor. Der russische Massenangriff stand unmittelbar bevor.

Angesichts der Wahrscheinlichkeit einer russischen Offensive waren im Juni zwischen der deutschen und österreichisch-ungarischen Heeresleitung Besprechungen über die zu treffenden Gegenmaßnahmen gepflogen worden. Sobald der voraussichtlich gegen die Südarmee und gegen den Abschnitt Zloczów gerichtete russische Angriff abgewiesen war, sollte ein Gegenschlag mit starken Kräften von Zloczów in der allgemeinen Richtung auf Tarnopol geführt werden, wobei der linke Flügel dieser Stoßgruppe längs der einen günstigen Flankenschutz gegen Norden bildenden Teichreihe am Oberlaufe des Sereth vorzugehen [384] hatte. Man griff hier auf einen Operationsplan zurück, den der frühere österreichische Chef des Generalstabes Feldmarschall Freiherr v. Conrad im Herbst 1915 entworfen hatte, der aber mangels an Truppen bis nun nicht verwirklicht werden konnte.

Schon am 27. Juni traf beim Oberbefehlshaber Ost der Befehl des deutschen Kaisers ein, daß, falls die Russen bei der Heeresgruppe Böhm-Ermolli angreifen würden, diese zum Gegenangriff auf Tarnopol vorzugehen habe. Der Oberbefehlshaber Ost ordnete hierauf am 28. Juni an, daß die bei der Heeresgruppe Böhm-Ermolli beabsichtigte Gegenoffensive in der Hauptsache über den Nordteil des Abschnittes Zloczów in der Richtung auf Tarnopol geführt werden solle, um zunächst den Nordflügel der russischen Angriffsgruppe entscheidend zu schlagen und dann die Linie Tarnopol - Czernowitz zu erreichen. Der Hauptangriff war mit etwa 7 Divisionen aus dem Abschnitt der 33. Infanteriedivision mit dem linken Flügel entlang des Sereth, ein Nebenangriff mit 2 Divisionen über die Zlota Gora (knapp nördlich der Bahnstation Zborów) zu führen. Nach Maßgabe des Fortschreitens dieses Stoßes sollten sich auch die weiter südlich stehenden Teile der Heeresgruppe an der Offensive beteiligen. - Voraussetzung für die ganze Operation war, daß der Russe angriff und sein Angriff abgewiesen wurde.

Als am 30. Juni die Meldung einlangte, daß die Artillerieschlacht begonnen habe und der Infanterieangriff nahe bevorstehe, ordnete Generalfeldmarschall v. Hindenburg die Abbeförderung der Angriffstruppen von der Westfront an und zwar: Generalkommando des XXIII. Reservekorps, 1. und 2. Garde-Infanteriedivision, 5. und 6. Infanteriedivision und 16. Reservedivision. Aus dem Bereich des Oberbefehlshabers Ost wurden das Generalkommando des LI. Korps, die bayrische Kavalleriedivision mit 2 Kavalleriebrigaden, die kombinierte Kavalleriebrigade, die Leibhusarenbrigade und die 92. Infanteriedivision verfügbar gemacht. An Artillerie rollten 2 deutsche Feldartillerieregimenter und 29 deutsche schwere Batterien, von der Heeresfront Erzherzog Josef 18 leichte und 13 schwere Batterien zur Heeresgruppe Böhm-Ermolli.


1. Die Schlacht bei Brzezany und Zborów.

Wie von den Verbündeten erwartet, brach nach einer mehrstündigen überwältigenden Artillerievorbereitung noch am Nachmittage des 30. Juni der russische Ansturm gegen die inneren Flügel der 2. und Südarmee mit elementarer Gewalt los. Den Hauptangriff führte die russische 7. Armee mit ihrer in drei Treffen gegliederten Stoßgruppe von 20 Infanteriedivisionen gegen die Gruppe Heineccius (XXV. Reservekorps mit der 24. und 15. Reservedivision), gegen die osmanische 20. Infanteriedivision und gegen die 75. Reservedivision des XXVII. Reservekorps. Ein Nebenangriff der russischen 11. Armee, [385] zunächst mit etwa 5 Divisionen, richtete sich hauptsächlichst gegen das am Südflügel der 2. Armee stehende IX. Korps Feldmarschalleutnant Kletter (19. und 32. Infanteriedivision).

Das zwischen der Armee des Grafen v. Bothmer und der russischen 7. Armee auf den Höhen östlich und südlich von Brzezany entbrannte erbitterte Ringen dauerte mit unverminderter Heftigkeit bis zum Abend des 2. Juli an. Mit Ungestüm und Todesverachtung rannten die Russen, denen man solch eine Angriffskraft nach der in den letzten Monaten offen zur Schau getragenen Kampfesunlust gar nicht mehr zugetraut hatte, gegen die unerschütterliche Front der Südarmee an. Vielfach hinderte wohl das gut liegende Vernichtungsfeuer der Verteidiger die Russen, ihre aufgefüllten Gräben zu verlassen. Wo es ihnen aber - durch Maschinengewehrfeuer und Peitschenhiebe immer wieder nach vorwärts getrieben - dennoch gelang, in die zerschossenen Stellungen vorübergehend einzudringen, so bei den Türken und bei der 15. Reservedivision, dort wurden sie in schneidigen Gegenstößen wieder hinausgeworfen. Auch den Honveds der vom Generalmajor v. Unschuld befehligten 55. Infanteriedivision gelang es nach harten Kämpfen, ihre Stellungen nordöstlich von Brzezany restlos zu behaupten.

Die Hauptanstrengungen der Russen richteten sich aber auf die Gewinnung der Höhen Dzikie Lany und Lysonia (südlich und östlich von Brzezany), die von der 24. Reservedivision Generalmajor v. Morgenstern verteidigt wurden. Nach wiederholten, durch Einsatz neuer Divisionen immer wieder frisch genährten Angriffen glückte es ihnen endlich am 1. Juli, auf den beiden Höhen festen Fuß zu fassen und die Verteidiger in die dritte Linie zurückzudrängen. Am nächsten Tage wollten die Russen die Front der Gruppe Heineccius vollends durchstoßen und setzten hierzu mindestens 15 Divisionen gegen den schmalen Abschnitt beiderseits Brzezany an. Doch vergeblich. Den tapferen Verteidigern gelang es nach Einsatz von Teilen der Armeereserven, nicht nur alle Anstürme der Russen abzuweisen, sondern die Sachsen der 24. Reservedivision und 241. Infanteriedivision entrissen ihnen auch die am Vortage unter so schweren Opfern erkämpften Vorteile. Nur schmale Grabenstücke blieben in Feindeshand.

Am 3. Juli wiederholten sich die Massenstürme gegen die Südarmee nicht mehr. Die erlittenen Verluste übertrafen auch das, was die Russen sonst zu ertragen vermochten. Nach vorsichtiger Schätzung lagen vor dem Abschnitte des XXV. Reservekorps und der Türken mindestens 13 000 gefallene Russen. Auch die russischen Gräben waren noch mit Leichen angefüllt. 16 russische Offiziere und 700 Mann wurden als Gefangene, 10 Maschinengewehre und 1 Minenwerfer als Beute eingebracht. Nur auf Dzikie Lany und Lysonia währten die erbitterten Kämpfe um den Besitz einiger Grabenstücke noch mehrere Tage, bis die 24. Reservedivision am 10. Juli endlich auch die letzte Trichterlinie ihrer alten Stellung den Russen entrissen hatte.

[386] So war denn der Hauptstoß der Russen schon nach so kurzer Zeit ergebnislos zusammengebrochen.

Nicht ganz so ungünstig verlief der von der russischen 11. Armee scheinbar nur als Nebenaktion gedachte Angriff gegen die zum großen Teil aus tschechischer Mannschaft bestehende 19. Infanteriedivision, die naturgemäß einen besonderen Anreiz als Angriffsobjekt bot.

Doch auch hier gelang den Russen trotz reichlicher Anwendung von Gasgranaten nicht gleich der erste Anlauf. Erst als sie am 1. Juli ihre Anstürme wiederholten und gegen den Südflügel der 19. Infanteriedivision allein 4 Divisionen ansetzten, gaben die tschechischen Regimenter bei Koniuchy nach. Die Russen stießen vorwärts, überrannten einen eben erst in Entwicklung begriffenen Gegenangriff und beulten die Front in 10 km Breite und 3 km Tiefe ein, wobei auch die 54. Infanteriedivision am Nordflügel der Südarmee zurückgedrückt wurde. Man hoffte, durch Abriegeln der Einbruchsstelle und Einsatz einer deutschen Division der Armeereserve die Lage um so eher herstellen zu können, als die Russen von der 32. Infanteriedivision, die nördlich der 19. stand, abgewiesen wurden.

Durch ihre Erfolge ermuntert, setzten die Russen ihre Massenstürme am nächsten Tage gegen den Südflügel der 2. Armee fort. Während von der 223. Infanteriedivision, jetzt am äußersten Südflügel, alle Angriffe abgewiesen wurden, gelang dem Feinde bei der wieder nur geringe Widerstandskraft bekundenden 19. Infanteriedivision erneut ein Einbruch, von dem diesmal auch die anschließende Budapester 32. Infanteriedivision in Mitleidenschaft gezogen wurde. Um den Stoß aufzufangen, wurde das Einsetzen der deutschen 96. Infanteriedivision und von Teilen der eben anrollenden 237. Infanteriedivision nötig. Die Reste der Infanterie der 19. und 32. Infanteriedivision wurden aus der Front gezogen. Regimenter der 223., 96., 197. und 237. Infanteriedivision bildeten in einer 3 - 5 km hinter der ursprünglichen Stellung verlaufenden Linie eine neue Front.

Der Einsatz des russischen XXXIV. Korps vor Brzezany, dann das Heranschieben der beiden Gardekorps und Truppenausladungen bei Zborów ließen eine Wiederholung der Angriffe vermuten. Doch gegen die Südarmee wagten die Russen nichts mehr zu unternehmen. Nur westlich von Zborów wollten sie ihren Anfangserfolg weiter ausbauen und setzten nach planmäßiger Vorbereitung am 6. Juli gegen den Abschnitt Zloczów wieder eine gewaltige Truppenmacht an. Trotz mehrfacher Mißerfolge rannten Finnländer, russische Garden und auch tschechische Legionäre, stellenweise 15 Glieder tief, gegen die nicht ausgebauten und nur mit schwachen Hindernissen versehenen Stellungen der nunmehr dem Generalleutnant v. Berrer unterstellten 223. und 96. Infanteriedivision, sowie gegen die nördlich anschließende 197. Infanteriedivision an, in welcher auch drei wieder kampffähige Regimenter der 19. und [387] 32. Infanteriedivision eingesetzt waren. Überall brach der russische Angriff zusammen. Vielfach fluteten die Massen in ihre Gräben zurück, wobei sie von Jagdstaffeln mit Maschinengewehrfeuer verfolgt wurden. Auch gegen die weiter nördlich im Quellgebiet des Sereth stehende 33. Infanteriedivision Generalmajor v. Iwanski versuchte der Feind sein Glück, aber auch hier scheiterten seine Bemühungen. Wo die Russen vorübergehend in die Stellungen eingedrungen waren, wurden sie von den tapferen westungarischen Infanterieregimentern Nr. 83 und 19 im Gegenstoß hinausgeworfen.

So war denn auch dieser, von etwa neun russischen Divisionen geführte Massenangriff - abgesehen von einem bald eingedämmten, gegen minder verläßliche tschechische Regimenter errungenen Anfangserfolg - unter schwersten Feindverlusten gescheitert, ohne daß die noch bereitstehenden Reserven des Abschnittes Zloczów eingesetzt werden mußten. Deutsche und österreichisch-ungarische Infanterie, in vortrefflichster Weise von der Artillerie unterstützt, hatte in der Schlacht bei Brzezany und Zborów gegen einen weit überlegenen Feind einen glänzenden Abwehrerfolg errungen. So wie vor Brzezany vermochte sich der Russe auch westlich von Zborów zu keinem entscheidenden Angriff mehr aufzuraffen. Er versuchte weiter südlich die Entscheidung herbeizuführen.


2. Die Schlacht bei Stanislau-Kalusz.

Nun erhielt General Kornilow den Befehl, mit der 8. Armee von Stanislau in der Richtung gegen Kalusz einen kräftigen Schlag zu führen. Diese Aufgabe fiel dem ohnehin schon vier Divisionen starken russischen XII. Korps zu, das sich auf noch engeren Raum zusammenschob. Zur Verstärkung wurde überdies noch die 3. kaukasische Kavalleriedivision nach Stanislau heranbefördert. Vom 4. Juli an steigerte sich das Artillerie- und Minenwerferfeuer gegen die vor Stanislau stehende, durch ein deutsches Infanterieregiment verstärkte 15. Infanteriedivision, Generalmajor Aust, und richtete sich besonders gegen den Abschnitt bei Jamnica nördlich von Stanislau, wo örtliche Verhältnisse einen Angriff begünstigten und die Russen auch unverkennbar Vorbereitungen trafen. Nach demonstrativen Vorstößen des russischen XVI. Korps gegen einzelne Feldwachstellungen der am Südflügel der 3. Armee stehenden 5. Infanteriedivision Generalmajor v. Felix und der nördlich anschließenden kroatisch-slavonischen 42. Honved-Infanteriedivision Generalmajor Mihaljević griff am 6. Juli das russische XII. Korps die ganze Front der 15. Infanteriedivision an, wobei sich die größte Wucht gegen das im Abschnitt bei Jamnica stehende Infanterieregiment Nr. 65 richtete. Der erste Ansturm wurde abgeschlagen. Da die russischen Divisionen aber immer wieder vorgejagt wurden, entbrannte fast an der ganzen Front der Armee Tersztyanszky eine heftige Schlacht. In wechselvollen Kämpfen vermochte die 15. Infanteriedivision - allerdings mit nicht unbeträchtlichen Verlusten - ihre Stellungen bis zum Mittag des 8. Juli [388] zu behaupten. Auch die Kroaten der 42. Honved-Infanteriedivision erwehrten sich aller Anstürme und zwangen die Russen, die bei Porohy errungenen Vorteile wieder preiszugeben. Gegen den Südflügel der 5. Infanteriedivision konnten die Russen infolge der tapferen Gegenwehr des schlesischen Infanterieregiments Nr. 1 überhaupt keinen Erfolg erringen.

Als aber die Divisionen Kornilows gegen Mittag des dritten Schlachttages bei Stanislau erneut anstürmten, versagte die Widerstandskraft der durch die vorangegangenen schweren Kämpfe übermüdeten Truppen der 15. Infanteriedivision. Ein übermächtiger, gegen die ganze Front dieser Division geführter Massenstoß drang durch, gewann sehr rasch Raum nach vorwärts und drängte die Verteidiger auf etwa 4 km hinter den Pawelcze-Bach zurück. Hiermit ging auch der Schlüsselpunkt der Stellung westlich von Stanislau, die Jutrena Gora verloren.

Obwohl über die Richtung des russischen Hauptangriffes kaum ein Zweifel bestehen konnte, war leider verabsäumt worden, ausreichende Reserven hinter den bedrohten Abschnitt zu stellen. Die jetzt mit nur sieben Bataillonen aus zwei Richtungen, aber auch nicht gleichzeitig geführten Gegenstöße gelangen nicht, worauf man sich entschloß, den Einbruch gegen die 36. Infanteriedivision und 2. Kavalleriedivision abzuriegeln und in der neuen, allerdings nicht ausgebauten Stellung Widerstand zu leisten. Die Verluste, auch an Geschützen, waren erheblich. Die noch in Reserve stehenden zwei Regimenter der deutschen 83. Infanteriedivision Generalleutnant v. Stumpf und die 16. Infanteriedivision Generalmajor Adalbert v. Kaltenborn wurden jetzt eingesetzt. Um neue Reserven zu gewinnen, wurde auch die vor Jezupol stehende und vom Südflügel der russischen 7. Armee gleichfalls heftig angegriffene Feldwachenstellung der 2. Kavalleriedivision geräumt. An weiterer Verstärkung rollte zunächst die bayrische 8. Reservedivision von der 1. Armee heran.

Aber auch der Feind hatte schwere Verluste erlitten. Er drängte zunächst nicht nach und zog vor der 5. Infanteriedivision sogar seine noch am Westufer der Bystrzyca Solotwinska stehenden Abteilungen auf das Ostufer zurück. Mit Rücksicht auf die bei Stanislau, Ottynia und Chryplin beobachteten Truppenausladungen mußte aber auf eine Fortsetzung des Angriffes gerechnet werden. Bereits am 9. Juli vormittags stießen feindliche Bataillone gegen den Südflügel der 2. Kavalleriedivision vor, um den Einbruchsraum nach Norden zu erweitern, wurden aber abgewiesen. Desgleichen scheiterte ein mittags beiderseits der Straße Stanislau - Kalusz gegen die 15. Infanteriedivision angesetzter starker Angriff. Ein zur gleichen Zeit gegen eine Höhe nördlich der Straße geführter Massenstoß durchbrach aber die Front eines dort stehenden Regiments der deutschen 83. Infanteriedivision und konnte auch durch einen Gegenangriff nicht aufgefangen werden. Mit Rücksicht auf diesen Durchbruch, für dessen Eindämmung weitere Reserven noch nicht zur Verfügung standen, dann weil [389] die Kommandanten ihren durch die vorangegangenen schweren Kämpfe hart mitgenommenen Truppen die notwendige Widerstandskraft nicht mehr zutrauten, ordnete das 3. Armeekommando mit Zustimmung der Heeresgruppe Böhm-Ermolli und des Oberbefehlshabers Ost die Zurücknahme der Armee in die Stellung am Westufer der Lomnica von der Mündung bis Kalusz an; von dort hätte sie in direkt südlicher Richtung den Anschluß an die alte Front nehmen sollen, so daß die 5. Infanteriedivision stehenbleiben konnte.

Die Rückbewegung wurde, soweit vom Feinde erzwungen, noch am Abend, im übrigen in der Nacht angetreten. Beiderseits der Straße Stanislau - Kalusz war die Lage am Abend sehr ernst. Starke Kolonnen des Feindes stießen von Stanislau gegen Nordwesten nach. Die 15. Infanteriedivision war arg hergenommen und auch der Nordflügel des XIII. Korps wurde in Mitleidenschaft gezogen; wieder war der Verlust einer Anzahl von Geschützen zu beklagen. - In der Nacht verfolgten die Russen nicht mehr; so wurde ein halbwegs ordnungsmäßiges Beziehen der neuen Stellung möglich. Das XIII. Korps schwenkte in die Linie Kosmacz - Kalusz zurück, bekam daher eine direkt nach Osten gerichtete Front. Generalmajor Aust mit der 15. und Teilen der 16. Infanteriedivision besetzte den Abschnitt Kalusz - Studzianka. Den untersten Lomnica-Abschnitt besetzte Generalleutnant v. Stumpf mit der deutschen 83. Infanteriedivision, Teilen der 16. Infanteriedivision, der 2. Kavalleriedivision und der von der stets hilfsbereiten Südarmee auf das südliche Dnjestrufer dirigierten deutschen Infanteriebrigade Oberst v. Wuthenau. Der Südflügel der Südarmee wurde entsprechend zurückgebogen. An Reserven wurden nunmehr auch die von der Westfront anrollende deutsche 16. Reservedivision, dann die deutsche 20. Infanteriedivision und die bayrische Kavalleriedivision zur 3. Armee dirigiert.

Während am 10. Juli die Front der 3. Armee in der neuen Linie geschlossen und die Verbände nach Möglichkeit geordnet wurden, schoben sich die Russen näher heran. Am Unterlauf der Lomnica bis Kalusz und von hier das Tal überquerend bis Nowica verlief die neue Linie in der ausgebauten dritten Stellung. Die neue Riegelstellung von Nowica bis Kozmacz war unausgebaut und führte zum Teil durch unübersichtliches Waldgelände. Hier stießen zunächst nur starke russische Erkundungsabteilungen vor, die an mehreren Stellen erst im Gegenstoße abgewiesen werden konnten. Diese mißlichen Umstände veranlaßten das 3. Armeekommando mit Zustimmung des Oberbefehlshabers Ost, das XIII. Korps und die 5. Infanteriedivision in der Nacht zum 12. Juli gleichfalls in die ausgebaute dritte Stellung, die von Nowica längs des Bereznica-Baches zur Lomnica-Strecke Perehinsko - Jasien und dann zum obersten Bystrzyca Solotwinska-Tale führte, zurückzunehmen, so daß nur der Südflügel der 5. Infanteriedivision in seiner alten Stellung verblieb. Diese Rückverlegung gelang, ohne durch den Feind nennenswert gestört zu werden.

[390] Gegen Kalusz waren die Russen aber rascher gefolgt, drangen am 11. vormittags in die Stadt ein und warfen die Front auf 4 - 5 km zurück. Alle zur Hand befindlichen Reserven wurden nun unter Befehl des Kommandanten der bayrischen 8. Reservedivision Generalmajor Jehlin zum Gegenstoß angesetzt. Er gewann aber kaum bis zu den ersten Häusern von Kalusz Raum, als er auf einen neuen starken, an Kalusz nördlich vorbeigeführten Angriff traf, vor dem die Verbündeten wieder weichen mußten. Ein neuerlicher russischer Ansturm verbreiterte am Abend den Einbruch noch gegen Norden, so daß die auf das Westufer der Lomnica gelangten russischen 3 Infanteriedivisionen und 1 Kavalleriedivision einen Brückenkopf von 6 - 8 km Halbmesser geschaffen hatten. Der von der 3. Armee für den 12. Juli geplante Gegenangriff wurde bis zum vollständigen Eintreffen aller anrollenden Verstärkungen und bis zur Regelung der Befehlsverhältnisse verschoben.

Auch die Russen unternahmen, von mehreren Erkundungsvorstößen abgesehen, westlich der Lomnica keine größeren Aktionen mehr, stießen aber dafür am 13. gegen den Nordflügel des XIII. Korps vor und drückten diesen vom Bereznica-Bach auf die westlich davon gelegene Höhenlinie zurück. Dagegen konnten die am 12. und 13. Juli gegen die Lomnica-Übergänge bei Idziany und Jasien gerichteten russischen Vorstöße abgewiesen werden. Auch die in den folgenden Tagen hier angesetzten Angriffe erlitten den gleichen Mißerfolg. - Mehrtägiger anhaltender Regen schränkte dann die Kampftätigkeit in Ostgalizien ein und machte der Schlacht bei Stanislau - Kalusz ein Ende.

Im Interesse einer einheitlichen Kampfführung beiderseits des Dnjestr, das ist in jenem Raume, der für die Südarmee von Bedeutung war, wurde der Nordflügel der 3. Armee (Gros der 75. Reservedivision und 2. Kavalleriedivision) dem Armee-Oberkommando Süd unterstellt. Das XXVI. Korpskommando, das nach dem Abgehen des Feldmarschalleutnants v. Hadfy in General der Infanterie v. Csanady seinen neuen Kommandanten erhielt, befehligte die österreichisch-ungarische 15. und 16. Infanteriedivision, deutsche 16. Reservedivision und die zur Erholung zurückgezogene 83. Infanteriedivision. Der tapfere, energische General der Infanterie Litzmann, der bisher in Siebenbürgen eine Gruppe kommandiert hatte, übernahm das Kommando über alle östlich von Kalusz stehenden Truppen, und zwar XIII. Korps, bayrische 8. Reservedivision, die eben eintreffende deutsche 20. Infanteriedivision und bayrische Kavalleriedivision. Nur die 5. Infanteriedivision blieb dem Armeekommando direkt unterstellt. Das Kommando über die 3. Armee hatte an Stelle des Generaloberst v. Tersztyanszky bereits am 12. Juli Generaloberst Křitek, bisher Kommandant des X. Korps, übernommen.

Angesichts der rasch eingetroffenen deutschen Verstärkungen, die den Russen kaum verborgen geblieben sein mochten, dann wegen Schwierigkeiten im Nachschub und Munitionsmangels und vermutlich auch wegen abnehmender Angriffs- [391] lust bei einem Teil der Truppen, alles Umstände, die eine erfolgreiche Fortführung der Offensive über Kalusz hinaus kaum wahrscheinlich erscheinen ließen, räumten die Russen in der Nacht zum 16. Juli Kalusz und das westliche Lomnicaufer, um sich am Ostufer erneuert festzusetzen. Die Verbündeten folgten und gewannen - bei Nowica durch Kampf - die alte dritte Stellung wieder.

Das Zurücknehmen der russischen Front hinter die Lomnica war ein deutliches Kennzeichen für das Erlahmen der russischen Angriffskraft. Wohl wurden das XLV., II. Garde- und II. Kavalleriekorps von der 7. zur 8. Armee verschoben und außerdem das beiderseits des Dnjestr stehende XXXIII. Korps der 8. Armee unterstellt. Zu einem energisch geführten, großen Angriff sollte es nicht mehr kommen. Die "Kerenski-Offensive" hatte sich totgelaufen.


1 [1/380]Zur Zeit dieser Kämpfe Generalstabschef der k. u. k. 71., dann der deutschen 225. Infanteriedivision. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte