SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


 
Siebentes Kapitel
Südwests tragische Historie • Hereroaufstand • Im Weltkrieg 60 000 Feinde gegen 6000 Deutsche • Heutige Zustände unter der Mandatsregierung: Hunger, Not und Elend im Land.

Mitte Januar 1903! Durch lichte, weiße Wolken strahlte der blaue Südwesterhimmel, als der Besitzer von Farm Schwerborn, unweit Otjivarongo, über die Schwelle seines Hauses hinein in die morgendliche Kühle schritt. Doch des breitschultrigen, von Lebenskraft strotzenden Man- [97] nes Stirne war umwölkt. Man hatte ihm über Nacht das Fleisch des Großwildes, das er am vorhergehenden Tag erlegt hatte, gestohlen. Es war nicht so sehr der Verlust als die Empörung über die Diebe, die ihn so grollend in den herrlichen Morgen durch Kalkklippen stolpern ließ.

"Mister", so näherte sich ihm demütig ein Hererojunge, "ich suchen den Dieb, ich finden den Dieb, das hat geklaut Fleisch."

"Ach Quatsch, bleib hier; die Diebe findest du nicht."

"Ich gehen mit allen Jungs, ich finden den Dieb", drängte der hochgewachsene, schokoladenbraune Junge.

"So geh in Dreiteufels Namen!"

Seine Jungen verschwanden hinter den Dornbüschen der Buschsteppe und er blieb zurück mit seinen beiden, weißen Mitarbeitern. Nach einigen Stunden kamen die Bambusen zurück und schleiften an Stricken und unter Püffen vier schwarze Kerle mit sich.

"Wir haben die Dieb, Mister, binde sie an den Wagen."

"Macht ihr das doch!"

Der Farmer trat näher: "Ist das hier nicht dein Bruder?"

"Ist Bruder, aber ist Dieb."

Noch näher trat der Deutsche, da erhielt er plötzlich und unvermutet von rückwärts einen Schlag auf den Hinterkopf, daß er für einen Moment in die Knie knickte. Doch mit einem gewaltigen Schlag seiner mächtigen Faust gelang es ihm noch, einen seiner blutdürstigen Angreifer zu Boden zu strecken und seinen Jungens zuzurufen: "Was habe ich euch getan?"

Doch die Kirries (Keule aus Kameldornholz) sauste auf ihn herab und warf ihn zu Boden. Und nun schlugen sie auf ihn ein mit ihren Keulen, auf das Genick, das er mit seinen beiden Händen, die linke zu oberst, zu schützen versuchte und schlugen ihm seine linke Hand zu Brei. (Sie ist heute verkrüppelt und die Finger sind steif.) Und er sah durch Blut und Wunden, durch Schmerz und Pein und hilflos, wie einer seiner Kollegen ahnungslos aus dem Hause trat und von einigen Schlägen niedergestreckt wie tot liegen blieb. Und er sah auch noch, wie der dritte Deutsche, angelockt durch den sonderbaren Radau, auf den Plan trat und wie man auch ihn zu Boden schlug. Und noch immer sausten die Schläge auf ihn selbst herab. Da streckte er sich einer plötzlichen Eingebung folgend und blieb ruhig und still. Nun hielten sie ihn für tot und ließen ab von ihm.

[98] Jetzt stürzte die schwarze Mörderbande ins Haus, um zu rauben und zu plündern. Der Farmer hob nur unmerklich den Kopf und schielte nach ihnen. Und er wurde gesehen.

"Er ist noch nicht tot!"

Und wieder fielen sie über ihn her und neuerdings prasselten die Schläge auf ihn herab, auf seine Schläfe, auf den Hinterkopf. Dann faßte man ihn an beiden Beinen und schleifte ihn, mit dem Gesicht nach unten, über spitze Kalksteine und durch Dornensträucher, weiter hinein in den Busch. Und der Farmer hob manchmal den Kopf, um die Qual etwas zu mildern und hielt das eine Bein, das sie plötzlich losließen, steif, um es beim Weiterschleifen nicht zu brechen. Doch diesmal merkte die Bande das Zeichen des noch immer pulsierenden Lebens in dem mißhandelten Körper nicht.

Still und stumm lagen die drei geräderten Deutschen im Busch. Allmählich verebbte der Lärm der mit ihrer Beute abziehenden Hererohorden. Im Busch regte es sich leise. Der Farmer erhob sich und kroch zu seinen Leidensgenossen. Der eine von ihnen blieb stumm. Er war tot! Der andere richtete sich mühsam auf. Er hatte, dem Beispiel seines Kameraden folgend, sich noch zur rechten Zeit tot gestellt. Beraubt der Schuhe und des größten Teils der Kleider, mit geräderten Leibern und einzelnen gebrochenen Gliedmaßen, machten sie sich auf zur Flucht nach der Ansiedlung Outjo. Aber sie wurden gesichtet von den Hereros, die sie wie Bluthunde verfolgten. Und wie durch ein Wunder, so groß wie jenes, das sie aus den furchtbaren Schlägen mit dem Leben davonkommen ließ, kamen sie, wenn zum Schlusse auch nur noch kriechend, nach dem 70 Kilometer entfernten Ort und waren gerettet. 119 deutsche Männer und 4 Frauen wurden zur selben Zeit im Lande auf bestialische Art hingeschlachtet, außerdem viele gemartert und gefoltert und schwer verletzt.

Das war der Hereroaufstand, der so unerwartet, mit so ungeheurer Wucht und so blutig einsetzte und der zu einem fünfjährigen Krieg hinüberleitete. Über ihn und seine Vorgeschichte sind bereits Bände gefüllt. Meine Aufgabe kann es hier nur sein, mit knappen Worten die historischen Ereignisse zu streifen.

1645 landeten die Portugiesen als erste Europäer bei Lüderitzbucht, auf Südwester Boden. Sie setzten ihre Kreuzsäule und verließen dann eiligst wieder die wüste, tote Küste. Nach ihnen kamen wiederholt englische und holländische Beauftragte, um zu erkunden, ob es in dem unwirtlichen Lande denn gar nichts zu holen gäbe. Aber sie fanden nichts, [99] als eine furchtbare Dürre und Öde und deshalb lehnte England 1870 es noch ganz entschieden ab, das Land unter seine Flagge zu bringen.

1883 kam der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz, landete in der Bucht, die heute seinen Namen trägt und kaufte von einem Hottentottenkapitän die Sandwüste rund herum in einer Ausdehnung von dem heutigen Bayern und Württemberg zusammen, für 600 Pfund Sterling und 200 Gewehre. Lüderitz wollte Handel treiben, suchte aber auch nach Mineralien. Ob er eine Ahnung hatte von dem Diamantvorkommen? Lüderitz erhandelte noch von verschiedenen Häuptlingen Land, das dann unter Dr. Nachtigal, der mit den Häuptlingen Verträge abschloß, 1884 unter deutschen Schutz gestellt wurde. Lüderitz selbst fand bald hernach auf einer Expedition ins Innere des Landes den Tod.

Nach Südwest, das in alter Zeit von Klippkaffern und umherziehenden Buschjägern bewohnt war, kamen von Norden die dunkelbraunen Hereros, ein freies Hirtenvolk mit Rinderherden eingewandert, die immer weiter nach dem Süden vordrangen. Vom Kapland aber drängten die gelben Hottentottenstämme, Jäger- und Räuberhorden, nach dem Norden. Bald gerieten beide Stämme aneinander. Die Buschmänner und Klippkaffern zwischen beiden wurden, wo man sie nur traf, immer weiter zurückgedrängt und totgeschlagen oder als Sklaven verschleppt. Schon lange vor der Machtübernahme Deutschlands lebten beide Stämme in Feindschaft, und jahrzehntelange Raub- und Kriegszüge hatten sich zwischen ihnen abgespielt.

Mit fast allen Häuptlingen des Landes hatten die Deutschen Schutzverträge abgeschlossen. Nur der Hottentottenhäuptling Hendrik Witbooi weigerte sich. Er war von großem Ehrgeiz beseelt und glaubte, sich zum Oberhäuptling über alle Hottentotten- und Hererostämme aufschwingen zu können. Er raubte die Rinderherden der Hereros und schaffte sich dafür Waffen und Munition. Um dem Schutzvertrag mit den Hereros nachzukommen, mußte Deutschland gegen ihn einschreiten. Hauptmann von François kam mit einer kleinen Truppe nach Südwest und besiegte in einem langwierigen und schwierigen Kleinkrieg den Häuptling. In einem Vertrag versprach Hendrik Witbooi nicht nur, von jetzt ab Ruhe zu geben, sondern sogar bei Aufständen von Eingeborenen mit der deutschen Truppe kämpfen zu wollen.

In den nun folgenden Friedensjahren begann die Besiedlung des Landes, hauptsächlich durch ausgeschiedene Soldaten der Schutztruppe. Ge- [100] rade in dieser Zeit des Aufbaues entwickelte sich der Keim zu dem nun folgenden furchtbaren Geschehen. Ein englischer Händler namens Lewis hatte aus Konkurrenzneid schon jahrelang gegen die Deutschen gehetzt, die Eingeborenenstämme aufgestachelt und Waffen an sie verkauft.

Die Hererohäuptlinge, geblendet von europäischem Tand, lebten in Saus und Braus, überzeugt von ihrem unerschöpflichen Reichtum und gerieten bald in Schulden und Abhängigkeit bei den Kaufleuten. Sie verpfändeten und verkauften nun ihre Viehfarmen und Herden und wurden so allmählich von ihrem Land und ihren Weiden zurückgedrängt. Darüber ging bald ein Murren durch den ganzen Hererostamm.

Im Hintergrund lauerte immer noch rachebrütend Hendrik Witbooi. Und in Deutschland lebte man wieder einmal wie mit Blindheit geschlagen. Man hatte Südwest unter deutsche Herrschaft gebracht, aber zum Schutze der Kolonie war jeder Pfennig zu schade, obwohl es bereits bedenklich kriselte. Ganze 550 Mann Schutztruppe hatte das Land zur Verfügung. Nach den bereits gemachten Erfahrungen, inmitten der beiden kriegerischen Stämme, bei der ungeheuren Ausdehnung des Landes, das eineinhalbmal so groß ist wie Deutschland und dessen Entfernungen mangels anderer Verkehrsmittel nur zu Pferde überwunden werden konnten, ein unverantwortlicher Leichtsinn. Damals schon zeigte das parlamentarische System seine Unfähigkeit und ist schuld an dem vergossenen deutschen Blut in Südwest und an dem ungeheuren Schaden in der Kolonie.

Nach außen war zwar noch Ruhe und Frieden, während es unterirdisch bereits glimmte und gloste. Der Anstoß zum Ausbruch kam von Süden.

Die Bondels, ein Hottentottenstamm, wurden aufsässig gegen deutsche Beamte. Es kam zu einem Zusammenstoß. Ein Deutscher fiel. Da wurde die ganze Schutztruppe aus dem Norden und dem Hererolande nach dem Süden beordert. In dem entblößten Norden des Landes stand nun das Hererovolk auf und die grausigen Mord- und Plünderungstage folgten.

Vor den anrückenden deutschen Truppen wichen die Hereros nach kleineren Gefechten nach dem Nordosten, dem Waterberg, zurück. Bevor man den letzten Schlag wagen konnte, mußte erst Verstärkung aus Deutschland abgewartet werden. Die Hereros waren zwar in überwältigender Übermacht, doch wurden sie in die Flucht geschlagen und sie rannten hinein in die wasserlose Kalahari, hinein in das Durstfeld, das sie zerrieb. Es konnte sich nur ein kleiner Teil noch auf englisches Gebiet retten.

[101] Kurze Zeit nach dieser Schlacht erklärte der Hottentottenkapitän Hendrik Witbooi den Deutschen den Krieg, der als Bandenkrieg sich jahrelang hinzog, nach dem Friedensvertrag vom 23. Dezember 1905 beendet sein sollte, es aber erst 1908 war nach Hauptmann Friedrich von Erkerts kühnem Zug in die Kalahari, in den Durst und Tod. Simon Kopper, dem letzten noch aufsässigen Hottentottenbandenführer, wurde bei diesem Zug in die Wüste das Handwerk gelegt.

Auch das nördlichste Volk des Landes, die Ovambos, versuchten in den Kampf der Schwarzen gegen die Weißen miteinzugreifen und sich mit den Hereros zu verbinden. 500 Ovambos überfielen den deutschen Stützpunkt Namutoni an der Etoschapfanne, um sich von dort aus durchzuschlagen nach dem Süden, zu den schwarzen Aufständischen.

Sieben deutsche Reiter haben die 500 Eingeborenen zurückgeschlagen.

Ein kleines Denkmal bei Namutoni erinnert an diese Heldentat und seine Inschrift erzählt:

Am 28. Januar 1904 überfielen 500 Ovambos die Station Namutoni.
7 tapfere deutsche Reiter schlugen den Angriff siegreich ab.

Ehre ihrem Andenken!
 

                    Unteroffizier Fritz Großmann            
Sanitäts-Sergeant Bruno Laßmann
Gefr. Richard Lamke
Gefr. Albert Lier*
Unteroff. d. R. Jakob Basendowski
Gefr. d. R. Franz Becker
Gefr. d. R. Karl Hartmann

Letzterer ist heute Farmer in nächster Nähe von Namutoni.

In Windhuk steht hoch oben auf dem Berge einsam und groß ein Reiter aus Erz. Er sieht hinab auf das Gewimmel der Stadt, hinein in die Buschsteppe und auf die Auasberge, stolz, kühn, mächtig. Zu Füßen seines gewaltigen Pferdes steht auf einer Kupferplatte die Inschrift:

"Gefallen, verschollen, verunglückt, ihren Wunden erlegen und an Krankheit gestorben von der Schutztruppe 100 Offiziere, 254 Unteroffiziere, 1180 Reiter; von der Marine 7 Offiziere, 13 Unteroffiziere, 72 Mann; im Aufstand erschlagen: 119 Männer, 4 Frauen."

Das ist die Verlustliste des Herero- und Hottentottenaufstandes.

So sah es in Südwest-Afrika aus, als die Deutschen kamen...
[144a]      So sah es in Südwest-Afrika aus,
als die Deutschen kamen....


... und so sah der gleiche Fleck Erde 25 Jahre später aus, Anfang 1914. [144a]      ... und so sah der gleiche Fleck Erde
25 Jahre später aus, Anfang 1914.
[102] Deutschland hat sich Südwest mit Gut und Blut erkaufen müssen.

Nun begann der Aufbau, das Aufschließen des Landes, mit einer Großzügigkeit und Schnelligkeit, die kaum vorstellbar ist. Das Land wurde besiedelt, Wasser erbohrt, Bahnen wurden gebaut, Minen erschlossen. Reiche Regenjahre verwandelten das Land in ein Paradies. Jeder ankommende Dampfer brachte neue Ansiedler aus Deutschland. Die Schutztruppe von 6000 Mann gewährleistete den Farmern einen guten Absatz. Die Diamantenfelder brachten neue Lebensmöglichkeiten, großen Reichtum und durch ihre prozentuale Abgabe allein schon die Verwaltungskosten des Landes. Es war, als wollte das Land mit einem Schlage die erst gequälten und mühsam um ihr Dasein ringenden Menschen nun überschütten mit Gaben und Reichtümern. Unerhörtes war aber auch in der nur sechsjährigen Friedensarbeit geleistet worden. Ein Dammbauprojekt, eine Bewässerungsanlage, die das Land unabhängiger von regenreichen oder regenarmen Jahren machen sollte, war im Jahre 1914 ausgearbeitet. Unendlich reich war das Land und wohlhabend waren seine Bewohner. Und das erregte den Neid derjenigen Mächte, die das öde Südwest erst verschmäht hatten.

1914! Vergessen hatten die Buren die freundschaftliche Unterstützung der Deutschen in ihrem Aufstand gegen englische Unterdrückung, die nicht zuletzt mit Schuld war an dem englischen Deutschenhaß und seinem Eintritt in den Weltkrieg überhaupt. Dem Einfluß des englandfreundlichen General Botha gelang es, das Unionsparlament zur Kriegserklärung gegen Deutsch-Südwest zu bewegen. Nur ein Teil der Buren, unter Führung der alten Generale de la Rey, de Wet und Beyers, wollte die günstige Gelegenheit benützen, das englische Joch abzuschütteln. Sie erklärten mit aller Deutlichkeit, sie würden niemals gegen die Deutschen fechten, die im Burenkriege so treu zu ihnen gehalten, und sie würden einen Krieg gegen Südwest als Sünde betrachten. Ein Aufstandsversuch wurde von General Botha niedergeschlagen, General Rey angeblich "irrtümlich" von einem englischen Posten erschossen; Beyers fiel durch eine Kugel auf der Flucht beim Durchschwimmen eines Flusses und de Wet kam ins Gefängnis. Frei war der Weg nach Südwest!

60 000 Mann Unionstruppen standen 6000 deutschen Soldaten gegenüber. Und der Feind kam mit 800 Kraftwagen ins Land, und diese gaben mehr noch als die Übermacht der Soldaten den Ausschlag in dem ungleichen Kampf. Zwar konnten die Deutschen im Süden des Landes, bei [103] dem siegreichen Gefecht in Sandfontein, einen ermutigenden Anfangserfolg verbuchen, der die Front der Unionstruppen in Verwirrung und ins Stocken brachte. Aber die nun folgende Taktik General Bothas ging darauf hinaus, das kleine deutsche Heer einfach zu umgehen. Dieses Vorhaben wurde ihm durch die Beförderung der Truppen mittels Kraftwagen außerordentlich erleichtert. Erstaunt mußten die Deutschen diesem Treiben zusehen. Nie vorher hatte man an die Möglichkeit eines Autoverkehrs auf Südwester Gelände gedacht, und nun wurde man so unangenehm davon überzeugt. Es konnte zu einem eigentlichen Kampfe kaum mehr kommen. Immer wieder sahen sich die Deutschen wie von einer Zange umklammert und waren daher zum Rückzuge gezwungen, um nicht vollkommen eingekreist zu werden. Aber ihre Pferde konnten es mit dem Atem der Kraftfahrzeuge nicht aufnehmen und so kam eines Tages, was kommen mußte. Etappenweise von Süden nach dem Norden abgedrängt, sah die deutsche Hauptmacht sich eines Tages in einem Talkessel bei Khorab eingeschlossen. Es gab keinen Ausweg mehr. Sie mußten sich ergeben oder restlos zugrunde gehen, sich einfach zusammenschießen lassen. Am 9. Juli 1915 erfolgte die Übergabe. Südwest war überfallen und geraubt von jenen Buren, für deren gerechte Sache einst Deutsche gekämpft hatten, und die Weltgeschichte war um eine große Undankbarkeit, um ein kaum faßbares, ungerechtes Geschehen reicher.

 
Unendlich reich war Südwest 1914, und wohlhabend und glücklich waren seine Bewohner. Heute aber ist die Kolonie ein Trümmerhaufen, und Not und Verzweiflung gehen durch das Land. Und das geschah mit Willen der Mandatsregierung, um das zähe Deutschtum mürbe und einem Anschluß an die Union geneigt zu machen.

Frankreich, England, Belgien und die Union dachten von Anfang an nur an eine Annexion der Kolonien. Und als Wilson dafür nicht zu haben war, entstand in Südwest das furchtbare Blaubuch, das als Basis zur Wegnahme der Kolonien dienen mußte. Schon vor Versailles hatten die Eindringlinge auf eine Einverleibung hingearbeitet und zu diesem Zwecke auch an eine Abstimmung bei den Eingeborenen gedacht. Sie begannen daher vorsichtig bei den Eingeborenen, denen gegenüber sie mit Versprechungen nicht kargten, ihre Fühler auszustrecken über deren Einstellung. Doch schon der erste Versuch zeigte ihnen eine so starke Zuneigung für Deutschland, daß diese Erkundigungen sofort eingestellt wurden. Und das [104] so kurze Zeit nach der "Erlösung der Schwarzen aus deutschem Joch". Nein, die Neger lieben sie nicht, die Eindringlinge, sie sind deutsch gesinnt, sie sehnen sich nach der Befreiung von ihren "Beschützern".

"Ich bin deutscher Eingeborener, ich arbeite nicht bei Buren", welcher Stolz, welche Hochachtung vor dem Deutschtum liegt doch in diesen Worten. Und welch unendlicher Glaube an Deutschland und welche Geringschätzung für das Afrikanische spricht aus diesem Satz: "Wenn die Buren aus dem Lande sind, dann regnet es auch wieder."

Also auch in dieser Hinsicht wurden die Hoffnungen der annexionslustigen Unionisten enttäuscht. Nun versuchte man ein Letztes, und zwar, durch Lockungen und Versprechungen die Deutschen selbst einem Anschluß an die Union geneigter zu machen. Was hat bloß der berüchtigte Administrator Hofmeyer, der den bekannten Ausspruch tat: "Mandat ist so gut wie Einverleibung", sich in dieser Hinsicht alles geleistet. Es gab Zeiten, da er den Deutschen mit honigsüßen Worten das herrlichste Leben in trauter Vereinigung mit der Union schilderte, dann aber wieder tobte, brüllte und drohte er. Aber deutsche Treue - hier zeigte sie sich. Die Deutschen hielten fest am Mandatscharakter zu einer Zeit, da sie in ihrem Kampf von der Heimat, von dem verflossenen Regierungssystem nicht die geringste Unterstützung, die mindeste Ermunterung erfuhren.

Alle Annexionshoffnungen wurden zunichte. Nun änderte man die Taktik. Jetzt wollte man den Deutschen den Herrn zeigen, zermürben wollte man sie, sie an die Wand drücken, bis sie de- und wehmütig von sich aus um den Anschluß bitten würden. Man hat sich auch hierin verrechnet. Südwest ist ruiniert, das Deutschtum zum Teil in bitterster Not. Doch noch verachtungsvoller blickt heute der Deutsche auf seine Unterdrücker und verbissener und sehnsuchtsvoller nach Deutschland - und in der Not erst recht!

1919 wurden alle Schutztruppler und Beamte nach der Heimat zurückgeschafft. Aber das genügte der Mandatsverwaltung nicht. Um die überwiegende deutsche Mehrheit zu brechen und die starken Menschen kirre zu machen, setzte bald die Ausweisung "unerwünschter" Deutscher ein.

Zuvörderst wurde jeder, dessen Name sich in den Strafakten, und sei es auch nur wegen einer geringfügigen Polizeistrafe, befand, entfernt. Aber der Kreis der Unerwünschten wurde allmählich bis ins Unendliche ausgedehnt. Unerwünscht fühlte sich zum Schlusse jeder Deutsche, wenn er sich auch nicht der geringsten Vergehen bewußt war, denn unter dem [105] Vorwand der möglichen Gefahr, der Betreffende könnte in späteren Jahren der Fürsorge anheimfallen, wurden schließlich, anscheinend wahllos, die meisten Deutschen, 6000 Männer, Frauen und Kinder von Arbeit und Besitz verjagt.

Und an ihrer Statt wurden nun die armen Blanken (Buren) von der Union hereingenommen und angesiedelt, mit 400 000 Pfund deutschem Geld, das die Landbank bei der Übernahme durch die Eindringlinge noch besaß. Ein einflußreicher Südafrikaner vertritt die Ansicht: Wenn die Union fair handeln wolle, dann müsse sie diesen Betrag wieder an Südwest vergüten, denn ein Mandatsland könne nicht gezwungen werden, für die Armenpflege der Union einen derart hohen Betrag auszugeben. Als dann unter dem Drucke der Verhältnisse die Scheinselbstverwaltung eingeführt und ein Landesrat gewählt wurde, da sah die Mandatsregierung sich gezwungen, sich um weiteres Stimmvieh umzusehen. Und sie fand es in den Angolaburen, die sie nun mit den verführerischsten Versprechungen hereinlockte, ihnen tatsächlich oft ohne einen Pfennig Entgelt Land zur Verfügung stellte, die letzten Reservefarmen, die die deutsche Regierung für wasserarme Jahre zur Rettung in Bereitschaft hielt, unter sie aufteilte, ihnen Wasser erbohrte und sogar noch ein Haus hinstellte.

Die deutschen Farmer aber waren durch die Kriegs- und die dann folgenden regen- und absatzlosen Jahre in Schulden geraten. Mancher von ihnen hatte die Kriegsjahre hindurch keine Zinsen bezahlt. Die Landbank in fremdem Besitz forderte die Zinsen aus deutscher Zeit nach. Dadurch und durch noch schlimmere, ja sogar betrügerische Machenschaften wurde manchem deutschen Farmer sein wertvoller Besitz entrissen und für ein Butterbrot von einem Engländer oder Buren erworben.

Und das alles geschah nicht von ungefähr, sondern bewußt durch den Mandatar.

Ebenso bewußt und zum Schaden aller Bewohner des Mandatsgebietes hat die Union ihre eigenen hohen Schutzzölle auch Südwest auferlegt, wo es ja keine Industrien zu schützen gab. Hierdurch wurden dem Lande jährlich 200 000 Pfund Sterling zugunsten der Union entzogen.

Am ungeheuerlichsten aber war die Stillegung der Diamantfelder. In der Union werden heute noch Tausende von Arbeitern im Diamantabbau beschäftigt, die Südwest-Felder liegen still, weil es der hohen Mandatsregierung so gefällt. Der Konkurrent der Union ist ausgeschaltet.

Heute ruhen die Zechen in Deutsch-Südwestafrika...
Heute ruhen die Zechen in Deutsch-Südwestafrika...

...die Arbeiterhütten stehen leer... ...die Arbeiterhütten stehen leer...

...und Weiße - Maschinisten und Kaufleute - müssen Fronarbeit beim 
Pad- und Dammbau leisten. ...und Weiße - Maschinisten und Kaufleute - müssen Fronarbeit beim Pad- und Dammbau leisten.      [144b]
[106] Vor einigen Monaten schloß noch der letzte Betrieb, die Kupfermine von Tsumeb, von der der ganze Norden gelebt hatte, seine Tore. Durch geeignete Regierungsmaßnahmen wäre die Schließung dieses letzten Betriebes mit Leichtigkeit zu verhindern gewesen. Es geschah mit Absicht nichts. 700 Weiße waren im Minenbetrieb beschäftigt; Maschinisten, Kaufleute, Handwerker aller Art. Heute treiben sie sich, da es eine staatliche Fürsorge nicht gibt, zum Teil hungernd und verzweifelnd im Land herum, soweit sie nicht bei Notstandsarbeiten auf Pad- oder Dammbau zusammen mit Schwarzen ein entwürdigendes Dasein fristen.

10 - 12 000 Schwarze verdienten Geld im Mineralabbau und ein reger Betrieb war im ganzen Land. Heute sind die beiden Minenstädte, Tsumeb und Lüderitzbucht, beinahe wie ausgestorben. Ganze Häuserzeilen stehen leer, und die Läden sind geschlossen. Aber die Farmer spüren es am meisten. Es ist keine Nachfrage mehr nach ihren Produkten, nach Fleisch und Vieh. Der Verkauf eines Tieres bringt heute nur noch den Hautwert ein. Eine Ausfuhrmöglichkeit ist nicht vorhanden infolge einer fein ausgeklügelten südafrikanischen Einrichtung. Die Imperial-Gold-Storage in Walfischbay hat das Monopol für Ausfuhr von gefrorenem Fleisch und deckt seinen Bedarf hauptsächlich mit südafrikanischen Tieren. Wieder hat man auf sehr schlaue Art auch hier den Konkurrenten ausgeschaltet. Und so zeigt es sich immer und überall: im Interesse unionistischen-jüdischen Kapitals wird Südwest zugrunde gerichtet.

Von Administrator Hofmayer wurden außerdem Diamantfiskusrechte auf gewisse Felder an unionistisches Finanzkapital für nichts verschachert. Um Werte von ungefähr 12 000 000 Pfund wurde in diesem Falle das Mandatsgebiet von dem Mandatsbeauftragten zugunsten unionistischer Finanzleute durch unredliche Machenschaften bewußt geschädigt. Was geschieht mit einem Vormund, der sein Mündel mit Absicht um sein Vermögen zugunsten anderer bringt?

Aber nicht allein auf materiellem Gebiet wurden die Deutschen an die Wand gedrückt. Deutsch ist die Landessprache, deutsch sprechen auch die Eingeborenen und der höchste Prozentsatz der Weißen, trotz Ausweisungen der Deutschen und Hereinnahme von Buren, immer noch 40 Prozent, wenn auch nicht die absolute Mehrheit, ist heute noch deutsch. Doch die Amtssprache ist Englisch und Afrikanisch.

Von Deutschen ist das Land gekauft, mit Blut erkämpft und mit Fleiß und Arbeit aufgebaut, und die Deutschen sind es, die auch heute haupt- [107] sächlich den Bestand des Landes gewährleisten. Doch der Deutsche ist Bürger zweiter Klasse. Nach einem Jahr schon genießt jeder neueingewanderte Engländer oder Bure Bürgerrecht, der Deutsche jedoch erst nach fünf Jahren.

Südwest ist ausgeraubt und ausgesogen und am Ende. Menschen sind in Südwest am Verhungern. Wie Hohn wirken jene Worte, die im Versailler Vertrag stehen: "Das Wohlergehen und die Entwicklung der Völker in den Deutschland genommenen Kolonien ist eine heilige Aufgabe der Zivilisation."

Eine ungeheure Schuld hat das Burenvolk unter jüdischer Regie auf sich geladen, eine Schurkerei (de Wets eigenes Wort) am deutschen Volk verübt, die einmal so oder so sich rächen wird.

Den Deutschen rufe ich als ein etwas versöhnendes Moment und den Buren als Appell an ihr vielleicht noch nicht ganz erloschenes Gewissen ihres ehrlichen Nationalhelden de Wets flammende Worte zu:

"Welcher Afrikaner noch einen Funken Rechtsgefühl in sich trägt, an den wende ich mich, daß er die Regierung zwinge, Südwest an den rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben."



*Der Name ist verwittert und nicht mehr sicher lesbar. ...zurück...








Wann kommen die Deutschen endlich wieder?
Eine Reise durch unsere Kolonien in Afrika

Senta Dinglreiter