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Auf den Straßen des Todes. Leidensweg der 
Volksdeutschen in Polen.
 
Meine Internierung in Polen
Berichtet vom Seelsorger
der deutschen Katholiken in Posen, Hilarius Breitinger

(Scriptorium merkt an: mehr von Pater Hilarius finden Sie hier und hier!)

Als am Samstag, dem 26. August, vom Deutschen Generalkonsulat in Posen mir mitgeteilt wurde, daß die Reichsregierung ihren Reichsangehörigen in Polen den Rat erteile, sich sofort in das Reichsgebiet zu begeben, da sie ihre Sicherheit nicht mehr länger garantieren könne, war ich versucht, diesem Rate auch zu folgen, denn ich wußte ja, daß meine Tätigkeit als Seelsorger der deutschen Katholiken in Posen den Behörden und auch weiten Kreisen der [92] Bevölkerung stets ein Dorn im Auge war, obwohl ich mich nie mit Politik beschäftigte, sondern nur meine Seelsorgspflichten erfüllte und bei den allgemeinen deutschen kulturellen und sozialen Arbeiten, meinem Berufe entsprechend, mich beteiligte. Aus den Verhören, zu denen ich gerade in den letzten Monaten so zahlreich geladen wurde, hatte ich ja genau erfahren, daß man all diese Arbeiten als politische bezeichnete und daß man mir allen Ernstes "Germanisierung polnischer Menschen" zum Vorwurf machte. So fühlte ich mich gerade Ende August sehr unsicher und wäre gern in die sichere Heimat zurückgekehrt.

Doch hätte ich dies auch wieder als feige Flucht ansehen müssen, wenn ich in dieser schweren Zeit meine Gemeinde einfach im Stich gelassen hätte. Zudem glaubte ich ja auch von Sr. Eminenz dem Kardinal, der mich doch nach Posen berufen und mit der deutschen Seelsorge betraut hatte, beschützt zu werden und war endlich der festen Meinung, daß eine eventuelle Internierung für mich als katholischer Priester, in dem katholischen Polen höchstens in Klosterhaft bestehen würde, wie es ja auch während des Weltkrieges bei allen Staaten der Fall war.

Gar bald aber sollte ich erfahren, wie sehr ich mich getäuscht hatte. Am 1. September, abends etwa 6 Uhr, erschien ein Polizeibeamter an der Klosterpforte, der erklärte, ich sei verhaftet. Groß war sodann mein Erstaunen, als ich vor dem Kloster von einem weiteren Polizeibeamten mit aufgepflanztem Bajonett erwartet wurde, der mich mit drei anderen Verhafteten zusammen wie einen Schwerverbrecher zum Polizeipräsidium führte. Auf dem Polizeihofe, wo ich bereits etwa 20 Bekannte antraf, mußten wir dann die Nacht verbringen in banger Erwartung der Dinge, die uns noch bevorstanden. In dieser Nacht, die ziemlich kalt war, sahen wir, wie weitere Transporte von Leidensgenossen aus anderen Stadtteilen mit dem Gefängnisauto eingeliefert und in die Gefängniszellen gebracht wurden.

[93] Da die meisten meiner Leidensgenossen von Hause ohne jedes Gepäck abgeführt worden waren mit der Lüge, in einer halben Stunde wieder zu Hause zu sein, baten wir einen Wachtposten, uns doch etwas Brot zu kaufen. Derselbe erklärte sich dazu bereit und verlangte von uns Geld. Freudig gaben wir ihm dann zusammen 80 Zloty, doch sahen wir weder einen Bissen Brot dafür, noch etwas von dem Gelde wieder, obwohl dieser Polizist dann noch tagelang mit uns zusammen war. Auf unsere Fragen zuckte er nur mit der Achsel und erklärte, er wisse nicht, was wir wollten.

Gegen 11 Uhr mußten wir uns sodann in zwei Gliedern aufstellen. Ein Polizeibeamter in Zivil sprach uns im Namen des Wojewoden alle Ehrenrechte ab und erklärte uns dann zu unserem Erstaunen, daß wir jetzt in ein Lager marschieren müßten, und wer auf der Straße nicht ordentlich marschiere, der würde sofort erschossen. Die Polizisten mußten sodann ihre Gewehre laden, die Seitengewehre aufpflanzen, und so wurden wir dann durch die Straßen geführt, nach dem Vorort Glowno. Die Polizisten riefen der Menge, die links und rechts die Straßen säumte, immer wieder zu: "Dies sind alles Deutsche", und die Antwort der Menge war dann ein ungeheures Schreien und Toben und entsetzliches Fluchen. Am Alten Markt wurde dann die Menge schon handgreiflich und man bedachte uns mit unzähligen Stockschlägen, Fußtritten und Steinwürfen, so daß wir schon alle voller Beulen waren, als wir in Glowno ankamen und dort in einem Gasthaus untergebracht wurden. Das Erlebnis dieses Marsches war für mich so fürchterlich und unfaßbar, daß ich jetzt schon kaum mehr einen Gedanken fassen konnte. Dazu kam dann noch die bange Frage, was will man jetzt eigentlich mit uns machen?

Am Spätnachmittag wurden wir auf eine große Wiese geführt, die von einer großen Menschenmenge umlagert war und die für mich direkt zu einer "Schreckenswiese" wurde. Zunächst trafen wir mit einer großen Menge anderer[94] Gruppen zusammen, darunter Frauen und Kinder, zwei Krüppel mit Holzbeinen, die kaum laufen konnten, und vor allem auch eine große Menge mit verbundenen Köpfen, deren Kleider von oben bis unten mit Blut besudelt waren. Es war dies vor allem die Gruppe, welche die Nacht in den Gefängniszellen verbracht hatte und einige Stunden nach uns durch Posen geschleppt worden war. Die Volksmenge war also inzwischen noch wütender geworden und hatte diese völlig schuldlosen Menschen so zugerichtet. Auf dieser Wiese nun mußten wir uns in Reihen zu viert aufstellen und wurden abgezählt. Dann begann wieder eine neue Quälerei. Unsere Wachmannschaft bestand jetzt aus einigen Polizisten und verschiedenen Gymnasiasten in der Uniform der militärischen Jugendorganisation, die man mit Karabinern bewaffnet hatte. Der Anführer dieser Mannschaft war bezeichnenderweise einer dieser Gymnasiasten, der sich in einem schwarzen Regenmantel als Kommandant ungemein wichtig vorkam. Dieser ließ uns sodann unter unzähligen Flüchen und Beschimpfungen exerzieren und die "Rota" - einen Haßgesang auf Deutschland - singen. Sodann ließ er unter dem Gejohle der Menge mich als Ordensmann allein vortreten und exerzieren und stellte mich dann in die erste Reihe gleichsam als Anführer der Aufständischen, als der ich dann auch stets bezeichnet wurde. Hier glaubten wir nun, daß wir im nahen Bahnhof verladen und in ein Internierungslager gebracht würden. Aber zu unserem Schrecken ging es nun wieder zu Fuß weiter nach Schwersenz, durch ein Spalier verhetzter Menschen, die uns mit Schmähungen und Todesdrohungen umjohlten, mit Pferdemist bewarfen und uns so bespuckten, daß oftmals mein Gesicht völlig naß war. Dazu kamen dann noch unzählige Stockschläge, Steinwürfe und Fußtritte. Diesem Gesindel gegenüber waren wir natürlich völlig wehrlos, denn beim geringsten Widerstand hätte man uns ja ohne jedes Bedenken einfach erschossen.

[95] In Schwersenz wurden wir, auf einem Umwege am Bahnhof vorbei, auf den Marktplatz geführt und dort wie wilde Tiere dem Volke zur Schau gestellt. Dann wurden wir den gleichen Weg wieder zurückgeführt, am Bahnhof vorbei, zur Halle der Schwersenzer Möbelausstellung. Begleitet wurden wir auf diesem Wege von dem verhetzten und ganz vertierten Pöbel, der nicht einmal davor zurückschreckte, auf die Krüppel und Kinder auf dem Wagen solange mit Stöcken einzuschlagen, bis diese Stöcke ganz in Trümmer gegangen waren. Am Morgen des nächsten Tages - Sonntag, den 3. September - konnten wir uns dann gegenseitig begrüßen und so auch feststellen, daß man sämtliche Vorsitzenden aller deutschen Organisationen, die gesamte deutsche Geistlichkeit und alle Reichsdeutschen aus Stadt und Kreis Posen und aus dem Kreise Wollstein zusammengetrieben hatte. Es waren alles Menschen, die überzeugt waren, daß sie dem polnischen Staate gegenüber ihre Pflichten stets gewissenhaft erfüllt hatten und es auch darum nicht begreifen konnten, daß man uns jetzt noch schlechter als Schwerverbrecher behandelte. In Posen war diesen noch etwas passiert, was mich als katholischen Priester besonders unangenehm berührte. In der Nähe des Schlosses war diesen doch völlig schuldlosen Menschen ein junger Priester begegnet, der beim Anblick dieser erbarmungswürdigen Menschengruppe noch schrie: "An die Wand mit diesen Hunden! Schlagt sie alle tot!" Die Wollsteiner hatten auf ihrem Wege nach Posen bereits einige Tote und waren fast alle mehr oder weniger schwer verletzt. In Schwersenz erhielten wir noch einen Oberkommandanten in der Person eines sehr behäbigen und schwerfälligen Leutnants. Gegen Mittag mußten wir dann weiter Spießrutenlaufen auf den Straßen, die von den vielen Flüchtenden schon fast verstopft waren, durch Kotschin, Nekla und kamen am späten Abend nach Wreschen, wo wir trotz der späten Abendstunde vor einem Theatersaale noch sehr aufmerksam empfangen wurden mit schweren Stock- [96] hieben und kräftigen Fußtritten. Auf dem letzten Teile dieses Marsches und besonders während des üblichen Abzählens brachen viele ohnmächtig zusammen infolge der übermenschlichen Anstrengungen des Tages. Am nächsten Morgen verließ uns plötzlich unsere ganze Begleitmannschaft. Dann erschien ein Polizeibeamter in Uniform und holte die versäumte "Betreuung" sehr gründlich nach. Nachdem er uns fürchterlich angeschrien hatte, ließ er uns - bedroht von seinem Gummiknüppel - eine Zeitlang exerzieren, dann verlangte er die Ablieferung sämtlicher Waffen, die vorher noch nicht von der Begleitmannschaft "requiriert" worden waren. Unter diesen Waffen verstand er alle Arten von Messern, Rasierklingen, Nagelfeilen, ja sogar die Spazierstöcke, welche einige alte Herren bei sich trugen. Sodann nahm mich dieser Polizist noch einmal besonders vor, schrie mich an und nannte mich vor allen Anwesenden einen Heuchler und Schwindler und erklärte, man müsse mir das Kreuz abreißen, das ich an meinem Kleide trüge.

Gegen Mittag ging der Marsch weiter. Die Wachtmannschaft fuhr auf dem Wagen, zusammen mit den Kranken, und wir mußten oftmals im Trab hinter dem Wagen herlaufen, wenn es den Kutschern gerade gefiel. In den Städten wurden wir in der üblichen Weise, vor allem auf den Marktplätzen, aufgestellt, wohl in der Absicht, die Bevölkerung in eine entsprechende Begeisterung zu versetzen. Die Antwort des Pöbels war natürlich immer die gleiche, wie wir sie schon in Posen kennengelernt hatten. Mit Decken und Mänteln suchte jeder nur seinen Kopf vor den gefährlichen Steinen zu schützen. Alles andere machte schon keinen Eindruck mehr auf uns. Unsere Lage war oftmals lebensgefährlich. Unverständlich war es für mich vor allem auch, daß polnische Soldaten, ja sogar Offiziere, sich in besonderer Weise an diesen Mißhandlungen beteiligten. So kam es einige Male vor, daß polnische Offiziere, die sogar Ordensauszeichnungen an der Brust trugen, die Reihe entlang [97] gingen und jeden, den sie erreichen konnten, mit einem sehr kräftigen Fußtritt bedachten, so daß man jedesmal mehrere Tage lang kaum mehr sitzen konnte.

Am nächsten Morgen wurden wir bereits um 2 Uhr zum Weitermarsch geweckt. Die Wagen, die wir bis jetzt für die Krüppel hatten, blieben mit diesen zurück. Wie erschrocken waren wir, als wir später hören mußten, daß man diese einfach erschossen hatte. Bis zu unserer Befreiung hörten wir jetzt ständig Kanonendonner. Nach einem Gewaltmarsch ohne jede Ruhepause kamen wir gegen 10 Uhr nach Babiak, wo wir in den Schulräumen etwas rasten konnten. Am Nachmittag ging es weiter, in drei Gruppen eingeteilt und von vielen Soldaten bewacht. Nach diesem Marsch von einigen Stunden wurden wir auf einen Waldweg geführt, wo wir Uhren und sonstige Schmuckstücke, zum Teil sogar die Eheringe sowie alles Geld mit den Brieftaschen und Geldbörsen abliefern mußten. Zum Glück erwischten die Räuber bei der dritten Gruppe zuerst einige, die bereits vorher ausgeraubt waren, so daß sie glaubten, hier überhaupt nichts mehr finden zu können, und alles Suchen aufgaben mit der ärgerlichen Bemerkung: "Das sind ja alles arme Teufel." In Wirklichkeit waren aber noch einige recht wohlhabende Herren darunter, die uns dann später alle über Wasser halten konnten. Nach diesem Zwischenspiel ging der Marsch dann wieder weiter bis in die späte Nacht hinein. Im Garten eines Bauernhauses konnten wir uns dann zum Schlafen niederlegen, obwohl es die Nacht durch fast ständig regnete.

Als wir am Montag morgen wieder weitermarschieren mußten, konnten einige unserer Kameraden nicht mehr auf den Füßen stehen. Ein Herr kroch auf allen Vieren aus dem Garten. Da kam einer der Gymnasiasten, riß ihn hoch und stellte ihn zwischen zwei andere Männer, die noch gesund waren und ihn nun stützen mußten. Doch lange war dies nicht möglich. Bald wurde er von unserem Kommandanten aufgefordert, mit seinen beiden Begleitern im [98] Straßengraben zu warten. Den gleichen Befehl erhielt eine deutsche Lehrerin aus Posen, die schon bald hinter Schwersenz einen völligen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, weiter ein junger Mann, der sie führte und noch weitere 3 Fußkranke. Diese 8 Personen blieben unter polizeilicher Bewachung zurück. Wir glaubten, daß für sie wieder ein Wagen besorgt würde, doch mußten wir später leider erfahren, daß sie alle von ihrer Bewachung einfach erschossen und in direkt viehischer Weise mit Steinen zu Tode geschlagen wurden.

Gegen Mittag kamen wir dann nach Klodowa und wurden dort untergebracht in einem in verschiedene Hürden abgeteilten Gänsehof, in dem ein jüdischer Gänsehändler sein eingekauftes Geflügel zu sortieren und für einige Tage unterzubringen pflegte. Wenn wir in den letzten Wochen schon an allerlei primitive Nachtlager gewöhnt waren, so war es uns doch sehr unangenehm, jetzt in dem stinkenden Schmutz der Gänse schlafen zu sollen. Aber unsere Müdigkeit war größer als aller Ekel, und so schliefen wir am Abend auch bald und tief ein. Neben diesem Gänsestall war ein leerer, jüdischer Theaterraum. Als wir baten, daß doch wenigstens die Frauen und die Kranken sowie die über sechzig Jahre alten Leute dort schlafen könnten, wurde dies grob abgelehnt mit dem Bemerken, dieser Hof sei noch zu schade für uns.

Unsere Hauptnahrung blieben, besonders in den letzten Tagen, Pferde- und Mohrrüben, die wir im Vorbeigehen aus den Feldern reißen konnten. Ja, selbst Wasser gönnte man uns in jenen heißen Tagen nicht einmal zur Genüge. Nur selten wurde uns Gelegenheit geboten, Wasser zu schöpfen. Oftmals ließen wir uns von Kindern unsere Flaschen mit Wasser füllen gegen Bezahlung. Mehrmals kam es da auch vor, daß Soldaten den Kindern unsere Flaschen entrissen und sie auf dem Boden zerschlugen mit den Worten: "Denn diese Hunde brauchen kein Wasser!"

[99] Unsere Begleitmannschaft war in dieser Nacht sehr gereizt und wenn jemand nicht mitkommen konnte, gab es entsetzliche Stöße und Schläge mit dem Gewehrkolben. Gegen 2 Uhr morgens fanden wir Unterkunft in einem Bauernhofe in dem Dorfe Zlakow Borowy. Um 6 Uhr morgens wurden wir am nächsten Tage wieder geweckt von unserem Kommandanten und sollten weitermarschieren. Doch da sagten wir ihm, dies sei unmöglich, denn infolge der so äußerst mangelhaften Ernährung in den letzten beiden Wochen, bei den Gewaltmärschen von 50 bis 60 Kilometern täglich, waren wir in den letzten Tagen so ermattet, daß wir nicht mehr mithalten konnten. Auch unsere Wachtmannschaft hatte wenig Lust, diese Gewaltmärsche weiterhin durchzuführen und so geriet sie mit ihrem Kommandanten in Streit und erklärten ihm, daß er verrückt sei. Dann zogen sie sich zu einer kurzen Beratung zurück, an welcher auch ein Mitinternierter teilnahm und waren gegen 7 Uhr plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Der Kamerad, welcher an dieser letzten Beratung teilgenommen hatte, erzählte uns dann, daß die ganze Wachtmannschaft nicht wiederkäme. Sie hätte zwar den Auftrag gehabt, uns alle zu erschießen, wenn Gefahr bestünde, daß wir von den deutschen Truppen befreit würden, doch davon hätten sie abgesehen, nachdem sie noch einmal 100 Zloty erhalten hätten. Gegen 10 Uhr setzte ein sehr heftiger Fliegerangriff ein. Links und rechts krachten da die Bomben und überall schossen auch die polnischen Kanonen und Maschinengewehre. Dazu kamen noch die deutschen Sturzflieger und schossen mit ihren Maschinengewehren auf die polnischen Stellungen. Überall hörten wir also die Kugeln pfeifen. Auf dem Felde brannten - ganz in unserer Nähe - einige Strohschober. Direkt neben meinen Beinen ging eine Kugel in den Boden. Eine entsetzliche Stunde war dies, doch wunderbarerweise wurde niemand von uns verletzt. Gegen 11 Uhr verschob sich der Kampfplatz weiter nach rück- [100] wärts, und um 12 Uhr sahen wir die ersten deutschen Soldaten. Wir konnten das Glück, jetzt endlich befreit zu sein, kaum fassen. Weinend fielen wir uns gegenseitig um den Hals und beglückwünschten uns zu unserer Rettung. Dann sangen wir den Choral "Nun danket alle Gott" sowie die deutschen Nationalhymnen.

Drei schreckliche Wochen waren es, die ich in polnischer Internierung verbringen mußte. So schrecklich war das alles, daß man es gar nicht so schildern kann in seiner ganzen Grausamkeit, wie wir es erleben mußten. Viele aber werden noch lange, zum Teil wohl sogar ihr ganzes Leben lang, unter den Folgen dieses Marsches zu leiden haben. Teilnehmer anderer Gruppen erzählen, daß sie zum Teil drei Tage lang in Viehwagen eingesperrt wurden ohne jede Verpflegung, ohne einen Tropfen Wasser und ohne eine Möglichkeit, den Wagen zu verlassen zur Verrichtung ihrer Notdurft, oder persönlich der willkürlichen und sadistischen Ermordung ihrer Kameraden zusehen mußten. Viele mögen wohl auch sagen, daß dies nicht stimmt, weil Menschen nicht so grausam sein können, besonders in einem katholischen Lande. Aber ich muß es bekennen, daß die Grausamkeiten und Rohheiten, von denen in den Zeitungen berichtet wurde, nicht übertrieben sind, ja, es läßt sich gar nicht so furchtbar schildern, wie es in Wirklichkeit war.



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