SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg

Abschnitt: Die Kampfhandlungen in der Türkei   (Forts.)
Major Erich Prigge

16. Der Stillstand der englischen Offensive in Palästina.

Das Oberkommando Jildirim erließ am 25. Februar 1918 einen Befehl, durch den dem Oberkommando der 8. Armee der Befehl über alle Streitkräfte zwischen Meer und Jordan übertragen wurde, während das Oberkommando der 7. Armee sein Hauptquartier nach Amman an der Hedjasbahn verlegen und den Befehl im Ostjordanland führen sollte.

Das III. Armeekorps trat damit unter die 8. Armee, während das XX., das VIII. Armeekorps sowie die im Ostjordanland stehenden zusammengesetzten Korps und das Hedjaskorps nunmehr dem Oberbefehlshaber der 7. Armee, Fewsi Pascha, unterstellt wurden.

Bei der 8. Armee waren auch die bisher an der Front eingetroffenen Teile des deutschen Asienkorps unter dem Befehl des Oberst v. Frankenberg und Proschlitz. Das Oberkommando der 4. Armee in Damaskus sollte das VII. Armeekorps, die 21. Division und einige andere Truppen befehligen, aber im übrigen für die Verpflegung der Jildirim-Truppen sorgen.

Die von der türkischen Heeresleitung in Erwägung gezogene Aufgabe von Medina war wieder wegen des Prestigeverlustes fallengelassen worden.

[472] Während der Ausführung dieser Befehle trat ein Kommandowechsel an der Palästinafront ein.

Enver Pascha gab durch einen gleichfalls vom 25. Februar, 9 Uhr Abends, datierten Befehl bekannt, daß Marschall v. Falkenhayn nach Deutschland zurückberufen sei, um an die Spitze einer deutschen Armee zu treten, und daß Marschall Liman v. Sanders den Oberbefehl über die Heeresgruppe übernehme. Der Befehlswechsel vollzog sich am 1. März 1918. Die 2. Armee mit dem Sitz Aleppo und die 6. Armee in Mesopotamien schieden zugleich aus dem Befehlsbereich der Heeresgruppe aus und wurden direkt dem türkischen Hauptquartier unterstellt. Auch in dem Stabe der Heeresgruppe traten verschiedene Änderungen ein, von denen die wesentlichste war, daß der Chef des Generalstabs, Oberst v. Dommes, ein Kommando in Deutschland erhielt, und Oberst Kiazim Bey Chef des Generalstabs der Heeresgruppe wurde. Zur Zeit des Befehlswechsels zogen die Engländer starke Truppen an der Straße Jerusalem - Nablus zusammen. Wie sich später herausstellte, beabsichtigte General Allenby, hier bis Nablus vorzustoßen und zugleich damit Messudje, den letzten Gabelpunkt der türkischen Bahn in Palästina, in Besitz zu nehmen.

Mit Rücksicht auf diese überaus dringende Bedrohung der Mitte der Hauptfront gab Marschall Liman v. Sanders noch am 2. März Befehl, daß die beiden früher bestehenden Abschnitte der 8. und 7. Armee zwischen Meer und Jordan wiederhergestellt würden, und daß das XX. Armeekorps weiter oberhalb über den Jordan zurück nach dem westlichen Ufer gezogen und neben dem III. Armeekorps eingesetzt würde.

Der Befehl konnte noch zur Ausführung gelangen, ehe die Engländer am 9. März ihren großen Angriff begannen. In dreitägigen schweren Kämpfen beiderseits der Nablusstraße in Gegend Turmus Aja gelang es ihnen zwar, die Mitte der türkischen Front etwas zurückzudrücken, so daß der Tell Azur nach blutigem Ringen in ihrem Besitz verblieb; aber sie konnten die türkische Front nicht brechen! Auf dem nächsten Höhenzuge nördlich des Tell Azur stand die Mitte der türkischen Front am Abend des 11. März vollkommen fest. Der englische Durchbruchsversuch war unter schweren Opfern mißlungen. Die 1. türkische Division unter Oberstleutnant Guhr und die 24. Division unter Oberst Boehme hatten zu dem Abwehrerfolg entscheidend mitgewirkt.

Da General Allenby seinen Zweck an der Nablusstraße nicht erreicht hatte, versuchte er gegen Ende des Monats März durch einen kühnen, von Jericho aus angesetzten Vorstoß nach dem Ostjordanlande, den Scheitelpunkt der rückwärtigen Bahnverbindung der Heeresgruppe in Deraa zu bedrohen, die Hedjasbahn bei Amman in Besitz zu nehmen und die direkte Verbindung mit den unter dem Scherif Faisal operierenden Arabern herzustellen. Am 26. März ging starke englische Kavallerie, von Infanterie und Artillerie gefolgt, in Richtung der Straße Jericho - Es Salt über den unteren Jordan. Nach Anfangserfolgen auf dem [473] westlichen Jordanufer am 26. und 27. März stießen die Engländer am 28. März auf den Höhen westlich von Amman auf den ernsthaften Widerstand von einigen deutschen und türkischen Truppen, die alsbald über Damaskus und von Süden her verstärkt wurden.

Nach dreitägigen, harten Kämpfen, bei denen sich insbesondere auch das deutsche Bataillon 703 des Asienkorps unter Hauptmann Graßmann auszeichnete, mußten die Engländer in der Nacht vom 30. zum 31. März den Rückzug zum Jordan antreten. Nach dieser ersten Jordanschlacht wurde von der Heeresgruppe eine neue türkische Front gegenüber dem unteren Jordan auf den Höhen von Tell Nimrin aus allen im oberen Ostjordanland verfügbaren Truppen gebildet. Sie wurde als VIII. Armeekorps dem Oberbefehlshaber der 4. Armee, Kütschük Djemal Pascha, unterstellt, dem als Chef des Generalstabs Major v. Papen beigegeben wurde.

Nachdem den Engländern auch der aus der Offensive nach Amman erhoffte Erfolg versagt geblieben war, versuchten sie, am 10. April beginnend, einen groß angelegten Durchbruchsversuch gegen die von Oberst v. Frankenberg und Proschlitz befehligte linke Gruppe der 8. Armee in den Bergen von El Kafr und Berukin. Nach den englischen Absichten sollte der Angriff bis an die Grenze des schmalen Küstenstreifens mitten in das Herz der 8. Armee vorgeführt werden. Nach dreitägigem, überaus schwerem Ringen, bei dem das Asienkorps sich unverwelkliche Lorbeeren erstritt, scheiterte auch dieses englische Beginnen unter großen Verlusten. Der erzielte Geländegewinn war ganz unbedeutend.

Kaum drei Wochen später versuchte General Allenby in einem zweiten mit sehr starken Kräften unternommenen Durchbruch nach dem Ostjordanland den Rückzug der 7. und 8. Armee aus Nordpalästina zu erzwingen. Er führte zu den größten Kämpfen, welche im Frühjahr und Sommer 1918 in Palästina durchgefochten worden sind: zur zweiten Jordanschlacht.

Zwei englische Kavallerie-Divisionen brachen in der Frühe des 30. April über den Jordan nach Osten vor und wendeten sich im Jordantal nach Norden, während zugleich die gesamte Front des türkischen VIII. Armeekorps bei Tell Nimrin von starken feindlichen Kräften angegriffen wurde und weitere Kavallerie dessen linken Flügel bedrohte. Auf dem

Die Stadt Es Salt.
Die Stadt Es Salt, zeitweilig Hauptquartier
der 4. türkischen Armee, die im Ostjordanland
kämpfte.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 528.

Englischer Fliegerangriff auf den deutschen Flugplatz bei 'Afūle.
Englischer Fliegerangriff auf den deutschen
Flugplatz bei 'Afūle. Der Moment des Einschlags
der Bomben. 3. Januar 1918.   [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 530.
westlichen Jordanufer entwickelte sich ein gleichzeitiger Angriff gegen den linken Flügel der türkischen 7. Armee. Während es der englischen Kavallerie gelang, im ersten Ansturm die Stadt Es Salt zu besetzen - den für den Besitz des nördlichen Ostjordanlandes entscheidenden Punkt -, hielt das türkische VIII. Armeekorps allen wiederholten und mit immer wieder neuen Kräften durchgeführten Infanterie-Angriffen stand. Fünf Tage und Nächte währten die Kämpfe mit der größten Heftigkeit an der Front des VIII. Armeekorps, im Jordantale und auf den Höhen von Es Salt. In der Nacht vom 3. zum 4. Mai wurde Es Salt von den Türken mit deutscher Unterstützung wiedergenommen. Die Stellung der Engländer im Ostjordanlande [474] wurde hierdurch unhaltbar. Am 4. Mai mußten die Engländer mit ihren gesamten Kräften über den Jordan zurückgehen. Außer allerlei Kriegsmaterial und Gefangenen blieben 10 englische Geschütze, darunter 9 von der "Royal Horse Artillery", in türkischer Hand.

Die türkische 24. Division unter Oberst Boehme und die 3. Kavallerie-Division unter Essad Bey hatten sich besonders ausgezeichnet, sowie deutsche Pioniere, deutsche Maschinengewehre, österreichische Artillerie und die ersten auf dem Kampfplatze eintreffenden Teile des deutschen Infanterie-Regiments 146.

Durch Verfügung der deutschen Obersten Heeresleitung vom 17. Januar 1918 waren verschiedene Stäbe, Truppen und sonstige Formationen unter dem Namen "Verstärkung Pascha II" zur Abgabe nach dem Palästina-Kriegsschauplatz bestimmt worden. An fechtenden Truppen waren es das vorgenannte Infanterie-Regiment 146 unter Oberstleutnant Freiherr v. Hammerstein, das Reserve-Jäger-Bataillon 11 unter Major v. Menges und fünf Batterien Artillerie.

Das Infanterie-Regiment 146 und das Reserve-Jäger-Bataillon 11 waren auch tatsächlich bis zum Anfang Juni vollzählig an der türkischen Front eingetroffen. Aber schon am 10. Juni erging der Befehl des türkischen Hauptquartiers, das Jäger-Bataillon sogleich wieder nach Konstantinopel zurückzutransportieren - etwa 1800 km - und am 16. Juni wurde der Heeresgruppe von derselben Stelle mitgeteilt, daß die Zurückziehung sämtlicher deutscher Truppen aus Palästina beschlossen sei!

Dieser Befehl hat einen weitgehenden Einfluß auf die weitere Entwicklung der Kampfkraft an der Palästinafront gehabt. Er erschütterte vor allem das Vertrauen der Türken in den Willen der Obersten Heeresleitung, dieser Front eine so weitgehende Unterstützung zuteil werden zu lassen, daß sie in Zukunft auch gegenüber weiterer Verstärkung des Feindes bestehen konnte!

Wenn die Durchführung des Befehls auch dahin beschränkt wurde, daß zuerst nur das Jäger-Bataillon seinen langen Rücktransport antrat und daß die im Anrollen befindlichen Batterien und sonstigen Formationen wieder kehrtmachen mußten, so verblieb neben der bereits geschehenen materiellen Schädigung der Kampfkraft der bestimmte Eindruck, daß die Wichtigkeit dieser Kampffront nicht mehr an erster Stelle stehe.

Die türkischen Truppen hatten schon seit Monaten nur eine derart ungenügende Unterstützung erhalten, daß die im Gefecht und durch Krankheit eingetretenen Verluste längst nicht mehr voll ersetzt werden konnten. Die türkische Heeresleitung hatte einen anderen Feldzug im fernen Kaukasus und in Nordpersien begonnen - Kaukasus-Ost -, der die besten verfügbaren Truppenverbände dorthin abzog. Maßgebend für diesen Entschluß war das Streben nach dem Aufbau eines großen islamitischen Reiches, das durch Besetzung der großenteils von Mohammedanern bewohnten Gebiete mit ihren reichen Bodenschätzen, in bedeutsamer Erweiterung der türkischen Grenzen, vor Friedensschluß sicher- [475] gestellt werden sollte. Die Nachrichten hierüber waren bald mit allen denkbaren Ausschmückungen an der Front der Heeresgruppe verbreitet.

Nach der zweiten Jordanschlacht wurde der Sommer von vielen kleineren Kämpfen an der Hauptfront zwischen Meer und Jordan ausgefüllt, sowie von immer stärkeren und größeren Unternehmungen der Araber im Ostjordanlande.

Von den ersteren ist ein Infanterieangriff indischer Truppen im Küstenabschnitt am 29. und 30. Mai erwähnenswert, sowie ein in demselben Abschnitt am 9. Juni wiederholter Angriff. Beide wurden im großen und ganzen bis auf unbedeutende Veränderungen in den Dünen-Stellungen abgewiesen.

Am 14. Juli wurde, auf Anordnung des Oberbefehlshabers, auf dem linken Flügel der 7. Armee am Jordan ein nächtlicher Angriff unternommen, um dort die türkische Stellung vorzuschieben. Im Falle des Gelingens sollten Teile der 4. Armee nach dem westlichen Jordanufer hinübergezogen werden, um die gesamte Front der Heeresgruppe und insbesondere diejenige der 7. Armee zu verkürzen. Bei dem Angriff waren die deutschen Truppen, und zwar die Bataillone 702 und 703 des Asienkorps und eine damals noch nicht abtransportierte Kompagnie des Jäger-Bataillons unter Hauptmann v. Gaedecke, in die Mitte genommen worden, während zu ihren beiden Seiten türkische Regimenter vorgehen sollten. Die deutschen Truppen überrannten die erste englische Linie überraschend, drangen kämpfend durch die zweite Linie vor und gelangten bis in die englischen Lager am Nordufer des Audjaflusses nahe seiner Mündung in den Jordan. Die türkischen Truppen aber versagten vollständig und ließen die deutschen Truppen allein, welche sich unter schweren Verlusten den Rückzug erkämpfen mußten. Der auf türkischer Seite erzielte Geländegewinn blieb unbedeutend. Einen trüben Ausblick in die Zukunft eröffnete aber dieses Verhalten der türkischen Truppen, die ohne irgendwelche ernsteren Verluste gleich nach begonnenem Vorgehen einfach liegen geblieben waren, ohne den Befehlen zu gehorchen! Einen gewissen Erfolg hatte der Tag nur insofern gebracht, als eine indische Kavallerie-Division, die gegen die Front des VIII. Armeekorps auf dem Ostufer des Jordan angeritten war, fast völlig zusammengeschossen wurde.

Während im Reste des Sommers die Angriffe der Araber an der Hedjasbahn immer heftiger wurden und die Heeresgruppe zwangen, zum wenigsten die Truppen an der Strecke von Amman bis Maan zu verstärken, wurde am 12. August ein großer Versuch von den Engländern unternommen, ihre Stellungen an der Nablusstraße zu verbessern. Sie griffen mit 10 Bataillonen beiderseits genannter Straße an und waren am 13. August, 4 Uhr morgens, nach Anfangserfolgen völlig zurückgeschlagen. Auch nicht das kleinste Stück der Stellung des III. türkischen Armeekorps war in ihren Händen geblieben. Der englische Heeresbericht hat damals eine völlig unwahre Darstellung dieser Kämpfe veröffentlicht.

Am 19. bis 20. August folgte noch ein stärkerer englischer Angriff im Küsten- [476] abschnitt, der von der türkischen 7. Division nach hartem Ringen zurückgewiesen wurde.

Die Widerstandsfähigkeit der türkischen Truppen, die sehr schlecht ernährt und überaus mangelhaft bekleidet waren, erlitt durch zahlreiche Desertionen, besonders bei der 8. Armee, in dem heißen Sommer immer weitere Einbuße. Es muß aber zur Entlastung der Türken betont werden, daß von den zehn türkischen Divisionen, welche in der Front zwischen Meer und Jordan standen, acht Divisionen aus Mangel an Truppen während sechs Monaten überhaupt nicht abgelöst werden konnten, sondern dauernd in den vordersten Linien verblieben! Die durchschnittliche Stärke der einzelnen Divisionen war auf etwa 1300 Gewehre gesunken.

Die Engländer benutzten alle denkbaren Mittel, um die Stimmung der Türken herabzudrücken und diejenige der Araber zu heben. Vom Ende des Monats Juli ab wurde das Land mit türkischen und arabischen Flugblättern überschwemmt, welche das Mißlingen der deutschen Offensive auf dem westeuropäischen Kriegsschauplatz in den grellsten Farben schilderten und von weit übertriebenen Erfolgen der Entente berichteten. Das englische Gold arbeitete bei den Arabern; aber es arbeitete auch im Hinterlande der türkischen Armee und sogar bis in die türkischen Linien hinein!

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte