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[Bd. 5 S. 98]
Johann Joachim Winckelmann, 1717-1768, von Ludwig Curtius

Johann Joachim Winckelmann.
[96b]      Johann Joachim Winckelmann.
Gemälde von Anton Rafael Mengs, 1755.
Krakau, Fürst Lubomirski.

[Bildquelle: Staatliche Bildstelle, Berlin.]
Von den vielen Wilhelm-Meister-Schicksalen der deutschen Geistesgeschichte ist dasjenige Johann Joachim Winckelmanns das merkwürdigste und folgenreichste. Nichts hat dieser Mensch auf seinen Lebensweg mitbekommen als sich selber. Alles ist er durch sich allein geworden. Kaum jemals hat eine Existenz solche Gegensätze umfaßt: ärmlichste, kümmerlichste Kindheit und Jugend, subalternes Dienen noch der beginnenden Mannesjahre und schließlich einen Ruhm des Fünfzigjährigen und eine geistige Herrschaft, die wenig bedeuten würden, gehörten sie nur dem vergänglichen Individuum. Aber sie gingen aus von dem Winckelmann, durch den im Zeitalter Friedrichs des Großen und der beginnenden Vorherrschaft der deutschen Musik zum erstenmal wieder seit der Reformation ein deutsches gedankliches System europäische Geltung, ja Macht gewann.

Denn Winckelmann ist neben J. J. Rousseau der andere Revolutionär der europäischen Kultur, der die müde gewordene Welt des ausgehenden Barocks und des Rokokos endgültig zertrümmerte, so sehr er selber ihr noch verhaftet war. In der Entfaltung des europäischen Klassizismus ist er nicht der alleinige Träger der neuen konstruktiven Ideen, aber ihre stärkste theoretische Persönlichkeit. In der deutschen Entwicklung aber, die ihren Sonderweg zu gehen hatte, eröffnet er mit Klopstock und Lessing das große neue Zeitalter unserer klassischen Literatur und die Renaissance des deutschen Geistes, die einen neuen Typus des Deutschen entwickelte.

Herder war sein gelehrigster Schüler, und die Entwicklung Goethes ist undenkbar ohne ihn. Er ist der Vater der deutschen Geschichtswissenschaft, ohne je Historiker im modernen Sinne des Wortes gewesen zu sein. Er ist der Begründer der modernen klassischen Archäologie, die in ihren Forschungsergebnissen weit über ihn hinausgewachsen ist, er war der erste deutsche Kunsthistoriker, aber seine Urteile über Kunstwerke interessieren uns nur mehr historisch. Er ist identisch mit seinem literarischen Werk, aber doch größer als dieses. Wenige lesen ihn mehr, aber kaum kommt man in seine Nähe, wird man vom Feuer seines Wesens in Brand gesteckt. "Man lernt nicht, wenn man ihn liest", bemerkt Goethe einmal zu Eckermann, "aber man wird etwas". Das muß schon ein merkwürdiger Mensch gewesen sein, nach dessen jähem Tode in Triest durch die Hand eines Meuchelmörders Lessing schrieb, "er hätte ihm mit Vergnügen ein paar Jahre von seinem Leben geschenkt", jener Lessing, der als logischer Dialektiker und als der [99] erste Florettfechter der deutschen Sprache Winckelmann genau so überlegen war, wie dieser als Systematiker und Prophet ihm.

Winckelmann ist freilich ein besonderer Fall von Sonderlingstum nicht nur innerhalb seines Jahrhunderts. Aber dieses Sonderlingstum ist so typisch deutsch, daß es schlechtweg als eine Erscheinungsform unseres nationalen Genius angesehen werden kann, als eine neben anderen. Stellt man Hölderlin und Nietzsche zu Winckelmann, dann wird nicht nur die ideelle Verbindung zwischen ihnen auf den ersten Blick sichtbar, die auf der griechisch-antiken Zeitkritik und Lebensnorm beruht, sondern auch eine gewisse Verwandtschaft in der Konstellation der Charaktere und Schicksale. Aus dem Erdreich seiner typisch deutschen Natur sog Winckelmann die Kraft und die Leidenschaft seiner weltwandelnden Tat. Aber so europäisch auch deren Wirkungen waren, so absolut deutsch ist sie selber, deutsch auch ihre Folgen, mögen sie scheinbar auch eine Zeitlang unsichtbar werden.

Winckelmanns Leben und Winckelmanns Werk sind eins. Sein merkwürdiges Leben mündet in seine Lehre, das Pathos dieser erklärt sich nur aus den Bedingungen seiner Existenz. Der Vater, ein Schuster, der sein ganzes Leben lang so arm blieb, daß der Sohn sein Begräbnis bezahlen mußte, war Schlesier. Auf ihn mag man die romantisch-religiösen Züge im Wesen des Sohnes zurückführen, die künstlerische Verträumtheit, vielleicht auch die schöpferische Sprachgewalt. Gewiß gehört Winckelmann viel mehr in die Reihe der Jakob Boehme, Friedrich von Logau, Angelus Silesius und Martin Opitz, als zu den nüchternen Altmärkern. Von der Mutter, die aus Stendal war, mag er die norddeutsche Zähigkeit seines Willens geerbt haben, das, was Goethe als "antike Natur" bezeichnete, "die gleich anfangs ihr ungeheures Probestück ablegte, daß sie durch dreißig Jahre Niedrigkeit, Unbehagen und Kummer nicht gebändigt, nicht aus dem Wege gerückt, nicht abgestumpft werden konnte". Die Misere beginnt mit dem Geburtsort Stendal selbst, in dem Winckelmann am 9. Dezember 1717, ein Jahr nach Leibniz' Tode, das Licht der Welt erblickte. Durch nichts wird nicht nur dieser Gegensatz Stendal–Rom im Leben Winckelmanns schärfer beleuchtet, sondern auch die Situation des noch aus allen Wunden des Dreißigjährigen Krieges blutenden Norddeutschlands, als durch die Schilderung Stendals und seiner Schulverhältnisse in Justis Winckelmann. Die Einwohnerzahl der ehemals reichen Stadt war auf 3000 herabgesunken, unter 600 Häusern gab es 192 strohgedeckte und noch von den Kriegszeiten her 365 wüste Stellen. Als Currendesänger der Lateinschule des Grauen Klosters erwarb sich Winckelmann die Mittel zur Bestreitung der Schulkosten. Der Unterricht mit seinen halbtheologischen Zielen galt ganz dem Latein. Das Griechische war im weiten Umkreis Norddeutschlands eine beinahe vergessene Sprache und wurde nur wegen des Neuen Testaments "getrieben".

Die Kürze unserer Skizze erlaubt es nicht, dem jungen Winckelmann auf allen Leidensstationen seines Suchens zu folgen. Nur in der ausführlichen Kleinmalerei [100] der Milieuschilderung, in der Justi den deutschen Schul- und Universitätsbetrieb der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts darstellt, läßt sich ein Bild der Umwelt gewinnen, der feindlichen Umwelt, in der sich Winckelmann wie ein Blinder, dessen Wege ein inneres Licht beleuchtet, weitertastet. Welches sind die Etappen seiner geistigen Entscheidungen? Durch seinen kurzen Besuch des Cöllnischen Gymnasiums in Berlin erfährt er den Einfluß des damaligen Conrektors Christian Tobias Damm und lernt durch ihn, unendlich wichtig für ihn, Homer und Pindar kennen. Und als er mit neunzehn Jahren als Student der Theologie die Universität Halle besucht, geschieht dies, um sich ganz von der Theologie abzuwenden. Er lernt die Philosophie Christian Wolffs kennen, um sich mit einem wahren Abscheu gegen sie und alle systematische Philosophie überhaupt zu kehren. Er hört bei Alexander Gottlieb Baumgarten Ästhetik, die erste und einzige, die es damals in Deutschland gab, um sie später als "leere Betrachtungen" abzulehnen. Als er die Universität mit einem inhaltlosen Theologenzeugnis verließ, mußte er sich die Mittel für sein weiteres Studium als Hauslehrer im Grolmannschen Hause zu Osterburg verdienen. Dies war sein erster Schritt in die große französisch gebildete Welt. Nachher führten der Versuch, in Jena Medizin und Mathematik zu studieren, und Reisepläne nach Paris zu nichts und seine erste Anstellung als Conrektor am Gymnasium von Seehausen während vier Jahren zu Zerwürfnis mit der Geistlichkeit, zu Aufstand seiner Schüler, von denen er zuviel forderte, zur Feindschaft seiner spießbürgerlichen Umgebung und zu völliger Einsamkeit. Mit dreißig Jahren war er ein gescheiterter Mensch.

Da traf ihn 1748 die Aufforderung des sächsischen Grafen Bünau aus Schloß Nöthnitz bei Dresden, als Hilfsarbeiter bei seiner Deutschen Kaiser- und Reichshistorie in seine Dienste zu treten. Er nahm an. Es war die entscheidende Wendung in seinem Leben, denn alles, was weiter folgt, die Arbeit in einer ungeheuren ihm frei zugänglichen Privatbibliothek, seine Bekanntschaft mit dem reichen künstlerischen Leben Dresdens unter der glänzenden Hofhaltung Augusts III., seine zuerst zufällige Beziehung zu dem päpstlichen Nuntius Archinto, seine intimere zu den Jesuiten, Übertritt zur katholischen Kirche, Übersiedelung nach Dresden, Freundschaft mit Öser und Bianconi und durch diesen Annäherung an den kurprinzlichen Hof und die geistreiche Prinzessin Marie Antonie, der Ideenaustausch mit Hagedorn und Lippert, das alles ist gleichsam organische Entwicklung seiner neuen Lebenssituation, ist sich entfaltender Plan nach der Zerfahrenheit seiner Jugend, ist lauter Glück und Sonne nach soviel Trübsal und Kampf mit einer stumpfen und bösen Welt. Die Frucht der Dresdener Jahre ist Winckelmanns erste Schrift. 1755 erschienen: die "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst". Um die Wirkung dieses Versuchs zu steigern, ließ er ihm ein "Sendschreiben über die Gedanken von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" folgen, in dem er scheinbar einem Gegner seiner Theorie das Wort gab, um nachher in [101] einer neuen Schrift "Erläuterung der Gedanken von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst und Beantwortung des Sendschreibens über diese Gedanken" seine programmatischen Ideen aufs neue zu verteidigen und weiter auszubauen. Diese drei Flugschriften bilden eine zusammenhängende Gruppe.

Man muß ruhig bekennen, daß sie für den modernen Leser schwer genießbar sind. Die Disposition der Gedanken ist unklar, Nebensächliches steht neben Bedeutendem, Anekdotisches neben Grundsätzlichem, die Betrachtung vermischt scheinbar wahllos Bemerkungen über antike Kunstwerke mit solchen zu Werken der neuen Kunst, die Allegorie, "Bilder, die allgemeine Begriffe bedeuten", spielt eine kaum verständliche Rolle. Der Stil ist aphoristisch und eigenwillig ungelenk und sprudelt daher wie ein Gießbach nach einem Gewitter. Welch ein Abstand gegen die gleichzeitige französische und englische Literatur. Wenige Jahre vor den "Gedanken" hatte Voltaire Le siècle de Louis XIV. im klassischen Französisch vollendet, hatte Fielding im Tom Jones die ganze Leichtigkeit, Beweglichkeit und humoristische Kraft der modernen englischen Prosa entfaltet.

Längst ist gesehen, daß diese Erstlingsschriften im Kerne schon das ganze System enthalten, das Winckelmann im späteren Werk errichten wird. Es vollzieht sich in ihnen die Abwendung von der römischen Antike zu der griechischen. Ihre ästhetische Deutung verbindet sich mit der moralischen Forderung einer neuen Erziehung. Das sind im Denken der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts gänzlich neue Positionen.

Winckelmann ist immer ein ungeheurer Leser gewesen. Aus den zum Teil noch erhaltenen Stößen seiner Exzerpte läßt sich der Weg seiner Selbstbildung ziemlich klar übersehen. Er besitzt das ganze historische, kunstgeschichtlich-ästhetische Wissen seiner Zeit. Wenn zum Erstaunlichen seiner Persönlichkeit zuerst die Tatsache gehört, daß er das Elend seiner Jugendjahre überhaupt als geistiger Mensch überstanden hat, so offenbart sich die Stärke seiner Natur weiter darin, daß er nicht der buntscheckige, philiströse Polyhistor geworden ist, welcher den deutschen gelehrten Typus seiner Zeit darstellte, sondern schlechtweg eine Individualität. Es ist etwas in ihm wie schlafwandlerische Sicherheit und eine eigentümliche scharfkantige Geschliffenheit. Mit wenigen einleitenden Sätzen geht er unmittelbar auf sein Ziel los, er behandelt es wie eine Festung, die er unaufhörlich weiter ausbaut und nach allen Seiten verteidigt. Er hat den Enthusiasmus eines Religionsstifters und die glückliche Berauschtheit eines Trunkenen. Als schriftstellerische Individualität bedeutete er eine völlig neue Erscheinung in der deutschen Literatur, als Prophet eines neuen Jahrhunderts riß er das gebildete Europa mit sich fort.

Er war von Hause aus eine pädagogische Natur, und auf der Höhe seines Ruhmes sagt er einmal von sich: "Ich hätte ohne Entgelt ein allgemeiner Lehrer der Jugend sein wollen, und dennoch hat es mir nicht gelingen wollen." Und da sich in ihm aus einer persönlichen Empfindlichkeit für jugendliche Schönheit [102] der zu jedem Erziehertum gehörende Sinn für den besonderen Charme der Individualität mit einer wahren Leidenschaft der Freundschaft verband, die durch sein ganzes Leben geht und ebenso dem reifen Manne gilt wie dem jungen, so sucht er in der ganzen Weltgeschichte gleichsam nach der Insel der Seligen, auf der sein Wunschtraum einmal Wirklichkeit geworden, und findet sie im Griechentum, im Homer, bei Xenophon und Platon und in der bildenden Kunst. Diese persönliche Begeisterung, die ihn in seinen Briefen so liebenswürdig erscheinen läßt, erfüllt seine Schriften mit einer eigentümlichen Wärme. Er schafft eine neue Wissenschaft, gewiß, aber durch diese und über sie hinaus sucht er einen neuen Sinn des Lebens. Trotz seiner Gleichgültigkeit gegen das formale Kirchentum der beiden Bekenntnisse, denen er angehörte, war er eine tief religiöse Natur, auch mit den Widersprüchen, wie sie so oft zu frommen Menschen gehören. "Suchen Sie in Widerwärtigkeiten die zweyte Stütze von Seiten der Religion zu gewinnen", so schreibt er einmal einem Freund, "die philosophische ist zuweilen nicht zuverlässig genug." Das Griechentum wird für ihn eine neue Religion, die weiträumig genug ist, um ihm zu erlauben, in Stunden der Bescheidung lutherische Kirchenlieder vor sich hin zu singen.

Aber diese persönliche Zuneigung Winckelmanns zu den Helden der Ilias und zu den Symposiasten Platons ist doch nur eine Kraft in der Dynamik des neuen klassischen Geistes. Die andere ist überindividuell und entspringt der besonderen gesellschaftlichen Struktur Deutschlands, das von den Folgen der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges sich nur unendlich langsam erholen konnte.

Der tiefe Unterschied nämlich zwischen der Renaissancebewegung Frankreichs und Englands einerseits, Deutschlands andererseits ist der, daß die durch sie vermittelte Antike in jenen Weststaaten in einem langen Prozeß seit der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts allgemeines Bildungsgut der regierenden Gesellschaft und dadurch ein Stück der nationalen Erziehung überhaupt, daß aber in Deutschland die analoge Entwicklung zuerst durch die Reformation und nachher durch den Dreißigjährigen Krieg aufgehalten wird. Vom Hof Franz I. und der Margarethe von Navarra bis zu dem Ludwigs XIV., von Rabelais, Montaigne und Ronsard zu Corneille und Racine wird die Antike in Frankreich von Generation zu Generation immer neu aufgenommen und weitergegeben und verschmilzt mit den aus dem Altertum durch das Mittelalter hindurch weiterlebenden römischen Bestandteilen der französischen Kultur zu jener "Latinité", die noch heute ein Grundzug des französischen Geistes ist. Für England reicht der Name Shakespeare aus, um die Glorie der Entwicklung zu bezeichnen, in der germanische und romanische antikische Elemente sich gegenseitig immer neu befruchten. Wie der Reichtum des Englischen in seiner Doppelsprachigkeit besteht, in der glücklichen Ehe zwischen Volksenglisch und Humanistenromanisch, so bilden die Namen Thomas More, Bacon, Pope, Shaftesbury eine Reihe von englischen Renaissancecharakteren, die als Gegensatz und Ergänzung die großen religiösen Persönlichkeiten haben, deren [103] mächtigste Milton ist. Durch diese organische Rezeption der Antike werden "classics" ein traditioneller Inhalt der englischen Erziehung und bleiben dies bis zur Gegenwart.

Vergleicht man mit der französisch-englischen Situation die deutsche, so, wie sie Winckelmann in persönlichster Erfahrung erlebt hatte, so wird seine Sehnsucht, aus dieser herauszukommen, nur allzu verständlich.

Aber nun ist der entscheidende fruchtbare Moment des Winckelmannschen Idealismus an einer ganz bestimmten Stelle aufzuzeigen. Im französischen und englischen Humanismus wird die Antike zwar in breiter Fülle aufgenommen, aber als ein Bestandteil der gesellschaftlich-staatlichen Erziehung wird sie zugleich "domestiziert". Sie verliert ihre ursprüngliche Frische und Kraft. Es gibt kaum einen Gedanken Winckelmanns, der sich nicht vor ihm in der französisch-englischen kunsttheoretischen und philosophischen Literatur fände. "Edle Einfalt und stille Größe", das lag doch schon im Stil der Tragödie Racines und in der Komposition Poussins. Winckelmanns Homerbegeisterung ist durch Popes Übersetzung angeregt, die er auswendig weiß, und seine Theorie vom Göttlich-Schönen geht auf Shaftesbury zurück. Aber dieses ganze Gedankengut wird von ihm umgeschmolzen und dadurch völlig neu. Er löst es aus der gesellschaftlichen Konvention und stellt seine Sache gleichsam auf nichts. Es gibt ja keine deutsche Gesellschaft und keine deutsche Nationalerziehung, an die er sich anschließen konnte. Mit seiner Sehnsucht nach einer Bildung schlichter Menschlichkeit steht er genau so einsam da wie der Wilhelm Meister des Romans, der glaubt, durch das Theater diese finden zu können, oder der Nietzsche der frühen Schriften Homer als Wettkämpfer und Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten, oder wie die Romantiker der deutschen Wandervogelbewegung. Die Wiederholung zeigt das spezifisch Deutsche der Situation. Jedesmal Kampf gegen Scheinkultur und erstarrte Konvention, jedesmal neue Suche nach den Quellen des Lebens.

Johann Joachim Winckelmann.
Johann Joachim Winckelmann.
Gemälde von Anton Maron, 1768.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 172.]
Für Winckelmann ist der Schein zuerst die römische Fassung der griechischen Überlieferung. Noch für das achtzehnte Jahrhundert war die griechisch-römische Antike eine totale Einheit, in der schon aus dem nationalen Charakter der italienischen Renaissance heraus das Römische überwog. Die Einsichten der italienischen Humanisten, nachher der großen französischen, englischen und holländischen Philologen in die verschiedene Entwicklung der griechischen und der römischen Literatur blieben Teilerkenntnisse, die zu keinem wirklichen Verständnis der griechischen Kultur getrennt von der römischen führten. Winckelmann als erstem geht die Ahnung auf, daß die meisten der erhaltenen Antiken römische Kopien nach verlorenen griechischen Originalen sind, ohne daß er imstande gewesen wäre, diese Anschauung wirklich methodisch durchzuführen. Er findet auch als erster bildhauerisch-technische Kriterien zur Beurteilung und Datierung römischer Skulptur. Aber diese Beobachtungen gehören in den Bereich der archäologischen Fachwissenschaft. Geistesgeschichtlich viel wichtiger ist seine Konzeption eines ursprünglichen, nicht durch die römische Tradition veränderten oder verderbten Griechentums. Dieses findet er [104] zuerst in Homer. Daher die Abwendung von Vergil, die im Gegensatz zu Italien, Frankreich und England nachher für den ganzen deutschen Neuhumanismus charakteristisch bleibt. Homer als die Quelle der griechischen Kunst, die griechischen Dichter und Künstler als die eigentlichen Schöpfer der griechischen Religion, das sind lauter Ahnungen Winckelmanns, Ahnungen mehr als durchgeführte wissenschaftliche Einsichten. Die Antike war für die vornehme Welt des achtzehnten Jahrhunderts Gegenstand antiquarischer Gelehrsamkeit oder wahlloser Sammlerleidenschaft, sie war dekoratives allegorisches Beiwerk ihrer Opern, Festzüge und Gartenfeste, oder sie war Zitat und Nutzanwendung der moralischen Lehrbücher ihrer Kavalierserziehung oder ihrer politischen Traktate. Aus all dieser Fron reißt sie Winckelmann heraus. Er will nur sie selber um ihrer selbst willen. Er will das Kunstwerk um der Kunst willen, die Schönheit um der Schönheit willen. Nachahmung der Alten ist für ihn Neuschöpfung aus ihrem Geiste, so, wie sie nur Raffael gelungen ist. "Eine so schöne Seele, wie die seinige war, in einem so schönen Körper wurde erfordert, den wahren Charakter der Alten in neuen Zeiten zuerst zu empfinden und zu entdecken."

Als Winckelmann 1755 als Stipendiat des Dresdener Hofes nach Rom geht, bringt er sein fertiges System ähnlich mit, wie später Goethe die Iphigenie. Als Freund von Raphael Mengs, als Bibliothekar des Kardinals Archinto, schließlich als der Vertraute des Kardinals Alexander Albani und als Präsident der päpstlichen Altertumsverwaltung und Cicerone deutscher Fürsten in Rom wird er Weltmann, berühmt und einflußreich. Was viel wichtiger für ihn ist: er steht inmitten der unermeßlichen Schätze antiker Kunst in Rom, nachdem er bisher in Dresden nur ein paar Antiken im Original hatte kennen lernen können, er hat die Sammlungen seines Gönners in der Villa Albani beinahe wie sein Eigen, erhält Zugang zu den eifersüchtig gehüteten Funden aus den Ausgrabungen Karls III. in Herculaneum, besucht die Tempel von Paestum. Wenn man Winckelmann in dieser Periode des Glücks beobachtet, so ist vielleicht die auffallendste Eigenschaft, die man an ihm finden kann, die Selbsttreue. Er verliert sich nicht an die glänzende Gesellschaft im Rom Benedicts XIV., er bleibt der gleiche innerlich unabhängige, schlichte Mensch und schreibt 1758 an Bianconi: "Ich habe die Armut geheiratet, die Mutter der Freiheit und ich hoffe, daß diese Ehe bis ans Ende dauern wird." Aber er verliert sich auch nicht an die Monumente, die ihn zu gelehrter antiquarischer Vielschreiberei hätten verführen können. Es handelt sich ihm um etwas viel Höheres als das bloße archäologische Tatsachenwissen. Das Geheimnis der Form geht ihm auf. Er ringt nicht nur um das Verständnis der Form des antiken Kunstwerks, sondern vor allem um die Form seines eigenen Deutsch. Nur in einem hohen Stil will er von dem hohen Stil der antiken Meisterwerke sprechen. Dafür gab es kein Vorbild. "Die Beschreibung erfordert Zeit, weil es lauter Originalgedanken sein müssen". Gerade als Deutscher fühlt er eine besondere Verantwortung: "Meine Absicht ist allezeit gewesen und ist es noch, ein Werk zu liefern, [105] desgleichen in deutscher Sprache, in was vor Art es sei, noch niemals ans Licht getreten, um den Ausländern zu zeigen, was man vermögend ist zu tun". Er feilt unaufhörlich an seiner Schreibart, er ringt um "eine erleuchtete Kürze" und leidet wieder darunter, daß dieser die Deutlichkeit fehle. Er schickt die Entwürfe seiner Beschreibungen an seine Freunde und erbittet ihre Kritik. Er ist in einer Art von Ekstase, wenn er sich dem Eindruck eines großen Bildwerks hingibt, "um meinen Geist durch das Anschauen dieser Werke desto mehr in Bewegung zu setzen", und wenn er nachher versucht, das Erlebte in Worten wiederzugeben.

Titelblatt der Erstausgabe von Winckelmanns ‘Geschichte der Kunst des Altertums'.
[105]      Titelblatt der Erstausgabe
von Winckelmanns
"Geschichte der Kunst des Altertums",
Dresden 1764.      [Vergrößern]
[106] Das Ergebnis dieser jahrelangen Vorarbeiten sind die Beschreibungen antiker Kunstwerke in der Geschichte der Kunst des Altertums (1764–1768), vor allem die des Apollon von Belvedere, des Laokoon und des Torso. Auf Winckelmanns "Gesichte" geht die Anrufung Apollons in Goethes "Wandrers Sturmlied" zurück, ja überhaupt der Stil jener freien Rhythmen der Straßburger Zeit. Aus der Einwirkung auf Goethe allein ist die schriftstellerische Wirkung Winckelmanns zu ermessen, die uns heute deshalb weniger unmittelbar packt, weil sie ganz durch die weitere Entwicklung der Sprache eben über Herder und Goethe rezipiert ist. Herder zuerst hat Winckelmanns Stil "pindarisch" genannt. Aber ohne ihn und seine Schau griechischer Götter ist auch der deutsche Pindar undenkbar: Hölderlin. In Winckelmanns Kunstgeschichte wendet sich zum erstenmal die deutsche Innerlichkeit nach der Transzendenz der pietistischen Barockpoesie auf ein großes weltlich-sinnliches geschichtliches Objekt. Die persönliche religiöse Leidenschaft des Erlebens des Kunstschönen macht Winckelmann zu einer so unrationalen Erscheinung inmitten des rationalen Jahrhunderts. Aus dem neuen Erleben folgt ihm der neue Begriff. In seiner Kunstgeschichte erfüllt sich zum erstenmal das Gesetz, das zum neuen Erleben eines geschichtlichen Inhalts immer auch das neue Wort gehört. Das ganze System ästhetischer und kunstgeschichtlicher Begriffe, das der Klassizismus verwendet und ausbaut, geht auf das sprachschöpferische Vermögen Winckelmanns zurück.

Die Geschichte der Kunst des Altertums ist ein eigentümlich gemischtes Gebilde. Zuerst ist sie wirklich das, was sie heißt, eine Geschichte, steht deshalb als Hauptwerk am Anfang der deutschen Geschichtsschreibung und eröffnet ebenso die deutsche klassische Archäologie wie die deutsche Kunstgeschichte. Aber, wie Winckelmann selbst in der Vorrede sagt, "das Wesen der Kunst ist ihr vornehmster Endzweck", sie will also auch eine Ästhetik sein. Schließlich aber dient sie der erzieherischen Absicht, die Winckelmann nie aufgegeben hat, "die Fähigkeit der Empfindung des Schönen in der Kunst" in schönen Menschen zu wecken nach dem Titel der dem Freiherrn von Berg 1763 gewidmeten Abhandlung. Sie ist also auch ein pädagogisches Werk und eröffnet als solches die nationale Erziehungsaufgabe des klassischen deutschen Humanismus.

Hier beschäftigt uns vornehmlich die Geschichtsschreibung Winckelmanns. Worin besteht ihre eigentliche Leistung? Der erste entscheidende Schritt der neuen Methode ist die Erkenntnis ihres Objektes. Winckelmann fordert als erster die Scheidung des Echten vom Unechten an den erhaltenen Antiken durch die systematische Sonderung ihrer Ergänzungen. Weil davon bei seinen bedeutenden Vorgängern Montfaucon und Caylus gar keine Rede war, entstanden die größten Fehler der Interpretation. Mag sein, daß in ihm das Prinzip exakter Naturbeobachtung nachwirkte, das er durch seine medizinischen Studien in Halle kennen gelernt hatte, oder daß er die Erfahrungen beim Studium mittelalterlicher Urkunden für die Reichsgeschichte des Grafen Bünau auf die Antike anwandte; [107] jedenfalls bricht bei ihm ein Fanatismus für das Echte durch, der durch ihn ein moralischer Grundsatz der Altertumswissenschaft, und nicht nur dieser allein, geworden ist.

Der gleichen Absicht der möglichst präzisen Erkenntnis des Objekts dient seine Forderung der Beschreibung. Nur was beschrieben ist, ist gesehen. Er selbst übt sich fortwährend darin. In der systematischen Beschreibung von Kunstwerken hat er Vorgänger. Aber er hat keine Vorläufer in seinen Versuchen, durch den hohen Stil der Beschreibung etwas vom Wesen des Kunstwerkes wiederzugeben. Auch dieser Teil seiner Methode ist durch ihn lebendige Forderung der Kunstwissenschaft geblieben. Wie Goethes Beschreibung des Abendmahls des Leonardo da Vinci ohne Winckelmanns Versuche undenkbar ist, so sind alle die Meisterwerke knapper Charakterisierung von Kunstwerken von Jakob Burckhardt bis zu Dehio Geist von seinem Geiste.

Aber neben dem poetischen Stil der Beschreibung gibt es noch einen anderen entgegengesetzten, die exakte Beschreibung der Einzelform, Schnitt des Gesichtes, Bildung von Auge, Nase und Mund, der Muskulatur, von Zehen und Fuß, der Gewandung. Mit ihr verbinden sich die Beobachtungen der technischen Arbeit, auf die Winckelmann durch seinen Verkehr mit den Künstlern geführt wird. Das ist das Material von Erfahrungen, mit dem er seine Geschichte der Stile errichtet. Diese seine eigentliche kunstgeschichtliche Technik hat die Welt erobert.

Schließlich schafft er ein ganz neues Objekt durch seinen Versuch, die ganze Masse der erhaltenen Monumente anzugreifen. Seine 1760 erschienene Description des pierres gravées du feu Baron Stosch ist bei aller Unvollkommenheit der erste Versuch eines wissenschaftlichen Museumskatalogs, und die Monumenti Inediti, denen seine letzten römischen Jahre galten, sind das Vorbild geworden für Sammelwerke zur Veröffentlichung unbekannter Denkmäler für ein ganzes Jahrhundert nach Winckelmanns Tode und darüber hinaus. Es gehört zu der leicht erregbaren Spontaneität seiner Natur und zu der Beharrlichkeit seines in den Jugendjahren ausgebildeten Fleißes, daß er alles ergreift, was zur Altertumswissenschaft gehört. Er überwindet alle Widerstände, um die Resultate der Ausgrabungen von Pompeji und Herculaneum kennen zu lernen, und äußert sich über das Gesehene 1762 in dem "Sendschreiben von den herculanischen Altertümern" an den Grafen Brühl und 1764 in den "Nachrichten von den neuesten herculanischen Entdeckungen", und, als er als einer der ersten die vergessenen Tempel Paestums besucht, verdichten sich seine Erlebnisse zu den "Anmerkungen über die Baukunst der Alten" (1761). Griechische Plastik und Vasenmalerei, Bronzen, Münzen, geschnittene Steine, die dekorative Wandmalerei, die Architektur, das Römische bis in seine Spätzeit: noch niemand vor ihm hatte überhaupt den Versuch gemacht, diese Überfülle von Denkmälern mit der antiken literarischen Überlieferung systematisch zusammenzufassen. Als reiner Gelehrter ist Winckelmann seinen [108] Zeitgenossen so sehr überlegen, daß ihm gegenüber nicht Kritik, sondern nur Nachfolge möglich war.

Dieses neue ungeheure Objekt wird nun nicht reine Geschichte, aber es wird in der Einteilung und im Zusammenhang der Epochen mehr Geschichte, als bei irgend einem Vorläufer: die ägyptische Kunst als die Vorläuferin der griechischen und die Einteilung dieser in vier Stile, den älteren vor Phidias, den großen hohen des Phidias, den schönen von Praxiteles bis auf Lysipp und Apelles, und den Stil der Nachahmer. Der für alle Folgezeit entscheidende Schritt Winckelmanns ist der, daß er unter dem Einfluß der Künstlerästhetik den Begriff des Stils einführt, dadurch über die bloße Künstlergeschichte hinauskommt und den Grund legt zum Verständnis überindividueller geschichtlicher Zusammenhänge. Das Ergreifende an dieser Einteilung der Stile ist dies, daß sie viel mehr Sehnsucht und Ahnung als wirkliches Wissen ist. Denn da die Parthenonkunst ihm noch gänzlich unbekannt war, so fehlen ihm für den großen und hohen Stil die entscheidenden Werke und er rechnet die Florentiner Niobiden dazu. Bei seiner Bewunderung des Laokoon muß dieser noch in den schönen Stil gehören, und im Apoll von Belvedere sieht er überhaupt "das höchste Ideal unter allen Werken des Altertums". Aber daß er ein Auge hat für die griechisch-archaische Kunst, die er den älteren Stil nennt, und daß er ihren besonderen Zauber empfindet, ist trotz der notwendigen Irrtümer des Anfängers seine größte, in seiner Zeit beinahe unbegreifliche Entdeckung.

Die andere ist die des Gottesideals. Für den Rationalismus der Aufklärung sind die griechischen Götter "Begriffe". Winckelmann steht dieser Auffassung noch sehr nahe. Daher die Ausführlichkeit, mit der er immer wieder, zuletzt in dem "Versuch" von 1766 die Allegorie behandelt. Aber unabhängig von diesem nüchternen Ordnungsprinzip mythologischer Erscheinungen waren ihm die griechischen Götter im demütigen Ringen mit ihnen allerinnerstes Erlebnis geworden. Und so begreift er sie aus seinem eigenen neuen seelischen Dasein heraus als große neue religiöse Charaktere. So ist er auch der Begründer der modernen Religionswissenschaft, die sich an den Fragen nach dem Ursprung und dem Wesen der griechischen Götterideale entwickelt hat.

Aber Wissenschaft allein ist keine Macht, welche die Zeitalter verändert, wenn sie nicht mit einem Enthusiasmus sich verbindet, der weniger der Erkenntnis dessen gilt, was wirklich ist und war, sondern dem, was sein und daher auch gewesen sein soll. Für Winckelmann ist die griechische Kunst "der edlen Einfalt und stillen Größe" die absolute Kunst, die Darstellung des absolut Schönen und die Griechen der Zeitalter der drei Stile die vollendeten Menschen. Es ist heute leicht, die Schwächen seiner Konstruktion aufzuzeigen. Jeder Anfänger in der Altertumswissenschaft kann das. Winckelmanns Lehre war eine Vision. Diese Vision hat gesiegt, um erst nachher reine Wissenschaft zu werden. Sie suchte reine edle Menschlichkeit jenseits der Rangklassen der Stände, natürliche Empfindung [109] nach der Vorherrschaft des Verstandes, einen neuen heroischen Lebensstil nach der Genußsucht des Rokoko.

Johann Joachim Winckelmann.
Johann Joachim Winckelmann.
Gipsbüste von Friedrich Wilhelm Döll.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 173.]
Winckelmann selbst in seiner Abwendung vom realen Staat scheint wenig mit Patriotismus zu tun zu haben, und doch hat dieser Preuße, der so leichten Herzens zuerst Sachse und dann Römer wurde, mitgewirkt am Wiederaufbau seines Staates, denn seine klassizistischen Ideale stehen hinter den Erziehungsreformen Wilhelm von Humboldts. Als dieser die Universität Berlin einrichtete, berief er Friedrich August Wolf, den eigentlichen Begründer der kritischen deutschen klassischen Philologie, die mit ihm, Gottfried Hermann und August Boeckh den Vorsprung wieder einholte, den die englische und die holländische Philologie vor ihr voraus hatten. Vergleicht man ihn, der natürlich selber schon unter dem Einfluß Winckelmanns steht, mit diesem, dann werden die verschiedenen sich gegenseitig ergänzenden Rollen deutlich, die mit jenen beiden angefangen durch das ganze neunzehnte Jahrhundert hindurch Philologie und Archäologie gespielt haben. Wolfs Unternehmen war kritisch-analytisch. Die kritische Textanalyse beherrschte von ihm ab die deutsche klassische Philologie, und deshalb ist sie beinahe ein ganzes Jahrhundert lang so arm geblieben an Versuchen, ein Gesamtbild des Griechentums oder einzelner seiner Manifestationen zu entwerfen. Diese

Johann Joachim Winckelmann, Bronzestatue in Stendal.
Johann Joachim Winckelmann,
Bronzestatue in Stendal.
[Nach wikipedia.org.]
entstehen aber in der archäologischen Deszendenz von Winckelmann her. Über seinen Schüler Zoëga hängt Friedrich Gottlieb Welcker, der Erzieher im römischen Hause Wilhelm von Humboldts, mit ihm zusammen, und über Herder, Schelling und Creuzer wirkte Winckelman auf August Boeckh, den Begründer der modernen griechischen Geschichtsschreibung. Boeckhs Lieblingsschüler war Karl Otfried Müller. Welcker, Boeckh und Karl Otfried Müller hinwiederum sind die eigentlichen Lehrer Jakob Burckhardts, bei dem charakteristische Züge Winckelmanns wiederkehren: die Abneigung gegen Michelangelo, die tiefe Verehrung Raffaels, die Schätzung des Laokoon.

Aber es gibt noch eine andere Deszendenz der Winckelmannschen "Vision", die Hesperidenbilder von Hans von Marées, der ebenso wie der Vater der Archäologie ein Moses war, der den Weg ins Land der Verheißung wies, das er selber nicht betreten hatte. Und die Schlußzeile in Rilkes Rodin gewidmetem Gedicht "Archaischer Torso Apollos":

      "Denn da ist keine Stelle,
      die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern"

ist eine neue Fassung des Grundgedankens von Winckelmanns Sendschreiben.




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Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz