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Drittes Kapitel
Entlang der Elfenbeinküste • Doch Malaria!

Die frühe Morgensonne, eingemummt in dunstige Atmosphäre, sandte gedämpfte Strahlen über die gischtende, schäumende Brandung hinüber zu dem Leuchtturm auf dem Felsenriff, hinweg über die schöne Bucht von Grand Bassa, und traf, weit draußen in der rollenden See, mit vollem Strahl einen schlanken Schiffsleib, daß er aufleuchtete im Silberglanz, märchenhaft schön und helle Blitze zurückschauderte. Das war der Woermann-Dampfer, der mich noch weiter in die Tropen führen sollte. Das Faktoreienboot, mit Ruderern besetzt, wartete einige Meter draußen und wurde von der Brandung hin und her gerissen. Einer der schwarzen Jungens nahm mich nun vom Strande behutsam mit starken Armen auf und trug mich durch die schäumenden Brecher ins Boot. Frau Hinrichsen kam mir auf gleiche Weise nach. Die zehn bronzenen Körper der Boys legten sich nun in die Ruder, und das Boot, emporgehoben von einer Welle, bäumte sich auf für einen Augenblick und schoß dann mit dem Bug in die Luft, als wollte es über alle Hindernisse hinweg zum Dampfer fliegen. Doch schon in der nächsten Sekunde stürzte es hinab, tief, tief, und eine gewaltige Woge, hoch über uns, stürzte heran, mit Donnern und Brausen. Sie mußte uns zerschmettern, begraben! Der Headmann brüllte ein Kommando, der Steuermann legte seine gewaltige Pranke fest um den Steuerknüppel, die zehn Ruderer stemmten sich mit den Beinen gegen den Boden und arbeiteten mit keuchendem Atem. Die Woge stürzte brüllend nieder, traf den Bug mit gischtender Wucht und spritzte den vordersten Jungens ihre Wut ins Gesicht. Schon schwankten wir auf ihrem zerfließenden Kamm und sahen neue Wellen auf uns zujagen. Aber wir kamen hindurch mit trockenen Kleidern, und das verdankten wir der fabelhaften Geschicklichkeit der schwarzen Burschen.

Auch das offene Meer war heute sehr unruhig, und das Boot schwankte und tanzte - mein Inneres war ebenso unruhig. Nach Togo wollte ich. Ob ich dort wohl an Land kam? Mein Visum, meine Papiere für die unter französischer Herrschaft stehenden geraubten deutschen Kolonien waren in Ordnung, aber ich hörte trotzdem allenthalben Zweifel um mich herum. Im Februar war in der Hauptstadt Lome ein Aufruhr, und Blut ist geflossen. Die Togoleute haben Hilfeschreie nach Deutschland losgelassen, die Rückkunft der Deutschen gefordert. Es sollte heute noch nicht alles in [45] Ordnung sein - ob man mich unter diesen Umständen hineinlassen würde? Und, auch wenn ich hineinkomme, muß ich damit rechnen, daß man mich auf Schritt und Tritt beaufsichtigt, kurz, mich in jeder Weise hemmt. Und ich wollte doch gerade hier mich frei bewegen können, mich unterhalten mit den treuen Togoleuten, die es nicht glauben konnten und wollten, unter französische Herrschaft zu kommen und die ständig, wenn auch unerhört, ihre Rufe nach deutscher Herrschaft in die Welt hinausschreien.

Wir waren am Schiff. Unser Boot wurde emporgeschleudert, hinauf ein Stück am Fallreep, und dann sanken wir wieder hinab, daß unsere Blicke hoch emporschweifen mußten zur Treppe, von der uns nun ein großer Abstand trennte. In einem rasenden Tempo ging das auf und ab. Ich faßte in einem mir günstig scheinenden Moment nach der Kette des Fallreep, um hinüberzuspringen - da sackte auch das Boot unter mir fort. Kaum konnte ich noch die Kette loslassen, denn sonst wäre ich, hilflos zwischen Treppe und Wasser baumelnd, von den aufkommenden Wellen überflutet worden. Auch hätte das neuerdings emporgeschleuderte Boot mir an der Treppe die Beine zerschmettern können. Nun taumelte ich am Rande des Bootes und hätte bestimmt das Gleichgewicht verloren, hätte mich nicht ein Negerboy noch schnell beim Schlafittchen gefaßt. Der zweite Versuch gelang besser, da mir nun ein Weißer am Fallreep helfend seine Hand entgegenstreckte. Frau Hinrichsen hatte schon das erstemal Glück.

Beim Hinaufsteigen der Schiffstreppe leuchtete mir von der Signalrah die Hakenkreuzflagge entgegen, die erste, die ich auf einem deutschen Schiffe sah. Es hat dem Kapitän einige Ungelegenheiten gebracht, unser geliebtes Symbol. In Teneriffa verweigerten die Hafenangestellten die Löschung der Ladung, wenn die ihnen nicht genehme Flagge nicht gestrichen würde. Aber sie wurde nicht gestrichen, und so gingen die Leute nach etwas langwierigen Verhandlungen am Nachmittag doch an die Arbeit. In Las Palmas wurde an den Kapitän dasselbe Ansinnen gestellt. Doch da griffen sie alle zu, die deutschen Jungens, Koch und Schiffsjunge, Matrose und Heizer, und sie löschten ihre Ladung ganz allein, während ein Leutnant und zwölf Mann von einem spanischen Kriegsschiff sie vor dem Pöbel schützten! "Damit hatten die Arbeiter nicht gerechnet, und der Entgang dieses Verdienstes mag sie nicht wenig geschmerzt haben", so endete der Kapitän seine Erzählung.

[46] "Schiff klar!" meldete nun der Erste Offizier.

Das bedeutete den Abschied von Frau Hinrichsen. Es fiel mir gerade in der Fremde oft unendlich schwer, mich von Menschen, die mir mit Güte entgegenkamen, zu trennen. Es war mir immer von neuem, als ginge wieder ein Stück Heimat, das letzte, von mir, als wäre ich nun wirklich erst ganz allein unter wildfremden Menschen, auf weiter Welt.

"Von morgen ab wird entlang der ganzen Elfenbein- und Goldküste das Fallreep nicht mehr heruntergelassen. Das Meer und die Brandung werden hier immer noch gefährlicher. Alle Menschen werden von nun an nur noch in der Mamichair an und von Bord gehievt", erklärte der Erste Offizier.

Im liberianischen Hafen Sinoe packte der größte Teil unserer bunten Deckpassagiere sein Bündel, und die schwarze Gesellschaft mit Kind und Kegel drängte sich um die Mamichair. Doch nur vier Menschen fassen die beiden Holzbänke des Kastens. Der Haken des Kranes wurde in die Öse des Drahtseils an den Chair eingefügt - eine Handbewegung des Kruheadmanns - die Maschine knirschte, und der Holzkasten mit den Menschen flog, wie von Geisterhand gehoben, hoch. Tief zogen die Mamis ihre Köpfe ein, und die schwarzen Kinderkugelaugen wurden noch viel größer. Einen Moment standen die Menschen oben in der Luft still, dann eine drehende Bewegung, und sie schwenkten hinaus über Bord und schwebten nun hoch über dem brodelnden Meer. Eine der Schwarzen guckte auf und schloß schaudernd die Augen wieder. Und dann sank der Kasten hinab und setzte etwas unsanft auf den Boden des schwankenden Kahnes auf. Schnell und gefahrlos ging dieses Vonbordgehen vor sich bei der rollenden See.

Unser Schiff lief nun täglich meist zwei liberianische und danach französische Orte an der Elfenbeinküste an. Palmen, Kapokbäume, Eingeborenenhütten und hellgestrichene Häuser von Weißen grüßten vom Strande. Faktoreienboote wurden durch nervige Fäuste über schäumende Brandungen gezwungen und die kunterbunte Ladung unter der lärmenden Arbeit der Kruboys gelöscht.

Eines Morgens strahlte die Sonne in blendendem Licht und ließ die Hakenkreuzflagge an der Signalrah in flammender Helle aufleuchten. Da griff ich zu meiner Kamera und stieg eine Treppe hinauf, um die Flagge aus der Nähe fotografieren zu können. Und da zitterten mir die Knie, drohten unter mir einzuknicken, und nur mit Mühe konnte [47] ich die Stufen nehmen. Aber ich kam nach oben und wollte die Kamera zum Auge führen, doch schlaff sanken meine Arme herab, und der Apparat entfiel beinahe meiner Hand. Da erschrak ich - Malaria - doch Malaria? trotzdem ich klein beigegeben und der heimtückischen westafrikanischen Küste meinen Tribut gezollt und mein tägliches Quantum Chinin geschluckt hatte. Mühsam schleppte ich mich zurück in die Kabine und sank nun wirklich sterbensmüde auf mein Bett, und bald durchschüttelten Fieberschauer meinen Körper.

Herrgott! Was hatte bloß der Missionar mir eine Menge von Fällen erzählt, in denen Weiße nach nur kurzem Aufenthalt in Liberia ein paar Tage nach Betreten des Schiffes gestorben waren. Ich fühlte mich so matt und glaubte ihn wirklich nahen zu fühlen, den unerbittlichen Gesellen Tod. Da fuhr ich auf. Meinen letzten Bericht nach Hause, ich mußte, ich wollte ihn noch schreiben. Und da setzte ich mich hin und schrieb mit brennender Stirne und während Kälte und Hitzewellen durch meinen Körper jagten, mit zittrigen Fingern, meinen letzten Bericht. Und leise protestierende Gedanken mischten sich in meine Arbeit. Warum gerade hier an der französischen Elfenbeinküste, wo ich keinen Stein kannte, wo Menschen wohnten, die das Deutsche haßten? Wäre es doch lieber in Grand Bassa gewesen. Dort am Leuchtturm zwischen den Felsen, auf denen ich gesessen hatte, als ich den tropischen, farbenprächtigen Sonnenuntergang betrachtete, dort, wo die deutsche Flagge Schwarz-Weiß-Rot und die Hakenkreuzfahne so nahe vorüberstreichen, wo dicht daneben Deutsche wohnen, dort möchte ich wohl eher ruhen.

Am Abend war meine Arbeit beendet; mir war es wirr im Kopf, und ich wandte mich an den Ersten Offizier, der den fehlenden Arzt vertritt.

"Den Symptomen nach ist es ein Malariaanfall. Doch haben Sie keine Angst. An Malaria stirbt man heute nicht mehr. Wozu hat man denn Atebrin und andere Mittel. Unangenehm ist es ja wohl, daß Malaria, wenn einmal aufgetreten, meist öfter wiederkehrt. Sehr gefährlich ist allerdings die mögliche Folge von Malaria, das Schwarzwasserfieber. Aber so weit lassen wir es erst gar nicht kommen. Nun packen Sie sich erst mal ins Bett. Sie müssen fest schwitzen diese Nacht. Ich bringe Ihnen dann noch etwas in Ihre Kammer."

Und er brachte mir Tabletten und eine heiße, dampfende Zitronenlimonade. Ich schluckte die einen und schüttete die andere hinunter und dann steckte ich noch den Kopf unter die Decke. Ich wollte unter allen Um- [48] ständen gesund werden. Nach gar nicht langer Zeit verließ ich mein Dampfbad und wechselte Wäsche und Bett. Bevor ich langsam eindöste, umsummten mich einige Moskitos, und ich erinnere mich noch eines dumpfen Ärgers darüber, daß gerade und ausschließlich die "Damen" dieser Tiergattung die Keimträgerinnen der Malaria sein müssen. Dann kam es mir noch vor, als hörte ich eine spöttische Männerstimme: "Da seht ihr wieder, alles Übel kommt doch von ihr", dann aber war ich zum Glück auch wirklich entschlafen. Am Morgen erwachte ich frisch und gesund.

Weiter zog das Schiff an der französischen Elfenbeinküste und lief die Orte Tahu, Sassandra, Lahou und wie sie noch heißen, an, und da war kein Platz, an dem nicht die Franzosen Sauerkraut und Würstchen für ihren Privathaushalt mitgenommen hätten. Zehn Dosen von dem einen, ein ganzes Fäßchen gleich von einem andern. Nun begreife ich wirklich nicht mehr so ganz, warum man in Amerika die Deutschen als "Sauerkrautpeople" bezeichnet. Wir kamen rasch vorwärts, und ich freute mich schon, so fahrplanmäßig in Lome einzutreffen - aber da wurden pessimistische Stimmen laut:

"Wenn wir nur erst Assinie hinter uns hätten!"

"Assinie? Warum?"

"Abwarten!"

Wir kamen eines Nachmittags nach Assinie. Faktoreienboote plätscherten von dem nebenanliegenden französischen Dampfer, dem sie Ladung brachten, zu uns herüber, um von uns Ladung zu übernehmen. Schnapskisten ! Das Boot wurde von unserer Barkasse ins Schlepptau genommen, um es bis zu den ersten Brandungswellen zu bringen. Keine 20 Meter vom Dampfer entfernt, griff schon einer der Schwarzen nach dem Brecheisen und - knick, knack, die Kiste war auf. Der Erste Offizier brüllte die Neger an. Doch sie ließen sich gar nicht stören.

"Was willst du", gaben sie frech zurück, während sie nach den Flaschen griffen und - krasch - mit ihren starken Zähnen den Hals knackten und den Inhalt, Flasche um Flasche angesichts des Schiffes in ihre Kehlen schütteten. Ganz still und ruhig sprach der Erste Offizier: "Sie sind ihnen bereits über den Kopf gewachsen, den Franzosen. Das ist der Ton, den sie ihren Herren gegenüber anschlagen. Sie kennen keine Disziplin mehr und verhöhnen den Weißen."

Und hier liegt vor allem auch die schwarze Gefahr! Eine Karte von dem schwarzen Erdteil zeigt ungefähr ein Drittel Afrikas, eine beinahe [49] kompakte Masse, den ganzen nordwestlichen Teil, mit den französischen Farben. Und dort werden braune und schwarze Menschen gedrillt und mit den modernsten Angriffswaffen ausgerüstet. Und Eisenbahnen, Autostraßen, Fluglinien, sie laufen strahlenförmig zusammen, auf Europa zu. Wenn man wirklich von einer schwarzen Gefahr sprechen kann, Frankreich züchtet sie in einer kaum verständlichen Unbekümmertheit hoch und baut ihr ein regelrechtes Einfallstor nach Europa, das es gegebenenfalls nicht mehr zu schließen in der Lage ist, dazu hat es den Schwarzen nicht fest genug in der Hand.

 
"Kommen Sie schnell, sehen Sie, ein Boot ist gekentert", schreckte mich der Kapitän aus meinem Sinnen auf. Draußen in den hohen Brandungswellen wirbelte ein Boot, kieloben herum, und wie schwarze Kugeln, umbrandet und umtost von brausender Gischt, strebten zehn Wuschelköpfe dem Strande zu. Nur einer von ihnen tauchte neben dem Boote auf, schwang sich darauf und ließ sich mit ihm herumtreiben. Die Barkasse vom französischen Dampfer näherte sich ihm vorsichtig. Ein Schwarzer sprang von ihr aus ins Wasser und schwamm hinüber zum Boot. Ein Tau zog er hinter sich her. Die beiden dunklen Figuren turnten herum auf dem Boot und im Wasser, und es gelang ihnen, das Tau festzumachen. Die Barkasse zog an und langsam das Boot mit sich. Doch plötzlich machte sie einen Satz und schoß davon. Und das Boot taumelte wieder allein und hilflos in der Brandung. War das Tau gerissen oder hatte es sich einfach gelöst? Die Barkasse machte kehrt. Mit vieler Mühe bekamen die beiden Neger das Boot wieder fest, und wieder zog es die Barkasse einige Meter mit sich und schoß dann wie das erstemal allein weiter. Ein dritter und vierter Versuch endete mit demselben Erfolg.

Unsere Barkasse kam in die Nähe, hielt still. Der deutsche Führer stand mit gespreizten Beinen und sah sich das Schauspiel erst einmal an. Als die französische Barkasse das viertemal allein davonrauschte, weit hinaus ins Meer, da warf er sein Tau dem Boote zu und bis jenes aufgefangen und herumgedreht war, zog er schon das gekenterte Boot hinter sich her und auf unseren Dampfer zu. Wie ein verprügelter Hund folgte nun die französische Barkasse hinterher, und wir am Schiffe freuten uns. Der Erste Offizier ließ nun das Boot am Kranen hochziehen und dann vorsichtig, damit es in seine normale Lage kam, wieder ins Wasser zurück. [50] Nun nahm es die französische Barkasse in Empfang, während das Mutterschiff seinen Dank herüber signalisierte - und tutete.

In der folgenden Nacht prasselte es plötzlich gegen die Schiffswand wie von Maschinengewehrfeuer. Monsum! Das quirlte und quixte um die Kabine herum, als stünde das Schiff unter Wasser, und am Morgen war der Strand verschwunden, so eingeschlossen hielt uns der strömende Regen. Keine Möglichkeit zur Löschung von Waren. Das sprang herab von oben und zwischen den Zeltverbindungen durch, und lustige kleine Bächlein schossen entlang am Deck. Es war auch am Schiff eine merkwürdig dumpfe und arbeitsunwillige Stille.

Selbst die Kruboys konnten an Deck nichts tun, und ihre gedämpften Laute, die aus den Räumen kamen, saugte das stumpfe, in seiner eintönigen Gleichmäßigkeit zum Rasen reizende Prasseln auf. Gegen Mittag lichtete sich der Himmel, und am frühen Nachmittag hörte der Regen auf. Aber die Brandung war stürmend wie nie zuvor. Ungeduldig signalisierte der französische Dampfer um Ladung und der deutsche um Löschung der Fracht. Langsam nur belebte es sich am Strand. Und dann endlich wurden drei Boote ins Wasser geschoben, und je zehn Ruderer - hier mit Paddeln ausgerüstet - und ein Steuermann nahmen den Kampf mit der stürmenden See auf.

Sie griffen hinein in das Wasser mit ihren Paddeln und die je fünf Menschen in einer Reihe bewegten sich taktgemäß, als wäre es ein sehniger Körper und ein Wille. Und das Boot stürmte an gegen die Mauer, die das tobende Element ihm entgegenschlug, stieg beinahe senkrecht an ihr empor und dann mit einem Satz darüber hinweg. Doch das Meer, ergrimmt, jagte ihm dicht dahinter eine zweite Welle entgegen und trieb es trotz verzweifelter Gegenwehr der Burschen vor sich her, den Weg zurück, den sie sich eben mühsam erkämpft hatten.

Die Neger im Boot verschnauften einige Momente, dann legten sie wieder los in einem wahnsinnigen Tempo, das trotzdem die sehnige Kraft, die darin lag, nicht verbergen konnte. Und sie nahmen im Ungestüm eine und auch zwei Wellen, doch eine dritte schlug sie zurück, unerbittlich. Und sie kämpften verbissen, während das Meer sie emporschleuderte, sie hin und her warf und abtrieb. Eines der Boote schien bereits gewonnen zu haben und über der Brandung zu sein. Da kam noch eine schwere Woge angerauscht und nahm das Boot trotz aller Gegenwehr der Menschlein wie eine Nußschale mit sich zum Strand. Und nun, ich verdachte es ihnen [51] wirklich nicht, sie hatten tapfer einen dreiviertelstündigen beinahe aussichtslosen Kampf gekämpft - legten sie die Paddeln hin und gingen an Land. Das zweite Boot wurde kurz nachher von einer Welle gekentert. Die schwarzen Burschen, gewandt wie Fische, schwammen an Land, und das Boot wurde durch die Brandung zurückgetrieben. Das dritte endlich kam durch und an Schiff. Man konnte den Jungens die Freude über den Kampf und den Sieg von ihren grinsenden Gesichtern ablesen, aber doch erklärten sie bestimmt: "Das Meer ist zu schlecht, nun kommen wir nicht mehr." Sie erhielten ihre Ladung und einen Brief.

Keiner der Weißen vom Schiff geht hier an Land, oder vom Land an Bord. Wichtige Schiffspapiere und Nachrichten werden von den Schwarzen hin und her befördert, aber nie im Original, sondern immer nur in Kopien. Zuviel ist hier schon verlorengegangen, im Meer verschwunden. Nun war für heute wieder Schluß. Wir hatten noch immer 120 Tonnen Ladung und waren heute eine halbe losgeworden. Was sollte das werden? Ich hatte meinen Dampfer von Togo weiter bereits festgelegt, jeder Tag, den ich hier so nutzlos verbringen mußte, fehlte mir dort.

Am nächsten Morgen prasselte wieder der Regen auf das Schiff. Da kam mit jammernden Tönen der erste Schiffsoffizier angehumpelt, die Füße täten ihm weh, denn es begännen ihm Schwimmhäute zu wachsen. Am Nachmittag gingen vier Boote vom Strande ab, drei kenterten, und nur eines kam durch, das seine Ladung bekam und auf dem Rückwege kenterte. Wieder waren wir an diesem Tage eine halbe Tonne los, aber sie lag im Meer.

Einige Tage länger sind wir hier und einige Tonnen losgeworden. Zum Teil hat sie das Meer verschluckt. Ist zufällig eines Nachmittags die See besser, so weigern sich die Neger zu arbeiten. Ich habe mich ergeben und lese mich im trauten Verein mit dem Schiffsingenieur so allmählich durch die Schiffsbibliothek hindurch, mit dem Kapitän zanke ich mich im familiären Ton beim Halmaspiel und zusammen mit dem Ersten Offizier lasse ich auf einem vorsintflutlichen Grammophon noch ältere Platten herunterkrächzen. Das Familiäre, das Gemütliche haben die Frachtdampfer den großen Passagierdampfern voraus. Zwischendurch warte ich nun, bis auch mir die Schwimmhäute gewachsen sind, um vielleicht doch noch das schöne Assinie an der Elfenbeinküste verlassen zu können.








Wann kommen die Deutschen endlich wieder?
Eine Reise durch unsere Kolonien in Afrika

Senta Dinglreiter