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Lage der deutschen Südseeinseln im Pazifik.
Lage der deutschen Südseeinseln im Pazifik.
II. Die einzelnen Kolonien
     vor und nach dem Kriege

5. Deutsch-Neuguinea

a. Erwerbung und Erforschung

Das Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea zerfiel in drei Teile:

1. Kaiser Wilhelmsland. Das war der deutsche nordöstliche Teil der Hauptinsel, des "Festlandes" Neuguinea; die westliche Hälfte gehört den Holländern, der südöstliche Teil den Engländern.

2. Den Bismarckarchipel nebst den beiden nördlichsten Salomonsinseln.

3. Das Inselgebiet der Karolinen-, Palau-, Marianen- und Marshallinseln.

Von diesen Gebieten bildeten nur die beiden erstgenannten, Kaiser Wilhelmsland und der Bismarckarchipel nebst Salomonsinseln zuerst das Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea, und zwar gehörten ursprünglich auch noch einige weitere Salomonsinseln zu dem Gebiet, nämlich Ysabel und Choiseul nebst den Shortlandinseln. Im Jahre 1899 wurden die Karolinen-, Marianen- und Palauinseln von Deutschland Spanien abgekauft, welches in dem Kriege mit den Vereinigten Staaten von Amerika seine kolonialen Besitzungen zum größten Teil verloren hatte. Das Inselgebiet wurde dem Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea zugeteilt. Im gleichen Jahre verkleinerte sich andererseits das Schutzgebiet, indem die vorgenannten südlicheren Salomonsinseln Ysabel und Choiseul in dem sogenannten Samoavertrag von Deutschland an England abgetreten wurden. Die Marshallinseln hatten seit ihrer Erwerbung 1885 ein selbständiges Gebiet gebildet, an dessen Spitze ein Landeshauptmann stand, während der Handel hauptsächlich von der Jaluitgesellschaft betrieben wurde; 1906 wurden die Marshallinseln dem Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea zugeteilt.

Anfänglich war für das Schutzgebiet der Neuguinea-Compagnie ein Kaiserlicher Schutzbrief erteilt worden, die Compagnie übte die Rechte der Landeshoheit aus. 1899 wurden diese Rechte vom Reich zurückgenommen. Aus dem "Schutzgebiet der Neuguinea-Compagnie" wurde das Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea.

Die früheste Kunde von diesen Südseeinseln brachten die Spanier von ihrer ersten Weltumsegelung im Beginn des 16. Jahrhunderts. Aber erst Cook blieb es im 18. Jahrhundert vorbehalten, die Umrisse der Länder im einzelnen zu entschleiern. Er hat viele Nachfolger unter allen Nationen gefunden, die auch Entdeckerfreude und Forschungsdrang hierhertrieb, wie Dampier, Bougainville, D'Entre- [137] casteaux, von Kotzebue und v. Chamisso. Doch ist das Gebiet so ausgedehnt, daß der Einzelforschung, die nun von den Kolonialvölkern zumeist im eigenen Besitz vorgenommen wurde, ein weites Feld vorbehalten blieb. Von deutschen Forschern in unseren ehemaligen Südseekolonien mögen genannt werden vor allem Dr. Finsch, ferner K. Neuhauß, Friderici, Thilenius, Hambruch, Thurnwaldt, Schultze-Jena, Behrmann, Sapper, Schlechter, Warburg, sowie die Reisenden Zöller und Ehlers. Von besonderer Wichtigkeit für die Vermessung war die Tätigkeit unserer Marine, die mit ihren Vermessungsschiffen wie z. B. der "Gazelle" und der "Möwe" sowie den Kreuzern der Südseestation Hervorragendes geleistet hat.

 
b. Kaiser-Wilhelms-Land und Bismarckarchipel

(i) Das Land

Kaiser-Wilhelms-Land hatte eine Fläche von etwa 180 000 qkm und bildete das nordöstliche Viertel der Insel Neuguinea, der zweitgrößten der Erde. Trotz verschiedener Bereisungen gehört das Innere noch immer zu den am wenigsten bekannten Teilen der Welt. Kaiser-Wilhelms-Land wird zum größten Teil von Gebirgen eingenommen, die mehr als 4000 m Höhe erreichen. Meist treten die Berge bis unmittelbar an die Küste heran, nur an wenigen Stellen finden sich ausgedehnte Ebenen, meist dort, wo größere Flüsse vorhanden sind. Das Land ist reich an Wasserläufen, von denen die größten befahrbar sind. Die bedeutendsten sind der Kaiserin-Augusta-Fluß und der Ramu-Fluß, die nicht weit voneinander an der N-Küste münden und weithin schiffbar sind, ersterer auf 400 km, letzterer auf 200 km. Der etwa 800 km langen Küste sind zahlreiche Korallenriffe und Inseln vorgelagert. Die bedeutendsten Buchten sind die Astrolabe-Bai an der Nordküste und der Huon-Golf im SO, der, weit ins Land dringend, den Markhamfluß aufnimmt.

Der Bismarckarchipel besteht aus etwa 200 Inseln, welche über einen weiten Raum 0°4' und 6°30' südlicher Breite verstreut sind. Ihre Landfläche umfaßt 57 000 qkm, einschließlich der deutschen Salomonsinseln. Die größte Insel ist das langgestreckte Neupommern (25 000 qkm), deren nördlichster Teil die Gazelle-Halbinsel ist; an Größe folgt das dieser nordöstlich vorgelagerte Neu-Mecklenburg (13 000 qkm). Die weiteren Inseln bleiben an Größe weit zurück, wie Neu-Hannover und die Admiralitätsinseln. Die deutschen Salomonsinseln umfaßten seit 1899 nur noch die Inseln Bougainville und Buka sowie einige weitere unbedeutende, zu- [138] sammen 10 000 qkm. Die größten Inseln des Archipels sind gebirgig, Höhen bis zu 2000 m kommen auf Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg vor, solche von 3000 m auf Bougainville. Alle größeren Inseln weisen vulkanische Bildung auf, auch sind einige noch tätige Vulkane vorhanden. Den Küsten sind regelmäßig Korallenriffe vorgelagert, die sich bisweilen bis weit ins Meer erstrecken.

Infolge der reichen Küstengliederung finden sich im Bismarckarchipel eine Reihe guter Häfen, von denen der wichtigste zuletzt Rabaul war (früher Simpson-Hafen genannt), der nach der Verlegung des Gouvernements die Stellung des früher bedeutendsten Hauptplatzes Herbertshöhe übernahm.

Das Gebiet hat seiner äquatornahen Lage entsprechend tropisches feucht-warmes Klima, das natürlich je nach der Höhenlage gewisse Abweichungen zeigt. Die Durchschnittswärme beträgt 25 bis 26°. Neu-Guinea steht abwechselnd unter der Herrschaft des SO-Passates und des NW-Monsunes. Für den Eintritt der Regenzeit und die Regenhöhe ist die Lage zu den Hauptwindrichtungen entscheidend. Das Land hüllt ein üppiger, kaum zu durchdringender Regenwald ein, aus dem nur die höheren Gebirgszüge mit Baumsteppen und Matten hervorragen. Jedoch weist die Gazelle-Halbinsel ausgedehnte Flächen mit Alang-Alang-Gras auf. Die Tierwelt deutet auf einen engen Zusammenhang mit Australien hin. Raubtiere und Affen fehlen, aber es sind Beuteltiere in großer Zahl vertreten. Weitere Säugetiere sind durch die Europäer eingeführt worden.

Die weiße Bevölkerung war verhältnismäßig gering an Zahl, doch von großer wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung. Sie hat sich von 1904–13 mehr als verdoppelt. Im Kaiser-Wilhelm-Land befanden sich 1913 273 Weiße, davon 264 Deutsche und davon 76 Frauen. Im stärker erschlossenen Bismarckarchipel lebten 1913 685 Weiße, davon 482 Deutsche und davon 134 Frauen. Ferner wies das Gesamtgebiet etwa 1200 nichteinheimische Farbige auf, zumeist Chinesen. Die farbige eingeborene Bevölkerung wurde auf 600 000 geschätzt. Die Bevölkerung gehört teils zu den Papua, teils zu den Melanesiern, die beide durch dunkle Hautfarbe und schwarzes, wolliges Büschelhaar gekennzeichnet sind. Sie gliedern sich in kleine Stämme, die untereinander in dauernder Fehde liegen. Sie sprechen zahlreiche, verschiedenen Sprachgruppen angehörige Dialekte. Noch heute stehen sie auf einer sehr niedrigen Kulturstufe und huldigen vielfach dem Kannibalismus. Sie kannten keine Metalle, als die Europäer eindrangen. Ihre Ernährungsgrundlage bilden [139] Hackbau und Fischfang. Die Besiedlung beschränkt sich zumeist auf die Küstenzone.

 
(ii) Die Wirtschaft

Einer raschen Entfaltung des wirtschaftlichen Lebens stand der primitive Zustand der Bevölkerung und ihre verhältnismäßig geringe Zahl entgegen, jedoch ließen die steigenden Handelsumsätze einen erfreulichen Fortschritt erkennen. Die Hauptstütze des Handels war der Plantagenbau, dessen Produkte, vor allem Kopra, ⅘ des Ausfuhrwertes bestritten, außerdem kamen Perlen, Schildpatt, Trepang und Steinnüsse zum Export (Gesamtausfuhrwert etwa 5 Mill. RM.). In der Einfuhr, die an Wert die Ausfuhr ein wenig übertraf, standen bezeichnenderweise Lebensmittel und Fleisch obenan, es folgten Webwaren und Metallfabrikate als Tauschwaren, Genußmittel, sowie Kohlen für den Schiffsverkehr der Inseln. Der Handel mit den Eingeborenen lag in der Hand zumeist deutscher Handelshäuser, deren Faktoreien über die Inselflur verstreut waren. Vereinzelt waren chinesische Zwischenhändler tätig.

Die Plantagenwirtschaft hat nach manchen anfänglichen Mißerfolgen eine gefestigte Stellung im Wirtschaftsleben erworben. Die Pflanzungen, die sich auf die Küstengebiete beschränken mußten, waren vor allem mit Kokospalmen bestanden, die die wertvolle Kopra liefert. Anfang 1907 nahm die Kokospalmenkultur auf Kaiser-Wilhelms-Land 4700 ha ein, im Bismarckarchipel 10 500 ha, bis 1913 hatten sich die Flächen nahezu verdoppelt. Entsprechend stieg die Produktion (jedoch einschließlich der Eingeborenenproduktion) von 5700 t im Werte von 1,6 Mill. M. auf 11 300 t im Werte von etwa 3,4 Mill. M. Da erst ⅓ aller Bäume trug, war eine starke Steigerung des Exportes zu erwarten. Das zweitwichtigste Plantagenerzeugnis, aber weit hinter der Kopra zurückstehend, war der Kautschuk, der 1913 nur 2300 ha einnahm. Ferner wurden in geringem Umfang angebaut Kaffee, Kakao und Bananen. Schwierig waren allmählich die Arbeiterverhältnisse geworden, da es nicht mehr gelang, einheimische Insulaner in ausreichender Zahl einzustellen. In steigendem Maße mußte man zu Anwerbungen auf Nachbarinseln greifen und sogar Malaien und Chinesen heranziehen. Aber gerade die Chinesen, die jede Gelegenheit wahrnahmen, sich selbständig zu machen, erfreuten sich keiner großen Beliebtheit bei den ansässigen Weißen und der Verwaltung. Auch für europäische Pflanzer und Aufseher stellten sich, besonders auf dem Festlande Neuguinea, manche klimatischen Unzuträglichkeiten heraus.

[140]
c. Das Inselgebiet der Karolinen, Palau-, Marianen- und Marshallinseln

Das Inselgebiet wurde, mit Ausnahme der Marshallinseln, die seit 1885 unter deutschem Schutze standen, 1899 durch Kauf von Spanien erworben. Es umfaßt eine große Zahl kleiner und kleinster Inseln, die dem Gebiet den Namen Mikronesien (Kleininselland) eingetragen haben. Sie sind zumeist Koralleninseln, nur wenige sind vulkanischen Ursprungs. Das Gesamtareal der über einen riesigen Raum im Stillen Ozean verstreuten Inseln beträgt knapp 2500 qkm. Die Karolinen, die mehr als 700 Inseln umfassen, teilt man herkömmlich ein in Westkarolinen, Hauptinsel Jap mit Bezirksamt, und Ostkarolinen mit Ponape, ebenfalls Bezirksamt. Sie erstrecken sich vom Äquator bis zu 10° nördlicher Breite und reichen von 132° bis 164° östlicher Länge. Die beiden Hauptinseln ragen hoch auf und sind von Korallenriffen umsäumt, die aber eine Einfahrt freilassen. Die westlichste Inselgruppe sind die Palauinseln, die überwiegend vulkanischen Ursprungs sind. Den Karolinen nördlich vorgelagert sind die Marianen, eine vorwiegend von N nach S verlaufende Kette bildend, die bis dicht an den Wendekreis heranreicht. Die größte Insel Guam ist im Besitz der Vereinigten Staaten und bildet eine wichtige Kabelstation; die bedeutendsten deutschen Inseln waren Saipan und Tinian. Die Marshallinseln, 1885 bis 1906 von einem eigenen Landeshauptmann verwaltet, der in Jaluit seinen Sitz hatte, sind kleine Koralleninseln. Auf der südlichsten, Nauru, fast unter dem Äquator, jedoch südlich von diesem gelegen, finden sich bedeutende Phosphatlager. Mit der Ausbeutung der überaus reichen Ablagerungen wurde 1907 mit Hilfe chinesischer Kulis begonnen. Auch auf Angaur in der Palaugruppe und auf Fais in den Westkarolinen waren Phosphatlagerstätten vorhanden, die gleichfalls ausgenutzt wurden.

Das Klima der Inselgebiete ist tropisch mit einer mittleren Jahrestemperatur von 25–27° bei sehr geringen Wärmeschwankungen und erheblicher Luftfeuchtigkeit. Das Innere der Inseln ist gleichmäßig mit Wald bedeckt, während der Strand mit Kokospalmen bestanden ist, die sich auch aus den Lichtungen der Eingeborenendorfstellen erheben. Die größeren vulkanischen Inseln sind meist von einem Mangrovegürtel umgeben. Das gesamte Inselgebiet liegt im Bereich der Taifune, der zerstörenden, plötzlich auftretenden Wirbelwinde, die Häuser und Bäume vernichten und gelegentlich ungeheure Flutwellen hervorrufen, die dann die flachen [141] Inseln völlig überschwemmen und vielen Menschen den Tod bringen. Die Tierwelt ist arm an Säugetieren, nur die Vogelwelt ist in zahlreichen Arten vertreten.

Die weiße Bevölkerung zeigte 1913 einen Stand von 459, davon 75 Frauen und 259 Deutsche. An fremden Farbigen wurden etwa 1700 geschätzt. Das Inselgebiet wird von Mikronesiern bewohnt, deren Herkunft und rassische Stellung noch nicht einwandfrei festzustellen ist. Wahrscheinlich stellen sie eine Mischung aus den Melanesiern und den Polynesiern dar, auch malaiischer Einschlag ist wohl vorhanden. Es sind wohlgewachsene Menschen von brauner Hautfarbe mit schwarzem, schlichtem Haar. Ihre Gesamtzahl wird auf 50 000 geschätzt. Besonders dicht bevölkert ist die Marshallgruppe. Eine besondere Stellung nehmen die Eingeborenen der Marianen ein, die Chamorro. Ihre Zahl war in früheren Zeiten unter dem Druck der spanischen katholischen Mission, die nicht davor zurückschreckte, Bekehrungen mit Gewalt vorzunehmen, stark zurückgegangen, da Kämpfe und Aufstände dauernd das Land beherrschten. Auf spanischen Einfluß ist auch das Vorhandensein jetzt verwildeter Haustiere wie Rinder, Schweine und Geflügel zurückzuführen. Die Eingeborenen des Inselgebietes haben sich unter der deutschen Herrschaft friedlich entwickelt, abgesehen von einem 1910 auf Ponape ausgebrochenen Aufstand der Dschokadschleute, bei dem der Bezirksamtmann, Regierungsrat Boeder, mit einigen weißen Begleitern ermordet wurde.

Das Wirtschaftsleben beruhte früher auf der Ausfuhr von Sammelprodukten der Eingeborenen und Einfuhr von allerlei Tauschwaren europäischer Herkunft. Durch die Ausbeutung der Phosphatlager ist jedoch eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten zugunsten der europäischen Unternehmungen. In den beiden Verwaltungsbezirken Jap und Ponape betrug der Gesamthandel 3,15 Mill. M. bzw. 7,12 Mill. M. Während jedoch der Bezirk Jap nur einen kleineren Ausfuhrüberschuß aufwies, 1,37 Mill. M. Einfuhr gegen 1,88 Mill. M. Ausfuhr, war die Ausfuhr des Bezirkes Ponape, das die Phosphatinsel Nauru umschließt, 2½ mal so hoch wie der Import (5,16 Mill. M. gegen 1,96 Mill. M.). Ausgeführt wurden vor allem Phosphat, Kopra, ferner Trepang und Fischereiprodukte; zur Einfuhr gelangten Textilien, Nahrungsmittel, Eisenwaren, geistige Getränke, Tabak und sonstige Bedarfsartikel. Der Eingeborenenproduktion entstammte vor allem die Kopra. Die Kokospalme findet sich in sehr zahlreichen Beständen auf allen Ko- [142] ralleninseln und auch am Strande der größeren Inseln. Die Tätigkeit der Europäer, soweit sie nicht in der Verwaltung oder in der Mission beschäftigt waren, bestand überwiegend im Handel mit den Eingeborenen. Eine nennenswerte Plantagenwirtschaft hat sich bei dem beschränkten Raume nicht zu entwickeln vermocht und ist auch aus diesem Grunde und wegen der ständigen Taifungefahr nicht zu erwarten. Dagegen bot der Phosphatabbau europäischen Ingenieuren und sonstigen Angestellten ein lohnendes Arbeitsfeld.

 
(i) Verwaltung

Deutsch-Neuguinea wurde von Rabaul auf Neupommern (früher von Herbertshöhe) verwaltet. An der Spitze stand der Gouverneur. Diese Stellung hatte von 1899–1902 v. Bennigsen inne, 1902 bis 1914 Dr. Hahl, dem 1914 Dr. Haber folgte. Die Lokalverwaltung besorgten 5 Bezirksämter in Rabaul, Käwieng, Friedrich-Wilhelmshafen, Ponape und Jap, denen wiederum einzelne Regierungsstationen unterstanden. Deutsch-Neuguinea, dessen wirtschaftliche und kulturelle Stufe einer starken Förderung von außen bedurfte, erhielt einen mäßigen Reichszuschuß. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung war eine kleine Polizeitruppe von etwa 600 Farbigen vorhanden.

 
(ii) Ärztliche Versorgung

In den ungeheuer weit ausgedehnten Südseekolonien, in denen tropische Krankheiten aller Art unter Weißen und Farbigen ihre Opfer finden, gestaltete sich die ärztliche Versorgung sehr schwierig, war aber trotzdem von Erfolg gekrönt. 7 Regierungsärzte, unterstützt von weiterem Sanitätspersonal, betreuten Europäer und Farbige in modernen Hospitälern und Krankenstationen. Daneben wurden auf regelmäßigen Bereisungen die abgelegenen Gebiete aufgesucht, und auch dort Belehrung und Hilfe erteilt. Besonderer Beobachtung und Behandlung bedurften die von auswärts eingeführten Pflanzungsarbeiter, für die auf Vorschrift des Gouvernements eigene Krankenanstalten geschaffen wurden.

 
(iii) Mission und Schule

Die weit verstreuten Besitzungen in der Südsee waren das Tätigkeitsfeld zahlreicher protestantischer und katholischer Missionsgesellschaften (s. darüber Art. "Mission" in Deutsches Koloniallexikon). Nicht nur deutsche Vereinigungen und Orden arbeiteten [143] hier unter ganz besonders schwierigen Bedingungen, sondern auch Glaubensboten australischer, englischer und amerikanischer Gesellschaften. Die Zahl der katholischen weißen Missionare, etwa 400 auf 87 Hauptstellen, überwog bei weitem die der Protestanten, 102 auf 51 Stationen. Hier, wie sonst in den übrigen Schutzgebieten, war die Mission die Trägerin des Schulwesens, das im Gegensatz zu obigen Zahlen eine weit stärkere Verbreitung evangelisch geleiteter Schulen zeigt als katholischer (etwa 700 gegen 270). Die Kolonialverwaltung unterhielt 2 Regierungsschulen.

 
d. Deutsch-Neuguinea unter Mandatsherrschaft

Die mandatarische Verwaltung Deutsch-Neuguineas, abgesehen von dem Inselgebiet der Karolinen, Marianen, Palau und Marshallinseln, ist dem Australischen Staatenbund übertragen worden. Das Mandat über das Inselgebiet hat Japan erhalten mit Ausnahme der kleinen aber wertvollen Phosphatinsel Nauru, welche als eigenes Mandatsgebiet unter britische Verwaltung kam.

 
e. Das australische Mandat

Die eingeborene Bevölkerung des rund 240 000 qkm großen australischen Mandatsgebiets Neuguinea (nur Landflächen) wurde 1933 auf 400 000 Köpfe geschätzt, einschließlich der Kontraktarbeiter. Die nichteinheimische Bevölkerung belief sich auf ungefähr 5200 Personen, davon etwa 2600 britische Staatsangehörige und 380 Deutsche, ferner sind in dieser Zahl rund 1350 Chinesen enthalten.

Das Territorium Neuguinea ist für Verwaltungszwecke in 7 Distrikte eingeteilt, von denen 3 auf das Kernland, 4 auf die Inselgruppen entfallen. Der Administrator und die Zentralverwaltung haben ihren Sitz in Rabaul. Der Beamtenstab ist gegen die deutsche Zeit vermehrt worden; es scheint sich jetzt ein etwas besseres Verhältnis zwischen den Behörden und der Bevölkerung ergeben zu haben als in den ersten Jahren der Mandatsverwaltung, aus der zahlreiche Klagen über verständnislose Behandlung der Eingeborenen und mangelnde Fürsorge für dieselben vorliegen.

Das Schulwesen liegt wie vor dem Weltkrieg überwiegend bei den Missionsgesellschaften, die etwa 1900 Schulen unterhalten und dafür erhebliche Verwaltungszuschüsse erhalten. Neben einigen Regierungsschulen für Farbige gibt es 2 Regierungsschulen für Europäer, dazu eine Missionsschule für Europäer und 2 chinesische Schulen.

[144]
(i) Wirtschaft

Die Wirtschaft des australischen Mandates wurde nach der Mandatsübernahme dadurch zunächst schwer geschädigt, daß an Stelle der deutschen Pflanzer australische Soldaten die Plantagenwirtschaft in die Hand nahmen. Obwohl den Deutschen Aufenthaltsrecht und Schutz des Privateigentums zu Anfang des Krieges zugebilligt worden war, erfolgte 1921 unter Bruch des geschlossenen Abkommens die Liquidierung ihres Vermögens und ihre Ausweisung unter besonders kränkenden Bestimmungen. Den Australiern fehlte es, als sie die blühenden Anlagen übernahmen, sowohl an der Kenntnis des Anbaus tropischer Kulturen als auch an Erfahrungen in der Eingeborenenbehandlung. Erst langsam besserten sich die katastrophalen Zustände, und seit 1926 sind auch wieder Deutsche im Mandatsgebiet tätig. Die folgenden Jahre brachten dann eine dauernde Steigerung des Gesamthandels und einen bedeutenden Ausfuhrüberschuß. So betrug die Einfuhr z. B. 1927/28 812 000 £, die Ausfuhr dagegen 1 471 000 £. Unter gleichzeitigem Rückgang des Gesamthandels verringerte sich diese Spanne auf wenig mehr als 100 000 £ 1929/30, bedingt durch den Preissturz der Kopra, die damals noch wie in deutscher Zeit das wichtigste Landeserzeugnis darstellte. Seitdem hat sich die Wirtschaftslage durch das Auftreten des Goldes in der Ausfuhr stark gebessert, und das Gold, das im Bezirk Morobe im Innern gewonnen wird, ist an die Spitze aller Ausfuhrprodukte getreten. Mit der Ausbeutung der Goldvorkommen, die heute die Ausfuhr entscheidend bestimmen, war schon zu deutscher Zeit begonnen worden, aber erst die moderne Verkehrstechnik hat es vermocht, die unwegsamen Urwaldstrecken zwischen der Küste und den Fundstätten mit Hilfe von Flugzeugen zu überwinden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß vor allem deutsche Junkersflugzeuge, zum Teil sogar mit deutscher Besatzung, auf dieser Flugstrecke verwendet werden.

Der Gesamthandel zeigt heute das folgende Bild:

Werte in 1000 austral. £
1931/32 1932/33

Einfuhr   779   912
Ausfuhr 1108 1581
Gesamthandel 1887 2493
Ausfuhrüberschuß       329   668

In der Ein- und Ausfuhr steht Australien weitaus an der Spitze, in der Einfuhr folgen dann die Vereinigten Staaten und Groß- [145] britannien, während als Abnehmer Frankreich an zweiter Stelle steht. Deutschlands Anteil am Handel des Mandatsgebietes ist sehr gering und betrug 1932/33 nur noch 2%.

 
f. Das Japanische Südseemandat

Die nördlich des Äquators gelegenen Inselgebiete, die zu Deutsch-Neuguinea gehörten, fielen an Japan, das sie 1914 besetzte und auch nach seiner Austrittserklärung aus dem Völkerbund nicht willens ist, die Mandatsverwaltung an diesen zurückzugeben, sondern den Standpunkt vertritt, daß ihm die Inselgebiete auf Grund der während des Krieges geschlossenen Geheimabkommen (s. S. 46/47) gehören. Dieser Standpunkt entbehrt der Rechtsgrundlage. Die Übertragung von Mandaten beruht ausschließlich auf der Völkerbundssatzung in Verbindung mit dem Versailler Vertrag, von dem sie einen Bestandteil bildet. Irgendwelche vorherige Abmachungen haben daneben keine Gültigkeit. Wenn versucht werden sollte, das von Japan beabsichtigte Verfahren durchzuführen, so würden dadurch die Grundlagen des gesamten Mandatssystems bezüglich der deutschen Kolonien erschüttert. Eine Neuregelung würde damit unabweisbar (s. auch S. 58/59).

Das unter japanische Verwaltung gefallene Gebiet, vom Mandatar "Nan-yo" genannt, umfaßt die Marianen-, Karolinen-, Palau- und Marshallinseln. Seiner Landoberfläche nach, 2150 qkm, ist es von bescheidener Größe, um so mehr als sich diese auf mehr denn 1400 Inseln verschiedenster Größe verteilen und über einen weiten Meeresraum verstreut sind. Die Gesamtbevölkerung der Inseln zählt knapp 80 000 Menschen, davon mehr als 28 000 Japaner. Diese verteilen sich allerdings recht ungleich über die Inseln, drei Viertel von ihnen (rund 22 000) wohnen auf den Marianen, die damit eine zu mehr als vier Fünftel japanische Bevölkerung haben. Mit 30% ist das japanische Element noch auf der Phosphatinsel Angaur vertreten. Die Zahl der Weißen in diesen Inselfluren, die vor dem Weltkrieg mehrere Hunderte zählten, ist auf weniger als 100 zusammengeschrumpft, von denen mehr als die Hälfte im Dienste der verschiedenen Missionen stehen. Die Deutschen zählen heute nur noch 14 Köpfe, von ihnen 7 ebenfalls im Missionsdienst. Der europäische Kaufmann ist völlig verdrängt worden. Das Mandatsgebiet ist zu Verwaltungszwecken in 7 Bezirke eingeteilt, die einem Zentralbüro auf Korror in der Palaugruppe unterstehen. Gegenüber der deutschen Verwaltung ist der [146] Behördenapparat stark erweitert und weist rund 700 Beamte auf. Daß für die Kinder der japanischen Siedler, die sich jeder Unterstützung durch die Mandatsverwaltung zu erfreuen haben, auch auf dem Gebiete der Schule gut gesorgt ist, bedarf kaum der Erwähnung. Aber auch das Schulwesen für die eingeborene Bevölkerung steht auf einer hohen Stufe und stellt eines der wirkungsvollsten japanischen Propagandainstrumente dar.

Dank der wirtschaftlichen Aktivität der Japaner und der Aufnahmefähigkeit Japans für die Produkte der Inseln, hat die Wirtschaft einen bedeutenden Aufschwung genommen, und es ist ein ständiger beachtlicher Ausfuhrüberschuß zu verzeichnen.

Werte in Millionen Yen
1929 1930 1931

Einfuhr 7,12 5,72 5,96
Ausfuhr 7,64 10,69 12,80
davon Zucker 3,25 6,78 9,24
    "     Kopra 1,85 1,71 1,27
    "     Phosphate 1,53 1,19 0,87

Wie die Tabelle zeigt, ist der Zucker, der auf den Marianen gewonnen wird und dessen Anbaufläche von 20 ha 1916 bis auf 6600 ha 1931/32 zugenommen hat, das wichtigste Ausfuhrprodukt. Die Kopra, auch hier einst das führende Produkt, liefert nach dem Sturz der Koprapreise nur mehr ein Zehntel des Ausfuhrwertes. Die Phosphatlager von Angaur, die im Besitz der japanischen Regierung sind, ergeben eine jährliche Ausbeute von 60–70 000 t Phosphat. Auch der Fischerei läßt man jede mögliche Förderung angedeihen, mit dem Erfolg, daß Meeresprodukte in der Ausfuhr heute an vierter Stelle stehen.

Bei den engen Verbindungen zwischen Japan und seinem Mandatsgebiet, das als C-Mandat mit diesem in Zollunion steht, kann es nicht auffallen, daß der Außenhandel sich fast völlig mit Japan vollzieht, das für die Erzeugnisse (vor allem Zucker, Kopra und Phosphate) ein guter Kunde ist, während es andererseits auch den Einfuhrbedarf der Inseln (Reis, Textilien, Maschinen) befriedigen kann.

Die enge Verknüpfung des Südseebesitzes mit seinem Mandatar wird durch ein dichtes Verkehrsnetz gefördert. Staatlich subventionierte Dampferlinien verbinden die Inseln untereinander und mit Japan. Mit großen Kosten sind neue Häfen gebaut worden, in denen das Einlaufen eines nichtjapanischen Dampfers eine große Ausnahme bedeutet.

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g. Mandatsgebiet Nauru

Das zur Gruppe der Marshallinseln gehörige Nauru (22 qkm) wurde nicht ohne Grund von den übrigen Besitzungen abgetrennt und zum eigenen Mandat gemacht. Infolge seiner ungewöhnlich reichen Phosphatlager gönnten sich die beteiligten Mächte gegenseitig den Besitz der Insel nicht. Sie übertrugen die Ausbeutung daher einem Komitee, in dem England, Australien und Neuseeland mit je einem Vertreter sitzen. Auf Grund eines zwischen ihnen geschlossenen Abkommens erhalten die drei beteiligten Länder nach einem bestimmten Schlüssel die ihnen zustehenden Erzeugungsmengen zum Selbstkostenpreis, während nur der eventuelle Überschuß in den freien Handel gelangt. Es ist ganz offensichtlich, daß eine derartige Ausbeutungspolitik, die dem Mandatar eine monopolartige Stellung verschafft, dem Sinn des Mandatsgedankens völlig widerspricht.

Die Bevölkerung der Insel setzt sich aus 1500 Eingeborenen, mehr als 900 Chinesen, vorwiegend Grubenarbeitern, und 165 Weißen zusammen. In der Ausfuhr spielen die Phosphate eine überragende Rolle. 1932 gelangten 418 000 t zur Ausfuhr, 1933 363 000 t, die 466 000 £ bzw. 436 000 £ Ausfuhrwert darstellten. Die Einfuhr beträgt nur einen Bruchteil dieser Summe und umfaßt vor allen Dingen Lebensmittel für die Bergarbeiter und Grubenbedarf verschiedenster Art.






Die deutschen Kolonien vor, in und nach dem Weltkrieg
Dr. Heinrich Schnee, Gouverneur i. R.