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Kolonien, unsere zweite Heimat   (Teil 1)
[225]

Aus dem Leben der Kolonialdeutschen
Nora von Steinmeister

So verschieden, wie das Klima und die ganze Beschaffenheit unserer einzelnen deutschen Kolonien in Afrika sind, ebenso vielgestaltig ist das Leben der dortigen Deutschen.

Im hochtropischen Kamerun, wo die Mehrzahl aller Plantagen Eigentum großer Gesellschaften sind, arbeiten die Deutschen nur als Angestellte, sie haben einen Vertrag auf eine Zahl von Jahren geschlossen und bekommen in regelmäßigen Abständen den unbedingt nötigen Europaurlaub.

Ein vorbildliches deutsches Pflanzerheim in Kamerun.
[413]      Ein vorbildliches deutsches Pflanzerheim in Kamerun.
Nur ganz wenige Pflanzer in Kamerun sind Besitzer von eigenen Plantagen und haben ihr Leben entsprechend eingerichtet. Noch gibt es keine deutschen Schulen im Lande, und die Kinder müssen, sobald sie in das schulpflichtige Alter kommen, in die deutsche Heimat gebracht werden.

Die Häuser in Kamerun - meist sind es Gebäude, die die Plantagengesellschaften ihren Beamten zur Verfügung stellen -, sind aufs beste gebaut, so, wie die Gesunderhaltung des weißen Menschen es in diesen Zonen erfordert. Keine grobe Arbeit wird vom Europäer getan, dazu hat man in ausreichender Zahl schwarze Arbeitskräfte. Der Weiße hat immer nur eine genaue Kontrolle und ständige Aufsicht auszuüben und Anleitungen zu geben, das gilt sowohl für die Männerarbeit auf der Plantage, in den Fabriken und Faktoreien, wie für die Arbeit der deutschen Frau im Haushalt.

Anders ist es in Ostafrika, wo nur ein Teil der Deutschen auf großen Plantagen lebt, teils als Besitzer, teils als Angestellte. Da in Ostafrika nur selten eine Pflanzung im Besitz einer großen Gesellschaft ist, sind die Mittel, mit denen gearbeitet werden kann, durchweg kleiner, und ist das Leben daher wesentlich bescheidener zugeschnitten. In den Hochlandsiedlungen, die vielfach in der Art bäuerlicher Betriebe aufgezogen sind, ist der Lebenszuschnitt des weißen Mannes teilweise äußerst karg, und weder in gesundheitlicher noch in kultureller Hinsicht dem entsprechend, was ein Europäer in Afrika haben muß. Selbstverständlich wird diese heutige Lebensweise von allen Deutschen in Ostafrika nur als ein Anfangszustand angesehen, der sich mit den Jahren wesentlich bessern muß.

Daß die Lage der Deutschen in Ostafrika heute noch eine so vielfach schwierige und nicht auskömmliche ist, hat seinen Grund mit darin, daß alle Deutschen nach dem unglücklichen Ausgang des Krieges 1919 Ostafrika verlassen mußten, und daß die Engländer erst 1925 die Grenzen Deutsch-Ostafrikas, das sie in "Tanganjika" umtauften, wieder den deutschen Rückwanderern öffneten. Die damals aus- [226] gewiesenen Deutschen mußten ihre gesamte Habe in Afrika zurücklassen, nicht einmal die nötigste warme Kleidung besaßen sie, als sie nach langen Tropenjahren im Winter in Deutschland eintrafen!

Durch die schweren Kriegsverluste und die allgemeine schwierige Wirtschaftslage in Deutschland mußten die Deutschen, die seit 1925 in Ostafrika begannen, sich eine neue Existenz aufzubauen, von vornherein mit einem zu geringen Kapital arbeiten. Hierzu kam, daß sie größtenteils Landstriche zugeteilt bekamen, die überhaupt noch nie von Europäern in Kultur genommen waren, auf denen also jede Erfahrung, welche Art von Gewächsen gedeihen und sich rentieren würde, fehlte. Alles mußte erst ausprobiert werden. Schwere Rückschläge aller Art blieben in einigen Bezirken nicht aus, auf anderen Plätzen wurden gute Erfolge erzielt. So ist die Lage der deutschen Pflanzer und Siedler in Ostafrika heute noch eine sehr uneinheitliche. Eine ganze Reihe von Betrieben haben, nachdem der erste Versuch sich als Mißerfolg zeigte, mit neuen Kulturen begonnen. So haben sich z. B. mehrere Pflanzungen vom Kaffeeanbau auf Tee umgestellt.

Infolge der ungleichmäßigen Ergebnisse haben sich für viele Ostafrikadeutsche die harten, schwierigen Anfangsjahre - die Jahre der Geldknappheit und der Entbehrungen aller Art - sehr in die Länge gezogen. Wie manche Familie lebt heute noch im selbstgebauten Lehmhaus, dessen Gras- oder Wellblechdach nur mangelhaft gegen Nässe oder gegen Nachtkälte und Sonnenglut schützt, dessen Fußboden oft nur aus festgestampftem Lehm besteht. Das Wasser wird von den Schwarzen von der näher oder weiter gelegenen Wasserstelle herangetragen, so daß man oftmals damit sparen muß. Die Möbel haben die Farmer eigenhändig aus Kisten und Sperrholz gezimmert. Man hilft sich überall mit den einfachsten Mitteln.

Sehr schlecht stand es in den ersten Aufbaujahren um die Gesundheitsfürsorge der Deutschen. Zuerst war man nur auf die sehr wenigen, wenn auch guten deutschen Missionshospitäler angewiesen. Bis dann der "Frauenverein vom Roten Kreuz für Deutsche über See" in den einzelnen Bezirken des Landes Schwesternstationen errichtete, die vor allem den deutschen Frauen eine große Hilfe bei den Entbindungen waren oder bei Erkrankungen der Kinder. Nach und nach ließen sich noch einige deutsche Ärzte im Lande nieder.

Ebenso schwierig stand es anfangs um die Möglichkeiten, den deutschen Kindern, die immer zahlreicher heranwuchsen, deutschen Schulunterricht zu geben. Für die Neger war in schulischer Hinsicht durch die Missionen und die Mandatsregierung aufs beste gesorgt, aber eine deutsche Schule bestand vor dem Jahre 1927 noch nirgends im Lande.

Die ersten kleinen deutschen Schulen wurden teils durch Zusammenschluß der benachbarten Farmer (Mtumbi, Sunga), teils durch die Mission (Mlalo-Lwandai) und vor allem durch den Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft gegründet. 1928 begann der Frauenbund den ersten deutschen Schulbau auf dem Gelände der Berliner Mission in Lupembe, einem Mittelpunkt deutscher Hochlandssiedler. Er sandte Frau Dora Künzel aus, eine erfahrene alte Koloniallehrerin, die schon vor [227] dem Kriege die deutsche Schule in Daressalam geleitet hatte. Mit Einsatz ihrer gesamten Kräfte und Mittel brachte sie unter schwierigsten Umständen diese erste deutsche Nachkriegsschule in Gang, unterrichtete allein 30 Kinder und versorgte sie im Schulpensionat, bis sie nach 3 Jahren sterbenskrank in die Heimat zurückkehrte. Ihre Schule aber wuchs, ein Gebäude nach dem anderen mußte errichtet werden, der Lehrstab wurde entsprechend erweitert. Die Mehrzahl der Schulkinder wohnte im Schülerheim und bekam Freistellen oder Teilfreistellen vom Kolonialen Frauenbunde.

1931 wurde eine zweite deutsche Schule vom Frauenbunde der Deutschen Kolonialgesellschaft am Oldeani gebaut. Die ersten Gebäude aus Lehm und Wellblech sind, mit zunehmender Wirtschaftsbesserung im Bezirk, durch massive Steinbauten ersetzt worden. Auch hier hat die Heimat alljährlich nennenswerte Hilfssummen gesandt, um Bau und Betrieb zu ermöglichen.

Die Schule der Bethel-Mission in Mlalo ist heute die größte deutsche Schule Ostafrikas mit dem stärksten Lehrkörper. Die deutschen Pflanzer im Usambarabezirk verlegten ihre Schule aus Sunga nach der Bezirksstadt Lushoto, wo sie ein staatliches deutsches Schulhaus errichteten, das sie im Frühjahr 1936 bezogen. In Daressalam unterrichtet eine deutsche Lehrerin die Kinder aus der Stadt und näheren Umgebung. Am Kilimandscharo ist eine große deutsche Schule im Bau.

Inzwischen mehren sich die Bitten aus den südlichen Hochländern, vor allem aus Mbeya, einem Städtchen, das immer mehr Bedeutung bekommt durch die nahegelegenen Goldfelder am Lupafluß, sowie durch die sehr erfolgreichen deutschen Kaffeepflanzungen der angrenzenden Landschaft Mbozi. Eine große Zahl deutscher Kinder warten dort auf die Einrichtung einer deutschen Schule. Und ebenso dringende Bitten kommen aus dem Iringahochlande, die Heimat möge für eine weitere deutsche Schule sorgen.

Alle diese deutschen Schulen in Ostafrika unterrichten nach dem Lehrplan deutscher Mittelschulen. Nach dem 14. Lebensjahr müßte, auch aus klimatischen Gründen, unbedingt jedes deutsche Kind zur Endausbildung nach Deutschland kommen.

Das Koloniale Schülerheim, das der Reichskolonialbund heute in Bad Harzburg errichtet hat, ist vor allem für diese deutsche Jugend aus Ostafrika und aus den tropischen Kolonien gedacht. In guter Obhut sollen Jungen und Mädchen im Heim wohnen, das ganz den Charakter eines Familienhauses trägt, und sollen von dort aus die verschiedenen deutschen Schulen am Ort besuchen, je nach Neigung und Begabung. Eine Berufsausbildung in Deutschland soll den Abschluß bilden. Der Arbeitsdienst- und Wehrpflicht sollen die jungen Afrikadeutschen genügen, ehe sie wieder in die Kolonie hinausgehen.

Dasselbe gilt für die Jugend, die aus Südwestafrika in die Heimat kommt, um sich hier auf einen Beruf vorzubereiten. Nur, daß die Südwester meist erst nach Deutschland kommen, nachdem sie die Schule beendet haben. In Südwestafrika gibt es eine Reihe guter deutscher Schulen, von denen die deutsche Oberrealschule in Windhuk - die eine deutsche Privatschule ist - mit dem deutschen Abitur [228] abschließt, ebenso die deutsche Regierungsschule in Swakopmund. Möglichkeiten zu einer gründlichen Berufsausbildung gibt es auch in Südwest nur wenige, darum ist es nötig, daß diese Jungen und Mädel nach Schulende ein paar Jahre zur Lehre nach Deutschland kommen. Die junge Generation muß die alte Heimat kennenlernen, den Geist des Dritten Reiches selbst mit heißem Herzen erleben, um ihn dann wieder hinauszunehmen in die Kolonie, wo sie vorbildliche deutsche Arbeit leisten soll.

Außer den angeführten Schulen in Windhuk und Swakopmund ist noch die deutsche Realschule in Lüderitzbucht zu nennen, die als deutsche Privatschule auch wesentliche Beihilfen aus der Heimat erhalten hat, um die schwierigen Jahre zu überwinden. Das gleiche gilt von der kleinen deutschen Privatschule in Karibib.

Neben den deutschen Privatschulen hat die Mandatsregierung die vertragliche Verpflichtung - der sie auch überall nachkommt -, an Orten, wo 20 und mehr deutsche Kinder beisammen sind, eine deutsche Schulabteilung einzurichten mit deutscher Lehrkraft und deutschem Unterrichtsplan.

All die deutschen Schulen des Landes können aber nur bestehen, wenn gleichzeitig ein Schülerheim angegliedert ist, da die Kinder von den entlegenen deutschen Farmen oft mehrere Tagereisen bis zur Schule zurücklegen müssen. So muß ein gut geleitetes deutsches Haus in allen Schulorten sein, das diese Jungen und Mädel das ganze Jahr über aufnimmt und im besten deutschen Sinne betreut. Ohne diese deutschen Heime würde auch die deutsche Schule die Jugend nicht im rechten deutschen Geiste erhalten können.

So hat der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft, so lange er bestand, große Mittel für die deutschen Schülerheime in Afrika beschafft und bereitgestellt. Das Schülerheim in Windhuk, das Hedwig-von-Bredow-Haus mit der Hedwig-Heyl-Haushaltungsschule sind seine eigene Gründung, ebenso die deutschen Schülerheime in Otjivarongo und Gibeon und der Kindergarten in Lüderitzbucht. Der Reichskolonialbund hat die Sorge für diese deutschen Schulen und Heime als eine seiner wichtigsten Deutschtumsarbeiten übernommen.

Neben der Ausbildung der deutschen Jungen wird auch gerade die deutsche Erziehung der Mädchen sehr beachtet, ist es doch die deutsche Frau und Mutter, die letzten Endes ausschlaggebend ist, in welcher Gesinnung die junge Generation eines Landes heranwächst. Es ist zum größten Teil ein Verdienst der deutschen Frauen, daß unser altes Deutsch-Südwest bis auf den heutigen Tag - trotz mehr als 20-jähriger Fremdherrschaft - seinen rein deutschen Charakter bewahrt hat. Deutsch wird auch heute noch in Stadt und Land gesprochen, deutsch ist die Sprache, in der man sich mit den Eingeborenen verständigt.

Das Leben in Afrika, auch gerade in Südwest, ist nicht immer leicht für die deutsche Frau gewesen. In Südwest ist es nicht wie in den tropischen Kolonien, hier wird jede derbe Arbeit auch vom weißen Menschen geleistet, die Zahl der schwarzen Hilfskräfte ist geringer.

Dazu kommt, daß die wirtschaftlichen Bedingungen durch das sehr wechselnde Klima dieses Landes oft sehr schwierige sind. Auf fruchtbare Zeiten folgen jahre- [229] lange Dürreperioden, die unsagbare Verluste bringen, Viehseuchen und Heuschreckenplagen treten nicht selten auf, aber ein paar gute Jahre bringen dann den Schaden wieder ein. Nur, es gehören gute Nerven und viel Mut zum Durchhalten dazu, um in kritischen Zeiten nicht nachzugeben. Etwas gleichmäßiger und gesicherter sind die Einnahmen der deutschen Farmer in den letzten Jahren durch die Zucht der Karakulschafe geworden, deren Eintagslämmer die gut verkäuflichen Persianerpelze liefern.

Die Gesundheitsfürsorge ist in Südwest schon gut ausgebaut. Große und kleine deutsche Krankenhäuser verteilen sich über das ganze Land. Deutsche Ärzte und Rote-Kreuz-Schwestern wirken darin. In ernsten Fällen kommt der deutsche Arzt aus Windhuk mit dem Flugzeug auf die Farmen.

In der Art, wie die deutschen Frauen das wechselvolle afrikanische Leben voll Sorge und Arbeit auf sich nehmen, sind sie vorbildlich.

Nur wenige deutsche Familien sind in der Lage, sich eine Haustochter oder eine deutsche Hauslehrerin zu halten. Dennoch ist es so wichtig, daß immer wieder junge, frische Mädchen aus Deutschland nach Afrika kommen, der Hausfrau beistehen, die Kinder betreuen und den Geist des heutigen Deutschlands zu den deutschen Menschen nach Afrika bringen. Nach wenigen Jahren werden die Mehrzahl der Farmgehilfinnen ihrerseits eine eigene deutsche Familie in der Kolonie gründen.

Die deutsche Heimat muß bewußt dazu beitragen, die Verbindung mit den Deutschen in Afrika lebendig zu halten. Deutsche Bücher, neueste deutsche Zeitschriften, Briefwechsel zwischen Afrika und daheim, das sind die Hilfsmittel, mit denen man diese Fäden der Volksverbundenheit über den Ozean spinnt und immer fester knüpft. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Not und harten Kampfes ist diese geistige Verbindung mit der alten Heimat ein Trost und eine Stärkung für unsere Deutschen in den Kolonien.

Sie, die dort draußen auf schwerem Vorposten stehen, leisten ja all ihre Arbeit für das große Ziel: Mit Kindern und Kindeskindern deutsch zu bleiben, sich nicht nur blutmäßig rein zu halten zwischen fremden Völkern und Nationen, sondern deutsche Sprache, Sitte und Kultur zu bewahren, in ihrem fernen Lande, das von Rechts wegen deutsches Land ist.

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Das Buch der deutschen Kolonien
Herausgegeben unter Mitarbeit der früheren Gouverneure
von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Deutsch-Neuguinea.
Vorwort von Dr. Heinrich Schnee.