SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor

[Bd. 4 S. 215]
Adolph Woermann, 1847-1911, von Theodor Bohner

Adolph Woermann.
Adolph Woermann.
Gemälde von Karl Bantzer, 1911.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 439.]
"Diamanten muß man nicht suchen, man muß sie finden." Das Wort Adolph Woermanns zu einem Gouverneur unsres Südwestafrikas bestätigt die Geschichte jedes großen Gold- und Silbervorkommens wie der Diamantfelder. Es verrät aber über die bloße Erfahrungstatsache hinaus etwas vom innersten Wesen seines Sprechers. Wohl muß der Kaufmann alles dransetzen können, die köstliche Perle zu erlangen, aber er darf es nicht dem Abenteuer zuliebe tun, und niemals darf er auf unverdienten Gewinn hoffen. "Ich bin", sagt der Mann, ohne den unsre westafrikanischen Kolonien nie zu denken waren, im Reichstag, "glaube ich, vielleicht nüchterner in der Kolonialfrage gewesen als viele andere, und ich weiß, daß gerade der Kaufmann keine Begeisterung bei seinem Geschäfte haben darf, sondern daß gerade er mehr als viele andere bei allen seinen Unternehmungen ruhig und nüchtern überlegen muß."

Die afrikanische Landkarte hat manchen Weißennamen aufgenommen. Rhodes hat sein Land Rhodesia, Monroe die Stadt Monrovia; Lüderitzbucht erinnert an den Begründer Deutschsüdwests, auch wenn wir das Land lange schon dem Völkerbund zu treu-untreuen Händen abgeben mußten; am Kongo zieht sich eine ganze Straße solcher Namen hin mit Elisabethville, Leopoldville, Brazzaville, Stanley Pool. Nach Adolph Woermann heißt keine solche Stätte auf dem dunkeln Erdteil, und doch tritt er in seiner Tatkraft durchaus gleichwertig neben die beiden andern, die im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert die Treibenden bei der Einführung Afrikas in die Welt sind, neben Rhodes und den großen Belgierkönig. Ja, von den drei Namen ist auf der Westseite beim schwarzen Volk in den Häfen sein Name der bekannteste, die Vorstellung von dem Träger gewaltig: 1901 streiken die Kru-Arbeiter in Liberia, die schwarzen Hilfsmannschaften, die jeder Dampfer für die heißen Breiten annimmt. Ein Teilhaber Woermanns kommt persönlich heraus; aber die Schwarzen wollen ihn nicht anerkennen, weil er mit dem fälligen Dampfer der Linie statt auf Sonderschiff gekommen ist. Adolph Woermann überzeugt sie dann 1904 durch die hünenhafte Erscheinung, den stattlichen Bart und das ganze Auftreten. Bewundernd sehen sie auf die Zähne des Fünfzigers: "Him be the big Woermann for true true, him get only gold for his mouth (Das ist in Wahrheit der große Woermann, er ist im Mund lauter Gold)!"

The big Woermann scheint bereits auf den Platz geboren, von dem er in die Welt wirken muß. Die Firma, die er einst führt, ist schon vom Vater gegründet [216] und heißt noch heute nach diesem C. Woermann. Selbst in der Großen Reichenstraße ist die Firma schon unter dem Vater angesiedelt an der Stelle des heutigen Afrikahauses. Die Geschäftsverbindungen von C. Woermann gehen auch unter dem Vater schon in die weite Welt. Es bestehen Niederlassungen in Ostindien, und auch der schwarze Präsident von Liberia ist bereits mit seiner weißen Frau im Frack und weißer Binde in der Großen Reichenstraße zu Gast. Der Vater ist schon an den größeren Hamburgischen Handelsunternehmungen mit Rat und Tat beteiligt; 1853 tritt er in die Direktion der Hapag ein; er ist im Vorstand der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft. Und selbst das nimmt der Vater dem Sohne vorweg, daß er "die gesunden Grundlagen des Warenaustausches mit Afrika erkennt, die Aufnahmefähigkeit des Erdteils für europäische Erzeugnisse und die Bedeutung der afrikanischen Rohprodukte für Europa". Er schon gibt alle anderen Arbeitsplätze der Firma zu Gunsten des westafrikanischen Geschäftes auf. Eine Lebensbeschreibung Adolph Woermanns hat darum das Leben seines Vaters mitaufzunehmen.

Carl Woermann ist "Butenminsch", kein gebürtiger Hamburger. Hamburg hat immer die gesunde Kraft seines Gemeinwesens durch die Aufnahme und schnelle Einschmelzung auch des fremden Zuzugs bewiesen. Die Woermann sind reines Westfalenblut. Aus Enger, der Widukindstadt, wanderte der Bürgermeisterssohn Jost Woermann 1688 nach Bielefeld ein, um sich an dem dort blühenden Leinengroßhandel zu beteiligen. Das Geld dazu, und das ist bezeichnend genug, hatte er sich in jungen Jahren im holländischen Ostindien verdient. Das Haus hatte auch Kraft und Unternehmungsgeist genug, sofort beim Sturz Napoleons und beim Aufhören der Festlandssperre kaufmännisches Neuland zu suchen. Gottlieb Woermann begründet 1814 mit seinem Vetter und Teilhaber David Friedrich Weber in Hamburg eine Zweigfirma, die Weber führt; sie sollte das Bielefelder Leinen über See, vor allem nach dem eben sich öffnenden Südamerika bringen.

In dieses Hamburger Zweiggeschäft tritt Carl Woermann, Gottliebs Sohn, 1813 geboren, 1828 als Lehrling ein und arbeitet sich langsam zum Teilhaber hoch, der, nachdem er sein Einjährigenjahr in Bielefeld abgedient hat, 1837 eine Tochter seines Oheimteilhabers heiratet. Eleonore Woermann, Adolphs Mutter, brachte von Vater und Mutter Weber Kaufmannsblut in die Ehe. David Weber hatte die jüngste Tochter Abraham Nottebohms geheiratet, dessen Handelsbeziehungen von der westfälischen Sonne bis zu den niederländischen Hafenplätzen der Nordsee reichten; er hatte seinen Herrensitz auf dem Brackweder Kupferhammer vor Bielefelds Toren. Carl Woermanns Schwester hat umgekehrt einen Enkel Nottebohms und Erben des Kupferhammers geheiratet, Friedrich Möller. Adolph Woermann ist so ein doppelter Vetter des preußischen Handelsministers Theodor Möller.

Bei der Heirat wurde die Kompaniefirma in Hamburg aufgelöst. Schwiegervater Weber ist dem südamerikanischen Geschäft treugeblieben und betrieb [217] später eine eigene Schiffslinie nach Valdivia und Valparaiso. Das Webersche Haus, das Stadthaus am neuen Jungfernstieg wie das Landhaus in Oevelgönne, war ein Mittelpunkt geselligen geistigen Lebens der Stadt weit über den mit Liebe gepflegten Familienkreis hinaus. Berühmt waren die Weberschen Abende, die bis zu hundert Gästen zu einem Vortrag eines führenden Gelehrten und einem Abendessen vereinigten. Sich auch im Kaufmannsstande für das Ganze der Kultur mitverantwortlich zu fühlen, wurde hier Söhnen und Enkeln vertraute Pflicht.

Carl Woermann begann in einem Hamburg, das nach der Schnürjacke der Festlandsperre und unter dem allmählich weichenden Druck der handelsfeindlichen Gesetzgebung der großen Seestaaten sich eben seiner eigenen Kräfte bewußt wurde. Noch war die Elbe nicht befeuert, Schulauer und Blankeneser Sand waren gefährliche Schiffahrtshindernisse, vor denen eine versäumte Tide eine Woche Aufenthalt bringen konnte.

Noch befuhren kaum Dampfer die Elbe. Der erste war am 17. Juni 1816 eingelaufen, die englische "Lady of the Lake". Sie sollte unter englischer Flagge einen Verkehr Hamburg–Cuxhaven betreiben, gab aber schon im Jahr darauf aus Mangel an Mitteln wieder auf. Eine englische Firma ließ ab 1825 ein paar Dampfer zwischen Hamburg und englischen Häfen verkehren. 1840 wagte Rob. M. Sloman den kühnen Schritt, den die Börse als "offenbaren Unsinn" bezeichnete, und brachte die erste Dampferlinie Hamburg–Hull zustande. Der entscheidende Fortschritt Hamburgs in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts liegt auch nicht im Einsetzen des Dampferverkehrs, sondern in der großen Befreiung des Überseehandels, wie er durch den Abfall der südamerikanischen Kolonien (1827 Brasilien) eingeleitet wurde, damals als es im Ehrbaren Kaufmann jubilierend hieß: "Hamburg hat Kolonien bekommen." So lange waren diese Häfen ja nur den Flottillen ihrer Heimatstaaten geöffnet gewesen, die zweimal im Jahre, von Kriegsschiffen geleitet, den Weg über den Ozean antraten. Auch die übrigen Kolonialreiche der Erde waren so gesperrt gewesen. Die mit gelegentlichen Pausen immer wieder starr geltende britische Navigations(Schiffahrts)akte von 1651, die erst um die Mitte des Jahrhunderts fiel, verlangte für britische Ware britische Schiffe, verbot nichtenglischen Schiffen englischen Küsten- und Außenhandel und schloß sie zugleich von den Kolonien aus. Den Hamburger Schiffen stand ein bescheidener Verkehr mit den westeuropäischen, skandinavischen und russischen Häfen frei. Fahrten nach dem Mittelmeer waren ein Wagnis. 1824 noch nahmen Tripolitaner Kaper die Hamburger Brigg "Luise", 1827 die "Flora" ungestraft in den portugiesischen Gewässern weg. Es ist ein Ereignis, als 1831 die "Rezia" als erstes Schiff mit Hamburger Flagge unter Hinrich Peter Mohrmann in Marseille einläuft, 1839 ein anderes Schiff von Hamburg nach dem östlichen Mittelmeer abgefertigt wird. 1835 kommen ganze vier Schiffe aus Richtung Guineaküste, Kap Verde, Kanarische Inseln, Azoren im Hafen an, also aus der Richtung, aus der alle Asien- und Afrikafahrer kommen müssen, und wieder nur ein einziges von ihnen [218] hat die Flagge mit den Türmen. Zwei Jahre später wird C. Woermann begründet. Die neue Firma war als ein Leinenausfuhrhaus nach Mittel- und Südamerika gedacht. Aus dem unmittelbarsten dringenden Bedürfnis der Heimat war sie hervorgegangen, genau wie die Laeiszsche Reederei zuletzt auf den Wunsch zurückgeht, die Seidenhüte des Seidenhutmachers Laeisz abzusetzen. C. Woermann ist zunächst nur Handelshaus und ohne eigene Schiffe. Aber der rührige Inhaber ist jederzeit bereit, sich mit andern außerhalb der eigenen Firma auch als Reeder zusammenzutun. Die Südsee-Fischerei-Kompagnie hat zwar nur von 1843 bis 1849 gelebt; sie hat sich aber ein ewiges Andenken schon dadurch gesichert, daß sie ihre Walfänger zur Enthaltsamkeit verpflichten wollte; der Hamburger Wasserschout widersprach für die Seeleute. Auf die Mitarbeit an Hapag und der Südamerikagesellschaft ist schon hingewiesen.

1847, in dem Jahr, da ihm sein Sohn Adolph geboren wird, rüstet C. Woermann das erste Schiff aus, die Brigg "Eleonore". Ab 1850 nimmt die Firma jedes Jahr um ein, zwei Schiffe zu. Sie betreibt jetzt neben dem eigenen Handel Reederei: um die Mitte der fünfziger Jahre unterhält sie eine Paket- (Fracht-) und Passagierfahrt nach Melbourne mit sechswöchentlichen Aussendungen. Auch ihr Handelsgeschäft hat sich von Mittel- und Südamerika ganz nach Ostindien und Australien gezogen.

Rückschläge gibt es auch in dieser aufstrebenden Zeit. 1857 bringt eine Weltkrise solche Verluste vor allem im australischen Geschäft, daß C. Woermann sich auf den Stand von 1837 zurückgeworfen fühlt. Er gibt das australische Geschäft auf. Dagegen hat er Niederlassungen in Cochin und lebhaften Verkehr mit Ostindien. Seine Schiffe frachten Kohlen von Cardiff nach Indien oder Java und kommen mit Reis, Fischbein und Stuhlrohr zurück, für dessen Bearbeitung er eigenen Betrieb in Hamburg unterhält. Aber bereits fahren seine kleineren Schiffe in der Afrikafahrt, vor allem der grüne Schoner "Liberia". Carl Goedelt, der länger in Sierra Leone und auf der Goldküste gelebt hatte, hatte ihn auf Westafrika gewiesen und trat selber in seine Dienste; er war der Leiter der Niederlassung in Liberia und dann in Gabun. Denn der Hamburger Geschäftsinhaber erkannte trotz der Schwierigkeiten der Anfänge die Zukunft gerade des afrikanischen Geschäftes. 1849 hatte er erstmals von einem Indienschiff Westafrika anlaufen lassen. 1852 wurde ein Afrikaschiff in Fahrt gesetzt. Zur Niederlassung im liberianischen Monrovia kam 1862 eine in Gabun, 1868 die erste im nachmaligen deutschen Kamerun. Die Aufgabe des Hauses war gefunden. In kurzer Zeit ist C. Woermann das führende Haus im ganzen westafrikanischen Handel und erzwingt ihm mit jedem Jahr eine größere Bedeutung in Hamburgs Gesamthandel. Dafür wurden die Beziehungen zu Ostindien aufgegeben.

Carl Woermann hat bei allen seinen Unternehmungen nie den Blick auf sein Volk verloren. 1866 begründete er mit andern einen Verein für Hamburgs Anschluß an den preußisch-deutschen Zollverein. Wenn dieser bei der besonderen Lage des Hamburger Handels auch von ihm nicht mehr erlebt wurde, so hat Carl [219] Woermann noch die Begründung des Reiches sehen dürfen. Er starb 1880. Sein Lebensabriß in der Allgemeinen Deutschen Biographie, der auf Mitteilungen der Familie zurückgeht, rühmt den lebhaften Sinn für alles Wahre, Gute und Große, der in allen, die ihm nahestanden, weiterwirkte, wie seine Weitsicht und Tatkraft. Er hatte sich und dem von ihm begründeten Hause in Hamburg und draußen eine Stellung geschaffen, daß noch der Redner bei der Trauerfeier für seinen größeren Sohn davon ausgehen konnte, wie schwer es der Vater diesem Sohne gemacht hatte, ihm gleichzukommen oder gar ihn zu übertreffen.

Carl Woermann erinnerte sich lebenslang dankbar an die fünf Jahre, die ihn sein Vater der Salzmannschen Erziehungsanstalt in Schnepfental als Zögling anvertraut hatte. Aber er vergaß auch nie, daß er die fünf Jahre seine Eltern nicht hatte besuchen dürfen. Er wurde seinen Kindern der zärtlichste Vater, der sogar Zeit hatte, mit ihnen den Weihnachtsmarkt, den "Dom", zu besuchen, wenn gerade um die Weihnachtszeit Frau Eleonore ihre jährlich wiederkehrende mütterliche Behinderung hatte. Die Vorteile, die er an der geliebten Anstalt empfunden hatte, wandte er seinen Söhnen zu, indem er sie für die Woche in die Andresensche Lehranstalt nach Elmsbüttel gab, aus der sie aber über Sonntag nach Hause kamen. Das zahlreiche englische und spanische Element in der Schülerschaft war ein bleibender Gewinn für die späteren Überseekaufleute. Neben den Schulfächern mußten sie auf Veranlassung des Vaters auch ein Handwerk erlernen, den praktischen Sinn zu bilden.

Adolph, der Arbeitserbe seines Vaters, war der zweite Sohn. Der erste, der nachmalige Professor und Kunsthistoriker Karl Woermann, hatte sich früh unter dem duldenden Erstaunen des Vaters auf den Künstler und Gelehrten entwickelt. Dafür artete Adolph durchaus nach dem tätigen Vater. Es ist ganz der auf das Wirkliche eingestellte und im Wirklichen wirkende spätere Adolph Woermann, wenn schon der Knabe den um vier Jahre älteren dichtenden Bruder ruhig fragt: "Warum tust du das?"

Carl Woermann war nie draußen gewesen. Für seine Söhne gehörte es ihm zur vollen Lehre. Adolph trat vorher noch als Einjähriger in das neugegründete hanseatische (76.) Infanterieregiment ein. Die Strenge, die er als Vätererbe gegen sich selbst zu üben gewohnt war, wurde ihm hier zum Verhängnis: der hoch Aufgeschossene hatte am heißen Tag bei einem Marsch nicht nachgeben wollen, bis er an der Elbchaussee bewußtlos umfiel. Der erlittene Hitzschlag machte ihn zu seinem Kummer für jeden weiteren Heeresdienst untauglich und beeinträchtigte seine Gesundheit noch lange. Trotzdem ging er jetzt in die Welt hinaus. Sechs Lehr- und Wanderjahre führten den Zwanzigjährigen über Ostindien, China, Japan, Nordamerika und Afrika von 1868 bis 1874 durch die Welt, indem er in den fremden Erdteilen in den eigenen Niederlassungen oder in befreundeten Häusern arbeitete. Der Arbeitsplan war mit Sorgfalt im väterlichen Hause zusammengestellt. Es gehörte dazu, daß der spätere Schiffsherr auch die besten Schiffe, die [220] zur Zeit die Meere befuhren, persönlich kennenlernte. Silvester 1874 konnte Carl Woermann den zahlreichen Gästen im Hause mitteilen, daß sein ältester Sohn preußischer Akademieprofessor geworden, der zweite, Adolph, aber als Teilhaber von ihm in seine Firma aufgenommen sei.

Carl und Adolph Woermann.
[208b]      Carl Woermann. Adolph Woermann.      [208b]

Sechs Jahre noch konnte der Sohn neben dem Vater arbeiten. Es war ein Glück; denn die Tropen rächten sich an dem Reisenden; nachdem er schon auf Java wie in Afrika dem Fieber seinen Zoll hatte zahlen müssen, hielten ihn jetzt Folgen dieser tropischen Erkrankungen von 1877 bis 1879 überwiegend auf dem Krankenlager. "Er befreite sich durch eine eiserne Energie von einem Übel, das mehr mechanischer als innerlicher Art war", schreibt der Bruder Karl in seinen Erinnerungen über diese Jahre. Aber sie wurden teuer bezahlt, als die treue Pflegerin in dieser Zeit, die geliebte Gattin, kurz nach der Genesung des Gatten selbst in Krankheit fiel und nach langem, schmerzlichem Leiden starb. Im Reichstag mußte Woermann später den unwahren Vorwurf hören, die Hamburger Chefs schickten nur immer ihre Angestellten in das tödliche Klima, sie selbst blieben zu Hause. "Fast die sämtlichen Chefs der Häuser, welche im Afrikahandel tätig sind", erwiderte er damals, "sind ein Jahrzehnt und noch länger in Afrika gewesen. Die Chefs gehen auch heute noch hinaus. Ein Bruder von mir befindet sich heutzutage (1885) in Kamerun." Von sich und seinen Opfern schwieg er. Wenn aber allgemein die Kolonien abgelehnt wurden wegen der gesundheitlichen Gefahren, griff er die zagen Stubenhocker an: "Bei uns in Hamburg haben wohl die meisten Leute den Mut gehabt, hinauszugehen. Sie haben ihr Fieber gehabt, aber das hindert durchaus nicht, die Wichtigkeit der Kolonien anzuerkennen. Hat denn Holland jemals danach gefragt, ob in Java das Klima gesund ist? Ich habe mich auch auf Java einige Zeit aufgehalten und habe das Fieber dort bekommen, ebenso in Afrika, aber es fällt niemand ein, weil dort das Klima nicht ebenso gesund wie zu Hause ist, zu sagen: wir dürfen niemand hinausschicken. Ja, wer hinterm Ofen sitzen bleiben will, der kommt freilich nicht hinaus. Es kommt eben darauf an, daß man hinausgeht, und es wagt, hinauszugehen."

Die Alte Woermann-Faktorei in Kamerun.
Die Alte Woermann-Faktorei in Kamerun.
[Nach wikipedia.org.]
Der wichtigste Teil seiner Reise war dem künftigen Firmenchef der afrikanische geworden. In der Zeit auf den Faktoreien in Gabun, an den Ölflüssen Kameruns, in Liberia hatte er den Glauben des Vaters als richtig erkannt, daß der Warenaustausch Afrika—Europa die Zukunft hatte und daß vor allem auch in Westafrika, das nun einmal das Arbeitsfeld von C. Woermann geworden war, eine Entwicklung bevorstand, die nicht mehr mit dem pfiffigschlauen Umtausch billigsten europäischen Schundes oder gar nur Schnapses in afrikanisches Öl, Gold und Elfenbein erledigt war, sondern daß hier eine Kulturarbeit zu leisten war, die Afrika, aber ebenso auch die Heimat schöpferisch befruchten mußte. In ahnenden Umrissen mochte schon das Ziel seiner Lebensarbeit vor den Augen der Seele auftauchen: der große dunkle Erdteil, das Mutterland auch der abendländischen Geschichte von den Ägyptern her, durch einen regelmäßigen, auch die [221] kleinen Häfen erfassenden Schiffsverkehr wieder erschlossen und eng mit Europa verbunden, das an ihm sein Amerika und sein Indien hat. Nachdem er die ganze Welt gesehen, kam er als überzeugter Afrikaner zurück.

Afrika gilt darum auch die ganze Arbeit des Firmenchefs Adolph Woermann. Carl Woermann hatte noch 1879 den ersten Woermanndampfer mitbestellen können. Der Sohn ersetzt bis 1887 alle seine Segelschiffe durch Dampfer. Beim dritten Dampfer, 1882 in Dienst gestellt, richtet er die erste regelmäßige deutsche Dampferlinie nach Westafrika ein. Die Firma C. Woermann schlug damit nicht nur alle andern deutschen Häuser an der westafrikanischen Küste, denen kleine Küstendampfer für ihre Zwecke genügten: sie zeigte durch die Einrichtung einer Linie, daß sie den westafrikanischen Handel schon für so entwickelt hielt, daß es sich lohnte, über den eigenen Firmenbedarf hinaus ihm als Reeder Schiffsraum anzubieten. Ein Deutscher aus dem Deutschland ohne Kolonien wagt diesen Schritt zu einer Zeit, wo Frankreich trotz seiner zahlreichen westafrikanischen Besitzungen noch keine solche Linie kannte. C. Woermann machte sich sogar für die neue Aufgabe besonders frei: Adolph Woermann zweigte die Reederei vom eigentlichen Hause ab, verwandelte sie in eine Aktiengesellschaft, später G.m.b.H. und Kommanditgesellschaft, von deren Kapital von drei Millionen zwei bei C. Woermann blieben, während der Restbetrag u. a. von Berrenberg-Goßler, Laeisz, A. Beit, London und F. Scipio, Mannheim übernommen wurde. Es ist dies die Afrikanische Dampfschiffahrts-Aktiengesellschaft (Woermannlinie), 1914 dreiundvierzig Dampfer mit 112 865 Register-Tonnen stark.

Der gesunde Rückhalt und beste Kunde des Reedereibetriebes blieb jedoch das Afrikahaus C. Woermann. Der afrikanische Handel hat wie jeder Handel an fremder Küste als ein Handel vom Schiff aus begonnen. Noch um 1880 kamen so die Amerikaner mit Seglern an die Guineaküste und verkauften ihre Waren von Bord an die ankommenden Negerboote. Die lange Liegezeit der Schiffe bis zum völligen Absatz der mitgebrachten Ware wurde dann behoben, indem sie einem als zuverlässig erkannten Häuptling – sie waren an der Küste alle Händler – anvertraut wurde, der sie bis zur Wiederkehr des Schiffes in die gewünschten afrikanischen Erzeugnisse umsetzte. Das afrikanische Geschäft schleppte daher zu anderen Plagen die schlimme Gewohnheit des "trust" mit, des Warenvorschusses an schwarze Zwischenhändler statt des unmittelbaren Austausches. Auf der nächsten Stufe wurde ein älteres Schiff herausgebracht, das an Ort und Stelle abgetakelt wurde, um als schwimmendes, gegen Überfälle zugleich notdürftig gesichertes Handelshaus zu dienen. Als Nachtigal 1884 in Duala die deutsche Flagge hißt, liegen noch sechs englische und ein deutscher derartiger Hulk auf dem Fluß verankert.

Adolph Woermann fand schon auf seiner ersten Reise feste Landfaktoreien des Hauses auch in Westafrika. Sie standen auf zukunftsreichem, aber schwierigem Boden: eine Flachküste, deren Barren und Untiefen noch so mancher Woermann- [222] dampfer zum Opfer fallen sollte, und eine Brandung, die das Landen in den schweren Booten durch die Brecher lebensgefährlich machte. Wenn Flüsse Eintritt gewährten, lauerte im Mangrovendickicht tödliches Fieber; Grab des weißen Mannes, Seemannsgrab hieß die Guineaküste. Den Weg ins Innere machte ein breiter Urwaldgürtel, in dem es keine menschliche Nahrung, nicht einmal ausreichend Wild gab, zu einem Spiel mit dem Tod. Nirgends begann das unerforschte Afrika so wie hier eine Tagereise hinter der Küste. Die Bevölkerung selbst, durch Jahrhunderte Sklavenraub an ihrer Küste auf die unterste Stufe staatlichen Daseins gesunken, nach Dorfstämmen zersplittert, alle zehn Stunden bereits eine andere Sprache redend, von rohen Sitten, Menschenfresserei als Kult übend – noch 1903 wird der Schutztruppenoffizier Graf Pückler, 1910 der Kaufmann Arno Bretschneider so geopfert. Auf den barbarisch-despotischen Schutz solcher Kannibalenhäuptlinge war der Faktorist angewiesen, und er bestand nur zu oft darin, daß er mit Heimtücke und Gewalt von jedem Verkehr mit dem nächsten Dorf schon abgeschnitten blieb, der Prozente des Häuptlings wegen. Ist aber der Weg ins Inland vom Häuptling aus frei, dann beginnen die Sorgen um Träger im menschenarmen Lande und ihre Zuverlässigkeit, denn häufig verjubeln sie die ihnen übergebene Ware oder setzen sie in Frauen um, bis im fremden Dorf wieder der Kampf um den Häuptling beginnt.

Die ganze Art des Lebens, ohne ebenbürtige weiße Gefährtin, solange die klimatischen Verhältnisse es nicht erlauben, in der Einsamkeit und Gefahr bringt es mit sich, daß das Haus im wesentlichen junge Leute hinaussenden muß. Und doch müssen sie vorher ihre sorgfältige Lehre im Stammhaus erhalten haben. Den jungen Leuten muß aber auch eine Zukunft geboten sein. Die Entwicklung der Firma ist bald so, daß eine Art Laufbahn vorhanden ist mit den größeren Stellen in Gabun und Monrovia. Aber da die Firma die Teilhaberschaft nicht bieten kann, macht sich doch immer wieder der Angestellte, der draußen Erfahrung und auch Geld hat erwerben können, zuletzt selbständig und womöglich im Afrikageschäft. Eine ganze Reihe Afrikafirmen entsteht, deren Inhaber alle einmal im Woermannhause in der Großen Reichenstraße begonnen und dann in einer Woermannfaktorei ihre afrikanischen Erfahrungen dazugewonnen haben: Jantzen und Thormählen, Woelber und Brohm; auch Goedelt und Gütschow sind hier zu nennen. Zum Glück ist das westafrikanische Feld groß genug, immer wieder neuen Firmen Platz zu bieten. Aber zu der tausendfältigen Sorge und Bemühung um den Mitarbeiternachwuchs in den eigenen Betrieben kommt so dauerndes sorgfältiges Abwägen der Grenzen gegenüber neuen Firmen.

In einem Vortrag vor der Geographischen Gesellschaft in Hamburg hat der Dreißigjährige 1879 mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Aufgabe des deutschen Kapitals in Afrika nicht der bloße Handel sein könne, sondern daß der Neger Afrikas zur Arbeit zu erziehen sei. "Die kulturell bedeutendste und zugleich die reichste Nation der Welt wird die sein, welche am meisten und am [223] erfolgreichsten die Naturvölker und ihre von Üppigkeit schwellenden Tropenländer kultivieren wird." Das Haus Woermann ließ selbst 1878 durch den Botaniker Soyaux die ersten Plantagen in Gabun anlegen. Es war kein voller Erfolg. Woermann erklärte 1884 in Eisenach vor dem Deutschen Kolonialverein: "Meine Firma hat selbst einen Versuch mit Plantagen in Gabun gemacht, es knüpfen sich manche fehlgeschlagene Hoffnungen daran, es sind manche Fehler begangen worden, und noch heute nach sechsjähriger Arbeit läßt sich kein Erfolg konstatieren – und dennoch wird schließlich die Ausdauer den Sieg davontragen. Was aber mehr ist als das: die Eingeborenen rund um diese Plätze herum fangen an, seßhaft zu werden, den Boden zu bebauen und das zu bauen und zum Verkauf zu bringen, was die auf der Plantage befindlichen Arbeiter brauchen. Auch hier ist das gute Beispiel das kulturelle Element, und wenn nach Unterdrückung des Sklavenhandels das legitime kaufmännische Geschäft das zweite Stadium in der Entwicklung des Negers bildete, so wird die Bebauung des Bodens das nächste Stadium sein." Immer ist ihm das Endziel der Gesamtentwicklung Afrikas wichtiger als das Ja oder Nein eines augenblicklichen Erfolgs. Die Kameruner Pflanzungen haben später die Erfahrungen dieser Jahre noch auf deutschem Kolonialboden auswerten können.

Zu der mehr praktischen Befragung Afrikas durch solche Pflanzungen tritt als weitere Aufgabe die wissenschaftliche Erforschung. Kaufleuten verdankt ja die Geschichte der Erdkunde gerade an diesem Teile Afrikas besonders viel: Flegel, Kaufmann in Lagos, dauernd um den Benue bemüht, Zweifel, in Diensten der Nigeriakompagnie, in Mußezeit der Entdecker der Nigerquellen. C. Woermann hat den Ruhm, daß der Agent des Hauses in Gabun, der nachmalige Konsul E. Schulze, den ersten Vorstoß hier ins Innere wagte, als er von Gabun den Ogowefluß entlang ins Okandeland zog. Sämtliche Forschungsreisen, die seither Deutsche von Westafrika aus antraten, erfreuten sich der immer tatkräftigen Unterstützung der Firma, wie sie zahlreich dankbar anerkannt haben.

C. Woermann hatte in Westafrika noch zu einer Zeit Fuß fassen können, da das Handelsfeld unbegrenzt schien und jedem Europäer der Schutz der jeweiligen europäischen Schutzmacht des betreffenden Gebietes wie selbstverständlich und als Gleichberechtigtem zustand, wenn nur eine solche Schutzmacht überhaupt da war. Es ist ja die Zeit, da das englische Parlament 1873 die Preisgabe selbst eines so alten Kolonialgebietes wie der Goldküste berät und jedenfalls weithin noch kleine Häuptlinge Alleinmacht an öder Küste darstellen. Aber in diesem Jahrzehnt gerade ändert sich die Welt. Während England und Frankreich sich über künftige Grenzen verständigen und sich dabei Gegenseitigkeit für ihre Landesangehörigen verbürgen, trifft den deutschen Kaufmann Woermann in Französisch-Gabun plötzlich empfindliche Sonderbehandlung; auf dem Niger wird ihm entgegen der internationalen Afrikaakte die freie Schiffahrt erschwert; und selbst Liberia belastet ihn trotz seiner Sonderverträge mit hoher Abgabe. Zugleich aber ging es nach der Errichtung eines großen Deutschen Reiches in der Mitte Europas nicht gut weiter an, [224] daß deutsche Kaufleute über See gegen die Willkür kleiner, aber roher Kannibalenhäuptlinge nur englischen oder französischen Schutz anrufen konnten, weil ihr Vaterland nach einem Worte Bismarcks zu Thormählen noch nicht schwimmen konnte. Wenn die deutsche Heimat den deutschen Handel in der Welt brauchte, wie sie tat, dann mußte sie auch für die nötigsten Bedürfnisse des Handels sorgen.

Es nimmt dem Namen Woermann nichts von seinem Ruhm, daß die erste Anfrage Bismarcks nach den Wünschen deutscher Kaufmannschaft in Afrika – sie traf während der Auslandreise des Erben ein – von Carl Woermann Herrn Thormählen zur Beantwortung überwiesen wurde, dem Leiter in Kamerun, und daß so der erste Hinweis auf diese Gebiete 1874 unter Thormählens Namen an das Auswärtige Amt kam. An den Vorbereitungen der Nachtigal-Reise, die die Kolonien begründete, ist Adolph Woermann entscheidend beteiligt; sein Rat wird dankbar bis in die kleinsten Förmlichkeiten der Flaggenhissung gehört. Die Verträge mit den Dualas vom 11. und 12. Juli 1884 zeigen denn auch die Unterschriften eines Woermann (Eduard, jüngerer Bruder Adolphs und in den Tagen draußen), des Woermannhauptvertreters Konsul Schulze aus Gabun, des Kameruner Leiters Schmidt. Der letzte Deutsche, der mitunterzeichnet, Kapitän Voß, Faktoreiführer für Jantzen und Thormählen, war wie seine beiden Geschäftsherren aus der Firma Woermann hervorgegangen. Die stille, zäh auf große Ziele gerichtete Arbeit des Hauses Woermann war herrlich aufgenommen in die Gesamtarbeit der deutschen Nation.

Bismarck hatte keinerlei Verwaltung an den fernen Küsten einrichten wollen: ein Konsul und ein Kriegsschiff, im übrigen Kaufleute waren seine Absichten. Bei der völlig anderen Entwicklung, die unsere wie die übrigen europäischen Kolonialherrschaften in der veränderten Neuzeit nahmen, hat immer wieder Adolph Woermann mitgeraten. Er mußte es bald sichtbar vor allem Volk tun. Ein Mann seiner Begabung und Bedeutung wird früh von der Öffentlichkeit geholt. Er war längst Mitglied der Bürgerschaft. 1879 war er in die Handelskammer gewählt; 1884, mit fünfunddreißig Jahren, übernimmt er ihren Vorsitz. Er muß ihn nach einem Vierteljahr niederlegen, da er zu Ende des Jahres in den Reichstag gewählt wird. Er löste im dritten hamburgischen Wahlkreis Dr. Ree ab und hielt diesen Wahlkreis als letzter Bürgerlicher bis 1890 gegen die Sozialdemokratie.

Woermann hatte sich der Nationalliberalen Partei angeschlossen. Den Ehrgeiz parlamentarischer Größe hatte er nicht. Seine Reden während der zwei Legislaturperioden, die er dem Hause angehört, sind immer Reden zur Sache: Zollfragen, Währungsfragen, örtliche Hamburger Sorgen und Auseinandersetzungen, Kaffeeterminhandel. Aber schon verlangt er mit Nachdruck, der bloßen Selbstachtung des Reiches wegen, daß eine Marke mit der Aufschrift "Reichspost" auch im ganzen Deutschen Reich auf jeden Brief geklebt werden kann trotz aller bayerischen und württembergischen Sonderrechte. Und dann bekommen die Reden geschichtliche Bedeutung, wenn er, einer der wenigen Überseer in diesem Hause, von den [225] Aufgaben draußen spricht. Schon seine Jungfernrede vom 1. Dezember 1884 hat den würdigen Gegenstand: Reichspostsekretär Stephan hat Zuschüsse für erstmalig einzurichtende Reichspostdampferlinien beantragt. "Wozu das?" hat ein Vorredner gefragt und ist sich sehr unterrichtet vorgekommen, "haben wir nicht die Bequemlichkeit, daß die englischen Schiffe uns dies zur allgemeinen Zufriedenheit erledigen, und verderben nicht Staatsgelder die gesunde freie Entwicklung deutscher Reederei?" In eindringlichen Worten weist der fünfunddreißigjährige neue Abgeordnete aus Hamburg auf den wirklichen Sinn der Vorlage: Die englische Peninsular und Oriental Steamer Company, die die englischen Postzuschüsse bekommt, hat im ablaufenden Jahre siebenunddreißig Millionen Mark eingenommen, die ganze deutsche Reederei keine zweieinhalb. Wir wollen auch für unser Volk an das Brot und die Arbeit der Welt. Wir wollen Musterschiffe bauen; denn nur die erstklassigen Schiffe ziehen den Verkehr an sich. Der Zuschuß ist gerechtfertigt, da das Postschiff durch Regelmäßigkeit und Schnelligkeit dem Allgemeinen dient, die freie Schiffahrt hat ihre Aufgabe in der Beweglichkeit. "Wie die Telegrafen und Telefone nicht etwa die Energie des einzelnen lähmen, sondern die Energie und Tätigkeit des Kaufmanns in doppeltem Maße anspannen, so werden wir, wird Deutschland von subventionierten Dampferlinien, wenn sie gut subventioniert und richtig geleitet werden, ganz gewiß einen Vorteil haben." Den starken Eindruck bezeugt schon der nachfolgende Redner, der sich, eben nach dem heute Gehörten, bedingungslos für die Vorlage jetzt einsetzt.

Der Postdampfer Eleonore Woermann auf seiner Probefahrt, 1902.
Der Postdampfer "Eleonore Woermann" auf seiner Probefahrt, 1902.
[Nach wikipedia.org.]

Woermann hatte als Mitglied des Reichstags in der ständigen Fühlung mit der Regierung in den Ausschüssen die beste Gelegenheit, eine gesunde Entwicklung der gerade in den Anfängen nicht leichten Kolonialpolitik herbeizuführen. Vor dem Hause weist er – wir haben ein Beispiel gebracht – törichte Vorwürfe zurück. Er bekennt sich rücksichtslos dazu, daß der Handel die Ausgaben für die Kolonien aufzubringen hat; aber er setzt auch auseinander, warum die Kaufleute als solche nicht, und am wenigsten die Hamburger, die Verwaltung übernehmen können. Sie sind nicht allein draußen, und schon der Neger weiß, daß der King von Hamborg nicht der Deutsche Kaiser selber ist. Aus ehrlicher Überzeugung tritt er auch für den Wert der gewählten Gebiete ein, und er ist sich im Gegensatz zu vielen im Hause klar, daß nur jetzt die Stunde sich bietet. "Es wäre geradezu ein Unrecht, wenn wir heute nicht kräftig auf diesem Wege weiterschreiten wollten, um von diesem Kontinent so viel in unsern Besitz zu bringen, wie wir können."

Woermann hat auch nachher der Öffentlichkeit gedient. Die Handelskammer in Hamburg, an deren Arbeiten er bis 1907 sich beteiligte, von 1899 bis 1902 noch einmal als Vorsitzender, war die Stelle, von der seine große Erfahrung für Hamburg und das gesamte deutsche Volk immer wieder nutzbar gemacht wurde. Auch sonst wurde bei immer mehr Unternehmungen seine Mitarbeit gesucht: die Levantelinie, die Hapag, Werften und Banken sahen ihn in ihren Leitungen. Vor allem schien kein größeres deutsches Unternehmen in Afrika, Pflanzung, Kaufhaus oder [226] Reederei, ohne sein Mitwirken möglich. Als 1890 eine Reichspostdampferlinie in der Deutschen Ostafrikalinie für Deutschostafrika begründet wird – sie dehnte ihre Fahrten bis Bombay aus –, ist Adolph Woermann der Vorsitzende des Aufsichtsrates, obwohl sein Stammhaus sich nur mit hundertfünfzigtausend Mark beteiligt. Woermann- und Deutsche Ostafrika-Linie haben dann den Verkehr rund um den Erdteil eingerichtet, der ein Besitz deutscher Schiffahrt auch nach dem Weltkrieg geblieben ist.

Für die Woermannlinie selbst hatte ihr Seniorchef Reichszuschüsse vermieden. Sie hatte auch ihre Fahrten nur bis Portugiesisch-Westafrika erstreckt. Auf Wunsch der Deutschen Siedlungsgesellschaft für Südwestafrika hatte sie dann auch diese Kolonie miteinbezogen. Seit 1901 hatte ihr dann ein Vertrag mit dem Reiche die Beförderung der Regierungsgüter einschließlich des Bahnbaumaterials übertragen. Als nun 1904 der Aufstand in Südwest ausbrach, konnte die Linie, obwohl sie der Vertrag nicht zwang, die Bitte der Reichsregierung, die sämtlichen Truppentransporte durchzuführen, nicht ablehnen. Woermann war stolz darauf, mit der Linie seines Hauses dem Vaterlande diesen Dienst zu leisten. Es wurde sein größter Schmerz: zuerst im Reichstag, dann auch von anderer Seite kam der Vorwurf, er habe die Gelegenheit benutzt, Enttäuschungen, die eine junge Kolonialzeit bringen mußte, nun auszugleichen. Ein Schiedsgericht mit dem Vorsitzenden der Hamburg-Amerika-Linie und dem des Norddeutschen Lloyd sprach von über einer Million geforderten Liegegeldern der Woermannlinie nicht ganz eine halbe zu. Es sah aus, als habe Adolph Woermann das Reich in Kriegsnot überteuert. In Wahrheit haben die Schiedsrichter und der Vorsitzende der Hamburg-Amerika im Nachruf auf den Toten vor aller Welt ausgesprochen, daß ihre Gesellschaften zu den der Woermannlinie gewährten Bedingungen nur sehr wenige Transporte hätten ausführen können. Und Woermann selbst hatte auch nur Nachteile von der Durchführung gehabt. Er hatte seinen Schiffsraum teils durch Ancharterung fremder Schiffe, teils durch Neubauten so vergrößern müssen, daß er ihn nach Wiederherstellung des Friedens in Südwest nicht auswerten konnte. Außerdem wurden die von ihm einst gecharterten, nun freien Schiffe von ihren Besitzern dank der gewonnenen Erfahrungen jetzt verwandt, ihm im Afrikageschäft Wettbewerb zu machen. Wenn sich die Linie auch des ersten Gegners erwehren konnte, so widerriet doch Adolph Woermann seine erschütterte Gesundheit weitere Kämpfe: 1908 kam eine Betriebsgemeinschaft zwischen Woermannlinie und der Hapag, sodann der Hamburg-Bremen-Afrika-Linie oder dem Norddeutschen Lloyd zustande, der sich in einem Abkommen auch die Deutsche Ostafrikalinie anschloß. Die Woermannlinie bestand weiter; aber sie war auch in Westafrika nicht mehr allein.

Adolph Woermann hat die Bitterkeit dieser Jahre nicht vergessen. Er ist enttäuscht und in Sorge um das Reich am 4. Mai 1911 auf seinem Gut bei Hamburg gestorben, nachdem er schon 1910 – in seiner Gesundheit schwer erschüttert – [227] sich von allen Geschäften zurückgezogen hatte. Aber bei seinem Tode wehten um einen ganzen Erdteil Flaggen auf Halbmast. Die Größe seines Werkes leuchtete auf. Es war aus dem Dienst an der Heimat hervorgegangen, der Sorge um das tägliche Brot für ein Volk, und war doch kein Raub am Fremden geworden: ein Erdteil war durch ihn mitbelebt und in die allgemeine Menschheitsarbeit mithereingeholt.

Die Große Reichenstraße 27, Hamburg.
Seit 1837 der Sitz von C.Woermann: die Große Reichenstraße 27, Hamburg.
[Nach c-woermann.com.]

Im Hamburger Handel aber drückte sich sein Werk in Zahlen so aus: Der Afrikahandel betrug 1851 bis 1860 in der Einfuhr jeweils 0,4 und in der Ausfuhr 0,5 Prozent des Gesamthandels des Hafens. Er betrug höchstens ein Viertel des Handels mit Asien und Australien. Jetzt erreichte er 7 Prozent der Einfuhr, 8 Prozent der Ausfuhr und kam an Zahl der Schiffe und Menge der Güter dem Handel mit Asien und Australien zusammen gleich. Afrika war an Europa herangeholt. Allein von dem alten Haus in der Großen Reichenstraße wurden zwölf Linien nach dem einst so dunklen Erdteil betrieben. Der Afrikahandel Hamburgs kam dem Liverpools gleich. Und das Beste davon hatte ein Privatmann in Fortführung der vom Vater übernommenen Aufgabe und ohne Hilfe des Staates getan. "Holt die Flagge auf Halbstock, ihr Hanseaten! Der größte Hanseate ist tot!" erscholl es in Hamburg. Einen "königlichen Kaufmann" hatte Bismarck den Toten einst genannt, "den größten Vertreter deutscher Macht im Auslande" Treitschke.




Alphabetische Inhaltsübersicht
Johann Joachim Winckelmann Johann Joachim Winckelmann Johann Joachim Winckelmann alphabetische Inhaltsübersicht der Biographien Friedrich Wöhler Friedrich Wöhler Friedrich Wöhler


Chronologische
Inhaltsübersicht
Paul von Hindenburg Paul von Hindenburg Paul von Hindenburg chronologische Inhaltsübersicht der Biographien Otto Lilienthal Otto Lilienthal Otto Lilienthal


Originalgetreue Inhaltsübersicht
Friedrich Ratzel Friedrich Ratzel Friedrich Ratzel Inhaltsübersicht der Biographien in Reihenfolge des Originals Carl Peters Carl Peters Carl Peters





Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz