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Wie es kam...

Vier Jahre Feuer. Vier Jahre Blut und Leiden. 48 Monate Eisenhagel und Dreck. Hunger und Ermattung an der Front und in der Heimat.

Aber draußen - dort wo die Sturmbataillone erbittert um eine Handbreit Boden kämpfen - zäher Wille. Entschlossenheit. Fast alle haben tagelang keinen Schlaf, sehen tagelang kein Essen, kein Wasser. Und immer wieder Trommelfeuer, immer wieder Kampf. Der deutsche Bundesbruder muß überall helfen. In Österreich, in Bulgarien, am Isonzo und in der Türkei. Nirgends kann man ohne ihn die Stellungen halten. Die Truppen werden hin und hergeworfen.

Eine Front ist frei - im Osten! Und dort droht schon eine neue Gefahr, die fast schlimmer ist als das Trommelfeuer der Materialschlacht. Das Gespenst des roten Terrors verlangt Einsatz im deutschen Osten. Mit harten Schlägen pocht der Bolschewismus an Deutschlands Ostpforte. Behende, geschäftige Nager schleichen sich hinein nach Deutschland, um an den Grundfesten deutscher Art, an Ehre, Treue, Glaube und Recht zu nagen und zu wühlen. Niemand tut etwas dagegen. Die warnenden Stimmen der Frontführer verhallen ungehört. Es sitzt sich ja so schön und sicher im Parlament. Und es bringt etwas ein neben dem großen Kriege, der Millionen und Millionen in die Taschen derer fließen läßt, die gefühllos den Schrei der Front nach Material in Prozente umrechnen.

Deutsche Männer stehen an der Front, volksfremde in der Heimat am Steuer.

Und der Kaiser? --

Niemand weiß es noch heute genau zu sagen: Ist er ein Opfer jener verwirrten Zeit geworden? Die Tatsache steht fest und unumstößlich: Es wurde seitens der obersten Füh- [12] rung nichts getan, um die Warnungen der Männer von der Front zu bedenken, geschweige denn ihnen zu folgen.

Das deutsche Heer stand weit in Frankreich. Der Nachschub von Kriegsmaterial war mehr als spärlich. An jedem nicht abgefeuerten Schuß hing das Leben von Hunderten deutscher Männer. Die Front war unendlich lang und dünn. Zu dünn, um sie gegen immer wieder neu einsetzende Angriffe ausgeruhter Truppen zu halten. Man mußte zurückweichen. Wären alle neu eingezogenen Soldaten so hart und pflichtbewußt wie die alten Kämpfer an der Front gewesen, wäre nur die Hälfte von ihnen so zum Letzten entschlossen gewesen wie die paar Sturmbataillone, die aus ausgesuchten Menschen bestanden: die Aufgabe wäre gelöst worden. Die Reserven aber waren mehr als schlecht. Hinderten oft mehr, als sie halfen. Die Waffen, die neu herbeigeschafft wurden, trugen alle Anzeichen mangelhafter Rohstoffe.

Die Front mußte zurück. Das Menschenmögliche war getan, mehr konnte man nicht verlangen. In der Ausgangsstellung mußte sie aber stehen bleiben, mußte letzte Wacht sein für deutsches Land, letzter Garant für einen menschlichen Frieden. Amerikas Präsident Wilson setzte 14 Punkte auf, mit denen er angeblich den Grundstein für einen dauernden und gerechten Frieden zu legen beabsichtigte.

Die Führer an der Front sehen die Unmöglichkeit eines weiteren militärisch erfolgreichen Handelns ein, und verlangen in höchster Not von der Reichsregierung den Waffenstillstand und sofort einsetzende Friedensverhandlungen.

Im Reich aber tagt das Parlament! Man ergeht sich in stundenlangen Zwiegesprächen in den mit weichen Teppichen ausgelegten Hallen des Reichstages. Man hat ja so viel zu tun! Es ist wieder einmal eine neue Regierung am Ruder. Zentrum, Demokratie und Sozialdemokratie stehen in einer Front. Man spricht von Freiheit, von Reformen, von Wahlrechtsänderungen - aber nicht von der deutschen Not. Man hatte einen neuen Mann an die Spitze des Reiches gestellt, einen demokratisch angehauchten Schwächling, einen über- [13] feinerten Aristokraten, der es allen recht machen wollte. Prinz Max von Baden schloß sich würdig seinen Vorgängern Bethmann-Hollweg u. a. an. Und diese Regierung bietet endlich - nun schon zu spät - den Feinden den Frieden an. Kämpfen will niemand mehr. An der Front sind die Gegner beide ermattet. Aber kein Wort bzw. Eingeständnis der Schwäche kommt von den Lippen der Ententevertreter... Worte offenen Landesverrats jedoch werden in der Presse Deutschlands laut:

"Deutschland soll - das ist unser fester Wille - für immer seine Kriegsflagge streichen, ohne sie das letztemal siegreich heimgebracht zu haben." Wie ein flammendes Mal einstiger Schande steht heute vor jedem Deutschen dieser teuflisch-gemeine Satz, den das sozialdemokratische Organ Der Vorwärts damals den anständigen Deutschen ins Gesicht schleuderte.

Scheidemann vor dem Reichstag
Scheidemann vor dem Reichstag.
[14]      Phot. Scherl
Die Zersetzung ging weiter. Die Spartakisten durften tagen. Arbeiter- und Soldatenräte wurden eingesetzt. Das Tor im Osten brach auf, und hinein ins deutsche Land fluteten Scharen von Agitatoren der roten Gewalthaber. Deutschland ist schwach, ermattet und liegt am Boden. Scheidemann aber spricht mit hysterischer Freude vom Sieg, den das deutsche Volk auf der ganzen Linie errungen habe. Hinter der zurückweichenden Front tobt bereits offener Umsturz. Die Marine meutert. In München wird die Räterepublik ausgerufen, und deutsche Menschen lassen im Kugelregen der Roten ihr Leben. Der Kaiser tritt auf Verlangen der roten Parteien, deren Willkürherrschaft in Deutschland jetzt eine allgemeine geworden ist, zurück. Ludendorff war schon im Oktober entlassen. Das deutsche Volk ist ohne Führer und dem Spiel der roten Flut ohne Einschränkung ausgeliefert.

Im Walde von Compiegne unterhandelt man über den Waffenstillstand. Die Gegner glaubten einen Vertreter des deutschen Frontsoldatentums als Verhandlungspartner zu finden. Allzu grotesk wirkt Herr Erzberger an diesem Platz im schwarzen Rock und Zylinder.

[14] Unterhandelt man mit einem solchen Mann? Niemals! Man diktiert!

Der Waffenstillstand wird bedingungslos unterschrieben. Deutschland ist ja wehrlos. 5000 Geschütze, über 25 000 Maschinengewehre, 3000 Minenwerfer, 1700 Flugzeuge müssen abgeliefert werden, dazu Tausende von Lokomotiven mit Eisenbahnwagen und alle U-Boote. Der größte Teil der deutschen Flotte muß verschwinden. Jetzt gibt es keinen Widerstand mehr, den der Gegner zu fürchten hätte.


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Die Schandverträge
Hans Wilhelm Scheidt