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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 4: Die Pioniere und ihre Kampfmittel   (Forts.)
Oberstleutnant Friedrich Augustin

2. Die Mobilmachung. Ausbau der Pioniertruppe.

Der Übergang der Pioniertruppe in den Kriegszustand war, wie für die übrige Armee, bis ins einzelne vorbereitet. Was an der Marschausstattung der Truppe fehlte - nur leicht verderbliche oder Gegenstände des täglichen Verbrauchs - war durch Verträge mit leistungsfähigen Firmen sichergestellt. Aber die Mobilmachungsvorbereitungen dachten auch bei den Pionieren nur an einen schnellen Verlauf des Krieges, ebenso wie die operativen Vorbereitungen und die ganze Organisation und Erziehung des Heeres lediglich einen solchen im Auge hatten und planmäßig erstrebten. Obwohl der Russisch-Japanische Krieg in seinen vieltägigen Schlachten und trotz schwerer Schläge nur langsam verlief und gezeigt hatte, daß die moderne Technik die durchschlagende Endentscheidung erschwert und hinauszögert, glaubte man fast durchweg, daß dies durch die weite Entfernung des wenig kultivierten Kriegsschauplatzes vom Heimatlande der Kriegführenden veranlaßt sei und in den hochkultivierten Ländern Europas mit ihrem dichten Verkehrsnetz eine schnelle Entscheidung des Feldzuges, wenn auch in mehrtägiger Schlacht, erwartet werden könne. Man wußte im deutschen Heere und vor allem im deutschen Generalstab sehr wohl, daß der ungeheure Eingriff, welchen die Masseneinberufungen von Mann, Roß und Wagen in das Wirtschaftsleben eines Volkes darstellt, eine ganz ungeheure Anspannung der Nation verlangen werde, um in einem längeren Kriege die heutigen komplizierten technischen Bedürfnisse des Massenheeres hinreichend zu befriedigen. Nur wenige maßgebliche Stellen hatten sich bemüht, in dies Problem tiefer einzudringen und bezweifelten infolgedessen, daß ein langer Krieg bei der Ausgesetztheit Deutschlands in wirtschaftlicher Hinsicht, vor allem bei der Notwendigkeit, die für technische Leistungen unentbehrlichen, in der Heimat fehlenden Rohstoffe über See einzuführen, vom deutschen Volke werde ertragen werden können. Aber auch sie überschätzten die Macht der Technik insofern, als sie von der gesteigerten Wirkung der deutschen - der feindlichen überlegenen - brisanten Artillerie, von der Massenwirkung der Schnellfeuer- und Maschinenwaffen, von der erstklassigen Ausbildung und Ausrüstung der Pioniere schneller durchschlagende und gründlichere, wenn auch erst in tagelangem Ringen erkämpfte Erfolge erwarteten, als tatsächlich eintraten. Leider hatte der Russisch-Japanische Krieg noch keine Verwendung von schwerer brisanter Artilleriemunition in größeren Mengen gebracht. Es hätte dies vielleicht die deutsche Heeresverwaltung vor jenem Irrtum bewahrt. Tatsächlich wurde 1914 zwar der letzte militärisch ausgebildete Mann, leider aber nicht der letzte Mann, nicht die letzte Kraft überhaupt, mit höchster Energie planmäßig von vornherein [155] zu dem einen, alles in wenigen Wochen entscheidenden Schlage auf deutscher Seite eingesetzt.

Die Notwendigkeiten eines langen Krieges wurden nicht durchdacht, geschweige denn vorbereitet. Man hatte nur geringe Reserven an Pioniergerät bereitgestellt. Vielfach hatte man sich auf die in den Festungen liegende Ausstattung dieser festen Plätze beschränkt, von denen man erwartete, daß sie nicht zur Verwendung kommen würden, weil man den Krieg in Feindesland tragen wollte. Nur verhältnismäßig geringe Mengen waren durch Fertigungsaufträge bei der Industrie sichergestellt; ob und woher diese Fabriken die nötigen Rohstoffe haben würden, ob ihnen die nötige Arbeiterzahl zur Verfügung stehen werde, darum hatte man sich nicht gekümmert. Die Fabrikanten versprachen zu liefern, damit glaubte man, sich genügend gesichert zu haben. Die Industrie mußte ja wissen, daß und wie sie das Übernommene erfüllen könne. Man setzte alles auf eine Karte. Der Siegeswille, der Drang zum Angriff waren im deutschen Heere so groß, daß es unerträglich erschien, nicht an eine schnelle Entscheidung zu glauben.

Es muß einiges auch über die Festungen gesagt werden. Der deutsche Festungsbau marschierte vor dem Kriege in der Ausnutzung aller Mittel modernster Technik, dank der vorzüglichen Beton- und Panzerfirmen, dank des Hochstandes der deutschen elektrischen Industrie und dergleichen theoretisch zweifellos an der Spitze aller Nationen. Leider tat er das nur theoretisch; denn es war nur natürlich, daß bei der in Deutschland vor dem Kriege herrschenden verderblichen Sparsamkeit in militärischen Dingen die Festungsfrage besonders stiefmütterlich behandelt wurde. Verschlangen doch die modernen Eisenbeton- und Panzerbauten viele Millionen, um in ähnlicher Schnelligkeit wie die Panzerschiffe zu veralten und dann neue erhebliche Kosten zu verursachen. Da steckte man lieber die knappen, mit Mühe erkämpften Geldmittel in den ohnehin über Gebühr eingeschränkten Ausbau des Feldheeres, mit dem man bewegliche Streitkräfte erhielt, die die fehlenden ortsfesten Kampfanlagen bei Bedarf vielleicht ersetzen konnten. Man mußte sich daher im allgemeinen darauf beschränken, die Festungen erster Linie an der am meisten bedrohten Westgrenze und an der Küste einigermaßen modernen Ansprüchen entsprechend auszubauen, und steckte nur in größeren Zeiträumen hier und da einige Summen in die Verstärkung der übrigen Festungen, am Rhein und im Osten, obwohl der Generalstabschef Graf v. Schlieffen die hohe operative Bedeutung der Festungen voll erkannte und sehr hoch bewertete. So blieben viele an sich als unbedingt dringlich zu bezeichnende Bauten unausgeführt, und mit neidischem Blick sah der deutsche Ingenieur-Offizier nach Frankreich hinüber, wo ganze Perlenketten von festen Sperrforts und mehrere Treffen stark befestigter Plätze die Grenze nach Deutschland deckten. Immerhin war das, was Deutschland an Festungsanlagen hatte, in vollster Würdigung des Wertes von hoher technischer Vollkommenheit, gerade bei solchen Anlagen, solide, sorgfältig durchdacht und in technischer Hinsicht recht gut ausge- [156] stattet. In dieser Beziehung, besonders was Lüftung, Ent- und Bewässerung, Wohnlichkeitsmaßnahmen, Panzerverwendung und dergleichen anging, aber auch in der Gliederung der Anlagen in viele Einzelwerke (Panzer-, Gruppenbefestigung), also in der Verteilung der Ziele für den Angreifer und somit in der Zersplitterung des feindlichen Feuers, waren die deutschen Westfestungen, besonders Metz, Diedenhofen und Straßburg (Feste Kaiser Wilhelm II. bei Mutzig) den modernsten Anlagen der Franzosen recht erheblich überlegen. Anders lagen die Dinge im Osten des Reiches. Zwar war auch da, besonders in Ost- und Westpreußen, dann auch in Breslau mehrfach, vor allem aus der Initiative des Generals Freiherrn von der Goltz zu nicht unbeträchtlichen Neuanlagen geschritten worden, aber aus Sparsamkeit hatte man diese Anlagen vielfach und dem augenblicklichen Bewaffnungszustand des russischen Nachbarn angepaßt und ihnen nicht die technisch mögliche materielle Höchststärke gegeben. Als dann plötzlich kurz vor Ausbruch des Krieges Rußland dank französischer Hilfe diese Rüstung modernisierte, mußte man sich in letzter Stunde, gewissermaßen Hals über Kopf, zur Anlage umfangreicher neuer Befestigungen, besonders in Graudenz und Posen, entschließen, die bei Ausbruch des Krieges größtenteils eben erst begonnen waren, nicht fertiggestellt werden konnten, aber glücklicherweise nicht in Tätigkeit zu treten brauchten. Auch hier kam man wieder "zu spät" aus falscher Sparsamkeit.

Bedenklicher noch wie diese Sparsamkeit bei der Schaffung neuer und dem Umbau vorhandener Befestigungsanlagen war die aus gleichen Gründen unterbliebene rechtzeitige Ausstattung der Festungen mit den nötigsten Stellungsbau- und sonstigen Pioniergeräten, welcher sie bei ihrer Überführung in den Kriegszustand, der Armierung, bedurften. Man hatte sich auch hier damit begnügt, die Lieferung des nötig Erscheinenden im Bedarfsfalle durch Verträge sicherzustellen, den Herantransport in den Mobilmachungsfahrplänen vorzusehen und den Einbau bis ins kleinste auf dem Papier vorzubereiten. Einige Zeit vor dem Kriege wurde zwar von der Generalinspektion des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen nachgewiesen, daß dies Verfahren versagen müsse, weil die einzelnen Firmen so viel Lieferungen für die verschiedensten Fortifikationen, die sonstigen Heeres- und Marinestellen, die Eisenbahn- und Postverwaltung usw. übernommen hatten, daß ihre Leistungsfähigkeit schon im Frieden, geschweige denn in den ersten Wochen des Krieges weit überschritten wurde; durchschlagende Abhilfe mußte aber auch diesmal unterbleiben, weil die Regierung nicht in der Lage war, die nötigen Geldmittel hierfür vom Reichstage zu erlangen. Ein gütiges Geschick und die Schnelligkeit und Tapferkeit des Heeres haben verhindert, daß bei Kriegsbeginn die deutschen Festungen vor eine ähnliche Probe gestellt wurden, wie z. B. die belgischen. Ernste Gefahren wären sonst die Folge gewesen, weil sich die Armierung selbst der Grenzfestungen durch Mangel an Baustoffen zum Teil nicht unerheblich verzögerte. Immerhin haben die Festungen da, wo sie [157] einige Zeit nach Kriegsbeginn zur operativen Wirkung kamen, ihre Aufgabe gelöst, weil sie der Feind mit mehr Achtung und Vorsicht behandelte, als ihnen nach ihrer Stärke gebührte. Ist doch für den Verlauf der Schlacht bei Tannenberg und der ersten Masurenschlacht die kleine, veraltete Feste Boyen bei Lötzen und sogar die seinerzeit vom General Freiherrn von der Goltz geschaffene Befestigung fast feldmäßigen Charakters der Masurischen Seenkette von recht erheblicher Bedeutung gewesen. Es sei auch der heldenmütigen Verteidigung der eigentlich nur gegen chinesische Räuberbanden bestimmten Befestigungen von Tsingtau gedacht. Sie machten den Japanern und den mit ihnen verbündeten Engländern solchen Eindruck, daß sie zunächst erst sehr erhebliche Truppenmengen vor der Festung, die eigentlich gar keine war, versammelten und dann trotz fast zehnfacher Überlegenheit nur einen sehr vorsichtigen Angriff wagten. Die Befestigungen lösten dank ihrer tapferen Verteidiger ihre Aufgabe, Zeit zu gewinnen und feindliche Kräfte zu fesseln, im vollsten Umfange.

Auf der geschilderten Grundlage baute sich die außerordentlich umfangreiche und vielseitige Entwicklung auf, welche die Pioniertruppe, das Pioniergerät und das Festungswesen im Weltkriege nahmen. Die Pioniertruppe vervielfachte ihre Verbände bei der Mobilmachung in noch umfangreicherem Maße wie die Hauptwaffen. Im allgemeinen verdreifachten sich die Pionier-Bataillone, indem aus ihren 4 Friedens-Kompagnien 2 Feld-Pionier-Bataillone zu je 3 Kompagnien, mehrere selbständige Reserve-, Landwehr- und Landsturm-Pionier-Kompagnien und das Ersatz-Pionier-Bataillon durch die Einstellung der zur Fahne strömenden Ergänzungsmannschaften, Offiziere des Beurlaubtenstandes und ausgehobenen Pferde gebildet wurden. Dabei wurden die Kompagnien auf Kriegsstärke gebracht, also im allgemeinen von 150 Köpfen und 1 Reitpferd auf 250 Köpfe und 12 Pferde zur Bespannung der Feldfahrzeuge und zur Berittenmachung der Offiziere verstärkt. Gleichzeitig wurden zahlreiche bespannte Divisions-, Reserve-Divisions-, Korps-Brückentrains, sowie Brückentrain-Reserven, für die im Frieden nur die Fahrzeuge mit ihren Geschirren und ihrer Beladung bereitgehalten wurden, neu gebildet, wobei die Offiziere und Mannschaften teils vom Train, teils von den Pionieren gestellt wurden. Trotz der Schwierigkeit, welche die Einstellung so zahlreicher Pferde in einer im Frieden so gut wie unbespannten Truppe naturgemäß bereiten mußte, verlief die Mobilmachung überall glatt. Aus jedem Friedens-Pionier-Bataillon von etwa 600 Köpfen und 30 Pferden war eine ganze Reihe von mobilen Verbänden von zusammen etwa 4000 Köpfen und 1000 Pferden geworden. Nur die noch jüngeren, erst über wenige Ergänzungsjahrgänge verfügenden 9 Festungs-Pionier-Bataillone stellten lediglich ein Pionier-Regiment zu 2 Bataillonen zu je 3 Kompagnien, eine Pionierpark-Kompagnie und einen bespannten Pionier-Belagerungstrain auf, verdoppelten sich also in ihrer Einheitszahl etwa. So wurden bei der Mobilmachung allein aus den 28 preußischen Pionier-Bataillonen des Friedensstandes mit rund [158] 17 000 Köpfen 100 Bataillonsstäbe, 115 Feld-, 50 Reserve-, 35 Landwehr-, 27 Landsturm-, 92 Ersatz-Pionier-Kompagnien, zusammen 317 Pionier-Kompagnien mit rund 80 000 Köpfen gebildet. Hierzu traten 20 Feld- und 85 Festungs-Scheinwerferzüge, 1 schwerer Rheinbrückentrain, 20 Korps- und 59 Divisions- oder Reserve-Divisions-Brückentrains mit zusammen 5000 m Brückenlänge, 8 Pionier-Belagerungstrains und für jede der 8 Kavallerie-Divisionen eine Kavallerie-Pionierabteilung hinzu. An höheren Pionierstäben wurden 7 Generäle der Pioniere bei den Armee-Oberkommandos mobil, während 7 weitere Generäle und 11 Regimentsstäbe immobil für die Festungen und die Ersatzausbildung in der Heimat aufgestellt wurden. Der Generalinspekteur des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen trat zum Großen Hauptquartier über. An seine Stelle trat in der Heimat ein neuer Generalinspekteur. Im ganzen zogen etwa 120 000 Mann in den Farben der Pioniere ins Feld.

Bei Kriegsbeginn befanden sich bei jeder mobilen Infanterie-Division 1 - 2 Pionier-Kompagnien und 1 Divisions-Brückentrain. Die Pionier-Bataillone waren also zerrissen und auf die Divisionen eines Armeekorps verteilt. Der Bataillons-Kommandeur befand sich beim Stabe des Generalkommandos, zu dessen Kolonnen und Trains der Korps-Brückentrain gehörte. Der Scheinwerferzug war meist einer Infanterie-Division zugeteilt. Bei den Reserve-Divisionen befand sich nur eine Reserve-Pionier-Kompagnie und ein Reserve-Divisions-Brückentrain. Die 9 Festungs-Pionier-Regimenter mit 8 Pionier-Belagerungstrains waren den Armeen als Heerestruppen zugeteilt und wurden den Divisionen kompagnie- oder bataillonsweise zur Verstärkung bei Bedarf zugewiesen. Die Landwehr-Pionier-Kompagnien gehörten zum Teil zu Landwehr-Brigaden, welche für Etappenzwecke in Aussicht genommen, zum Teil wie die Landsturm-Pionier-Kompagnien und ein Teil der Ersatz-Pionier-Kompagnien, als Festungsbesatzungen bestimmt waren. Die Ausstattung der Feldtruppen mit Pionieren war also sehr knapp. Vielfach stand für 4 Infanterie-Regimenter mit 12 Bataillonen nur 1 Pionier-Kompagnie zur Verfügung, ein Mangel, der auch nicht etwa durch besonders sorgfältige pioniertechnische Ausbildung oder außergewöhnliche technische Beanlagung der deutschen Infanterie ausgeglichen wurde. Spaten und Hacke erfreuten sich beim deutschen Infanteristen schon aus Überlieferung keiner besonderen Beliebtheit. Den Russisch-Japanischen Krieg studierten die Infanterieführer zwar in bezug auf Feuerwirkung, Kampfform und dergleichen, aber leider nur selten auch auf Spatengebrauch, obwohl darin von beiden Parteien viel zu lernen gewesen wäre. Man fürchtete noch immer, mit diesen gefährlichen Werkzeugen sich selbst das Grab des Offensivgedankens zu schaufeln, weil man es verschmähte, die Kunst ihres Gebrauches oder Nichtgebrauches sich selbst zu Nutz und Frommen zu beherrschen. Zwar hatten die Pionier-Dienststellen schon seit längerer Zeit vor dem Kriege wiederholt darauf hingewiesen, daß eine weitere wesentliche Vermehrung der Pioniere nötig sei, aber man drang nicht durch, [159] zumal die Beschaffung der nötigen Offiziere Schwierigkeiten machte und die Beförderungsverhältnisse bei den Pionier-Offizieren gegenüber den Altersgenossen der anderen Waffen ohnehin schon günstiger standen. Man erkannte zwar an vielen maßgebenden Stellen des deutschen Heeres vor dem Kriege die außerordentlich gestiegene Bedeutung der Technik und der technischen Truppe für die Kriegführung der Gegenwart, aber man fand nicht die Kraft und die Mittel, diese Erkenntnis restlos in die Tat umzusetzen. Als dann der Krieg sehr bald lehrte, daß hier ein Fehler begangen war, wirkten aber alle Stellen des Heeres mit äußerster Anstrengung zu seiner möglichst restlosen und schleunigen Beseitigung zusammen.

Schon der Übergang des Westheeres über die Maas und der Kampf um die Grenzfestungen Belgiens und Frankreichs hatten den Pionieren ein reicheres Feld der Betätigung gebracht, als ihnen trotz äußerster Anspannung der Kräfte in idealer Weise zu erledigen möglich war. Dann aber führte die Erstarrung der Front nach der ersten Marne-Schlacht schnell zu einer so überwältigenden Fülle neuer, in ihrem Umfange unvorhergesehener Kampfaufgaben pioniertechnischer Art, daß der Ruf nach mehr Pionieren auf der ganzen Front erscholl. Hierbei verlangten vielfach diejenigen jetzt am dringlichsten nach ihnen, die früher am wenigsten von ihnen hatten wissen wollen. Es mußte also schon im Herbst 1914 zur Neuaufstellung von Pionierformationen geschritten werden, zumal auch im Osten durch die Bildung zahlreicher neuer Divisionen und Brigaden aus den Festungsbesatzungen und dergleichen ein starker Bedarf an Pionierneubildungen auftrat. Die dort neu entstehenden Reserve-Divisionen mußten mindestens je eine Reserve-Pionier-Kompagnie mit Reserve-Divisionsbrückentrain erhalten, wozu dann noch infolge der weiten dünn besetzten Räume in Rußland eine

Flammenwerfer.
Flammenwerfer bilden durch die
riesenhafte Rauchentwicklung eine Mauer,
unter deren Schutz die deutschen Stoßtrupps
ungesehen vorgehen können.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 291.

Flammenwerfer-Rauchschwaden.
Unter dem Schutze von Flammenwerfern und der sich daraus entwickelnden ungeheuren Rauchschwaden geht deutsche Infanterie mit bereitgehaltenen Handgranaten zum Sturmangriff über.
[Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 292.


Granatenwerfer und kleine Minenwerfer an der Somme.
Granatenwerfer und kleine Minenwerfer
an der Somme.

Aus: Der Weltkrieg in seiner rauhen
Wirklichkeit
, S. 184 [oben] bzw. [unten].

Granatenwerfer und kleine Minenwerfer an der Somme.
größere Anzahl Scheinwerferzüge treten mußte, um die Überwachung der Lücken bei Nacht zu erleichtern. Als besonders wertvoll erwiesen sich die bespannten Pionier-Belagerungstrains, welche beim Beginn des Stellungskrieges den Stamm für die nun nötig werdenden Pionierparks abgaben und zunächst die einzige Nachschubquelle für Pioniergerät zum Stellungsbau darstellten. Schließlich sah man sich genötigt, schon in den ersten Monaten des Krieges Sonderformationen für zwei neue Kampfmittel aufzustellen, welche die Pioniere in ihrer Ausrüstung zum ersten Male an den Feind brachten und welche sich dabei vortrefflich bewährten: die Minenwerfer und die Flammenwerfer. Für sie wurden die ersten Fachabteilungen an der Front und in der Heimat schon im Herbst 1914 aufgestellt und an den Feind geführt. Im übrigen gingen bis zum 31. Dezember 1914 im ganzen 24 Reserve-Pionier-Kompagnien, 15 Scheinwerferzüge, 20 Reserve-Divisionsbrückentrains und 4 Pionier-Belagerungstrains mit je einer Pionierpark-Kompagnie neu aufgestellt ins Feld, wozu in der Heimat das Scheinwerfer-Ersatzbataillon trat. In den ersten Monaten des Jahres 1915 schritt man zur Bildung der ersten schweren Armee-Brückentrains mit Brücken- [160] abteilung, welchen der Ersatz der über Erwarten zahlreich zerstörten Straßenbrücken durch für die schwersten Heereslasten tragfähige, schnell herzustellende Kriegsbrücken als Aufgabe zufiel und die sich ausgezeichnet bewährten. Auch schritt man zur Bildung einer Pionier-Landungskompagnie aus Pionier- und Marine-Ersatz, welche zur Vornahme von Truppenlandungen an freier feindlicher Küste befähigen sollte. Nachdem die Expedition nach China auf Taku-Reede und der Südwestafrikanische Krieg auf der Reede von Swakopmund ziemlich unvorbereitet vor Landungsaufgaben gestellt hatten, war schon vor dem Kriege ein besonderes Verfahren zur Ausladung von Truppen, Pferden und Kriegsgerät aus den Seeschiffen in Boote auf freier Reede und Beförderung durch die Brandung an die Küste, oder an schnell behelfsmäßig erbaute Landungsstege bei Landungsübungen der Marine und des Pionier-Bataillons Nr. 9 erprobt worden. Man kam zu einem besonderen Landungsgerät, das aus Brandungsbooten, Pferdebooten mit einer Art Zugbrücke am Steven zum Ausladen der Fahrzeuge und Pferde, Pinassen zum Schleppen der genannten Boote und einem Trossensystem zum sicheren Entlangführen der Boote durch die Brandung hindurch, sowie Sondergerät zur schnellen behelfsmäßigen Herstellung von Landebrücken an offener Meeresküste. Mit diesen besonderen Landungsgeräten ausgerüstet hat die Landungskompagnie zwar nicht, wie die Pioniere hofften, an der englischen Küste, wohl aber bei den Übergängen über die Donau im serbischen und rumänischen Feldzuge und vor allem bei dem Unternehmen gegen Ösel sich vortrefflich bewährt. Auch diese Formation war schon vor dem Kriege ein alljährlich wiederkehrender Wunsch der Generalinspektion des Ingenieur- und Pionierkorps gewesen, ohne beim Reichsschatzamt und Reichstag Berücksichtigung zu finden. Im übrigen verstärkten die wachsende Erbitterung und Kunst, mit der der Stellungskrieg im Westen geführt wurde, der sich dann auch auf den Osten übertrug, die Einführung immer neuer verwickelter technischer Kampfmittel und Kampfmethoden für Angriff und Verteidigung. Das Entbrennen des Minenkrieges in immer breiteren Abschnitten der Front verschlang mehr und mehr Pionierkräfte. Die von den Pionieren entwickelte Stoßtrupptaktik mußte von ihnen der Infanterie gelehrt werden. Das riesige Anwachsen des Heeresbedürfnisses nach Pioniergeräten aller Art zwang zur Einrichtung zahlreicher Parks dafür, welche mit Fachpersonal zu besetzen waren. Die Entwicklung des Gaskampfes im Blasverfahren und des Luftschutzdienstes mit Flakscheinwerfern zwangen zur Bildung von Spezialformationen. Die infolge der Blockade nötig werdende Inbetriebsetzung zahlreicher technischer Werkstätten und Fabriken in Feindesland brachte neue Pionieraufgaben. Das weitere Anwachsen der Flammenwerfer- und besonders der Minenwerferverwendung führte zur Bildung weiterer zahlreicher Pionierformationen. Kurz, das gewaltige Anschwellen der Bedeutung der Technik und ihrer Anwendungsgebiete im Weltkriege und die immer weitere Länder und Erdteile umspannende Entwicklung des Weltenringens [161] steigerten auch in den nächsten Kriegsjahren den Ruf nach Pionieren noch um ein beträchtliches, so daß es einfach unmöglich war, mit den Neuaufstellungen überall rechtzeitig nachzukommen. Immerhin brachte das Jahr 1915 im ganzen 180 neue Pionier-Kompagnien, 93 Scheinwerferzüge, 10 Armee-, 15 Korps-, 18 Divisionsbrückentrains, 33 Pionierpark-Kompagnien, 1 Ersatzbataillon für die Gas-Pionier-Bataillone und die ersten 2 Pionier-Feldrekrutendepots neben zahllosen Minenwerfer-Stäben, -Bataillonen, -Kompagnien, -Abteilungen für das Feld und die Heimat. Das Jahr 1916 folgte mit im ganzen 80 neuen Pionier-Kompagnien, mit dem Ausbau der Flammenwerfertruppe zu einem Regiment mit Ersatzbataillon, 63 Scheinwerferzügen, 2 Korps-, 4 Divisionsbrückentrains, 5 Pionier-Feldrekrutendepots, 2 Pionierpark-Kompagnien und eine gegen 1915 noch wachsende Zahl von Minenwerfer-Neuformationen. Das Jahr 1917 brachte abermals 27 neue Pionier-Kompagnien, 5 Scheinwerferzüge, 8 Beleuchtungstrupps mit neukonstruiertem Handscheinwerfergerät, 11 Pionier-Feldrekrutendepots, 1 Pionierpark-Kompagnie und wiederum zahlreiche Minenwerferverbände, und das Jahr 1918 führte noch 180 weitere Beleuchtungstrupps, 1 Flüssigluft-Kompagnie, welche Lehrpersonal für die Verwendung flüssigen Sauerstoffs als Sprengmittel an der Front für Stollenbau und Minenkrieg stellte, 1 Bohrmaschinenkompagnie zur Stellung von Bohrmaschinentrupps zu gleichen Zwecken und 1 Schützengraben-Baggerkompagnie, welche die neuerbauten Schützengraben-Baggermaschinen zur Herstellung rückwärtiger Stellungen zu bedienen bestimmt war, ins Feld, so daß im Laufe des Krieges etwa noch einmal so viel Pionierverbände neugebildet wurden, als bei der Mobilmachung 1914 erstmalig aus den Friedens-Pionier-Bataillonen aufgestellt worden waren. Es hätten also, da eine Verdreifachung des Friedensstandes das Höchste ist, was einer auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht in kurzer Dienstzeit ausgebildeten Truppe - ohne ihre Qualität stark herabzusetzen - bei einer Mobilmachung zugemutet werden darf, doppelt so viel Pioniere im deutschen Heere vorhanden sein müssen, wie tatsächlich zur Verfügung standen, um gleich bei Kriegseröffnung mit der vollen Stärke des Volkes auftreten zu können. Es besteht wohl kein Zweifel, daß, wenn dies bei den Pionieren wie im ganzen Heere nur einigermaßen der Fall hätte sein können, der Ausgang des Krieges ein anderer gewesen wäre. Die im Frieden entstandenen Mehrkosten hätten sich wohl bezahlt gemacht. Es besteht heute dazu die Gewißheit, daß das deutsche Volk diese Rüstung finanziell und materiell wohl hätte tragen können. Es hat infolge falscher Sparsamkeit den Krieg nicht gewinnen können.

Trotz dieses gewaltigen Anwachsens der Pioniertruppe während des Krieges hatte sich das Verhältnis der Zahl zwischen den Pionieren und der Infanterie doch erst so gestaltet, daß nunmehr überall für 3 Infanterie-Regimenter mit zusammen 9 Bataillonen 2 Pionier-Kompagnien im Divisionsverbande zur Verfügung standen. Dies reichte nur an den ruhigsten Frontteilen und auch dort nur [162] mit Mühe aus. An lebhafteren Fronten mußte eine Verstärkung durch eine dritte Pionier-Kompagnie aus Heeres-Pioniertruppenteilen erfolgen, so daß für jeden Regimentsabschnitt eine Pionier-Kompagnie verfügbar wurde. An den Hauptkampffronten mußten die Pioniere weiterhin so verstärkt werden, daß für jedes Infanterie-Bataillon eine Pionier-Kompagnie verfügbar war. Auch diese Verstärkung mußten die Heeres-Pioniere stellen. Da nun einerseits die geschilderte Vermehrung der Pioniere sich erst nach und nach im Laufe von drei Jahren ermöglichen ließ, andererseits immer breitere Fronten zu Hauptkampffronten wurden, hatte dieser Zustand zur Folge, daß die unglücklichen Heeres-Pioniere niemals eine Ruhezeit erhalten konnten, sondern von einem Großkampf in den anderen, von einer Krise zur anderen geworfen werden mußten und die blutigsten Verluste zu tragen hatten. Eine große Anzahl dieser Heeres-Pionier-Bataillone hat über ein Jahr lang nicht abgelöst werden können, keinen Tag der Ruhe, der Erholung, der Ausbildung und Sammlung gehabt und schweigend die letzte Kraft hergegeben, wenn ihre Kameraden bei den Divisionen alle 2 - 7 Wochen wechselten. Dies stille Heldentum der mustergültigen Truppe ist leider nur zu wenig bekanntgeworden und gehört zweifellos zu dem allergrößten, was in diesem Weltenringen geleistet wurde. Die Oberste Heeresleitung wußte das wohl und würdigte dies in besonderen Anerkennungsbefehlen und durch Vermittlung besonderer Gnadenbeweise, aber es fehlte ihr das Mittel zur Abhilfe, es fehlte trotz aller Vermehrung bis zum Kriegsende an den nötigsten Pionieren.

Daß dem so war, daran trug auch die Überlastung der Pionier-Ersatzbataillone durch die von den Pionieren erst im Kriege für die Infanterie geschaffene Minenwerferwaffe Schuld. Aus 160 Gelegenheitswurfmaschinen der Pionier-Belagerungstrains ohne feste Bedienung hatten die Pioniere in drei Kriegsjahren eine Sonderwaffe der Infanterie entwickelt, welche an 170 000 feuerbereiten Rohren rund 200 000 Mann Bedienung stehen hatte. Diese Leute fehlten den Pionieren. Die Schwierigkeiten wurden erst behoben, als im Jahre 1918 kurz vor Ausgang des Kampfes die nunmehr fertig entwickelte Minenwerferwaffe endgültig zur Infanterie überging. Der Nutzen, der aus dieser Entlastung für die Pioniere entspringen konnte, kam nicht mehr zur Auswirkung. Es muß aber anerkannt werden, daß von den maßgebenden Behörden alles geschehen ist, um den so bedrohlichen Mangel an Pionieren möglichst zu beheben, so daß ernste Nachteile für das Heeresganze vermieden wurden. Mehr war nicht zu erreichen. Feld und Heimat, Oberste Heeresleitung, Kriegsministerium und die Pionier-Ersatzbehörden haben gleichen Anteil an diesem Ergebnis. Der Hauptruhm aber, daß schwere Nachteile ausblieben, gebührt jener herrlichen Pioniertruppe an der Front, die in brandender Not standhielt, die niemals versagt hat, die noch im Jahre 1918 nichts kannte als siegen oder sterben.

Erdarbeiten bei La Fère (Siegfriedstellung)
[168a]      Erdarbeiten bei La Fère (Siegfriedstellung).

Um den Bedürfnissen des Krieges gerecht werden zu können, hätte, wie der Krieg zeigte, eine Infanterie-Division für die vorderste Linie ein Pionier-Batail- [163] lon gebraucht mit mindestens soviel Pionier-Kompagnien, als die Division Infanterie-Regimenter zählte. Dazu hätten der Obersten Heeresleitung mindestens für je 2 Infanterie-Divisionen ein weiteres Pionier-Bataillon zu 3 - 4 Pionier-Kompagnien als Heeresreserve zur Verfügung stehen müssen. Dabei sind Sonder-Pioniere wie Flammenwerfer, Gas-Pioniere und dergleichen nicht mit eingerechnet, sondern waren außerdem nötig. Ferner trat für jede Infanterie-Division für die technischen Aufgaben hinter der Front mindestens eine weitere Pionier-Kompagnie als unentbehrlich hinzu. Dies würde für die Friedensformation bedingt haben, daß bei jedem Armeekorps zu 2 Divisionen 1 Pionier-Regiment zu 3 Bataillonen mit je einer Kompagnie mehr vorhanden gewesen wäre, als in der Division Infanterie-Regimenter sich befanden. Hiernach verfügte die deutsche Friedensarmee bei Kriegsbeginn nur über ein Drittel derjenigen Pioniere, welche auf Grund der Kriegserfahrungen unbedingt nötig gewesen wären. Um so größer ist die im Kriege erzielte Leistung zu bewerten. Der Feind ehrte die Pioniertruppe durch eine besonders scharfe Beschränkung bei der Festsetzung der Stärke und Gliederung des Reichsheeres im Vertrage von Versailles. Tatsächlich erwies sich die Pioniertruppe trotz ihrer Vermehrung im Kriege vielfach noch als zahlenmäßig unzureichend. So war der Bedarf an Pionieren im Osten vor Eintritt in den Stellungskrieg und während des Bewegungskrieges noch größer als im Westen während des Stellungskrieges, und im Westen übertraf der Bedarf bei den Offensiven des Jahres 1918 allen früheren Bedarf. Diese Fälle sind als Ausnahmezustände betrachtet worden, denen mit besonderen Maßnahmen Rechnung getragen werden mußte.

Das von den Pionier-Ersatzbataillonen als Quelle der Neuaufstellungen Geleistete wird aber erst völlig klar, wenn man in Rechnung stellt, daß die ursprüngliche Aufgabe dieser Formationen die Bereitstellung des Ersatzes für die im Felde bestehenden Pionierformationen war und daß alle jene Neubildungen über diese Aufgabe hinaus geleistet wurden. Die Verluste der Pioniertruppe waren ebenso groß wie die der Infanterie, also außerordentlich schwer. Die Friedens-Pionier-Bataillone zählten Gesamtverluste an Toten von im allgemeinen 50 Offizieren und 1000 Unteroffizieren und Mannschaften für das Bataillon, also mehr als ein Viertel der 1914 ins Feld gesandten. Trotzdem ist es im allgemeinen gelungen, den Ersatz rechtzeitig und in ausreichender Zahl zu stellen. Immerhin ergaben sich hierbei zum Teil recht erhebliche Schwierigkeiten und Mißstände und es bedurfte besonderer Maßnahmen, um dies Ziel zu erreichen. Insbesondere gelang es nicht, die Ausbildung des Nachersatzes in der hierfür zur Verfügung bleibenden Zeit genügend zu fördern. Das Anwachsen der anderen technischen Truppen im Heere und der Kriegsmarine hatte schon vor dem Kriege die Aushebung des nötigen handwerkerlich geschulten und körperlich ausreichend kräftigen Pionierersatzes vielfach erschwert. Die schnell wachsende Industrialisierung Deutschlands hatte außerdem zu einer für die Pioniere ungünstigen einseitigen Ausbildung der industriellen Facharbeiter und zur Abnahme [164] der Zahl der ausgelernten Handwerker geführt. Bei den Schiffern machte sich das Anwachsen der Schleppschiffahrt im Nachlassen des fachlichen Könnens bemerkbar. Nur durch gesteigerten Dienstbetrieb war es möglich gewesen, in den zur Verfügung stehenden zwei Dienstjahren die nötigen Fertigkeiten zu vermitteln.

Im Kriege stieg der Bedarf der anderen Waffen, besonders der sehr stark vermehrten Nachrichten- und Verkehrstruppen, dann der Artillerie, aber auch der Infanterie an technisch vorgebildetem Ersatz sehr stark, während gleichzeitig auf jüngere Ersatzjahrgänge zurückgegriffen werden mußte, deren bürgerliche technische Ausbildung noch nicht beendet war, so daß statt der Gesellen jetzt Lehrlinge eingestellt werden mußten. Man war aus Mangel an Pionierersatz gezwungen, eine Reihe von Aufgaben, welche eigentlich den Pionieren zugefallen wären, ihnen abzunehmen und durch Formationen mit Spezialistenersatz anderer Waffengattungen versehen zu lassen. So entstanden die im Frieden nicht vorhergesehenen Starkstromtruppen, die Straßenbauformationen und dergleichen neben den Pioniertruppen aus Offizieren und Mannschaften anderer Waffen, welche die nötige Fachausbildung aus ihrem bürgerlichen Berufe mitbrachten. Die Starkstromtruppen hatten die Inbetriebsetzung vorhandener und die Schaffung neuer Starkstromanlagen im Etappen- und Truppenbereich bis zur vordersten Kampflinie, wie Elektrizitätszentralen, Leitungsnetze, Transformatorenanlagen, Motoranlagen, Lichtanlagen, Akkumulatorladestellen, elektrisch geladene Drahthindernisse zur Aufgabe. Die Straßenbauformationen besorgten die Instandsetzung, Instandhaltung und Neuanlage von Straßen, besonders von Verkehrsstraßen für Motorverkehr. Diese Abtrennung von den Pionieren zeitigte natürlich manche Nachteile im Zusammenarbeiten mit diesen, obwohl diese Verbände meist den höheren Pionierstäben unterstellt wurden, um die Verbindung mit den Pionieren herzustellen. Leider mußte auch die Weiterentwicklung der von den Pionieren ausgebildeten, so recht in ihr ganzes Wesen hineinpassenden, aus ihm entspringenden Stoßtrupptaktik den Pionieren abgenommen werden, nachdem das von ihnen aufgestellte erste Sturmbataillon sich vorzüglich bewährt und zu dem Entschluß geführt hatte, für jede Armee ein Sturmbataillon zu bilden. Es handelte sich dabei um die Ausbildung leistungsfähiger Sturmtrupps für besonders schwierige Angriffe. Sie übten besonders das Vorbrechen aus der eigenen Stellung, das Durchbrechen der feindlichen Hindernisse mit Sprengladung und Drahtschere, das Einbrechen in die feindliche Stellung mit Minenwerfervorbereitung, Handgranatenangriff und Granatwerfereinsatz, das Aufrollen der feindlichen Gräben mit Hand-, Gewehr- und Wurfgranaten und mit Flammenwerfern, das Sprengen und Ausräuchern feindlicher Blockhäuser und Unterstände, den schnellen Ausbau der gewonnenen Stellung mit Maschinengewehren und dergleichen, kurz das Zusammenwirken aller modernen Waffen der Infanterie und Pioniere zum überraschenden Sturm. Dies war ja die rechte Bahnbrechertätigkeit, die eigentliche Aufgabe der Pioniere, welche sie schon bei Le Bourget im Jahre 1870 mit bestem [165] Erfolge gelöst hatten. Es wurde daher in der Pionierwaffe als besonders schmerzlich empfunden, daß es nicht möglich war, die Sturmbataillone auch weiterhin lediglich aus Pionierersatz zu bilden. Die Pioniere mußten sich darauf beschränken, nur noch die Flammenwerferbedienungen und kleine Spezialtrupps zu diesen Bataillonen zu stellen. Letzten Endes war man sogar gezwungen, wie bei den anderen Waffen, so auch bei den Pionieren die Kompagniestärke von 250 auf 200 Köpfe herabzusetzen. Da für technische Leistungen die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte in viel höherem Maße ausschlaggebend ist, wie z. B. beim taktischen Einsatz, wo durch Vermehrung der Maschinenwaffen vielfach Ersatz geboten werden konnte, beeinträchtigte diese Kopfzahlverminderung die Leistungsfähigkeit der Pionierformationen unmittelbar. Ausfälle an Mannschaften machten sich nunmehr sehr schnell fühlbar, während sie früher eine Zeitlang ertragen werden konnten. Trotzdem blieb die Beschaffung der nötigen Zahl von Ersatzmannschaften noch immer weniger schwierig, als die Erreichung der nötigen militärischen und pioniertechnischen Fertigkeiten vor Entsendung der Leute ins Feld. Den Pionier-Ersatzbataillonen standen als Ausbildungspersonal zunächst nur ältere, nicht mehr fronterfahrene Offiziere und Unteroffiziere zur Verfügung, welchen es schwer fiel, sich in die gegen ihre Dienstzeit veränderten Ausbildungsforderungen hinein zu finden und den sehr schnell sich ändernden neuen Forderungen der Front in bezug auf die Kriegsmäßigkeit der Ausbildung zu folgen. Die aus dem Felde zurückkehrenden leichtverwundeten oder genesenden Dienstgrade standen meist nur kurze Zeit als Lehrer zur Verfügung, weil sie wieder ins Feld gingen, wo sie dringend gebraucht wurden. Eine Entsendung der Kommandeure der Pionier-Ersatzbataillone zur Unterrichtung an die Front konnte nur eine beschränkte Abhilfe schaffen, da die Taktik und technischen Forderungen sich dauernd sehr schnell weiterentwickelten und änderten. Deshalb veralteten auch die Kriegserfahrungen der Felddienstunfähiggewordenen, aber als Rekrutenlehrer doppelt wertvollen Frontdienstgrade bei ihrer Einstellung in die Ersatztruppe sehr schnell. Die für die Ausbildung verfügbare Zeit von oft noch nicht 6 Monaten war viel zu kurz. Man kann eben einen Pionier nicht in so kurzer Zeit feldmäßig ausbilden. Man mußte sich dazu entschließen, auch für die Pioniere Pionier-Feldrekrutendepots bei den Armeen einzurichten, wo den aus der Heimat kommenden mehr friedensmäßig und nur in den Grundlagen des Dienstes vorgebildeten Rekruten in einigen Wochen vor ihrem Einsatz in der Front eine kriegsmäßige, den örtlichen Kampfverhältnissen angepaßte Ausbildung erteilt werden konnte. Der sehr starke Ersatzbedarf der Front, welcher sehr lange Zeit eine sehr weitgehende gegenseitige Aushilfe mit Ersatz seitens der Pionier-Ersatzbataillone und einen Ausgleich in der Ersatzgestellung durch die Generalinspektion des Ingenieur- und Pionierkorps nötig machte, erschwerte und verzögerte diese nützliche Maßregel leider außerordentlich. Es war dies um so bedauerlicher, als durch diese Einrichtung nicht nur die Ausbildung verbessert, sondern auch die Heranziehung des Ersatzes an die [166] Front vereinfacht und beschleunigt wurde. Erst nach Abschluß der großen Vermehrung der Verbände und nach Ausbau der Minenwerferwaffe konnten überall Pionier-Rekrutendepots aufgestellt werden. Ein sehr wesentlicher Nachteil des infolge der nicht gleichmäßigen Inanspruchnahme der Pionier-Ersatzbataillone notwendig werdenden Ausgleichs zwischen den Bataillonen war, daß das landsmannschaftliche Gefüge der Truppenteile an der Front zerrissen werden mußte. Die landsmannschaftliche Zusammensetzung beförderte die Kameradschaft und den ethischen Zusammenschluß, die bei der gemeinsamen Zusammenarbeit der Pioniere, wo jeder viel mehr als bei den anderen Waffen auf die Mitwirkung des anderen angewiesen ist, und ihrer vielfachen Verwendung in kleinsten Trupps von besonderer Bedeutung sind. Der Nachwuchs fand schnell Halt an den alten Leuten der gleichen Heimat, mit denen ihn die gleichen heimischen Handwerksgepflogenheiten verbanden. Viele freundschaftliche und verwandtschaftliche Bande förderten das für die Pionierwaffe besonders wichtige Verschmelzen des Verbandes zu einer auf sich und seine Leistung stolzen und auf die Ehre der Truppe deshalb haltenden Einheit. Die ins Feld zurückgehenden Genesenen wünschten zu ihren alten Kompagnien zurückzukommen, wo sie heimisch und eingearbeitet waren und wurden durch Zuteilung zu fremden Verbänden enttäuscht, worunter Stimmung, technische Leistung und Interesse zur Sache litten. Der Krieg lehrte aber vor allem, daß die Heranbildung kriegsbrauchbarer Pioniere lange Zeit dauert und sich nicht in einer 6monatigen Dienstzeit erreichen läßt. Es erwiesen sich dazu mindestens 10 - 12 Monate Dienstzeit und mehrfache längere Wiederholungsübungen als nötig, wenn man sich auch im Kriege meist mit 8 Monaten begnügen mußte. Daß man dies konnte, lag daran, daß die Pioniere noch über einen Stamm tadellos im Frieden ausgebildeter Unteroffiziere und Mannschaften in den Frontverbänden verfügten.

Sehr wenig günstig machte sich der Stellungskrieg in bezug auf die Ausbildung der Pioniere geltend. Die Truppe wurde immer einseitiger und verlor mehr und mehr die Wassergewohntheit. Es mußten daher jedesmal vor dem Beginn von Operationen, welche zu Flußübergängen oder anderen pioniertechnischen Aufgaben führen konnten, die dazu in Aussicht genommenen Pionierverbände für diese Aufgaben hinter der Front neu ausgebildet werden. Diese Ausbildungszeit ging natürlich für die übrigen technischen Vorbereitungen, gelegentlich auch für das Unternehmen selbst, verloren, zwang zur gesteigerten Inanspruchnahme der Truppe, um diesen Zeitverlust auszugleichen, und veranlaßte, daß die Truppe nicht frisch, sondern abgehetzt und ermüdet in den Kampf trat. Durch Anlage eines vorzüglich ausgestatteten großen Pionier-Übungsplatzes bei Maubeuge suchte man diese Ausbildung den zurückgezogenen Pionier-Bataillonen zu erleichtern. Aber der Mangel an Pionieren gestattete leider zu selten, die Pionier-Bataillone dorthin zu verlegen.

Der Ersatz an Pionier-Unteroffizieren ergab sich verhältnismäßig einfach [167] durch die Beförderung sich hervortuender und besonders geeigneter Leute aus der Front. Sehr bald stellte es sich aber heraus, daß diese an sich tapferen, eifrigen und tüchtigen Leute auf dem Gebiete des inneren Dienstes und der theoretischen Dienstkenntnis sowie in der selbständigen praktischen Betätigung ihren Friedensvorgängern doch vielfach recht erheblich nachstanden. Leider ließ sich bei dem schnellen Wechsel gerade der Unteroffiziere wenig bessern. Ihre Aufgaben fielen mehr und mehr den bei den Pionieren ohnehin durch vielfache Sonderausgaben technischer Art überlasteten und - je länger der Krieg dauerte - wie bei der Infanterie so auch bei den Pionieren, im inneren Dienst immer unerfahrener werdenden jungen Offizieren zu, was ganz allgemein mit ein Grund des Zusammenbruchs des Heeres gewesen ist. Bei einer so langen Dauer des Krieges, wie sie der Weltkrieg hatte, zeigten sich besondere Erziehungs- und Ausbildungsmaßnahmen auch für die Pionier-Unteroffiziere als nicht zu entbehren. Im Weltkriege fehlten hierzu Kräfte und Mittel.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte