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Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung, Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im Heere

  Kapitel 7: Fürsorge für das geistige Leben im Heere,
Wohlfahrtseinrichtungen usw.
  (Forts.)

Professor Melchior v. Hugo, Hauptmann a. D.

3. Feldzeitungen, Kunst und Sport.

Das geistige Leben im Heere fand seinen sichtbarsten Niederschlag in den Feldzeitungen, in Musik und Theater, in der bildenden Kunst und in Sport und Spiel.


[373] Feldzeitungen.

Schon zur Zeit der Freiheitskriege gab es die ersten Feldzeitungen. Auch in dem Kriege 1870/71 gab es einige. Ihre volle Ausgestaltung erfuhren sie aber erst im Weltkriege. Bereits seit September und Oktober 1914 verfaßten einzelne Truppenteile Blätter zu ihrer Unterhaltung, die handschriftlich durch Umdruck oder auf einer vorgefundenen Handdruckpresse vervielfältigt wurden. Sie trugen meist den harmlos ulkigen Charakter einer "Bierzeitung". Aber schon im Herbst 1914 hatten bei der 2., 4., 6. und 7. Armee schriftstellernde Offiziere und Mannschaften den Grundstock gelegt zu ihren später so großen Zeitungen, von denen die Liller Kriegszeitung für lange Zeit führend auf diesem Gebiet wurde. Außer beliebten Schützengrabenwitzen waren belehrende Artikel und auch gehaltvolle Gedichte darin enthalten. Wer erinnert sich nicht des damals verbreiteten Gedichts von Ostini: "Habet acht!"? Bald kamen auch launige Zeichnungen hinzu. Es wurde der Typus geschaffen, den dann die meisten aller Feldzeitungen trugen. Und deren gab es bald eine unübersehbare Anzahl. Fast jeder Truppenteil wollte sein eigenes Blättchen haben, und der schreibgewandten Federn gab es übergenug.

Aber bald hoben sich aus dieser Überfülle, die durch den Sammeleifer der Heimat unterstützt wurde, eine Anzahl fachmännisch geleiteter und höheren Ansprüchen genügender Zeitungen heraus. Die kleineren verschwanden allmählich; schließlich behielten doch noch über 60 Zeitungen, die an der Front gedruckt wurden und fast ausschließlich auch nur Frontmitarbeiter hatten, Lebenskraft. Eine eigentliche politische Tendenz hatte keine dieser Feldzeitungen. Sie waren meist auf reine Unterhaltung eingestellt, brachten neben Scherz, Poesie und kurzen Aufsätzen allgemeineren Inhalts persönliche Erlebnisse der Mitarbeiter und Taten einzelner Truppenteile. Nur in einzelnen Blättern waren politische Leitartikel zu finden, die sich aber fern von jeder Parteipolitik hielten, sondern nur zusammenfassend über die Weltlage berichteten. Als später die Feldzeitungen der Feldpressestelle unterstellt wurden, wurden sie auch von dieser mit Aufsätzen gespeist.

Das war es aber nicht, was den Charakter der Feldzeitungen ausmachte. Der eigentliche Stempel, den sie trugen, war der frohe und doch tief besinnliche Geist, der aus den oft unbeholfenen Federn ihrer freiwilligen Mitarbeiter in seine Druckzeilen überfloß; es war die Freude, auch anderen Freude machen zu können mit der Schilderung des eigenen Erlebens, Scherze weitergeben zu können, die im Schützengraben unter Not und Tod geboren waren. Manche der Feldzeitungen wurden unter der Hand eines routinierten Redakteurs der heimischen Presse nur allzu ähnlich. Sie legen wohl Zeugnis ab von der Tüchtigkeit ihres Schriftleiters; wertvoller jedoch für die Kenntnis des menschlichen Herzens, wenn es unter dem Soldatenrock im Kriegserleben klopft, sind diejenigen Blätter, die unverfälscht die Entstehung aus der Truppe und für die Truppe [374] widerspiegeln. Und deren gab es bis zuletzt eine ganze Menge. Sie liegen in so manchen Kriegssammlungen und werden späteren Zeiten eins der wichtigsten Zeugnisse sein für den hohen Geist, der die deutschen Truppen beseelte und für die Reinheit ihrer Gesinnung. Der Wunsch, den Truppen die Feldzeitungen umsonst zukommen zu lassen, erwies sich fast überall als undurchführbar. Die Sammelwut der Heimat entzog den Truppen zu viele Exemplare; daß die Gratiszeitung jedem zugänglich wurde, konnte nicht mehr gewährleistet werden. Auch schätzt man bekanntlich das, was in Massen verschenkt wird, wenig. Durch eine sehr gering berechnete Abonnementsgebühr gewann das Exemplar an Ansehen, das dann auch sicher in die Hände der Besteller gelangte. Nebenher wurden aber auch natürlich die Lazarette, Soldatenheime und frisch angekommene Truppenteile gratis beliefert, auch in besonderen Kampfzeiten mit solcher Verteilung nicht gespart. Einen gern gelesenen Raum in den Feldzeitungen nahm der "Briefkasten" ein, der mit der Zeit ein wertvolles Mittel zur Beratung wurde und über den weiter unten berichtet wird.

Neben dem eigentlichen Schriftleiter, der mit seinem literarischen und technischen Stabe in dem Hauptorte wohnte, wo eine leistungsfähige Druckerei vorhanden war, pflegten bei den Truppenverbänden Vertrauensleute zu sitzen, die die dortigen Eingänge sammelten und einer Vorsichtung unterzogen. Auch ermunternden sie dort zur Mitarbeit. Auf diese Weise bildeten sich wieder hier und da geistig regsamere Kreise, die auf ihre Zeitung stolz waren.

Selbst hohe Offiziere fanden eine Erholung darin, in kurzen launigen oder ernsten Aufsätzen und Gedichten am Schreibtisch die Kriegsarbeit für kurze Stunden zu vergessen. Allgemein bekannt war's, daß unter dem Decknamen "Fritz von der Iser" sich einer unserer bekanntesten Heerführer verbarg.

Das Kriegserleben ließ freilich in seinem rastlosen Fluge wenig Zeit zur Selbstbesinnung aufkommen. Da war der Ertrag an ganz großer Kriegspoesie erstaunlich gering. Anständiges Mittelgut gab's freilich genug, aus denen sich Namen wie Walter Flex, Lersch und Goltz herausheben. Mancher feinempfundene Vers wird noch in den ungehobenen Schätzen der Feldzeitungen zu finden sein, denn das lyrische Empfinden der Truppen war groß. Nie waren die meisten der Natur und dem Tode so nahe wie dort, diese beiden tiefsten Kunstgebärer.

Wenn man bedenkt, daß die Feldzeitungen nur einem beschränkten Kreis zugänglich waren, stiegen einzelne Auflageziffern auf eine ansehnliche Höhe. An der Spitze marschierte wohl die Liller Kriegszeitung dank ihrer vielen Heimatabonnenten mit rund 90 000. Dann folgten der vortreffliche Champagnekamerad und die Zeitung der 10. Armee mit je 50 000 und zehn andere mit 20 000 - 30 000 Stück. Die meisten Feldzeitungen, soweit sie nicht auf Handdruckpressen für einen verhältnismäßig spärlichen Leserkreis angefertigt wurden, fertigten durchschnittlich 5000 - 10 000 Exemplare an.

[375] Die Namen der Feldzeitungen geben einen Überblick über die gewaltige Ausdehnung des Kriegsgebiets: An Flanderns Küste, Zeitung für Sewastopol, Suomi-Finnland, Armeezeitung Jildirim (Damaskus), Siegespost in Kamerun, Kriegszeitung von Tsingtau, Dobrudscha-Zeitung, Karpathenzeitung, Zwischen Maas und Mosel, Putna-Zeitung, Feldzeitung des Alpenkorps, Champagne-Kriegszeitung - lassen diese Namen nicht die ganze Kriegszeit vor dem geistigen Auge noch einmal wieder auftauchen?

Die meisten der großen Kriegszeitungen hatten dabei einen viel unpersönlicheren Titel, sie nannten sich Kriegszeitung der ... Armee und deuteten damit ihren offiziösen Charakter an. Andere, besonders kleinere, nahmen ihre Bezeichnung aus der Soldatensprache. Da gab's die echte Schützengrabenzeitung Der Drahtverhau, Die Sappe, Der Horchposten, Der kleine Minenwerfer, Die Feldmütze, aber auch noch scherzhaftere, wie Der Eigenbrödler bis zu den fast unverständlichen Der Mungo, Der Schara-Lurch. Zu schweigen von den Eintagserzeugnissen frohen Humors, die bei besonderen Gelegenheiten gedruckt wurden. Deren Titel gingen gern auf die Spitznamen der Truppenteile zurück oder auf gerade im Schwange befindliche Modeausdrücke. Denn die im Kriege entstandenen Ausdrücke der Soldatensprache, die viel ursprüngliche Formbildung zeigt, fanden am ehesten in solchen Gelegenheitsschriften ihren Niederschlag.


Bildende Kunst.

Zu den Mitarbeitern gehörten auch Maler und Zeichner. Lustige Karikaturen, stimmungsreiche und eindrucksvolle Landschaftszeichnungen begleiteten oft den Text. Kunstbeilagen gaben einen besonderen Wert.

Überhaupt war die Kunst im Felde gern gesehen. Es ist schon gesagt, daß nach guten Nachbildungen, besonders von farbigen Gemälden, große Nachfrage war. Auch die Kriegsmaler brauchten sich nie über Interesselosigkeit seitens der Soldaten zu beklagen. Es waren zu Anfang deren eine stattliche Anzahl den Armeen gefolgt. In abenteuerlichen, halb militärischen Kostümen suchten sie bis nahe an die Kampftruppen vorzudringen, um das Bild einer Schlacht, das in der Phantasie eines jeden Künstlers lebt, leibhaftig vor Augen zu bekommen. Jedoch kamen sie nicht auf ihre Kosten. Nur beim ersten Vormarsch und bei einem Angriff konnten sich malerische Szenen entwickeln, die dargestellt werden konnten. Aber dort durften diese Zivilisten nicht zugegen sein. Im Grabenkrieg aber war die Losung: Nur nicht gesehen werden. Und so mußten sich die Kriegsmaler mit der Nachbildung zerstörter Ortschaften oder eines verwüsteten Waldes begnügen. Viel wichtiger für die Truppen waren die unter ihnen selbst befindlichen Künstler. Von denen wurde manches Soldatenheim ausgemalt, manches Quartier geschmückt; aber fast ausnahmslos mit humorvollen Bildern. Der Soldat war es bald über, als Held dargestellt [376] zu werden; er liebte es, sich, den "Muschko", karikiert zu sehen, wollte lachen und sich lachend wegtäuschen über die schlimmen Stunden, über den Schmutz, die Rattenplage und das Ungeziefer, das eine so garstige und geradezu unerträgliche Beigabe des Kriegslebens war.

Im Osten war es das reichlich vorhandene Holz, im Westen der leicht zu bearbeitende Kreidestein, die viele kleine Kunstwerke entstehen ließen. In der Champagne war kaum ein Unterstand, der nicht eine geschnitzte Hausmarke trug oft von künstlerischem Wert.

Andere erprobten ihrer Hände Geschicklichkeit an Gebrauchs- und Ziergegenständen, die aus den Resten von Geschoßteilen verfertigt wurden. Daß hierbei freilich der Geschmack oft viel zu wünschen übrigließ, läßt sich nicht leugnen.

Auf einer viel höheren Stufe standen die Grabkreuze und Denksteine, die den gefallenen Kameraden gesetzt wurden. Teils waren es große Denkmäler, die von Berufskünstlern entworfen waren und von Fachleuten ausgeführt wurden. Soweit sie noch erhalten sind, legen sie ein gutes Zeugnis ab von der Höhe der Kunst, die in Deutschland lebt; sie könnten aber geradeso in der Heimat und in Friedenszeiten hergestellt sein. Anders ist es mit den kleinen Denksteinen und Grabkreuzen, die Freundeshand in liebendem Gedenken den gefallenen Brüdern setzte. Da war nicht die Rede von einem künstlerischen Entwurf oder von Vorlagen, wie sie in den Grabsteingeschäften den Handwerkern zur Verfügung stehen. Da war nur etwas vorhandenes Holz oder Steinmaterial, aus denen der Handwerker mit primitiven Werkzeugen ohne Beratung das schuf, was er für gut hielt. Und siehe da, es ward gut in den meisten Fällen. Kein deutscher Heimatfriedhof kann eine solche Fülle von einfachsten edlen Formen aufweisen, wie man sie auf den Soldatenfriedhöfen im Felde fand. Man sah dort erst, welch ein starkes Kunstempfinden und Formgefühl im deutschen Handwerker steckt, wenn er schaffen kann, unabhängig von Wünschen der Besteller und von den Moderichtungen, die ihm durch Vorlagehefte aufgezwungen werden.

In den letzten Jahren wurden auch öfters Kunstausstellungen nahe der Front veranstaltet. Sie wurden reichlich beschickt von den "Kriegsmalern", deren Zahl freilich sehr zusammengeschrumpft war, und von kunstgeübten Soldaten, die Zeit und Muße gefunden hatten, sogar im Schützengraben ihr Talent zu pflegen. Der während der Zeit in Deutschland vollzogenen Kunstbewegung standen sie freilich fast ausnahmslos fern. Die Truppen besuchten solche Kunstausstellungen gern, wie sie auch eifrig in die schönen Kirchen und reichen Museen der besetzten Gebiete gingen und mit Freude betrachteten, am liebsten unter sachverständiger Führung, die oft geboten wurde.

Das preußische Kultusministerium sandte viele der wundervollen Meßbildphotographien ins Feld, die ebenfalls in Ausstellungen gezeigt wurden oder Soldatenheime schmückten.

[377] Unendlich viel ist auch an der Front photographiert worden. Die Aufnahmen unterlagen aber einer strengen Zensur, damit nicht militärisch wichtige Anlagen im Lichtbild in die Heimat gelangten, da sonst die Gefahr vorlag, daß sie den Feinden in die Hände gespielt wurden. Wenn auch die Mehrzahl nicht über den Durchschnitt der Amateurphotographien hinausragten, so gab es doch viele, die den höchsten Anforderungen genügten. Besonders als die Auswertung der Photographie für Erkundung usw. militärisch organisiert wurde und dadurch photographische Anstalten im Felde entstanden, die auf diesem Gebiete eine ungeahnte Entwicklung zeitigten.


Musik und Theater.

Wo deutsche Männer zusammen sind, wird gern gesungen; wenn mehrere Sangesbrüder sich treffen, gründet der Deutsche einen Gesangverein. Das war schon im Herbst 1914 und blieb so während des ganzen Krieges. Singen mag man gern, aber noch lieber hat man's, wenn auch Zuhörer vorhanden sind. Da gab es Gelegenheit, Gedenktage zu feiern. Dabei trat der Gesangverein zusammen, und andere wollten nicht zurückstehen, mit launigen Vorträgen aller Art das Fest zu verschönern. Das gefiel. Die Vorführungen wurden wiederholt, und allmählich wurden sie zu ständigen Einrichtungen. Ein Saal, eine alte Scheune wurde hergerichtet, ein Klavier war leicht zu beschaffen; Wandervögel hatten eine Gitarre, eine Mandoline entdeckt, auch sonstige Musikinstrumente fanden sich an oder wurden primitiv zusammengebaut - die "Hauskapelle" war fertig. So entstanden die ersten Brettl, die manchen langen Abend durch Frohsinn verschönten. Und als erst mal eine Bühne da war, regte sich die Lust, auch richtige Theaterstücke aufzuführen und zu sehen.

Wo den Gesangvereinen ein tüchtiger Dirigent vorstand, erhoben sie sich bald zu beachtenswerter Höhe. Dann wurden ihre Vorträge im ganzen Armeebereich gewünscht und weit darüber hinaus. Z. B. reiste der treffliche Laoner Männerchor schließlich an der ganzen Westfront herum und gab auch in der Heimat begeisternd aufgenommene Konzerte. Besonders bei Gottesdiensten und Kirchenkonzerten wirkten solche Männerchöre mit und haben vielen Hunderttausenden unvergeßliche Weihestunden verschafft. Im letzten Jahre wurde mit Unterstützung des Kultusministeriums ein Kriegsliederbuch herausgegeben, damit bei der immer anderen Zusammensetzung der Truppen ein sofortiger Neuaufbau von Männergesang möglich war.

Auch einzelne Sänger und sangeskundige Krankenschwestern, Musiker und Vortragskünstler aus der Front wurden zeitweise dienstfrei gemacht, um in der näheren und weiteren Umgebung die Truppen zu unterhalten.

Daß die Regiments- und Bataillonskapellen, unbeschadet ihrer Verwendung als Hilfskrankenträger, mit ihren aus der Heimat nachgeholten Instrumenten Vokal-, Blas- und Streichkonzerte veranstalteten, war selbstverständ- [378] lich. Sie standen bald wieder auf hoher Stufe, selbst Kammermusik wurde gepflegt. Wenn sie auch meistens auf offenen Plätzen spielten, zur großen Freude der Soldaten, aber auch nach und nach der musikhungrigen Bevölkerung, so stellten sie sich auch gern zu wohltätigen Zwecken zur Verfügung, stellenweise sogar für die notleidende Bevölkerung. Dann wirkten auch in schönem Verständnis einheimische Künstler mit, und mancher Organist freute sich, bei solchen Gelegenheiten seine geliebte Kirchenorgel wieder benutzen zu dürfen. Kunstbegeisterung riß dann für Feierstunden die trennenden Schranken zwischen der Bevölkerung und dem Feinde nieder.

Nun stellten sich auch aus der Heimat Vortragskünstler zur Verfügung, zum Teil auch allererste Sterne, die in den Etappenhauptorten und auch noch näher der Front Konzerte gaben. Auch durch die Militärische Stelle beim Auswärtigen Amt wurden solche Gastspielreisen vermittelt; jedoch war es dann schwierig, den Geschmack der Truppen richtig zu treffen, auch war die Kriegslage oft an der Stelle verändert, bis die angeforderten Künstler dort eintrafen. So war hierfür eine Zentralisation untunlich, und es bewährte sich mehr ein Austausch von Armee zu Armee und die dankbare Hinnahme dessen, was gerade der Zufall bot.

In einzelnen Truppenverbänden hatten sich aus vorhandenen Berufsschauspielern Theatertrupps gebildet, die sich so vervollkommneten, daß sie einen wohlverdienten guten Ruf bekamen, sie waren teils fest an einem Ort, teils reisten sie auch umher. Natürlich waren es hauptsächlich Lustspiele, die sie auf dem Repertoire hatten, und ein dankbareres Publikum hat wohl nie ein Theater gehabt als dort, wo sie ihren Thespiskarren aufschlugen. Auch Truppen aus der Heimat zogen von Ort zu Ort; selbst große Opern wurden von deutschen Hoftheatern hier und da in den Etappenhauptorten gegeben.

Wenn der Soldat monatelang ununterbrochen in schwerer Gefahr gewesen ist, in dumpfigen feuchten Unterständen oder ganz versumpften Waldlagern gesessen hat, fern von den Segnungen jeder Kultur, körperlich und seelisch ermüdet und mit überanstrengten Nerven, dann legt sich um ihn eine Kruste der Dumpfheit und Gleichgültigkeit, die er selbst zu durchstoßen nicht mehr fähig ist.

Dort aber, im Ruhequartier, nachdem ihm Gelegenheit gegeben, einmal zu baden und auszuschlafen, wenn er auf einem Sitz im Theater weilen konnte, umgeben von Wärme und gespannter Erwartung, wenn dann gute Musik ihn umwebte, der Vorhang sich hob und wohlgekleidete Menschen, vor allem Frauen, sich auf der Bühne bewegten und das rieselnde Lachen eines fröhlichen Spieles herabklang, dort schmolz nach und nach die Kruste, die sein Herz verhärtete: befreiendes Lachen war ihm wieder gegeben, er fühlte sich wieder als Mensch.

Wer solches Auftauen eines vollgefüllten Theaters einmal erlebt hat, vergißt es sein Lebtag nicht mehr.


[379] Sport und Spiel.

Der Sport hat erst in den letzten Jahrzehnten Eingang in Deutschland gefunden, zu allerletzt und nur im geringen Maße beim Militär. Das ist ein großer Nachteil gewesen.

Freilich das Turnen blüht schon seit hundert Jahren und hat sich aus kleinen Anfängen und zuerst in heftigem Kampf gegen die widerstrebende Regierung zu achtunggebietender Höhe entwickelt; und in der großen Kundgebung zur Jahrhundertfeier der Völkerschlacht bei Leipzig wurde auch dem kurzsichtigsten Auge die Macht und Bedeutung der Deutschen Turnerschaft klar. Auch im Heere war das Turnen längst eingeführt; aber erst in der allerletzten Zeit begann man die vielfachen Möglichkeiten zu erkennen, die im Sport und in den Turnspielen auch außerhalb des Geräteturnens liegen zur Durchbildung des Körpers.

Es galt noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts bei der größten Mehrzahl der Offiziere wie auch der studierenden Jugend für etwas Untergeordnetes, Entwürdigendes, geradezu Kinderhaftes, in leichtem Sportsgewande in Gemeinschaft mit anderen Turnspielen obzuliegen. Die Kommandierung zur Militärturnanstalt in Berlin wurde meist nur von denen ersehnt, die sich zur Kriegsakademie nicht geeignet fühlten und doch eine fröhliche Zeit in der Reichshauptstadt genießen wollten. Eine Fühlung mit den großen Turn- und Sportvereinen fehlte fast gänzlich, so sehr sich auch viele tüchtige Männer dafür einsetzten. So kam es, daß bei den unerhörten Anstrengungen der ersten Kriegsmonate die im bürgerlichen Beruf stehenden Reserveoffiziere, die in ihren Freizeiten ihren Körper im Sport gestärkt hatten, im Durchschnitt leistungsfähiger waren als die aktiven Offiziere, von denen man doch eine größere Zähigkeit hätte erwarten können.

Die Selbstdisziplin, die durch Gemeinschaftsspiele erzogen wird, trug ihre Früchte in Patrouillengängen und ähnlichen Unternehmungen, die rasche Entschlußkraft erfordern und in denen sportlich durchgebildete Kriegsfreiwillige Großes leisteten.

Trotz dieser Erfahrungen spielte der Sport im weiteren Kriegsverlauf nicht die Rolle, die ihm gebührte. Viele lächelten darüber, daß die Engländer hinter ihrer Front sofort Spielplätze anlegten und große Fußballturniere veranstalteten. Wohl rüstete man, dem Kriegszwange gehorchend, Radfahrtruppen, Skiläuferkorps aus, übte sie ein und verwendete sie. Wohl duldete man, daß sich bei einzelnen Truppenteilen sportsfreudige Männer zu Turnspielen zusammenfanden, auch wohl einen Fußball aus Kantinengeldern beschafften. Auch wurde hier und da von größeren Truppenverbänden ein Sportfest veranstaltet. Aber eine planmäßige Förderung dieses wichtigen körperlichen Erziehungsmittels fehlte ganz. Es war ganz der Schwungkraft einzelner tatkräftiger Persönlichkeiten überlassen, die oft nicht einmal durchsetzen konnten, einen geeigneten Platz überwiesen zu bekommen.

[380] Mit um so freudigerem Stolz konnte man auf das sehen, was junge frische Männer aus eigenem Anstoß leisteten an Organisation und sportlichen Gesamtleistungen, vernahm von Sportfesten in Palästina, in Polen, in Frankreich, verglich die Höchstleistungen, die erzielt wurden, mit denen der Olympischen Spiele, oder sah dem fröhlichen und doch so disziplinierten Getümmel der Fußballwettspiele zu, bei denen die Kameradschaft zwischen Offizieren und Mannschaften neu aufgefrischt wurde.

Insbesondere lockten die vielen breiten Flüsse während der heißen Sommermonate zu Schwimmen und Baden, eine Erholung nach dem Hocken in engen, schmutzigen Stollen und Unterständen. Da sah man die Flußufer belebt von kräftigen, sehnigen Gestalten, die oft nach Wochen die Möglichkeit hatten, sich zu waschen und die Glieder in den kühlen Wellen zu regen. Da waren die Flußwiesen bevölkert von solchen, die sich einer der unangenehmsten Beigaben des Krieges, der Läuseplage, zu entledigen trachteten. Denn die Entlausungsanstalten, Lausoleum genannt, waren nicht immer erreichbar. Und wo sich solche Schwimmgelegenheiten boten, wurden auch Schwimmfeste veranstaltet, bei denen die dienstfreien Mannschaften sich in Wettstreit begaben mit ihren Offizieren, von denen sie sich in ihrer adamitischen Einheitsuniform höchstens in den Leistungen unterschieden. Ungezwungene Fröhlichkeit und knabenhafter Übermut, die jeder nackten Männergesellschaft eigen sind, stempelten diese Wasserfeste zu den heitersten Veranstaltungen der Kriegszeit.

Erst allmählich erwärmten sich die oberen Kommandostellen für den Sport, kamen als Zuschauer, stifteten Preise, gaben Raum und Zeit. So gab es doch in den letzten Jahren manches Turngerät, manchen Spielplatz hinter der Front. Und wenn die Pausen zwischen schwersten Kampfhandlungen, zwischen Kriegsarbeit und ermüdenden Märschen nicht immer kürzer geworden wären, hätte auch auf dem Gebiet des Sports eine Fürsorge stattgefunden, die derjenigen für geistige Auffrischung würdig hätte an die Seite gestellt werden können.


Kriegsgräberfürsorge.

Die eigentliche Kriegergräberfürsorge zu behandeln, ist hier nicht der Ort; sie war durch eine Abteilung des Kriegsministeriums geregelt und hatte sich zu einer großen straffen Organisation ausgewachsen. Nur soweit sie aus der Initiative der Truppen entstanden war und wie sich der ihr innewohnende Geist äußerte, sei davon die Rede. Die Sorge um die Bestattung ihrer gefallenen Kameraden und die Schmückung ihrer Gräber ist vom ersten Tage an von jeder Truppe als eine ehrenvolle Pflicht erachtet worden. In den ersten Monaten des Krieges freilich, da neben dem unbändigen Drang nach vorwärts kaum ein anderer Gedanke Platz hatte als der: "Heran an den Feind, koste was es wolle," da war der gefallene Kamerad einer, der einfach ausschied. Für die Betreuung seines Leichnams fehlte der kämpfenden Truppe meistens die Zeit; so mußten [381] sie, die den Sieg mit ihrem Leben erkauft hatten, einfach zurückgelassen werden. Nachfolgende Truppenteile trugen dann auf den Schlachtfeldern die gebliebenen Krieger zusammen, hoben eine Grube aus und bestatteten, die in einer Gemeinschaft gekämpft hatten, auch in einem gemeinschaftlichen Grabe.

Holte sich eine verirrte Kugel, die Bombe eines Fliegers mitten aus der Kolonne ein vereinzeltes Opfer, dann erhielt auch wohl der einzelne ein Grab für sich. Die Kameraden hüllten den toten Freund in Mantel und Zeltbahn, betteten ihn in die Erde, ein kurzes Gebet - und sie mußten weiter. Von einer Bestattungsfeierlichkeit konnte so in vielen Fällen wohl nicht die Rede sein.

Doch die in den Lazaretten ihren schweren Verwundungen erlagen, wurden stets mit militärischen Ehren beigesetzt. An ihrem Grabe sprach der Feldgeistliche, und die drei Gewehrsalven ehrten zum letztenmal den toten Helden.

Einfache Kreuze auf einsamen Hügeln, die überall die Gegenden bedeckten, über die der Krieg hingebraust, kündeten nur Namen und Art dessen, den sie behüteten; oft nicht einmal das: Wo die Feststellung wegen der Eile der Beerdigung nicht möglich war, teilten die Grabzeichen nur mit: "Hier ruhen drei deutsche Krieger, sie starben fürs Vaterland."

            Gestritten, gelitten für Deutschlands Ehr',
            Die Namen kennt nur Gott der Herr!

Gab auch die drängende Eile den bestattenden Soldaten nicht die Möglichkeit, das Grab ihres Toten in letztem Liebesdienst zu schmücken, wie innerstes Verlangen es ihnen gebot, dann suchten sie wenigstens durch die Auswahl eines von der Natur besonders begünstigten Platzes dem Hügel eine schöne Lage zu geben, im Schatten eines alten Baumes, inmitten wildwuchernder Heide und roten Mohnes oder in einem alten Schloßgarten.

Die übrige Pflege dieser Gräber blieb den nachfolgenden Truppenteilen oder der Etappe überlassen. Durch Verordnungen des Kriegsministeriums und des Generalquartiermeisters wurden in den rückwärts gelegenen Gebieten die Einzelgräber, wo ihre Erhaltung nicht zu sichern war, zu Gräberfeldern und Friedhöfen zusammengelegt; im Kampfgebiet dagegen waren es die Truppen selbst, die nach Beginn des Stellungskrieges die Sorge für die Gräber ihres Bereichs übernahmen, ganz einerlei, ob sie fremden Truppenteilen angehörten oder gar die Leichen der Feinde bargen. Da war bald kein Grabhügel, der nicht Blumenschmuck aufwies oder mit Steinumrandung gegen frühzeitigen Verfall geschützt wurde. Und dann entstanden dort jene oft wundervollen Friedhöfe, im Walde, auf einem Hügel, im Anschluß an einen vorhandenen Zivilfriedhof oder in einer verborgenen Schlucht angelegt, die selbst den Bewohnern der besetzten Gebiete Hochachtung abnötigten - Anlagen von eindringlicher Schönheit. Sie zu zieren und zu schmücken wurden die Soldaten nicht müde, und darauf erhoben sich dann Grabkreuze, Denksteine und Denk- [382] mäler, von denen gar viele in ihrer schlichten Kunstform höher standen, als im Durchschnitt auf den heimischen Werkstätten geschaffen wird.

Als die Truppen nicht mehr in der Lage waren, selbst für die in ihrem Bereich liegenden Grabstätten zu sorgen, auch die Ausdehnung der Friedhöfe zu groß wurde, organisierten die bodenständigen Kommandostellen die Kriegergräberfürsorge. Die Erfahrungen wurden gesammelt und genutzt, und es entstanden jene großen, meist nach Zweckmäßigkeit, aber mit ästhetischem Gefühl angelegten Friedhöfe, auf die auch, wo es anging, die Einzelgräber verlegt wurden. Eine große Anzahl Leichen wurde daneben von den Angehörigen in die Heimat geholt. Der Wunsch der meisten Soldaten ging aber dahin, an der Seite der Kameraden zu liegen, die mit ihnen gelebt hatten und neben ihnen gefallen waren.

Im Winter 1916/17 wurden sodann vom Kriegsministerium die Stellen der Gräberoffiziere geschaffen. Das ganze Kampfgebiet konnte hierdurch systematisch bearbeitet, die Gräber festgestellt und zusammengelegt werden und, soweit es noch möglich war, die Persönlichkeit der Toten, von denen ein hoher Prozentsatz als unbekannt beerdigt war, agnosziert werden. Eine Organisation, die segensreich arbeitete und in ihrer Zentralstelle den Krieg überdauerte.

Den Gräberverwaltungen waren je zwei Künstler zur Seite gestellt, deren Aufgabe es war, die ästhetische Seite der Gräberpflege zu überwachen.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte