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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 3: Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern
im Jahre 1917
  (Forts.)

Generalmajor Rudolf v. Borries

4. Rückzug in die Siegfriedstellung.

Die Voraussicht kommender Entscheidungen auf weiten Strecken der Westfront veranlaßte die Oberste Heeresleitung, die Befehlsverhältnisse unter Neuabgrenzung der Heeresgruppen so zu regeln, daß den Gegnern straffe Befehlsgliederung entgegengesetzt werden konnte.

Am 24. Februar 1917 ordnete Kaiser Wilhelm an, daß am 1. März die bisher selbständige 4. Armee zur Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht zu treten habe, während die 7. Armee ausschied und zur Heeresgruppe Deutscher Kronprinz übergehen sollte. Grenze wurde somit die Oise.

Für die Durchführung des Siegfriedrückzugs blieb die 7. Armee aus praktischen Gründen der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht unterstellt, während sie im übrigen, besonders auch für die Vorbereitung der Abwehr des drohenden Angriffs zwischen Vailly und Brimont, an die Weisungen der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz gebunden war.

Die 4. Armee - Armee-Hauptquartier Thielt, später Courtrai; Oberbefehlshaber General Sixt v. Armin, Chef des Generalstabes General Ilse - hielt den Raum von der Nordseeküste bei Nieuport bis Warneton besetzt und gliederte sich in drei Gruppen: Nord (Marinekorps, Admiral v. Schröder), Ypern (IX. Reservekorps, General Kühne), Wytschaete (XIX. Armeekorps, General v. Laffert). Sie zählte zehn Divisionen in der Front und fünf Divisionen in der Reserve, davon vier der Obersten Heeresleitung. Die Armee befand sich seit Beginn 1917 in lebhafter Gefechtstätigkeit. Bis Mitte Februar gestattete der Frost im Überschwemmungsgebiet Freiheit der Bewegung, die beiderseits ausgiebig genutzt wurde. Seit dem Beginn des Tauwetters wendete der Feind verstärktes Artilleriefeuer dem Ypern- und dem Wytschaetebogen zu und führte dort Vorstöße mit geringen Erfolgen, denen größere deutsche gegenüberstanden, so [99] besonders am 8. März bei Wytschaete. Bis zum 15. März wuchs sich die feindliche Feuertätigkeit zu planmäßiger Zerstörungsarbeit in erheblicher Tiefe aus. Am Südflügel steigerte sich auch der Minenkrieg, in dem die Deutschen die Oberhand behielten. So deuteten sich hier ersichtlich englische Angriffsabsichten an.

Kurz vor Beginn des Siegfriedrückzugs herrschte auf dem rechten Flügel der 6. Armee, der an der Bewegung unbeteiligt war, von Warneton bis Arras Kampfbetätigung verschiedener Art. Am ruhigsten war es zwischen Warneton und dem La Bassée-Kanal; weiter nach Süden nahm die Reibung erheblich zu, am stärksten zwischen Lens und Arras. Täglich fanden Infanteriezusammenstöße statt. Es schien sich der von der Heeresgruppe besorgte Fall vorzubereiten, daß die Stellung dort angegriffen wurde, wo die alte Linie in die Siegfriedlinie überging.

Der Abzug des Südflügels der 6. Armee südlich Arras in die neue Stellung ging im Zusammenhang mit der 1. Armee in der Nacht vom 16. zum 17. März ungestört vor sich; während zurückgelassene Teile die alte Front festhielten, erreichte die marschierende Division - die 23. des XII. Reservekorps - bis zum Morgen des 17. März die erste Nachhutstellung von Arras bis St. Marc und am 18. morgend die Siegfriedstellung von Tilloy bei Arras bis Croisilles. Hier trat die rechte Flügeldivision der 1. Armee, die 220., unter den Befehl der 6. Armee, so daß ihre Grenze um eine Divisionsbreite nach Süden verschoben wurde. Die alten Linien konnten bis zum 18. März morgens gehalten werden; dann folgte der Feind den letzten abziehenden Teilen vorsichtig und erreichte am 19. März die Linie Beaurains - Mercatel - St. Léger.

Deutsche Nachhuten hielten Neuville Vitasse, Hénin und Croisillers. Während der erste Ort noch am 19. März geräumt werden mußte, blieben Hénin und Croisillers in deutscher Hand. Nach schwachen Vorstößen wurden Croisillers am 28. März und Hénin am 31. März von den Engländern erfolglos und unter Einbuße von Gefangenen angegriffen. Am 1. April lagen beide Orte und die Siegfriedstellung unter Trommelfeuer; am 2. April lief der Feind in erheblicher Stärke an und erreichte, daß die deutschen Nachhuten nach erbitterten Ortskämpfen eingezogen wurden.

Der Feind hatte also etwa 14 Tage Zeit gebraucht, um durch die kurze Rückzugsstrecke hindurch einen vorbereiteten starken Angriff zu führen.

Bei der 1. Armee war dem Rückzug durch die Besetzung rückwärtiger Linien bereits vorgearbeitet worden.1 Die letzte Stellung der Armee vor dem 16. März verlief von Ransart über Monchy aux Bois, Bucquoi, Bapaume, Le Transloy, Manancourt, Nurlu bis Templeux la Fosse. Zwischen den letztgenannten Orten fielen die aufzugebende und die erste Nachhutstellung zusammen. In der Nacht vom 16. zum 17. März gelangte die Armee unbemerkt bis in und hinter die erste Nachhutstellung St. Marc - Béhagnies - Beugny - [100] Ytres - Nurlu - Templeux la Fosse und in der folgenden Nacht, die rechte Flügeldivision an die 6. Armee abgebend, in die Siegfriedstellung von Croisilles über Pronville, Havrincourt, Banteux, Vendhuille bis Bellicourt. Nachhuten blieben am Feinde. Die Engländer folgten über die Linie Bucquoi - Le Transloy schon am 17., nördlich und südlich davon erst am 18. März mit schwacher Infanterie, Radfahrern, Kavallerie und einzelnen Batterien. Trotz aller Vorsicht wurden sie so unzweckmäßig geführt, daß sie am 17. März bei Bapaume schwere Verluste erlitten. Um den Verbleib der deutschen Truppen festzustellen, setzten sie Schwärme von Fliegern ein, gegen die die deutschen Abwehrgeschwader mit bestem Erfolge tätig waren.

Am 20. März erreichte der Feind die Linie St. Léger - Beaumetz - Bertincourt - Equancourt - Nurlu - Buire und wurde beim Nachdrängen auf Ecoust St. Mein, Noreuil und Lagnicourt zurückgewiesen. Fortgesetzt von den deutschen Nachhuten beunruhigt, blieb er drei Tage unbeweglich, augenscheinlich bemüht, in dem für ihn schwer gangbaren Gelände zunächst einmal festen Fuß zu fassen. Vom 24. März an drückte er auf dem Nord- und Südflügel vor, nahm am 26. März Lagnicourt, prellte über Beaumetz und Vélu vor und schob sich am 26. und 27. März an die Linie Guyencourt - Villers Faucon - Roisel heran. Erst am 29. und 30. März setzte er auch seine Mitte wieder in Bewegung, stieß über die Linie Ruyaulcourt - Sorel bis in den Wald östlich ersteren Ortes hinein und nahm Heudicourt. Bei allen diesen für ihn verlustreichen Gefechten wurde seine in der Kampfführung unterlegene Infanterie durch zahlreiche Maschinengewehre, zum Teil auf Panzerwagen, durch Kavallerie, aber noch immer nur durch geringe Artillerie unterstützt, wenn auch die Zahl seiner Batterien, besonders auf dem Nordflügel, zunahm.

Erst Anfang April hatten die Engländer so viel Kräfte herangezogen, daß sie den Nachhuten das Gelände vor der Siegfriedstellung ernstlich streitig machen konnten. Am 2. April brachen sie nach erbitterten Kämpfen zwischen Ecoust St. Mein und Noreuil durch, zwangen aber nach neuen Angriffen und heftiger Beschießung erst am 6. April die Deutschen auf dem rechten Flügel bis Quéant zum Abzug auf die neue Hauptstellung. Vor der Mitte machte der Feind am 2. April bei Doignies, Metz en Couture und Gouzeaucourt Fortschritte; in der Folge wurden bei Boursies und Hermies wiederholt mit wechselndem Erfolge gekämpft, aber erst am 10. April rückten die deutschen Außenposten zwischen Quéant und Havrincourt in die Siegfriedstellung ein. Weiter südlich hielten sie sich noch über den 10. April hinaus in der vorgeschobenen Linie Trescault - Villers-Guislain. Vor dem südlichen Armeeflügel nahm der Feind am 5. April Epéhy und Roussoy, am 9. April Hargicourt, das er am 11. April zum Ausgangspunkt eines starken Angriffs machte. Er wurde zurückgeworfen und erlitt schwere Einbußen, namentlich an Gefangenen. Auch hier blieben die deutschen Posten noch vor der Hauptstellung stehen.

[101] Die Hinderungen in dem aufgegebenen Gelände waren in Verbindung mit dem geschickt geleiteten Widerstande der deutschen Nachhuten so wirkungsvoll, daß der Gegner vor der 1. Armee drei Wochen Zeit nötig hatte, um sich im neuen Gebiete festzusetzen. Auffällig war die gesteigerte Tatkraft, die er auf dem nördlichen Flügel anwandte. Es sollte sich bald erweisen, daß dieser Drang mit seinen Angriffsplänen auf die Gegend von Arras in Verbindung stand.

Auch bei der 2. Armee waren, um erwarteten feindlichen Stößen auszuweichen, ausgedehnte Frontstrecken auf dem rechten und besonders auf dem linken Flügel zwischen Avre und Oise zurückgenommen worden.2 Die letzte Stellung vor der Siegfriedbewegung erstreckte sich von Templeux la Fosse über Fresnes, Parvillers, Gegend westlich von Roye bis Passel. Zwischen Templeux, la Fosse und St. Christ an der Somme fiel sie mit der ersten Nachhutstellung zusammen. Die Loslösung vom Gegner war durch das vorhergegangene Ausweichen wesentlich erleichtert. Völlig planmäßig wurde am Morgen des 17. März die erste Nachhutstellung von Templeux la Fosse über Doingt, Epénancourt, Etalon, Beaulieu les Fontaines bis Salency und am 18. März die zweite Nachhutstellung in der Linie Villeret - Ham - Berlancourt - Guivry - Abbécourt erreicht.

In der Nacht zum 19. März zog der rechte Flügel der Armee in die Siegfriedstellung von Bellicourt bis St. Quentin einschließlich ab, während der linke Flügel die vorgeschobene Stellung von St. Quentin bis La Fère hinter Somme und Crozatkanal besetzte.

Auf dem rechten Flügel folgten die Engländer so vorsichtig, daß es nur zu ganz leichten Gefechten der beiderseitigen Reiterabteilungen kam. Am 22. März erreichten sie die Linie Marquaix - Soyécourt - Etreillers. Von Marquaix aus stießen sie am 26. März mit starken Kräften, auch mit Panzerwagen, gegen Roisel und Hervilly vor; nur im ersteren Ort vermochten sie sich dauernd festzusetzen. Weiter südlich nahmen sie am 24. März Roupy, wurden aber beim Vorgehen auf Savy zurückgewiesen.

Tatkräftiger drängten die Franzosen nach. Sie waren zum Angriff zwischen Avre und Oise gerüstet gewesen und wollten sich die Beute nicht entgehen lassen, die ihrem Zugriff zu entschwinden drohte. Schon am 19. März rückten sie in die Linie Dury östlich Ham - Viry nordöstlich Chauny ein und schoben sich am 20. März an die Somme - Crozat-Strecke von Happencourt bis Tergnier heran. Die deutschen Truppen wichen von den Wasserläufen bis in die Linie Gd. Seraucourt - Essigny - Vendeuil zurück, um den Feind beim Übergang anzufallen. Hierzu bot sich schon am 21. März Gelegenheit, da er an sechs Stellen die Wasserläufe überschritt. Der deutsche Angriff warf die Franzosen in und über die Somme und Crozat zurück, brachte ihnen schwere [102] Verluste bei und erbeutete Gefangene; allerdings blieb der Erfolg doch noch hinter den Erwartungen zurück. Dann nahmen die deutschen Truppen wieder die frühere Linie ein, verteidigten sie bis zum 25. März erfolgreich, wichen in der folgenden Nacht in die Linie Grugies - Urvillers - Alaincourt aus und räumten weiter südlich das westliche Oiseufer.

Zunächst trat auf der ganzen Front Ruhe ein; auch hier hatte der Gegner das Bedürfnis, die Verfolgungstruppen zu verstärken und sich in dem verödeten Lande einzurichten. Die deutschen Nachhuten schufen ihm hierbei dauernde Beunruhigung.

Vom 1. April an rührten sich die Engländer wieder, namentlich zwischen dem Omignonbach und der Somme, wohin sie erhebliche Kräfte vorgezogen hatten, und nahmen nach hartem Kampfe Savy. Demnächst stürmten Engländer und Franzosen vereint gegen die Linie Wald westlich Holnon - Dallon an, hatten aber nur auf dem nördlichen Flügel einigen Erfolg. Am 2. April führten sie unter Einsatz von drei Divisionen den Angriff gegen die Linie Francilly - Salency - Dallon fort, gewannen auf ersterem Ort Raum, erlitten aber in ihren dichtgedrängten Massen schwere Verluste. Die Stockung der feindlichen Bewegung gab den deutschen Außentruppen Freiheit, sich bis in die Linie Fresnoy le Petit - Westrand von St. Quentin zurückzuziehen.

Am 3. April stießen die Franzosen nach lebhafter Feuervorbereitung aus der Linie Savy - Castres - Essigny - Ly-Fontaine gegen die deutsche Nachhutstellung Grugies - Urvillers - Alaincourt vor, konnten aber nur Grugies nehmen. Weiteren Angriffen wichen die deutschen Truppen in der Nacht zwischen Somme und Oise unbemerkt in den Schutz der Siegfriedstellung aus, so daß der Gegner die verlassenen Linien am 5. April fünf Stunden lang mit Feuer übergoß.

Nach einem feindlichen Vorstoß am 4. April auf St. Quentin mehrten sich die Anzeichen, daß der Gegner auf die Stadt und die nach Südosten anschließende Front einen Angriff plante. Er belegte die deutschen Stellungen, Batterien und Anmarschwege mit wohlgeleitetem Feuer, schonte auch die Stadt nicht und arbeitete mit starken Fluggeschwadern. Die deutsche artilleristische Gegenwehr war kräftig. Die feindliche Infanterie regte sich vorläufig nicht.

Auch von der 2. Armee konnte der Gegner den deutschen Truppen nur so nachrücken, wie diese es mit ihrem Widerstand einrichteten. Erst nach drei Wochen etwa stand er wirklich vor der Siegfriedstellung. Die von ihm durchmessene Strecke betrug im Höchstfalle 24 km.

Ebenso planmäßig vollzog sich der Abzug auf dem rechten Flügel der 7. Armee. In der Nacht zum 17. März wurde die erste Nachhutstellung in der Linie südwestlich Pontoise - Caisnes - Laffaux - Condé, in der folgenden die zweite Nachhutstellung längs des Oise-Aisne-Kanals von Abbécourt bis Brancourt bezogen. Am 19. März standen die Hauptkräfte in der Siegfriedstellung von La Fère über Barisis au Bois bis zum Kanal bei [103] Brancourt; der Oise-Aisne-Kanal südlich der Oise und der Riegel östlich Vauxaillon - Laffaux - Condé waren noch besetzt. Die Siegfriedstellung südlich des Kanals von Vauxaillon bis Cerny en Laonnois wurde von Aufnahmetruppen gehalten. Nordwestlich Soissons rückte der Feind langsam mit schwachen Kräften und recht vorsichtig nach; offenbar hatte er den Abzug erst spät bemerkt. Am 23. März begann er über den Oise-Aisne-Kanal nordwestlich Brancourt Truppen herüberzuwerfen. Von Chauny her bedroht, wichen die deutschen Nachhuttruppen in die Linie Sinceny - Folembray - Coucy le Château - Pont à Courson aus. Am 25. März griff der verstärkte Feind an und warf den deutschen rechten Flügel auf Amigny zurück; weitere Vorstöße am 26. März wurden abgewiesen. In der Nacht zum 27. rückten die deutschen Nachhuten in die Siegfriedstellung ein, ließen aber noch Posten zurück und taten dem Gegner auch fernerhin durch starke Streifen Abbruch, während die Batterien ihm die Festsetzung erschwerten. Erst am 15. April wurde das Vorgelände der neuen Stellung ganz von den Außenabteilungen geräumt.

Südlich des Oise-Aisne-Kanals, wo der Gegner kurze Wege hatte, setzte er sich am 20. März unter steten Gefechten mit deutschen Nachhuten in der Linie Leuilly - Sorny - Vregny fest und zog starke Artillerie bei Soissons über die Aisne. Vom 22. März an griff er täglich die Außentruppen an, die die Höhen östlich von Leuilly und nördlich und südlich Neuville sur Margival hielten. Seine Mißerfolge ließen ihn am 25. März erlahmen; erst am 29. nahm er seine Anstrengungen wieder auf und drückte in den nächsten Tagen die deutschen Abteilungen bei Vauxaillon und Laffaux in den sogenannten Condé-Riegel zurück, während er bei Vregny blutig abgewiesen wurde. Vom 3. April an richtete er fast täglich heftige Angriffe auf die Gegend von Laffaux, die mit Erfolg und zum Teil in offensiver Form abgewehrt wurden. Am 10. und 11. April steigerte die französische Artillerie ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Aufflammen des Vorbereitungsfeuers für den großen Angriff gegen den Chemin des Dames, auf den die 7. Armee, in genauer Erkenntnis der Sturmzeichen, wohl vorbereitet war. Auch jetzt waren der französischen Infanterie bei Laffaux noch keine Fortschritte beschieden; sie verlor im Gegenteil am 16. April durch einen deutschen Vorstoß zahlreiche Gefangene. In der Nacht zum 18. April räumten die deutschen Truppen den Condé-Riegel und die Stellung beiderseits Vailly und gingen in die Siegfriedstellung östlich Vauxaillon - Cerny en Laonnois zurück, die in den nun entstehenden großen französischen Angriff einbezogen wurde.

Auf dem rechten Flügel der 7. Armee hatte sich der anfangs langsam verfolgende Gegner zwar verhältnismäßig schnell in den Besitz des Oise-Aisne-Kanals gesetzt; seine weitere Kampfbetätigung im Vorgelände der Siegfriedstellung entbehrte aber jeder Energie. Anders südlich des Kanals. Indem er den Condé-Riegel stark angriff, wirkte er auf die rechte Flanke der Chemin des [104] Dames-Stellung, die er in der nächsten Zeit zu durchstoßen trachtete. Der heldenhafte deutsche Widerstand vor und in dem Condé-Riegel und der rechtzeitige Abzug in die eigentliche Siegfriedstellung bis Cerny en Laonnois, machten seine Anstrengungen zunichte, die bedenkliche Verhältnisse für die 7. Armee hätten schaffen können, wenn die Franzosen zwischen der Aisne und dem Kanal im Norden wirklich eingebrochen wären. Ebenso wie auf dem rechten, so hatte auch auf dem linken Flügel der Siegfriedstellung der Feind die Stelle scharf angefaßt, wo neue und alte Linie ineinander übergingen.

Mit dem Rückzug in die Siegfriedstellung war die Verlegung der Hauptquartiere der obersten Kommandobehörden verbunden. Das Oberkommando der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht ging von Cambrai nach Mons, der 6. Armee von Douay nach Tournay, der 1. Armee von Bourlon bei Cambrai nach Solesnes, der 2. Armee von St. Quentin nach Le Cateau, der 7. Armee von Laon nach Marle.

Nachdem am 19. März die Hauptkräfte der zurückgehenden Armeen die Siegfriedstellung erreicht hatten, die vorsorglich in ihr bereitgestellten Aufnahmetruppen und die überzählig gewordenen Divisionen abgezogen waren, zeigte die neue Linie folgende Besetzung. Die Siegfriedstellung der 6. Armee südlich Arras hielten 2 Divisionen gegen 1 in der alten Stellung, der 1. Armee 8 gegen 14, der 2. Armee 7 gegen 12, der 7. Armee 4 gegen 4. Es waren also 10 Divisionen ausgespart worden, nicht ganz die ursprünglich erhoffte Zahl von 13 Divisionen.3 Der Stellungsraum war um 30 km verringert, und die gestreckte neue Linie gestattete die Divisionsabschnitte von 5,5 km auf 7 km durchschnittlich zu verbreitern.

Die deutsche Führung konnte auf die abgeschlossene Operation mit Genugtuung zurückblicken. Der aus unsicheren Verhältnissen geborene Rückzugsentschluß war zu einem großen, des Feindes Absichten zerstörenden Erfolge geworden, bei dem sich deutsche Arbeit, Organisation und Taktik hoch bewährten. Indem die Wucht der feindlichen Angriffe abgeschwächt wurde, stählte sich die deutsche Widerstandskraft. Das deutsche Heer nahm den Rückzug vertrauend auf, da er von der Obersten Heeresleitung gefordert wurde, deren Ansehen unbegrenzt war. Auch in der Heimat brach sich die Überzeugung Bahn, daß die Führung nicht nur einen richtigen, sondern auch einen äußerst wichtigen Schachzug getan habe. Absprechende feindliche Urteile traten davor zurück.

Nachdem Kaiser Wilhelm schon am 19. März seine Befriedigung über den glanzvollen Verlauf der Siegfriedbewegung ausgesprochen hatte, würdigte die selbst um den Erfolg hochverdiente Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht das tatsächliche Ergebnis durch folgenden Befehl vom 21. März 1917:

[105] "Der Abmarsch in die Siegfriedstellung ist beendet. Die Operationen haben sich vollkommen planmäßig und ungestört von dem nur vorsichtig folgenden Feind vollzogen. Wo feindliche Angriffe unmittelbar vor unserem Abmarsch bevorstanden, ist es durch geschicktes und rechtzeitiges Ausweichen in rückwärtige Stellungen gelungen, den Feind zu täuschen und unser glattes Loslösen vorzubereiten.
      Wir sind aus verschlammten Trichterstellungen in gute, von langer Hand her vorbereitete Stellungen gegangen. Der Feind wird viel Zeit und große Anstrengungen aufwenden müssen, bevor er unsere neue Front angreifen kann.
      Wir haben starke Kräfte aller Art eringespart, die wir nun an den entscheidenden Stellen zusammenfassen können. So können wir den zu erwartenden großen Kämpfen mit vollster Zuversicht entgegensehen. Die feindlichen Angriffspläne gegen unsere bisherige Front sind durchkreuzt. Der Feind ist sich dieser Bedeutung unserer wohlgelungenen Operation wohl bewußt, wenn er auch äußerlich bemüht ist, sich aus unserem Abmarsch einen Erfolg zuzuschreiben.
      Der glatte planmäßige Verlauf ist der sorgfältigen Vorbereitung und der gewandten Ausführung aller Maßnahmen, sowohl seitens der Führung wie der Truppe, zuzuschreiben. Meine besondere Anerkennung daher allen Führern und Truppen, nicht zum wenigsten auch jenen Führern der kleinen Sicherungsabteilungen, die in frischem Angriffsgeiste dem Feinde vielfach empfindliche Verluste zugefügt und in zahlreichen Einzelkämpfen unsere unbedingte Überlegenheit über den Feind erneut dargetan haben.

Als dieser Befehl gegeben wurde, ließ sich schon übersehen, daß die von der Heeresgruppe erörterten großen Angriffe aus der Siegfriedstellung heraus unausführbar waren.4 Die Stürme, die bei Arras die 6. und 1. Armee bedrohten, erforderten für die Abwehr die volle Kraft der Truppen, zumal da sich gleichzeitig die südlich benachbarte Heeresgruppe Deutscher Kronprinz an der Aisne gegen den groß geplanten Schlag der Franzosen bereitstellen mußte und keine Hilfe leisten konnte.


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Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte