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Sie alle bauten Deutschland.
Ein Geschichtsbuch für die Volksschule.


Von 1841 bis Adolf Hitler (Teil 3)

Manfred von Richthofen

Es ist Sommer 1917. Warmes, klares Wetter liegt über der Westfront, an der nun schon drei Jahre lang der schwere Kampf tobt. Auf dem Feldflugplatz der Kampfstaffel Richthofen herrscht Hochbetrieb. Jagdflieger kehren vom Feindflug zurück. Hell leuchten die feuerrot gestrichenen Dreidecker in der Morgensonne.

Manfred von Richthofen
Manfred von Richthofen.
[Bilderarchiv Scriptorium]
Der erst 25jährige Geschwaderkommandeur, der noch immer die schöne Rittmeisteruniform des Ulanenregimentes trägt, dem er früher angehörte, steigt aus der Maschine. Zweifacher Sieger ist er bereits an diesem Morgen. Prächtig hebt sich von der feldgrauen Uniform der Pour le mérite ab, den ihm der Kaiser für seinen 16. Luftsieg verliehen hat.

Bald stehen die Führer der Jagdflugzeuge um ihren Kommandeur herum. Es wird kurz besprochen, was jeder einzelne Flieger richtig oder falsch gemacht hat. Besonders die erst vor kurzem zur Staffel gekommenen Kameraden lernen bei diesen Besprechungen sehr viel dazu. Als sie auseinandergehen, hat jeder von ihnen das Gefühl: wenn es dir im Luftkampf schlecht geht, Manfred von Richthofen sieht es und holt dich heraus. Trotz seines eigenen Kampfes um Leben und Tod läßt er uns keine Minute aus dem Auge. Auf Richthofen kannst du dich felsenfest verlassen!

Dann sitzen die Offiziere zusammen beim Frühstück.

Gegen Mittag werden wieder feindliche Flieger gemeldet. Sofort eilt Richthofen nach seiner Jagdmaschine, und es dauert nicht lange, da hat er den dritten Engländer an diesem Tage abgeschossen.

Aber noch einmal ist ihm heute das Kriegsglück günstig. Nachmittags startet Manfred mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Lothar und einigen Kameraden von neuem.

Als die Deutschen die Front entlang fliegen, nähern sich ihnen zwei feindliche Artillerieflieger. Durch einen kurzen Wink verständigen sich Manfred und Lothar. Die feindlichen Flugzeuge nähern sich mit rasender Geschwindigkeit.

Der kampferprobte Geschwaderführer hat seinen Gegner bald günstig im Schußfeld. Feuergarben prasseln dem Engländer entgegen. Da explodiert der Benzintank, und das Flugzeug bricht auseinander.

Weiter geht der Flug. Immer höher steigen die fünf Flieger, die sich inzwischen wieder gesammelt haben. Vor ihnen tauchen neue Gegner auf. Es sind Angehörige eines englischen Kampfgeschwaders, die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, Manfred von Richthofen, den tüchtigsten deutschen Fliegeroffizier, zu vernichten.

Die fünf Kampfmaschinen schließen sich eng zusammen, um jeden Angriff geschlossen abzuwehren, denn noch sind die Engländer im Vorteil, weil sie höher fliegen. Aber die Gegner besitzen keinen echten Angriffsgeist. Deshalb stürzt sich Richthofen auf sie. Doch wieder gehen die Feinde dem Kampf aus dem Weg.

Endlich faßt ein Engländer Mut und jagt auf das letzte der Flugzeuge herab. Obwohl es der Feind leichter hat, weil er noch immer höher fliegt, nimmt Richthofen den Kampf sofort auf. Schnell hat er sich dem Angreifer zugewandt, der gleich mit einer Salve aus beiden Maschinengewehren begrüßt wird. Dieser stürmische Beschuß erschreckt den Feind. Deshalb versucht er, sich durch einen verwegenen Sturzflug zu retten. Doch gerade das ist sein Unglück, denn nun befindet sich Manfred von Richthofen über ihm. Trotz der guten und schnellen Maschinen gelingt es dem englischen Offizier nicht zu entkommen, denn der kluge Verfolger beunruhigt ihn weiter durch Maschinengewehrfeuer. Durch Kurven will der feindliche Flieger den Salven entgehen. Dadurch kommt Richthofen näher an ihn heran. Als die beiden Flugzeuge nur noch fünfzig Meter voneinander entfernt sind, zielt Deutschlands bester Kampfflieger scharf; dann drückt er auf beide Maschinengewehrknöpfe. Ein leises Rauschen verrät dem kühnen Lufthelden, daß beide Benzintanks des Gegners getroffen sind. Dann schlägt eine hohe Stichflamme aus dem englischen Jagdflugzeug; im gleichen Augenblick saust es mit rasender Geschwindigkeit in die Tiefe.

Allein an diesem Tage hat Manfred von Richthofen fünf Gegner abgeschossen.


Am 21. April 1918 befindet sich der junge Held mit sechs Flugzeugen seiner Staffel im Luftkampf mit überlegenen feindlichen Jagdstreitkräften. Der Ostwind treibt die Kämpfenden weit über die englischen Linien bis über das Schlachtfeld an der Somme.

Plötzlich sehen die Kameraden, wie die Maschine ihres Staffelführers im Sturzflug nach unten schießt. Der Motor muß ausgesetzt oder einen Schuß erhalten haben. Da stürzt sich auch schon der junge kanadische Fliegerhauptmann Brown, der wohl nicht ahnt, daß sein Gegner wehrlos ist, auf ihn. Ein Leuchtspurgeschoß trifft Manfred von Richthofen, den unerreichten Sieger in 80 Luftkämpfen, von hinten durch das rechte Schulterblatt und durchbohrt sein Herz.

Tief erschüttert steht später der Kanadier an der Bahre des toten Helden. Nach Tagen schreibt er in sein Kriegstagebuch: "Plötzlich fühlte ich mich elend, unglücklich, als hätte ich ein Unrecht begangen. Dort lag Richthofen, der Größte von allen. Hätte ich gekonnt, wie gern hätte ich ihn ins Leben zurückgerufen. Ein solcher Mann wird nicht wiederkehren."

Unter höchsten militärischen Ehren bestatten die Engländer den berühmtesten deutschen Kampfflieger.

Sechs Fliegeroffiziere, alles Geschwaderführer, die sich vor dem Feinde ausgezeichnet haben, tragen den Sarg durch ein Spalier präsentierender Soldaten bis zu einem Kraftwagen, der die sterblichen Überreste des Toten nach einem Soldatenfriedhof bringt. Nach einer würdevollen Trauerfeier wird der mit Kränzen geschmückte Sarg langsam in die Erde gesenkt, während Flugzeuge mit der dreifarbigen Kokarde donnernd über den in der Nähe von Amiens liegenden Friedhof hinwegbrausen.

Auf dem Grabhügel läßt das Hauptquartier der englischen Luftstreitkräfte einen herrlichen Kranz niederlegen, der die Inschrift trägt: "Dem Rittmeister von Richthofen, dem tapferen und würdigen Feinde."

Das ganze deutsche Volk aber trauert um seinen unvergeßlichen jungen Helden.

Im Juni 1918 wird Hermann Göring zum Kommandeur des Richthofen-Jagdgeschwaders ernannt, das er siegreich bis zum Kriegsende führt.

Die Feinde verlangen die Auslieferung der ruhmreichen Jagdstaffel; doch Hermann Göring denkt nicht daran. Er führt das stolze Geschwader zurück in die Heimat. Erst in Aschaffenburg löst er den Kampfverband auf und verabschiedet sich tiefbewegt von seinen treuen Kampfgefährten.

 
Das Opfer

An der Westfront tobte der Kampf. Stunden- und tagelang schleuderten die Geschütze mit furchtbarem Getöse von beiden Seiten einen Feuerhagel von Granaten auf die Kämpfenden herab. Unter ihrem Toben bebte die Erde. Die Schützengräben wurden zusammengeschossen, mit ihnen die Mannschaft. Feuergarben wuchsen turmhoch zum Himmel empor. Dazwischen kroch unsichtbar und heimtückisch Giftgas, und die Männer, die es einatmeten, starben unter Qualen.

In diese Hölle von Verdun stürmten die deutschen Soldaten. Mehrere französische Gräben wurden in wildem Angriff und blutigem Nahkampf erobert, wieder entrissen und zurückgewonnen.

Nun senkte sich langsam die Nacht über das zerwühlte Schlachtfeld. Die Geschütze verstummten, die Maschinengewehre schwiegen. Doch jetzt hörte man durch die Stille allerorts das Jammern und Schreien der Verwundeten, die sehnsüchtig auf Hilfe warteten.

Über das blutige Trichterfeld stolperten die Sanitäter mit ihren Bahren. Keuchend schleppten sie die Verletzten zum Verbandsplatz. Oft kamen sie schon zu spät.

Als es stockdunkel war, mußten auch sie ihr Werk einstellen. Der Mond stand als blasse Sichel am Himmel; Sterne strahlten auf. Beim Morgendämmern vernahm ein deutscher Posten von einem entfernter liegenden französischen Schützengraben Hilferufe. Es waren deutsche Worte, also lagen deutsche Krieger da drüben.

Der Wachposten rief einen Sanitäter an, und ohne Besinnen entschloß sich dieser, die Kameraden zu holen. Er mußte sich beeilen. Im Schutz des leichten Morgennebels schlich er heran, damit die Gegner ihn nicht bemerkten und erschossen.

Vorsichtig kroch er über das Feld des Grauens und fand auch in einem Granatloch, dicht an einem französischen Graben, zwei deutsche Verwundete. Es waren sogar Kameraden aus seiner Kompagnie; ein älterer, bärtiger Tischler und ein blutjunger Freiwilliger.

Als die beiden den Herankriechenden erkannten, huschte ein Ausdruck des Glückes über ihre bleichen verfallenen Gesichter und eine leise Hoffnung flackerte in ihrem Herzen auf. Bedrückt erklärte der Sanitäter, daß er allein wäre und deshalb nur einen von ihnen fortschaffen könne.

Da schloß der junge Soldat in Hoffnungslosigkeit die Augen, drehte den Kopf langsam zur Seite, und sein Gesicht wurde ganz grau.

Der Helfer wandte sich an den älteren Feldgrauen und wollte ihn behutsam aufnehmen. Doch der Tischler winkte mit einer leichten Handbewegung ab. "Nimm den Kameraden", flüsterte er, "mein Leben war nicht umsonst. Ich habe drei Jungen und Mädchen. Sie sind fast erwachsen und werden die Mutter trösten, wenn ich nicht heimkehre. Vor ihm" - er sah zu dem Kameraden hinüber - "liegt noch das ganze Leben. Er ist noch so jung."

Der Sanitäter zauderte; doch als der Alte ihm ruhig und fest in die Augen schaute, wickelte er erschüttert, so schnell er konnte, eine Binde um seine klaffende Wunde, drückte ihm fest und hart die Hand und hob den jungen Verwundeten, der wieder die Besinnung verloren hatte, auf die Schulter und schleppte ihn zurück.

Ein Blick des Liegengebliebenen folgte ihnen, bis sie im Nebel verschwunden waren.

Am Verbandsplatz nahmen die Ärzte den Schwerverletzten und verbanden ihn sorgsam.

Unterdessen wich der Nebel. Die Sonne brach hell und strahlend hervor und machte jeden weiteren Rettungsversuch unmöglich.

Wieder brüllten die Geschütze. Ganz in der Nähe des Trichters, in dem der Zurückgelassene lag, sauste eine schwere Granate nieder. Sie wühlte metertief die Erde auf und verschüttete auch den schlichten Soldaten, der sein Leben zweifach geopfert hatte - für Deutschland und für seinen Kameraden.

 
General von Lettow-Vorbeck

Um die Lagerfeuer im afrikanischen Busch sitzen die Männer der kaiserlich deutschen Schutztruppe, die unter Führung des Generals von Lettow-Vorbeck schon seit vielen Wochen die Kolonie Deutsch-Ostafrika gegen eine mehr als zehnfache englische Übermacht verteidigen.
Paul von Lettow-Vorbeck
Paul von Lettow-Vorbeck.
[Fotoarchiv Scriptorium]
Alles freut sich der wohlverdienten kurzen Ruhepause, denn der lange Marsch der letzten Tage durch Dorngestrüpp, Palmen, Schlingpflanzen, mannshohe Gräser und undurchdringliches Gesträuch ist sehr beschwerlich gewesen. Oft haben sich die Weißen und die treuen Askaris mit dem langen Troß, zu dem auch die Negerfrauen mit ihren Kindern gehören, nur schrittweise hindurcharbeiten können.

Emsig schleppen nun die Schwarzen Holz herbei. "Werft nur ganz trockene Stücke auf das Feuer", ermahnt der General, der auf einer Kiste Platz genommen hat und zu seinem Brot ein tüchtiges Stück Nilpferdfleisch verspeist, seine Leute, "damit die Engländer, die uns auf den Fersen sind, nicht zu schnell unseren Lagerplatz finden." Dann ruft Lettow-Vorbeck einen Askari-Unteroffizier heran: "Jumbo, mache die Runde und überwache alle Feuer, und sorge vor allem dafür, daß die Frauen sich ruhig verhalten. Schon einmal hat ihr furchtbares Schnattern uns die Feinde auf den Hals gehetzt." Der Unteroffizier geht als Rauch- und Lärmkommando ab.


Lettow-Vorbeck wendet sich zu dem Hauptmann Otto, der neben ihm sitzt: "Es ist höchste Zeit, daß wir unsere Vorräte an Waffen, Lebensmitteln und Verbandszeug wieder auffüllen. In den nächsten Tagen werden wir auf den Feind stoßen."

Am 2. November 1914 trifft die Meldung ein, daß vierzehn feindliche Transportschiffe und zwei Kreuzer vor Tanga auf der Reede erschienen sind. Die Engländer verlangen die bedingungslose Übergabe der Stadt. Während noch der Bezirkshauptmann von Tanga an Bord eines Kreuzers verhandelt, rücken auf Befehl Lettow-Vorbecks einige Kompanien auf den Hafenort vor. Die Kompanieführer haben den Befehl erhalten: "Wenn der Feind zu landen versucht, verhindert die Landung; wenn er gelandet ist, werft ihn hinaus!"

In der Frühe des 3. November stehen sich schon die Gegner gegenüber. Die Engländer haben bereits 2.000 Mann an Land gesetzt.

Das Kampffeld ist denkbar ungünstig. Dichte Mahogofelder befinden sich im Kokospalmenwald. Man kann kaum fünfzig Meter weit sehen. Da die Feinde glauben, daß die Stadt Tanga unbesetzt ist, marschieren sie von den Landungsstellen aus in großen Scharen auf sie zu. Zuerst kommt die Kompanie Adler mit der feindlichen Spitze in Berührung. Es wird schwer gekämpft. Glücklicherweise treffen nach und nach die anderen Kompanien auf dem Kampflatz ein. Den Ankömmlingen pfeifen die Kugeln entgegen. Krachend schlagen die Granaten der englischen Schiffsgeschütze in die Palmen.

Oberleutnant von Ruckteschell geht sogleich in breiter Front zum Angriff vor. An seinen rechten Flügel schließt sich die Kompanie Poppe an.

Unbeirrbar dringen die Männer der deutschen Schutztruppe und ihre treuen schwarzen Kameraden vor, bis sie schließlich den ersten Indern gegenüberstehen. Da gibt der Oberleutnant einem schwarzen Unteroffizier auch schon den Befehl: "Blas', Iokundu, blas', Seitengewehr pflanzt auf!"

Auf dieses Signal hin brechen die braven schwarzen Soldaten wie ein Unwetter aus dem Busch hervor. Ihr gellendes Kampfgeschrei fährt den entsetzten Feinden durch Mark und Bein, und die blanken deutschen Seitengewehre schaffen rücksichtslos freie Bahn. Wohl fallen auch auf deutscher Seite tapfere, todesmutige Männer, aber die anderen kämpfen verbissen weiter, so daß der Feind an eine große Übermacht glaubt.

Nach fünfstündigem Kampf haben noch nicht einmal 200 Soldaten der deutschen Kolonialtruppe über 2.000 Gegner aus Tanga hinausgeworfen und zur Küste zurückgetrieben.

Im hellen Mondlicht fahren Lettow-Vorbeck und zwei Offiziere mit Rädern bis dicht an den Hafen. Kaum 400 Meter entfernt liegen die Transportschiffe. Alle sind hell erleuchtet. "Dem Lärm nach scheinen sich die Engländer auf die Ausschiffung vorzubereiten. Da müssen wir ihnen morgen wieder zeigen, wie deutsche Männer die Heimat verteidigen", meint entschlossen der General. Eilig werden alle verfügbaren deutschen Truppen der Umgebung mit Lokomotiven nach Tanga gebracht.

Erst gegen 15 Uhr meldet am folgenden Tag ein Askari in seiner einfachen und strammen Art: "Der Feind ist da."

Lange wogt der Kampf hin und her. Inder und Engländer greifen zugleich an verschiedenen Stellen an, so daß die deutschen Streitkräfte zersplittert werden. Mancherorts entspinnt sich ein wildes Handgemenge, und den indischen Kaschmirschützen müssen im hartnäckigen Straßenkampf die Häuser wieder entrissen werden, die sie schon besetzt haben. Es ist ein wilder Krieg in afrikanischer Sonnenglut.

Doch langsam droht die Übermacht der Feinde die deutsche Stellung einzudrücken. Nur eine einzige frische Kompanie steht dem General noch für den Gegenangriff zur Verfügung. Sie fällt mit tollkühner Entschlossenheit dem Feind in die Flanke. Maschinengewehre und Gewehre schütten ein vernichtendes Dauerfeuer auf den Gegner. Diesen Angriff von der Seite haben die Engländer nicht mehr erwartet; sie sind ihm nicht mehr gewachsen. In wilder Flucht suchen die Reste der Geschlagenen in großen Trupps die schützende Küste.

Die Askaris können sich vor Begeisterung kaum fassen. Unter den lauten Freudenschreien "Sie laufen, sie laufen!" setzen die schwarzen Kolonialsoldaten hinter ihnen her.

Das gesamte englisch-indische Expeditionskorps in Stärke von 8.000 Mann stürzt in die Landungsboote und eilt den Transportern und Kriegsschiffen zu. Die nur wenig über 2.000 Mann starke deutsche Truppe hat den Gegner völlig geschlagen.

Durch diesen Sieg ist auch für lange Zeit die Sorge der Schutztruppler um Waffen und Munition behoben. Drei volle Kompanien können mit Beutestücken neu ausgerüstet werden. Sechzehn Maschinengewehre, die den Deutschen in die Hände fallen, stärken die Schlagkraft der Truppe ganz besonders. Ungeheuer ist außerdem die Materialbeute. Nicht weniger als 600.000 Schuß Munition sowie Fernsprechgeräte und ganze Berge an Uniformstücken lassen die Feinde zurück. Ein Jahr lang sind sie dank dieses Erfolges mit allen notwendigen Sachen versehen.


Trotz seiner schwachen Streitkräfte blieb Lettow-Vorbeck bis zum Schluß des Krieges unbesiegt. Unendlich schwer ist der Kampf unter der afrikanischen Sonne gewesen. Kreuz und quer zog unsere tapfere Schutztruppe durch die Kolonie. Eine Zeitlang wurde sogar in Portugiesisch-Ostafrika gefochten. Doch weder Sonnenbrand, Durst und Hunger, weder Krankheit noch Verluste konnten den Mut der Truppe brechen.

Im Laufe der viereinhalb Kriegsjahre wurden ungefähr 3.000 Europäer und 12.000 Askaris zur Schutztruppe eingezogen, von denen jedoch nur ein Bruchteil zur kämpfenden Truppe gehörte. Einen großen Teil machten der Polizei- und Küstenschutz, das Sanitäts- und Verpflegungspersonal, Magazinbeamte und Besatzungen von Etappenlinien aus.

Der deutschen Streitmacht standen im Laufe des Krieges 130 Generale gegenüber, die 52.000 Inder, 43.000 Südafrikaner, 3.000 Koloniefreiwillige, 15.000 aus verschiedenen afrikanischen Regimentern, 15.000 Belgier und 20.000 Portugiesen befehligten. Nach eigenen Angaben verloren die Feindbundmächte in Ostafrika über 20.000 Europäer und Inder, 60- bis 80.000 Eingeborenen-Soldaten, über 20.000 Automobile und über 140.000 Pferde und Maultiere. Der ostafrikanische Krieg kostete England über 12 Milliarden.

 
Scapa Flow

Langsam graut der 21. Juni 1919 heran. Tagelang hat der steife Nordwestwind die Nordsee aufgewühlt und zerfetzte Wolken vor sich hergejagt. Nun herrscht endlich warmes Wetter.

Gespenstisch ragen die dunklen und kahlen Felsen der Orkney-Inseln um die rauhe und öde Bucht von Scapa Flow auf. In diesem Schlupfwinkel der englischen Flotte liegen auf Grund der Waffenstillstandsbedingungen seit Ende November 1918 nicht weniger als 74 deutsche Kriegsschiffe vor Anker. Offiziere und Mannschaften erwarten voller Ungeduld, was bei Friedensschluß aus der deutschen Kriegsmarine werden soll. Wenig Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat lebt in den Herzen der Schiffsbesatzungen, denn die deutsche Regierung ist schwach und hat auch bei den unerhörten Forderungen der Feinde widerstandslos nachgegeben.

Auf dem Flaggschiff des Verbandes, der "Emden", geht der Oberbefehlshaber der internierten deutschen Flotte, Konteradmiral von Reuter, auf und ab. Sorgenfalten haben sich tief in seine Stirn gegraben. Er wendet sich zu einem
Konteradmiral von Reuter
Konteradmiral von Reuter.
[Fotoarchiv Scriptorium]
vertrauten Offizier: "Viele deutsche Schiffe, die hier liegen, haben siegreich auf der Doggerbank und am Skagerrak gegen England gekämpft. Ich fürchte, daß ich bei Friedensschluß unsere stolze Flotte ausliefern muß. Das geht gegen unsere Seemannsehre. Es darf niemals geschehen. Lieber wollen wir unsere Schiffe selbst vernichten. Sie wissen, Herr Kamerad, daß alle Schiffskommandanten der gleichen Ansicht sind und nur auf meinen Befehl zur Versenkung warten. Vor vier Tagen erst, das wissen Sie, habe ich ihnen die genauen Anweisungen schriftlich zugestellt. Heute ist die entscheidungsschwere Stunde da."

Er weist auf eine englische Zeitung und fährt fort: "Die Engländer haben den Vorschlag der deutschen Regierung, unsere Schiffe zu kaufen, abgelehnt. Außerdem lese ich, daß mit dem heutigen Tage, Sonnabend, den 21. Juni, der Waffenstillstand abgelaufen ist. Wir müssen damit rechnen, daß das englische Geschwader, das heute früh zu Übungen in See ging, jeden Augenblick zurückkehrt und unsere wehrlosen Schiffe kapert."

In banger Ungewißheit verrinnt eine lange, schwere Stunde. Um 10 Uhr erreicht den Konteradmiral die Meldung, daß die deutsche Flotte bedingungslos ausgeliefert werden soll.

Der Admiral und der Fregattenkapitän Oldekop sehen sich stumm an. Ihre Augen sind wie Stahl. 11 Uhr 20 Minuten steigen am Signalmast der "Emden" Wimpel empor. Die Kommandanten der einzelnen Schiffseinheiten wissen sofort, was zu tun ist. Ein freudiges Aufleuchten spielt über ihre Gesichter; auf allen Schiffen gehen neue Kriegsflaggen hoch.

Dann werden auf Befehl der Kommandanten auf allen Schiffen, auf denen die deutsche Flagge weht, die Bodenventile und die Unterwasserrohre geöffnet, und gurgelnd strömt das Wasser in die Leiber der Linienschiffe, Kreuzer und Zerstörer. Schnell bringt ein Teil der Beatzungen die Rettungsboote zu Wasser, andere Matrosen verstauen schwere Kleidersäcke darin.

Kurz nach 12 Uhr neigt sich als erste Einheit das Linienschiff "Friedrich der Große" langsam zur Seite. Es geht wie ein Beben durch den Schiffskörper. Laut und markig tönt das Schiffsglockensignal: "Alle Mann aus dem Schiff." Die Besatzung besteigt in Ruhe und Ordnung die Boote. Noch einmal wenden sich alle Blicke dem stolzen Schiffe zu. Ein dreifaches Hurra senden sie tiefergriffen als letzten Gruß zu ihm hinüber, dann stoßen die Boote unter kraftvollen Ruderschlägen vom sinkenden Schiff ab, das sich schnell zur Seite legt, so daß sich durch die offenstehenden Seitenfenster Ströme von Wasser rauschend und brausend ins Innere ergießen. Es dauert nur einige Minuten, da kentert das Kriegsschiff und sinkt in die Tiefe.

Erschüttert beobachtet Konteradmiral von Reuter von seinem Flaggschiff aus, wie ein Schiff nach dem andern in den Fluten versinkt.

Die Engländer sind völlig überrascht und wissen vor Angst, Bestürzung und Wut kaum, was sie tun sollen. Jede Überlegung hat bei ihnen aufgehört. Sie eröffnen ein wildes Gewehr-, Pistolen- und Maschinengewehrfeuer auf die wehrlosen Insassen der Rettungsboote, obwohl jedes die weiße Flagge führt. Einige deutsche Matrosen werden getötet; zahlreiche schwer verletzt. Viele, die über Bord gesprungen sind, um sich zu retten, versinken in den Wellen; kein Engländer hilft. Die großen Schlachtschiffe der englischen Flotte brausen mit Volldampf heran; aber es ist zu spät. Schon liegen 5 Große Kreuzer, 5 Kleine Kreuzer, 10 Linienschiffe und 50 Torpedoboote auf dem Grunde der Meeresbucht. Alle gingen mit wehender Flagge unter.

Deutsche Soldaten haben ihre letzte Pflicht getan. Die Ehre der deutschen Hochseeflotte ist gerettet.



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