SucheScriptoriumBestellenArchiv IndexSponsor


Der ekle Wurm
der deutschen Zwietracht

Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944


Friedrich Lenz


1. Vorwort

Der 20. Juli 1944 ist in die Geschichte als historisch bedeutsamer Tag eingegangen. Doch wäre nichts abwegiger als die historische Bedeutung der Vorgänge dieses einen Tages gegenüber ihrer rein symbolischen zu überschätzen. Die Geschehnisse stellen nur einen Akt der größten Tragödie der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945 dar.

"Wann würde es - endlich - so weit sein? Wann kam Blitz und Donnerschlag?" fragten sich sehnsüchtig die Verschwörer nach H. B. Gisevius, einem der 'bedeutendsten' Akteure des 20. Juli. Nun hatten sie ihn, den Blitz, der Hitler töten, Deutschland von einem 'Ungeheuer' und allem Elend befreien und sie an die Macht bringen sollte, nebst dem Donnerschlag, der Deutschland den vernichtenden Treffer gab, aber vielen von ihnen auch das Leben kostete.

Der "Blitz" aber hatte zu kurz aufgeleuchtet, als daß das deutsche Volk die wahren Hintergründe und Auswirkungen dieser Tat hätte erkennen können. Die Wahrheit selbst brauchte Jahre, um durch die Wirrnisse der Propagandalügen an die Oberfläche zu dringen. Erst jetzt ist es möglich, aus dem Wust der zahlreichen Veröffentlichungen der letzten Jahre ein zusammenhängendes Bild zu gewinnen.

Diese Zeilen sollen der breiten Masse unseres Volkes, welche weder die Möglichkeit noch die Zeit hat, historische Ermittlungen anzustellen, in möglichst kurzer Form die wahren Hintergründe dieser Tat so klar aufzeigen, daß sie im Interesse der Zukunft Deutschlands die notwendigen politischen Schlußfolgerungen ziehen kann. Das Volk muß wissen, wer das Gewitter, dem Blitz und Donnerschlag folgten, 'zusammengebraut' und warum es Deutschlands Unglück verschuldet hat.

Wie dringend notwendig diese Aufklärung ist, beweist die Tatsache, daß zu diesem Problem erst kürzlich zwei an verantwortungsvollsten Stellen des Staates stehende Persönlichkeiten Beurteilungen abgegeben haben, welche neben einem erheblichen Mangel an Objektivität einen noch größeren an historischen Kenntnissen verrieten. Besonders wichtig ist die Klärung auch deswegen, weil wir gegenwärtig vor folgenschweren Entscheidungen stehen und verleitet werden sollen, uns in den falschen Zug des Schicksals zu setzen, an dem einesteils Böswillige und andererseits Unfähige die Schilder so verwechselten, daß wir unweigerlich falsch einsteigen müssen.

GoerdelerIch bin mir bewußt, daß ich mit meinen Auffassungen in schärfstem Gegensatz zu denjenigen stehe, welche gegenwärtig als beliebt angesehen werden. Doch nehme ich für mich gerade das in Anspruch, was Karl Goerdeler, einer der Führer des Widerstandes, sagte: "Das deutsche Volk muß durch allen Propagandanebel hindurch die Wahrheit und nichts als die Wahrheit erfahren." Ich schrieb so, daß es jeder Deutsche verstehen kann. Mit Absicht habe ich sehr viel aus der politischen Literatur und dabei möglichst nichts aus der nationalsozialistischen zitiert.

Ich schrieb nicht für den toten Hitler, sondern für jenes Deutschland, das ihn wählte und ihm immer wieder sein Ja gab, für jenes Deutschland, das jetzt und in Zukunft die Folgen einer völlig falschen Beurteilung seines und unseres Wollens tragen soll. Die Wandlung in der Beurteilung Hitlers selbst wird sich mit jener Sicherheit vollziehen, mit der sie sich auch bei Napoleon vollzogen hat. Das wird niemand in der Welt verhindern können. Es wird sich zeigen, daß der Wahrheit der Weg nicht versperrt werden kann. Um mit Houston Stewart Chamberlain zu sprechen: "In Wirklichkeit steht die Wahrheit strahlend unverhüllt da, nur der Schleier liegt auf unseren Augen und wir brauchen den Star nur zu entfernen, so erblicken wir die Wahrheit und der Wahn verschwindet."

Wer aber die Wahrheit erkannt hat, wird die Folgerungen ziehen und nicht mehr in den falschen Zug steigen. Mögen dies recht viele sein zum Nutzen Deutschlands! Ich zitiere zum Schluß einen bekannten 'Widerständler': "Es ist Zeit: wie sich unser leidgezeichnetes geliebtes Deutschland zu den Taten der Illegalen verhalten wird, das wird für seine Beurteilung in der Welt entscheidend sein."

Friedrich Lenz

Heidelberg, den 9. November 1952


Seite zurückInhaltsübersichtSeite vor

Der ekle Wurm der deutschen Zwietracht
Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944