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Teil X - Wirtschaftliche Bestimmungen

Abschnitt III - Schulden

Anlage

§ 1.

      Binnen drei Monaten nach der im Artikel 296 Absatz e) vorgesehenen Mitteilung errichtet jeder der Hohen vertragschließenden Teile ein Prüfungs- und Ausgleichsamt für die Zahlung und die Einziehung feindlicher Schulden.
      Es dürfen örtliche Ämter für einen Teil der Gebiete der Hohen vertragschließenden Teile errichtet werden. Innerhalb dieser Gebiete üben solche Ämter ihre Tätigkeit wie ein Landesamt aus, indessen geht aller Verkehr mit dem gegnerischen Landesamt durch das eigene Landesamt.


§ 2.

      Im Sinne dieser Anlage sind "feindliche Schulden" die im ersten Absatz des Artikels 296 genannten Geldverbindlichkeiten, "feindliche Schuldner" die Personen, die diese Summen schuldig sind, "feindliche Gläubiger" die Personen, denen sie geschuldet werden. Im Sinne dieser Ablage ist "Gläubigeramt" das Prüfungs- und Ausgleichsamt im Lande des Schuldners.


§ 3

      Die Hohen vertragschließenden Teile belegen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Absatzes a) des Artikels 296 mit den gegenwärtig in ihrer Gesetzgebung für Handel mit dem Feinde vorgesehenen Strafen. Ebenso untersagen sie auf ihrem Gebiete jedes auf die Zahlung der feindlichen Schulden abzielende gerichtliche Vorgehen. Eine Ausnahme gilt für die in dieser Anlage vorgesehenen Fälle.


§ 4.

      Die in Absatz b) des Artikel 296 vorgesehene Haftung der Regierung tritt ein, sobald die Schuld sich aus irgendeinem Grunde als uneinbringlich erweist, es sei denn, daß nach der Gesetzgebung des Landes des Schuldners die Schuld im Zeitpunkt der Kriegserklärung verjährt war oder daß der Schuldner sich in diesem Zeitpunkt im Konkurs, in Zahlungsunfähigkeit oder im Zustand erklärter Zahlungseinstellung befand, oder daß die Begleichung der Schuld einer Gesellschaft oblag, deren Geschäfte auf Grund der Ausnahmegesetzgebung des Krieges liquidiert worden sind. In diesem Falle findet das in dieser Anlage vorgesehene Verfahren Anwendung auf die Zahlung der Ausschüttungssummen.
      Die Ausdrücke "in Konkurs", "in Zahlungsunfähigkeit" sind im technisch-juristischen Sinne der einschlägigen Gesetzgebung zu verstehen. Der Ausdruck "im Zustand erklärter Zahlungseinstellung" hat die Bedeutung, die ihm im englischen Rechte zukommt.


§ 5.

      Die Gläubiger melden bei dem Gläubigeramt binnen sechs Monaten nach seiner Errichtung ihre Forderungen an und liefern diesem Amte alle ihnen abgeforderten Urkunden und Auskünfte.
      Die Hohen vertragschließenden Teile treffen alle geeigneten Maßnahmen, um betrügerische Einverständnisse zwischen feindliche Gläubigern und Schuldnern zu verfolgen und zu bestrafen. Die Ämter teilen einander alle zur Entdeckung und Bestrafung derartiger Einverständnisse dienlichen Anhaltspunkte und Unterlagen mit.
      Die Hohen vertragschließenden Teile erleichtern auf Kosten der Parteien und durch Vermittlung der Ämter, soweit wie möglich, die Post- und Drahtverbindung zwischen den Schuldnern und Gläubigern, die sich über den Betrag der Schuld gütlich verständigen wollen.
      Das Gläubigeramt teilt dem Schuldneramt alle bei ihm angemeldeten Forderungen mit. Das Schuldneramt gibt dem Gläubigeramt binnen angemessener Frist bekannt, welche Forderungen anerkannt und welche bestritten worden sind. Im letzteren Falle hat das Schuldneramt die Gründe für die Nichtanerkennung der Forderung anzugeben.


§ 6.

      Wird eine Forderung ganz oder teilweise anerkannt, so schreibt das Schuldneramt den anerkannten Betrag sogleich dem Gläubigeramt gut und gibt ihm gleichzeitig Nachricht von der Gutschrift.


§ 7.

      Eine Forderung gilt als vollständig anerkannt und ihr Betrag wird alsbald dem Gläubigeramt gutgeschrieben, sofern das Schuldneramt nicht binnen drei Monaten nach Empfang der an dieses Amt gerichteten Mitteilung die Nichtanerkennung der Schuld anzeigt (es sei denn, daß das Gläubigeramt eine Verlängerung der Frist bewilligt).


§ 8.

      Wird die Forderung ganz oder teilweise nicht anerkannt, so prüfen die beiden Ämter die Angelegenheit gemeinsam und versuchen, eine gütliche Einigung der Parteien herbeizuführen.


§ 9.

      Das Gläubigeramt zahlt den einzelnen Gläubigern die ihm gutgeschriebenen Summen aus den durch die Regierung seines Landes ihm zur Verfügung gestellten Mitteln und unter den von dieser Regierung festgesetzten Bedingungen, insbesondere mit dem erforderlichen Abzug für Ausfälle, Kosten und Vermittlungsgebühren.


§ 10.

      Wer einen Anspruch auf Zahlung einer feindlichen Schuld erhebt, der sich ganz oder teilweise als unbegründet erweist, bezahlt dem Amte zur Strafe fünf v. H. Zinsen auf den nicht begründeten Teil des Anspruchs. Wer ohne zureichenden Grund die Anerkennung des Gesamtbetrags oder eines Teiles des gegen ihn erhobenen Anspruchs verweigert hat, zahlt zur Strafe gleichfalls fünf v. H. Zinsen von dem Betrage, bezüglich dessen seine Weigerung sich als unbegründet erweist.
      Diese Zinsen laufen vom Tage des Endes der in § 7 vorgesehenen Frist bis zu dem Tage, an dem der Anspruch als ungerechtfertig anerkannt oder die Schuld bezahlt worden ist.
      Die obengenannten Strafen werden durch die jeweils zuständigen Ämter eingezogen, die für den Fall der Uneinbringlichkeit verantwortlich sind.
      Die Strafen werden dem gegnerischen Amte gutgeschrieben, welches sie als Beitrag zu den Kosten der Durchführung der gegenwärtigen Bestimmungen einbehält.


§ 11.

      Die Abrechnung zwischen den Ämtern erfolgt jeden Monat, und der Saldo wird binnen einer Woche von dem Schuldnerstaate durch bare Zahlung beglichen.
      Indessen werden Salden zu Lasten einer oder mehrerer der alliierten oder assoziierten Mächte bis zur völligen Bezahlung der den alliierten oder assoziierten Mächten oder ihren Staatsangehörigen aus Anlaß des Krieges geschuldeten Summen einbehalten.


§ 12.

      Um den Meinungsaustausch zwischen den Ämtern zu erleichtern, hat jedes von ihnen einen Vertreter in der Stadt, in der das andere tätig ist.


§ 13.

      Von begründeten Ausnahmen abgesehen, werden die Verhandlungen, soweit wie möglich, in den Diensträumen des Schuldneramts geführt.


§ 14.

      Gemäß Artikel 296 Absatz b) haften die Hohen vertragschließenden Teile für die Zahlung der feindlichen Schulden, die ihren Staatsangehörigen zur Last fallen.
      Demgemäß hat das Schuldneramt dem Gläubigeramt alle anerkannten Schulden gutzuschreiben, selbst dann, wenn die Einziehung vom Privatschuldner sich als unmöglich erweist. Die Regierungen geben ihrem Amte nichtsdestoweniger jede benötigte Vollmacht, um die Einziehung der anerkannten Forderungen zu betreiben.
      Haben die Schuldner anerkannte Summen Kriegsschäden erlitten, so werden die betreffenden Summen ausnahmsweise dem Gläubigeramt erst gutgeschrieben, nachdem den Schuldnern die ihnen für diese Schäden etwa zustehenden Entschädigung gezahlt worden ist.


§ 15.

      Jede Regierung bestreitet die Kosten des in ihrem Gebiet arbeitenden Amtes, einschließlich der Bezüge des Personals.


§ 16.

      Können sich zwei Ämter über das tatsächliche Bestehen einer Schuld nicht einigen oder kommt es zwischen dem feindlichen Schuldner und dem feindlichen Gläubiger oder zwischen den Ämtern zum Streit, so wird der Fall entweder einem Schiedsgericht unterbreitet (dies gilt, wenn die Parteien zustimmen, und es sind dafür dann die Bedingungen maßgebend, auf die sie sich einigen) oder vor den im nachstehenden Abschnitt VI vorgesehenen Gemischten Schiedsgerichtshof gebracht.
      Doch kann auf Ersuchen des Gläubigeramts der Fall auch der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte am Wohnort des Schuldners unterbreitet werden.


§ 17.

      Die von dem Gemischten Schiedsgerichtshof, den ordentlichen Gerichten oder dem Schiedsgericht zugesprochenen Summen werden durch Vermittlung der Ämter in der gleichen Weise vereinnahmt, wie wenn diese Summen durch das Schuldneramt als geschuldet anerkannt worden wären.


§ 18.

      Die beteiligten Regierungen bestimmen einen Staatsvertreter, dem die Einleitung der Verfahren beim Gemischten Schiedsgerichtshof für das Amt seines Landes obliegt. Diesem Staatsvertreter steht die allgemeine Aufsicht über die Bevollmächtigten oder Anwälte der Staatsangehörigen seines Landes zu.
      Der Gerichtshof urteilt auf Grund der Akten. Doch kann er die Parteien anhören, wenn sie persönlich erscheinen, oder sich nach ihrem Belieben entweder durch von beiden Regierungen zugelassene Bevollmächtigte oder durch den oben genannten Staatsvertreter vertreten lassen, welcher das Recht hat, sich der Partei anzuschließen, sowie auch das Recht, den von der Partei aufgegebenen Anspruch wieder aufzunehmen und geltend zu machen.


§ 19.

      Die beteiligten Ämter liefern dem Gemischten Schiedsgerichtshof alle in ihren Besitze befindlichen Auskünfte und Urkunden, damit der Gerichtshof über die ihm unterbreiteten Angelegenheiten ohne Verzug entscheiden kann.


§ 20.

      Legt eine der beiden Parteien gegen die gemeinsame Entscheidung der beiden Ämter Berufung ein, so hat der Berufungskläger eine Sicherheit zu leisten, die nur zurückgezahlt wird, wenn die erste Entscheidung zugunsten des Berufungsklägers abgeändert wird, und nur in dem Verhältnis, in dem er Erfolg hat. In diesem Fall wird sein Gegner im gleichen Verhältnis zur Tragung der Kosten und Auslagen verurteilt. Die Sicherungsleistung kann durch eine von dem Gerichtshof angenommene Bürgschaft ersetzt werden.
      In allen dem Gerichtshof unterbreiteten Angelegenheiten wird auf den Betrag der Streitsumme eine Gebühr von fünf v. H. erhoben. Diese Abgabe fällt dem verlierenden Teile zur Last, es sei denn, daß der Gerichtshof ein anderes bestimmt. Diese Gebühr tritt zu der oben erwähnten Sicherheitsleistung hinzu, wie sie auch von der Bürgschaftsleistung unabhängig ist.
      Der Gerichtshof kann einer der Parteien Entschädigung bis zur Höhe der Prozeßkosten zubilligen.
      Jede auf Grund dieses Paragraphen geschuldete Summe wird dem Amte der gewinnenden Partei gutgeschrieben und dort besonders verrechnet.


§ 21.

      Zwecks schneller Abwicklung der Geschäfte wird bei der Besetzung der Ämter und des Gemischten Schiedsgerichtshofs auf Kenntnis der Sprache des beteiligten gegnerischen Landes Rücksicht genommen.
      Die Ämter haben freien schriftlichen Verkehr miteinander und können sich Urkunden in ihrer Sprache übermitteln.


§ 22.

      Vorbehaltlich anderweitiger Abmachungen zwischen den beteiligten Regierungen werden die Schulden gemäß nachstehenden Bedingungen verzinst:
      Auf Summen, die als Dividenden, Zinsen oder sonstige wiederkehrende, eine Kapitalverzinsung darstellende Zahlungen geschuldet werden, sind keine Zinsen zu zahlen.
      Der Zinsfuß beträgt fünf v. H. für das Jahr, es sei denn, daß der Gläubiger auf Grund Vertrags, Gesetzes oder örtlicher Gewohnheitsrechte Zinsen zu einem anderen Zinsfuß zu beanspruchen hatte [eng. Text: "zu beanspruchen hat"]. In diesem Falle hat dieser Zinsfuß Geltung.
      Die Zinsen laufen vom Tage der Eröffnung der Feindseligkeiten an, oder wenn die zu zahlende Schuld im Laufe des Krieges fällig geworden ist, vom Fälligkeitstage an bis zu dem Tage, an dem der Betrag der Schuld dem Gläubigeramt gutgeschrieben worden ist.
      Soweit Zinsen geschuldet werden, gelten sie als durch die Ämter anerkannte Schulden und werden unter denselben Bedingungen wie diese dem Gläubigeramt gutgeschrieben.


§ 23.

      Gehört gemäß einer Entscheidung der Ämter oder des Gemischten Schiedsgerichtshofs ein Anspruch nicht unter die im Artikel 296 vorgesehenen Fälle, so kann der Gläubiger seine Forderung vor den ordentlichen Gerichten oder auf jedem anderen Wege Rechtens geltend machen.
      Die Anmeldung der Forderung bei dem Amt unterbricht die Verjährung.


§ 24.

      Die Hohen vertragschließenden Teile vereinbaren, die Entscheidungen des Gemischten Schiedsgerichtshofs als endgültig anzuerkennen und sie für ihre Staatsangehörigen verbindlich zu machen.


§ 25.

      Weigert sich ein Gläubigeramt, einem Schuldneramt einen Anspruch mitzuteilen oder eine Verfahrenshandlung vorzunehmen, die in dieser Anlage zur gänzlichen oder teilweisen Geltendmachung einer bei ihm gehörig angemeldeten Forderung vorgesehen ist, so ist es verpflichtet, dem Gläubiger eine Bescheinigung auszustellen, die den Betrag der beanspruchten Summe angibt. Der betreffende Gläubiger kann alsdann seine Forderung vor den ordentlichen Gerichten oder auf jedem anderen Wege Rechtens geltend machen.