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[Bd. 5 S. 303]
Fürst Hermann von Pückler-Muskau und Peter Josef Lenné, 1785-1871 bzw. 1789-1866, von Heinrich Fr. Wiepking-Jürgensmann

Hermann Fürst Pückler-Muskau.
[296b]      Hermann Fürst Pückler-Muskau.
Zeichnung von Wilhelm Hensel, um 1840.
Osnabrück, Pastor Leo.
Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts begann ein Kampf um die deutsche Erneuerung, der bis in unsere Tage weitergeführt wurde. Wenn auch der Durchbruch des deutschen Geistes in der Landschaftsgestaltung zu einem vollen Sieg führte und durch das Reichsnaturschutzgesetz seine Krönung und endgültige Zielsetzung erhielt, so sind dennoch manche Kreise noch heute im Zweifel über den eigentlichen Sinn dieser gewaltigen Bewegung, die eine echte Volksbewegung ist. Keine Äußerung unseres künstlerischen Erlebens war so umstritten und ist es auch zum Teil noch, wie die Loslösung des germanisch-deutschen Naturgefühls von den strengen Regeln des italienisch-französischen Architekturgartens.

Der kaiserliche Pfalzgraf, Ratsherr und Statthalter in Ritzebüttel, Barthold Heinrich Brockes (1680–1747), war wohl der früheste deutsche Sänger des "Irdischen Vergnügens in Gott". Die Inbrunst seiner Garten- und Blumengedichte leitete eine neue Gartenzeit ein, in der der Garten nicht mehr höfischer Festplatz, sondern das alltägliche vertraute grüne Heim war. Dieses Sichzuhausefühlen im eigenen Garten ist das Bezeichnende in Brockes Gartengefühl.

Wenn Brockes literaturgeschichtlich an den Anfang eines "neuen" Gartengefühles gestellt wird, so muß doch festgehalten werden, daß das naturnahe Gartenleben in deutschen Landen keineswegs eine neue Erkenntnis darstellt. Der Garten ist aus dem Leben des deutschen Volkes nicht fortzudenken, ja, er steht mit dem Baum am Anfang germanisch-deutscher Geistesgeschichte.

Der Midgard war ein Garten; ein gegen die wilden Tiere der feindlichen Außenwelt, des nicht bestellbaren und Gefahren bergenden Utgards, stark umfriedetes Stück Eigenland. Wir wissen es heute sicher und können es noch an vielen Orten im germanischen Urraum beweisen, daß der Midgard stets im Mittelpunkt der landschaftlichen Schönheiten lag. Dieser Garten war nicht nur die Stätte bäuerlicher Tätigkeit und menschlicher Besiedlung. Der sich aus dem Midgard entwickelnde deutsche Garten war und blieb bis auf den heutigen Tag ein geradezu seelischer Begriff des Eigentums und des Geborgenseins.

Wie es in deutschen Landen niemals romanische, gotische oder barocke Bauernhäuser gegeben hat, so hat es auch niemals andere Bauerngärten gegeben als solche, die das Bauernvolk sich selbst aus Bedürfnis und Empfindung, aus unbewußtem, volklichem Tun schuf. Noch heute läßt sich jeder deutsche Volksstamm ebenso wie [304] an seinem Bauernhaus auch an seiner Gartenform, an seinem Garteninhalt und an seiner Kulturlandschaft deutlich vom Nachbarstamm abgrenzen.

Im italienisch-französischen Geiste hat das deutsche Bauernvolk niemals Gärten empfunden oder gestaltet. Auch in der breiten Masse des Stadtbürgertums waren nichtdeutsche Formelemente ein Jahrtausend lang im Garten kaum zu finden. Wie stark aber das Stadtvolk mit dem "Garten vor dem Tore" zutiefst verbunden war, das beweisen hundertfältig unsere Volkslieder! Den höfischen Garten hat keine Volksseele besungen. Unendlich viele, wohldurchdachte und formvollendete Gartenhäuser stehen noch heute in dichten grünen Heckenringen um unsere alten Städte und beweisen, wie sehr sie sommerliche Mittelpunkte der einstigen Stadtfamilien waren, die hier eine gesunde, grüne und lebensbejahende Umwelt fanden. In diesen Gärten vor den Toren der engbebauten, mauerumzogenen alten Städte ergänzte sich Sommer auf Sommer die Kraft vieler unserer alten und bedeutenden deutschen Bürgergeschlechter.

Wenn auch in den Häusern der Städte der Geist des Humanismus blühte und später höfischer Prunk vielfach nachempfunden wurde, so blieb doch der deutsche Garten im Leben des Volkes die ewige geistig-seelische Vorstellung von einem gehüteten Raum pflanzlichen Werdens und fruchtreicher Ernte. Der Garten blieb ein erfüllter Traum deutschen Denkens und der Geburtsort täglich neu erwachender Lebensenergie für Geist und Körper. In der Andacht am Kleinen, in der Versenkung in die Einzelheiten der Natur unterscheidet sich der deutsche Mensch in seinem Gartengefühl am deutlichsten vom italienisch-französischen Gartenwillen der Formung aller Elemente zu einem Ganzen. Daß in diesem Ganzen künstlerischer Einheit auch die lebenden Elemente, Baum und Busch, sich unterordnen mußten unter den formgebenden menschlichen Willen, daß die pflanzlichen Geschöpfe ihren göttlichen Lebensgesetzen zuwider geschnitten und genormt wurden, bleibt uns Deutschen für immer unverständlich.

Uns Deutschen ist der Baum ein Freund. Wir fühlen, fast noch wie in der Frühzeit unseres Volkes, daß vor allen Göttern der Baum schlechthin Gott selbst war, der Himmel und Erde verband und der sich segnend wölbte über die heimatliche Behausung. Wir sind noch so naturnahe, daß wir in den Pflanzen gleichberechtigte Lebewesen, durchnervt von feinster Empfindsamkeit, sehen.

Der langverkannte Altmeister der "Naturgeschichte des deutschen Volkes", Wilhelm Heinrich Riehl, findet mit feinfühliger Sicherheit die sehr kennzeichnenden Sätze: "Die Zopfzeit hatte kein Auge für den Wald. Sie hatte entsprechend auch kein Verständnis für das Naturleben im Volke. Sie versetzte die fürstlichen Lustschlösser überall in deutschen Gauen aus den waldigen Bergen hinaus in das entwaldete Flachland. Die Kunst der Zopfzeit war aber auch eine fast durchaus undeutsche. Den Künstlern des Zopfes war der Wald zu unordentlich in der Anlage, zu buckelig in den Formen, zu dunkel in der Farbe. Als ein flaches Beiwerk der Landschaft wird er in den Hintergrund geschoben, während die Landschaftsmaler [305] der vorhergehenden großen Kunstperiode ihre Waldbilder so recht aus der Tiefe der Waldeinsamkeit herausgemalt haben. Kein Künstler romanischen Stammes hat den Wald gemalt wie Ruysdael und Everdingen; sie setzten sich in ihren besten Bildern geradezu mitten ins Dickicht hinein. Poussin und Claude Lorraine haben großartige Studien am Wald gemacht. Ruysdael aber kann den Wald von Kindesbeinen an auswendig wie das Vaterunser."

Fürwahr, Riehl hat zwar harte, aber wahre Worte gefunden. Wenn wir die höfischen Gärten im ganzen Reichsgebiet betrachten, so gibt es nur wenige Ausnahmen, die landschaftlich gesehen an hervorragender Stelle liegen. Betrachten wir beispielsweise Heidelberg, so ist zunächst der seltene Fall festzustellen, daß ein alter Burgplatz zur fürstlichen Residenz wurde. So sehr der Burgplatz selbst Mittelpunkt eines herrlichen Landschaftsbildes ist, so wenig wurde bei Angliederung des fürstlichen Gartens Rücksicht genommen auf irgendwelche landschaftlichen oder geologischen Gegebenheiten. Mit rücksichtsloser Gewalt, wenn auch mit hohem technischen Können, wurde ein Riesenloch in den felsigen Hang gesprengt, um die Ebene zu schaffen, die für die Anlage eines Gartens im damaligen Stil erforderlich war. Betrachtet man die vielleicht größte deutsche Gartenschöpfung der Zeit, Wilhelmshöhe bei Kassel, so wird man zugeben müssen, daß hier versucht wurde, mit architektonischen und bildhauerischen Mitteln einen ganzen Berg zu gestalten und zu meistern. Als eine gelungene Landschaftsleistung kann aber Wilhelmshöhe nie und nimmer bezeichnet werden, da der Landschaft selbst Gewalt angetan wurde, ohne daß die menschliche Leistung es vollbracht hätte, die Landschaft zu vergeistigen oder zu veredeln. Hierfür kann man ein drittes, wohl das bekannteste Beispiel anführen, das Sanssouci Friedrichs des Großen. Sanssouci wird, ohne bisher Widerspruch gefunden zu haben, in der Regel als ein besonderes Beispiel französischer Gartenkunst angesehen. So wird man gerade Sanssouci nicht unter die im französischen Geiste gestalteten Gärten rechnen dürfen. Vom friderizianischen Sanssouci ist heute nur Geringes zurückgeblieben. Es kann kein Zweifel sein, daß Friedrich der Große ganz bewußt die Höhe des Uferhanges der Havelseen aufsuchte. Schon diese Tatsache steht in schroffem Gegensatz zu der üblichen Wahl eines flachen Baugeländes. Vielleicht ist es der eigentliche Grund des Zerwürfnisses mit seinem Baumeister, daß er sein einfaches, wenn auch fürstliches Wohnhaus auf die Hochfläche und nicht an den Rand des Uferhanges setzte, um nichts sehen zu wollen, auch nichts von seinen großen Fruchtterrassen und seinem französischen Parterre, als die Weite des Himmels, die Havelseen und den schöngeschwungenen, jenseitigen Uferhang. Heute ist dieser einstmals herrliche Blick nur noch an Hand von alten Karten und zeitgenössischen Stichen zu studieren, denn große Bäume und das neue Potsdam verdecken das, was Friedrich suchte: die von Gott geschaffene freie und offene Landschaft. Selbst die Rückseite des Schlosses ist ein Meisterwerk. Der große Säulenvorhof ist das Vorderlicht einer entzückenden kleinen, einstmals bäuerlichen Landschaft mit dem Ruinenberg als Mittelpunkt.

[306] Nach Brockes öffneten sich bald in unserem Lande ebenso wie im artverwandten England und im germanischen Nordfrankreich weitere große Herzen, die mit Klarheit und empfindsamer Bestimmtheit den Äußerungen der Volksseele nachspürten und es mutig verkündeten: die höchste Kunst ist nicht deutschen Geistes. Justus Möser (1720–1794), dieser redlichste der Deutschen des achtzehnten Jahrhunderts, der "Landesvater" des Fürstbistums Osnabrück, leistete eine Erziehungsarbeit größten Ausmaßes. Seine Gartengeschichten werden immer Meisterwerke deutscher Kulturgeschichte bleiben.

Neben dem jüngeren Goethe wirkte in Weimar Johann Gottfried Herder. Er erkannte, wie Möser und später Riehl, die Triebkräfte des Volkes, sah im Baum, im Wald und in der Landschaft gewaltigste Schöpfungskräfte.

Die Blütezeit der deutschen Literatur war gleichzeitig eine Blütezeit des deutschen Gartens. Von den Mitgliedern des Hainbundes bis in die Zeit Hölderlins gab es keinen deutschen Dichter, der nicht seinen eigenen Garten oder zumindest nicht ein Gartenhaus zu seinem Schaffen hatte. Der Weimarer Dichterkreis nahm tätigsten Anteil an der Schöpfung Tiefurts, an der die Fürstin selbst, Anna Amalia, mit ganzer Seele und größter Tatkraft hing. Gerade die Schlichtheit und die Einfachheit der Gestaltung, das Wiedererkennen der Schönheit des einfachen Waldbaumes in seiner vollsten Freiheit, das Neuerkennen der geologischen und der bodenkundlichen Gegebenheiten, der Bruchlandschaft, des Flusses und des Uferhanges, der blumigen Wiese, der gleitenden Hanglinien und der Waldesgrenzen ist das Kennzeichnende dieser Gestaltung. Gewiß gab und gibt es in Deutschland viele zehntausend harmonische Bilder aus unseren Kulturlandschaften, die Vorbilder sind oder sein könnten. Das aber ist das Entscheidende, daß man den tiefen Sinn einer in vielen Menschengenerationen erwachsenen und gepflegten, gestalteten und bewirtschafteten Kulturlandschaft wieder erkannte. Es war die Wiedergeburt des Midgardgedankens auch in höfischen Kreisen.

Was der Dichterkreis um Anna Amalia so früh und vielleicht nur im Unterbewußtsein erkannte, diese gesunde, glückhafte Lebensform in Tiefurt, dieses behaglich-ungezwungene Wohnen in einfachster Landschaft, das hier zu einem künstlerischen Erlebnis seltenster Art wurde, ist heute als das erkannt, was es ist: eine biologische Notwendigkeit für das menschliche Leben. Diese Kunst der Landschaftsgestaltung ist heute zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden, notwendig für die Gesunderhaltung des deutschen Volkes in Stadt und Land, aber auch, und das darf nie in Vergessenheit kommen, zur Gesunderhaltung unserer Ernährungsquellen selbst, mithin des Bodens und des Klimas.

Goethe selbst kann als ein Landschaftsgestalter begnadeter Art bezeichnet werden. Wenn er sein Haus am Stern mit einem kleinen einfachen Garten umgab, fast so, wie ein guter, bedachter Bauer es tun würde, so erkannte er doch früh die Bedeutung der Landschaft, zunächst im künstlerischen Sinne. Für ihn war der Besuch in Wörlitz ein stärkstens anregendes Erlebnis. Es reizte ihn, in Weimar [307] ein gleiches zu versuchen. Künstlerisch gesehen, sind das kleine schmale Tal der Ilm und die Begrünung und Vergeistigung dieser kleinen geologischen Gegebenheit durch Goethe eine Meisterleistung, die der Wörlitzer Parkschöpfung gleich zu achten ist. Wer sich in den Weimarer Park vertieft, wird vieles finden, womit sich Goethe ein langes Leben lang naturwissenschaftlich beschäftigte. Selbst die Erkenntnisse seiner Farbenlehre brachte er zur Anwendung, indem er silberlaubige Weiden und Pappeln als Parkabschlüsse gegen die Himmelsweiten stellte. Zu vermuten ist, daß er sich auch Gedanken über die Gesetzmäßigkeiten natürlicher Pflanzengemeinschaften machte, Gesetzmäßigkeiten, die in den letzten zehn Jahren in ihrer vollen, volkswirtschaftlich so großen Bedeutung erkannt worden sind. Trifft eine solche Vermutung nicht zu, so hat jedenfalls der begabteste Nachfolger, den Goethe anregte, sie zur Nutzanwendung gebracht: Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785–1871).

Hermann Fürst von Pückler-Muskau.
Hermann Fürst von Pückler-Muskau.
Gemälde von Franz Krüger, 1825.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 319.]
Fürst Hermann von Pückler-Muskau war ein grundgesessener Herr zu Muskau in der Lausitz. Sein Leben, seine Tagebücher, seine menschlichen Eigenarten sind wiederholt dargestellt worden. So bizarr und so einmalig sein Leben und seine Lebensäußerungen auch waren, als Landschaftsgestalter, als Künstler, als Bodenbetreuer kann seine Lebensarbeit nicht ernst und nicht hoch genug gewürdigt werden. Das, was Pückler als Landschaftsgestalter schuf, gehört zu den größten deutschen Leistungen überhaupt. Allein die Tatsache, daß Pückler eine so einförmige Landschaft wie die des Neißetales bei Muskau zu einer Parklandschaft ausgestaltete, die als eine der schönsten in der Welt geachtet wird, und daß er dieser seiner ureigensten Schöpfung in der edelsten Besessenheit sein ganzes großes Vermögen opferte, ist eine Leistung, die nur ein Künstler vollbringen konnte. Wer die Geschichte dieses Parkes kennt, weiß, daß das Werk vollführt wurde nicht aus irgendwelchen eigennützigen Gründen des sonst recht eitlen Weltmannes, sondern aus einer Erfüllungspflicht ihm angeborener Schöpferkraft heraus. Er wollte seinen Stammsitz und den Bürgern "seiner" Stadt Muskau die zur Stadt gehörige Landschaft ebenso und noch vollendeter vergeistigen und verschönern, als es Goethe, den er in Weimar kennenlernte und dessen Arbeiten er sorgfältig und oft studierte, im Weimarer Park gelungen war.

Im Park von Muskau.
[304b]      Im Park von Muskau.

Was Pückler aus dem Kreise seiner Zeitgenossen heraushob, war weniger seine Stellung als reichbegüterter fürstlicher Grundherr, sondern die Tatsache, daß ein deutscher Mensch sich ganz opferte, um ein Werk zu vollbringen, das keinen sichtbaren Nutzen abwarf, das nicht beleihbar und veräußerlich war, das nichts als ein Geschenk eines hochbegnadeten Künstlermenschen an sein Volk sein sollte. Muskau ist und wird hoffentlich für immer der tatgewordene Traum eines deutschen Baum- und Waldmenschen bleiben, eines Gestalters deutscher Landschaft, wie sie edler und reiner nicht zu denken ist. Nur dort, wo Pückler in Bäumen, Wäldern und Landschaften dachte, ist er von einmaliger Größe. Sein Lebenswerk wird dem Zeitgeschehen noch viele Jahrzehnte und Jahrhunderte als ein sichtbares und [308] heute auch meßbares Vorbild vorauseilen. In seinem Unterbewußtsein brachen Urinstinkte germanisch-deutschen Landschaftsgefühls durch und wurden von ihm in der restlosen Unterordnung der Person eingegliedert in höhere Gesetze des Weltalls. Wenn wir heute seine Gestaltungen in Muskau und Branitz, in Babelsberg, Ettersburg, Altenstein, Wilhelmstal, Reinhardsbrunn und im Belvedere bei Weimar betrachten, so sind diese Leistungen sehr unterschiedlich. Muskau, wo der Gestalter selbst Bauherr war, gilt als die klassische Anlage, klassisch, weil hier nichts "Falsches" entdeckt werden kann und weil hier Spitzenleistungen im Einzelnen, sei es Baumpflanzung, Bodenarbeit, Bodenprofil und Einfühlung in die örtliche Gegebenheit, dicht gedrängt nebeneinander liegen. Nur ein sehr naturnaher Baummensch wird würdigen können, welche Einfühlungsgabe der Fürst besessen haben muß, um vor hundert Jahren die heutige Wirkung erfühlen und gestalten zu können. Nur einem zutiefst mit der Natur in allen ihren Einzelheiten vertrauten Menschen wird es möglich sein, für nachgeborene Geschlechter in dieser Größe und mit dieser Verantwortung zu schaffen. Denn ein Landschaftsgestalter kann niemals die volle Reife seines wachsenden Werkes erleben. Aber gerade diese Vorsorge für die Nachkommenden kennzeichnet vielleicht besser als alles andere das Genie und die uneigennützige Hingabe des Fürsten Pückler.

Branitz, der Alterssitz, den er kaufte, als er Muskau veräußern mußte, ist gleichfalls eine Meisterleistung, die in ihrer Art kaum zu übertreffen ist. Eine flache Schwemmlandschaft der Spree, unmittelbar vor den Toren der Stadt Cottbus, wurde mit wesentlich geringeren Mitteln als Muskau bewußt gestaltet. Wie eine Oase grünenden Lebens liegt die Branitzer Baum- und Parkwelt auf den wenig ertragreichen Sandern und Kiefern des Spreetales. Die Größe Pücklers wird uns deutlich, wenn wir die umliegende Landschaft mit seinem Werk vergleichen. Durch bodenkundliche, bodenbiologische und pflanzensoziologische Untersuchungen läßt sich leicht feststellen, welche Leistung Pückler vollbrachte. Daß aber Pückler einen solch großen Einsatz auf diesen ärmsten Böden in so früher Zeit wagte, ist eine wahrhaft große Tat von nationaler Bedeutung.

Die Parkanlagen in Branitz.
Die Parkanlagen in Branitz.
Holzstich, ca. 1863. aus "Die Gartenlaube", 1863, Nr. 27.
[Bildarchiv Scriptorium.]

Der Park in Muskau konnte durch treue Schüler und Pfleger des Fürsten bis auf den heutigen Tag seinen geistigen und künstlerischen Sinn bewahren. In Branitz erfolgten nach seinem Tode Eingriffe durch Menschenhand und durch eine natürliche Baumverjüngung, die manches gedachte Parkbild veränderten oder zu verändern drohen. Wenn schon der Gestalter der Landschaft in seinem Schaffen dadurch gehindert wird, daß er sein fertiges Werk nicht mehr im Hochstand pflanzlicher Entwicklung zu sehen vermag, so wird er als Künstler immer in bangem Zweifel darüber sein müssen, was durch natürliche Gegebenheiten oder schlechte Pfleger seinem Werke angetan werden kann. Leider ist festzustellen, daß die Beratungen und die örtlichen Anweisungen Pücklers und auch seine Lehrschriften in vielen Fällen wenig oder nicht beachtet wurden. Das gilt für die [309] thüringischen Gestaltungen im besonderen Maße. Leider hat auch Pückler wenig gezeichnet, und der rasche Zuwuchs auf dem guten Thüringer Boden macht es selbst dem erfahrenen Pfleger schwer, nach vielen Jahrzehnten der Vernachlässigung der Anlagen, Pücklers Ideen zurückzuerobern.

Hatte Pückler in der Lausitz verhältnismäßig einförmige Landschaften als natürliche Gegebenheiten zu gestalten, so traten ihm in Thüringen und zum Teil auch an der Havel wesentlich bewegtere und beschwingtere Landschaften entgegen. Immer aber kann man feststellen, daß er sich den großen beherrschenden Linien und Formen der gegebenen Landschaft unterordnete. Und dieses Unterordnen ist zu einer allseits anerkannten Lehre für alle guten Landschaftsgestalter geworden.


Peter Josef Lenné.
Peter Josef Lenné.
Gemälde von Karl Begas, 1830.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 288.]
Hermann von Pückler-Muskau hatte einen Zeitgenossen gleicher Größe: Peter Josef Lenné. Wie so häufig im Leben der Künstler, kam es zu keiner tieferen geistigen oder künstlerischen Verständigung zwischen den beiden großen Gestaltern. Peter Josef Lenné lebte von 1789 bis 1866. Er war der Sohn einer alten gebildeten Gärtnerfamilie, wurde in Bonn geboren, erlernte die praktische Gärtnerei, studierte Naturwissenschaft und erwarb sich durch ausgedehnte Reisen früh einen großen Überblick über den derzeitigen Stand der Garten- und Landschaftsgestaltung. 1816 trat Lenné in die Königliche Gartendirektion in Sanssouci ein. Sein sparsamer und etwas argwöhnischer König Friedrich Wilhelm III. gab dem jungen Gartenkünstler zunächst sehr wenig freie Hand. Lenné aber war aus gutem Bürgerholz geschnitzt. Er legte seinem König häufig kleine Gartenpläne vor, ohne diesem zu sagen, daß es Teilstücke größter, ja gewaltigster Gestaltungsabsichten waren. Man wird zur größten Bewunderung gezwungen, wenn man verfolgen kann, wie früh und wie groß Lenné die ihm gestellte Aufgabe sah. Lenné entwickelte sich von Jahr zu Jahr mehr zu einem weise vorausschauenden Volks- und Landesbetreuer größten Ausmaßes.

Ohne Lenné in einen künstlerischen Vergleich mit seinem Zeitgenossen Pückler oder mit dem großen Landschaftsgestalter Sckell, der den englischen Garten in München als ersten deutschen Volkspark schuf, zu stellen, kann man sagen, daß die Tätigkeit Peter Josef Lennés zu der segensreichsten geworden ist, die jemals ein deutscher Künstler zur Ausführung brachte. Er schuf, schon vor einem Jahrhundert, Landschaften und Erholungsflächen, die heute vielen Millionen Großstadtbürgern Sinnbilder ihrer Heimat sind.

Wenn man heute die Riesenlandschaft betrachtet, die die Städte Berlin und Potsdam einnehmen, und wenn man untersucht, in welchen Teilräumen dieser Riesenlandschaft es noch schön und behaglich, echt und ursprünglich ist, dann wird man immer wieder auf den Namen des großen Landschaftserhalters, Landschaftsgestalters und Städtebauers Peter Josef Lenné stoßen. Es gibt wohl in der Geschichte der internationalen Landschaftsgärtnerei kein Beispiel, das die Größe einer bewußten Landschaftsgestaltung hatte, wie es z. B. Lennés Vorschläge für [310] die "Gestaltung der Insel Potsdam" sind. Diese riesenhafte Landschaft des Flußlaufes, der Seen und der Wälder, der Uferhänge, der Berge, der Kuppen und der Hügel ist von der Pfaueninsel bis nach Ferch am Schwielowsee und vom Babelsberge bis nach Krampnitz, Fahrland und Marquardt sorgfältigst abgetastet und bewußt gestaltet worden. Daß der heutige Wanderer, gleich, ob er Fußgänger, Autofahrer oder Wassersportler ist, so gut wie nichts von der bewußten Gestaltung dieser einzigartigen Landschaftsschönheit bemerkt, ist das besondere Lob, das wir Lebenden dem Altmeister Lenné darbringen müssen.

Wenn man weiß, daß Friedrich der Große, um seine Kriegsschulden an England zu bezahlen, die alten Eichenbestände des Grunewaldes und der übrigen Wälder seines Reiches fällen mußte, und daß der gleiche König, um rasch wieder zu nutzbarem Holz zu kommen, an Stelle der Laubwälder Kiefern ansamen ließ, dann wird ersichtlich, welche gewaltige Leistung Lenné vollbringen mußte, um das Antlitz einer deutschen Laublandschaft neu formen zu können. Wenn Pückler auf Grund genauester Naturbeobachtungen bereits weitgehend Laubholz, selbst auf schlechtem Boden, verwandte, so kann man Lenné als den ersten großen deutschen Dauerwäldler bezeichnen, der mit Bewußtsein die Gefahren der Einheitskulturen der Kiefer in künstlerischer und naturwissenschaftlicher Beziehung erkannte. Lenné hatte den Vorteil, Sproß einer sehr alten Gärtnerfamilie zu sein, und auf Grund seiner naturwissenschaftlichen Studien wurde er früh ein vollendeter Fachmann. Er beobachtete wie Pückler äußerst scharf und war, fast hundert Jahre vor der Einrichtung der ersten bedeutenden erbbiologischen Versuchsanstalten in Deutschland, bereits ein gewissenhafter Erbbiologe. So durchprüfte er, als die Kartoffelkrankheit den Kartoffelanbau in Deutschland gefährdete, etwa 300 Kartoffelsorten, um nichtanfällige Rassen zu finden. Er erkannte sehr früh den Wert der Beschattung durch Bäume für Rasen und Wiesenflächen auf leichtem Boden. Gleiche Erfahrungen über den naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Wert solcher Schutzpflanzungen um Acker- und Wiesenflächen konnte er in England sammeln. Seine gärtnerische und wissenschaftliche Arbeitsweise und das Erlebnis der Größe seiner Gestaltungen zwingt uns zur größten Bewunderung.

Die Vorschläge zur Gestaltung der Insel Potsdam setzen sich aus großen Einzelgestaltungen zusammen. Die Parkschöpfungen in Glienicke, Babelsberg, Sakrow, Neuer Garten, Sanssouci, Wildpark, das Bornimer und Bornstedter Feld, die Wälder und Schutzpflanzungen hinter dem Neuen Palais, die Gestaltungen am Schlosse Kaputh, bei Baumgartenbrück, am Templiner und Schwielow-See, bei Werder, Fahrland und Krampnitz sowie der Park von Marquardt mit den dazwischenliegenden Feldern, Seen und Wäldern bilden eine einzige riesenhafte Gestaltungseinheit. Die Fülle seiner Leistungen im übrigen Deutschland ist schier unübersehbar. Im Gebiet der Stadt Berlin ist es zunächst der Tiergarten, den er umgestaltete. Der Bau des Landwehrkanals als eine Promenade, die städtebauliche [311] Gestaltung des Straßenzuges Hasenheide–Nollendorfplatz, die Vorschläge zur Bebauung des Köllnischen Feldes und des Pulvermühlengeländes, die Parks zu Niederschönhausen, Tegel und die zu Friedrichsfelde und Hoppegarten sowie die Umänderungen des Schloßparkes Charlottenburg sind weitere große Taten. Über das ganze Reichsgebiet verteilen sich seine großen landschaftlichen Schöpfungen, und auch im europäischen Ausland war Lenné der erfolgreichste Landschaftsgestalter und Städtebauer seiner Zeit.

Peter Josef Lenné.
[304a]      Peter Josef Lenné.
Büste von Christian Rauch, 1847.
Lenné bemühte sich um alle Dinge, die landschaftlich von Bedeutung waren. Er trassierte Eisenbahnlinien, um zu verhindern, daß die Schienenwege die Landschaft zerstörten. Er setzte sich für einen vernünftigen Städtebau ein, der Rücksicht nahm auf gegebene geologische und landschaftliche Bedingtheiten. Lenné sorgte in der betreuendsten Weise für alle Belange der Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Er gründete die höhere Gärtnerlehranstalt zu Wildpark-Dahlem. Er war Mitglied der Preußischen Akademie und Freund vieler schöpferischer Geister seiner Zeit. Sein zweiter König, Friedrich Wilhelm IV., war mit ihm freundschaftlich verbunden. Der König überraschte eines Tages seinen Gartendirektor, den er zu frühester Morgenstunde zu einem Spaziergang durch Sanssouci bat, mit einem schönen Denkmal, das er ihm im Park setzte. Lenné blieb, was er war, ein zwar stiller und bescheidener, aber zielbewußter und von seiner großen Aufgabe besessener Landschaftsmeister und Betreuer des Volkes, dem er die schönste Heimat schuf. Seine großen Parkschöpfungen mögen dem Nichtfachmann oft zu einfach, weil wie von Natur aus gewachsen, erscheinen; der naturverbundene Mensch und Landschafter aber wird die Schwierigkeiten um die großen Werke um so mehr erkennen und die Leistung achten lernen. Seine Werke tragen das Antlitz besten deutschen Geistes.

Wenn heute die großen neuen Autostraßen alle deutschen Gaue miteinander verbinden und wenn rechts und links dieser gewaltigen technischen Bauten erhabene göttliche Landschaften offenbar werden, in denen sich unsere bäuerlichen Stämme nach urewigen Gesetzen einrichteten, wenn heute selbst technische Großbauten sich der Landschaft eingliedern, dann sind an diesen Werken Landschaftsgestalter beteiligt, die auf den Schultern der großen verehrten Altmeister stehen. Wenn wir heute eine vernünftige städtische Grünpolitik treiben, so sind uns Sckell, Lenné und Pückler beste, nie überholte Vorkämpfer. Auch die neuen gesunden Waldgesetze sind von den großen Landschaftern praktisch vorbereitet worden.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß wir bei der Neuordnung des deutschen Raumes in Stadt und Land zu einer landschaftlichen Neuordnung kommen müssen, zu einer Landschaft, die nur eine fruchtbringende und nur eine schöne Kulturlandschaft sein kann. Daß diese kommende, das ganze Reichsgebiet durchdringende Kulturlandschaft auch eine Seelenheimat germanisch-deutscher Menschen sein wird, verdanken wir im besonderen den großen Deutschen Lenné und Pückler.




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Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz