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[Bd. 5 S. 466]
Ernst von Bergmann, 1836-1907, von Walter von Brunn

Ernst von Bergmann.
[472a]      Ernst von Bergmann.
[Bildquelle: Paul Gericke, Berlin.]
Ernst von Bergmann war Balte. Er hat sich stets zu seinem Baltentum bekannt und konnte es nie verleugnen: seine harte Mundart, seine lauthallende Stimme sagten es jedermann. Er entstammte einem evangelischen Pfarrhaus, wie so viele hochbedeutende Menschen, wie auch seine berühmten Zeit- und Berufsgenossen, Bernhard von Langenbeck und Theodor Billroth.

Seit dem 16. Jahrhundert scheinen die Bergmanns auf dem "Haken", dort wo heute Pillau steht, ansässig gewesen zu sein; ein Ambrosius Bergmann ist dort um die Mitte des 17. Jahrhunderts Ackerbürger, und sein Sohn gleichen Namens ist im letzten Viertel desselben Jahrhunderts nach Livland ausgewandert. Er war Theologe, erhielt eine Pfarre zu Ubbenorm im Rigaischen Kreise und ist das erste Glied einer langen Reihe von Pfarrherren geworden. Diese baltischen Pfarrer hatten in ihrer Heimat eine ganz besondere Stellung: durften sie zwar auch nicht in eigener Kutsche fahren, durften ihre Töchter sich auch nicht "Fräulein" anreden lassen, mußten sie sich vielmehr mit der "Mamsell" bescheiden, so gehörten sie doch zu den "Herren" im Lande, hatten große Pfarrländereien und geboten über zahlreiche Dienstboten und Leibeigene. Die Bergmanns gehörten mit anderen Pfarrersfamilien zu den Vertretern des "Literatenstandes" im Baltikum, der neben dem erbeingesessenen Adel die Mitglieder wissenschaftlicher Berufe und der Verwaltung umfaßte.

Die Vorfahren Ernst von Bergmanns waren fast ausnahmslos "Herrennaturen" von starkem Selbstbewußtsein, strengem Pflichtgefühl und großer Herzensgüte. Sie sind fast durchweg "Kampfnaturen" gewesen. Ihr hitziges Temperament, gepaart mit starker körperlicher Kraft, riß sie gelegentlich zu ungewöhnlichen Leistungen hin: so soll Balthasar Bergmann einst 1757 eine Schar plündernder russischer Soldaten ganz allein und ohne Waffen verjagt haben; sein Sohn Gustav, der hinzukam, wie ein Bauer sich gegen die Pastorsfrau unehrerbietig benahm, packte ihn und tauchte ihn mit dem Kopf mehrmals in ein Faß mit eiskaltem Wasser; und – was bisher kaum bekannt war – er hatte als junger Student in Leipzig mit seinem Altersgenossen Goethe, der ihm zu nahe getreten war und den er deswegen geohrfeigt hatte, eine Mensur; es soll sich dabei um Kätchen Schönkopf gehandelt haben. Dieser Ahn war auch ein bedeutender, hochgeschätzter Gelehrter; was er schrieb, druckte er mit Hilfe seiner Söhne auf einer eigenen Presse, die er sich aus Halle hatte kommen lassen. 1787 erhob Kaiser Joseph II. ihn samt seinen beiden Brüdern in den erblichen Adelsstand [467] des Römischen Reiches. Er hatte sich auch um die Einführung der Pockenimpfung hervorragende Verdienste erworben, impfte in seinem großen Kirchspiel selbst viele Jahre lang und verlor nie einen der Geimpften, weil er durch Versetzung des Impfstoffs mit Wasser mildere, aber genügende Wirkung erzielte.

Überhaupt empfanden diese Pfarrherren es als unabwendbare Verpflichtung, ihren Pfarrkindern nicht nur mit geistlichem Rat, sondern auch mit ärztlicher Tat zur Seite zu stehen; das ist sehr erklärlich in einem dünn besiedelten Lande mit ganz unzulänglicher ärztlicher Versorgung. So berichtet Ernst von Bergmann, daß noch seine gütige Mutter im ganzen Kirchspiel als Helferin in kranken Tagen großen Ruf genossen habe.

Sein Vater saß bereits als Vertreter der dritten Generation in Rujen in Livland auf seiner Pfarre; er war der erste livländische Pfarrer, der die Fron abschaffte, leistete auch Bedeutendes für die Bildung des Volkes: hatte es in seinem ganzen Kirchspiel von zwanzig Rittergütern bei seinem Dienstantritt noch keine einzige Volksschule gegeben, so hatte er die große Freude, kurz vor seinem Tode die sechzehnte Volksschule einweihen zu können. Die Mutter, eine geborene Krüger aus Riga, war die Tochter einer Ahnin der Bergmannschen Familie, eine Base ihres Mannes. So hatte Ernst auch von der Mutter Seite her Bergmannsches Blut in seinen Adern. Acht Kinder, darunter fünf Söhne, entsprossen dieser Ehe, der älteste war Ernst.

Am 16. Dezember 1836 wurde er in Riga im Hause der Großmutter geboren; in Rujen, auf dem väterlichen Pastorat, wuchs er auf und wurde hier so lange unterrichtet, bis er in eine obere Gymnasialklasse eintreten konnte. Er ist zeitlebens – was kaum jemand vor seinem Tode erfahren hatte – ein tiefreligiöser Mensch gewesen. Ernst von Bergmann wurde ein ausgezeichneter Schüler und, obwohl primus omnium, ein allbeliebter Kamerad seiner Klassengenossen, der um seiner Kameradentreue willen unverdiente Strafe auf sich nahm.

Zum Kummer seines Vaters lehnte er es ab, Theologe zu werden; es zog ihn zunächst zur Geschichte und Philologie, aber ein kürzlich eingeführter Numerus clausus verhinderte das; so kam er zur Medizin! Anfängliches Widerstreben gegen den anatomischen Lehrbetrieb überwand er rasch.

In Dorpat spürte man damals die Bestrebungen Rußlands, das Deutschtum zu schmälern, erst wenig, und doch reizte die kleinliche Taktik der Machthaber die freiheitsbegeisterten, selbstbewußten Balten oft genug, gegen diese kleinlichen Verwaltungsschikanen zu kämpfen; waren sie sich doch schon damals dessen klar bewußt, daß es um ihre heimatliche Kultur ging, um ihr Deutschtum. So wurde Ernst von Bergmann vor den Rektor zitiert "wegen seines langen

Ernst von Bergmann.
Ernst von Bergmann.
Photo, 1884.
[Bildarchiv Scriptorium.]
Haarwuchses" – aber der humorvolle gütige Mann ließ es bei einem freundschaftlichen Verweis bewenden. Vielleicht ist gerade die Erinnerung an dies Erlebnis mit Veranlassung gewesen, daß Ernst von Bergmann zeitlebens sein Haar auffallend lang getragen hat. Man verzichtet nicht gern auf etwas, worum man einmal hat kämpfen [468] müssen! Mehr denn zwanzig Jahre ist er nun mit der alten Embachstadt eng verbunden geblieben: 1860 promovierte er hier zum Doktor und wurde Assistent der Chirurgischen Klinik, die abwechselnd von den Professoren von Adelmann und von Öttingen geleitet wurde. Drei Jahre danach habilitierte er sich hier für Chirurgie. Es folgten eine Studienreise nach Wien und Berlin und seine Teilnahme an der Versorgung der Verwundeten im Krieg von 1866, den er auf einen Ruf des Generalarztes Professor Wagner in Königsberg unter ihm mitmachte. Im Jahre 1870 war er gerade in Amsterdam bei dem Physiologen Willy Kühne mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, als der Krieg ausbrach. Er eilte nach Berlin und erreichte, daß er sofort eingestellt wurde; er kam hier mit Langenbeck, Billroth und Volkmann in Berührung, hat in Mannheim ein Kriegslazarett geleitet, in Karlsruhe gearbeitet und mit Lazarettzügen Fahrten nach Belfort und Paris gemacht.

In Dorpat fand er auch, nachdem ihm mit der Tochter seines früheren Lehrers und Chefs, Hildegard von Adelmann, ein leider nur sehr kurzes Eheglück beschieden gewesen war und ihm der Tod zuerst seine junge Frau und bald nachher auch das Töchterchen Edith geraubt hatte, ein neues Glück an der Seite von Pauline von Porbeck, die ihm als Oberin seines Mannheimer Lazaretts eine treue und kluge Helferin war. Dieser Ehe ist nach zwei Töchtern auch der einzige Sohn entsprossen, der jetzt als innerer Kliniker wiederum eine Zierde der Berliner Medizinischen Fakultät ist.

Bergmanns Tätigkeit für die Verwundeten war noch nicht beendet, da schien es so, als sollte er schon damals der alten Heimat seiner Familie zurückgewonnen werden: Königsberg wünschte ihn zum Nachfolger seines soeben am Typhus verstorbenen Lehrers und Freundes Wagner. Aber schließlich wurde doch ein anderer dahin berufen. Er hat die Enttäuschung nur schwer verwunden. Einen Ruf nach Freiburg nahm er nicht an. Anfragen von Bern, Kiew und St. Petersburg hat er in diesen Jahren ebenfalls ablehnend beantwortet.

Die Universität in Dorpat.
[469]      Die Universität in Dorpat.
[Bildquelle: Gerda Becker, Berlin.]
Es sind ungemein fleißige Jahre gewesen, die Bergmann jetzt in Dorpat verbracht hat, in denen er seinen Schülern in immer höherem Grade ein Lehrer und Meister wurde; das Listersche Verfahren der Karbolantiseptik hatte er sich gründlich zu eigen gemacht und damit an seiner Klinik große Erfolge erzielt.

Bald sollte er Gelegenheit haben, sein bedeutendes Können, seine vielfältigen Erfahrungen in der Kriegschirurgie im großen Stil zu erproben: 1877 kam es zum Waffengang zwischen Rußland und der Türkei, und sein Kaiser berief ihn zum Konsultant-Chirurgen seiner Armee. Bei dieser Gelegenheit trat Ernst von Bergmann auch dem von ihm hochverehrten Altmeister der russischen Chirurgie, Pirogow, nahe. Mit einer materiellen und personellen Ausrüstung, wie sie für jene Zeit mustergültig war, ging er an seine neue große Aufgabe heran. Aber trotz gewissenhaftester Anwendung des Listerschen Verfahrens, trotz aller Sorgfalt waren und blieben die Heilungserfolge zum Teil recht gering; ganz besonders [469] schlimm stand es um die Ergebnisse der Behandlung von Kniegelenksschüssen, die auch in den früheren Kriegen bereits auffallend ungünstige Heilaussichten ergeben hatten. Ja, er gewann den Eindruck, daß gerade das gewissenhafte Vorgehen bei diesen Verletzungen, Eröffnung der Schußkanäle, gegebenenfalls bis ins Gelenk und in die zertrümmerten Knochen hinein, mit Glättung, Säuberung und weitgehender Freilegung nebst Karbolsäure-Desinfektion, mitschuldig war an dem zumeist ungünstigen Ausgang.

Wäre er nicht Bergmann gewesen, hätte er wie alle anderen vor ihm und neben ihm diese Feststellung als etwas Endgültiges betrachtet und sich mit ihr abzufinden versucht – aber er, der alterprobte Kämpfer, lehnte sich bewußt dagegen auf, hier verzichten zu sollen! Er suchte sich gerade diese besonders schwierige Aufgabe als Kampfobjekt und versuchte, grundsätzlich neue Wege zu gehen. Das tut eben nur der Genius! Und hier erwies es sich, daß Bergmann zu den ganz wenigen gehörte, die von der Welt mit diesem Ruhmestitel geschmückt zu werden verdienen. Er stellte sich – trotz aller Ablehnung, ja feindlichen Einstellung seiner russischen Kollegen – der "Schulmeinung" seiner Zeit entgegen; man hatte sich schon lange Gedanken darüber gemacht, wie es denn komme, daß beim Fehlen der äußeren Wunde auch schlimmste Zertrümmerungen der Gelenke und Knochen oft vorzüglich heilten, während schon ganz geringe Beschädigungen dieser Art oft verhängnisvoll ausgingen, wenn zu gleicher Zeit die Haut verletzt war. Schon vor der Erkenntnis vom Wesen der Wundinfektion und ihrer Verhütung, wie sie [470] seit Semmelweis' Großtat sich langsam durchgesetzt hatte, hatte man, zumal unter Dieffenbachs Führung, gelernt, gewisse Operationen mit winzig kleinem Hautschnitt erfolgreich auszuführen. Bergmann wußte von einem Fall, den sein berühmter Kollege Richard von Volkmann in Halle bekanntgegeben hatte, wo eine Knieschußwunde im Duell ohne üble Folgen geheilt war, und er sagte sich: wenn es ihm gelingen würde, den Vorteil der "kleinen Wunde", wie er bei Gewehrschüssen vorzuliegen pflegt, richtig auszunützen, dann würde er vielleicht hier vorwärts kommen. Er ging daher bewußt von der bisher gültigen Vorschrift des Listerschen Verfahrens ab, begnügte sich mit einer Säuberung und oberflächlichen Desinfektion der Wundumgebung und legte möglichst bald nach der Verwundung zunächst einen dicken Watteverband und um ihn einen geschlossenen Gipsverband an, der, nach oben und unten weit die Verletzung umgreifend, eine Ruhigstellung der verletzten Gliedmaßen verbürgte. Das war um so notwendiger, als die unerhört mangelhaften Transportgelegenheiten auf dem Balkan an die unglücklichen Verwundeten und ihre verletzten Glieder Ansprüche stellten, von denen man sich kaum einen annähernden Begriff machen kann.

Es war ein heroischer Entschluß, zu dem Bergmann sich durchgerungen hatte; aber der Erfolg gab ihm recht: daß dies neue Verfahren sich so schnell durchsetzen konnte, dazu war es von besonderer Bedeutung, daß der General Dragomirow, als er eine Schußverletzung des Kniegelenks erlitt, trotz Abratens der russischen Ärzte durchaus verlangte, nach dieser neuen Methode behandelt zu werden; es geschah, dieser berühmte General genas und konnte noch lange Jahre im Dienst bleiben; er hat nicht wenig dazu beigetragen, Bergmanns Ruhm zu künden.

In einer ersten Serie wurden von 59 Kniegelenksschüssen 30 geheilt, darunter 2 nach sekundärer Amputation; 5 andere wurden mit zweifelhaftem Ergebnis entlassen, 24 sind gestorben, darunter 9 nach Amputation. Wenn man die 5 Fälle, die er mit gut granulierenden Wunden entlassen mußte und über die er keine weiteren Mitteilungen erhalten konnte, zu den Toten hinzurechnet, bleiben 30 Heilungen auf 29 Todesfälle: ein Resultat, wie es nie zuvor erreicht worden war. Er hat dann eine zweite Serie von 15 Fällen zusammengestellt, die sicher mit Knochenverletzungen kombiniert waren; die günstigeren Fälle von Kniegelenkswunden, bei denen Knochenbeteiligung unwahrscheinlich war, hat er hier nicht mitgerechnet. Sie waren alsbald nach der Verwundung schon auf dem Schlachtfeld mit einem Notverband versehen und wurden nach vierundzwanzig Stunden und später nach Bergmanns Methode verbunden und eingegipst. Dann mußten sie volle vier Tage lang auf ganz ungefederten Fahrzeugen, ohne daß sie von ihren unbedeckten Wagen herabgenommen werden konnten, durch die weglose bulgarische Ebene bei Sturm und Regen transportiert werden, ehe sie endlich im Lazarett ankamen. Und trotzdem sind von diesen fünfzehn Verletzten vierzehn am Leben erhalten worden, darunter acht ganz oder fast ganz ohne Eiterung; in zwei [471] Fällen, die gut ausgingen, wurde wegen der Eiterung nachträglich die Amputation notwendig, ein weiterer Fall endete – als einziger – tödlich durch allgemeine Blutvergiftung.

Bergmann hat an dem überraschend guten Heilungsergebnis dieser als besonders ungünstig ausgesuchten fünfzehn Fälle den Beweis erbracht, daß das bis dahin als unbedingt bestes bekannte Behandlungsverfahren, wie Lister es geübt und gelehrt hatte, nicht schematisch angewandt werden durfte, daß man nach einer dies Verfahren in fundamentalen Punkten ablehnenden Methode wesentlich bessere Erfolge zu erzielen in der Lage sei. Und weit darüber hinaus hat er ganz allgemein für das Verhalten des Arztes gegenüber dem Kranken Schlüsse gezogen, die er in seiner Antrittsvorlesung in Würzburg 1878 in folgender Erkenntnis zusammenfaßt: "Nicht das Befolgen einer bestimmten Regel, und sei sie noch so gut, sondern die wache Kenntnis von dem Wissen, woraus sie hervorgeht und auf dem sie erbaut ist, gibt uns die Möglichkeit und die Macht, selbst da noch zu helfen, wo die äußeren Verhältnisse, wo die Ungunst der Situation und des Augenblicks uns am präzisen Befolgen der Vorschrift hindern." Und er fährt dann fort: "Wie es wahr ist, daß wir heute so weit gekommen sind, um die offenen und frischen Wunden unserer Patienten vor den Noxen der Außenwelt zu schützen, so ist es auch wahr, daß wir diesen Schutz ihnen nur dann angedeihen lassen können, wenn jeder Einzelfall in seiner besonderen Weise unser Tun und Lassen bestimmt."

Von dieser genialen Erkenntnis Ernst von Bergmanns, daß der Schutz der Wunden vor der Infektion das Ausschlaggebende ist für ihre Heilung, daß man nicht jede Wunde, wie man es bis dahin anzunehmen gewohnt war, als infiziert und desinfektionsbedürftig zu betrachten habe, ist die Bewegung ausgegangen, die an seiner Klinik und in der ganzen Welt der Aseptik den Vorrang vor der Antiseptik erstritten hat: eine Leistung, ohne welche die heute erreichte Kunst operativen Handelns nicht denkbar gewesen wäre.

Ignaz Philipp Semmelweis.
[471]      Ignaz Philipp Semmelweis.
[Bildquelle: Gerda Becker, Berlin.]
Es ist dieselbe Erkenntnis, die ein anderer Großer, der aus deutschem Stamme hervorgegangene Ungar Ignaz Philipp Semmelweis, von der Geburtshilfe herkommend, bereits 1847 gewonnen hatte; aber er war allzu früh verstorben [472] und hatte nicht mehr Zeit gehabt, seiner Lehre die Anerkennung der Welt zu erkämpfen; man hatte sie totzuschweigen sich bemüht oder ganz vergessen – noch im Jahre 1883, als Lister in Budapest weilte und als man ihn um seine Ansicht über Semmelweis befragte, mußte er bekennen, dessen Namen niemals gehört zu haben!

Nach dem Ende des Russisch-Türkischen Krieges erging an den Dorpater Professor der Ruf, in die alte Heimat seiner Familie, nach Deutschland zu kommen: Würzburg war zunächst das Ziel! Trotz aller Auszeichnung durch seinen russischen Kaiser, der ihn allzu gern gehalten hätte, trotz des Abschiednehmens von den Verwandten und Freunden der baltischen Kulturwelt wurde ihm der Entschluß nicht schwer. Zwar hatte er bereits 1865, als er auf seiner großen Studienreise zum erstenmal nach Deutschland kam, darunter gelitten, daß man ihn als "Russen" behandelte, daß er sich in Deutschland vereinsamt vorkam – aber er sprach es einmal offen aus: "Und wenn man mich in Rußland zum Leibarzt des Kaisers oder zum Akademiker gemacht hätte, ich wäre nicht gegangen; schon als Dreißigjähriger nicht." So fühlte er sich durch und durch im deutschen Volk verwurzelt.

Vier Jahre angestrengter ernster Arbeit harrten seiner in der schönen Stadt am Main; eine berufliche Infektion hätte ihm beinahe das Leben gekostet. Aber dann erstieg er den Gipfel seines Wirkens, da er als Nachfolger Bernhard von Langenbecks 1882 in das Ordinariat in Berlin und zur Leitung des "Königlichen Klinikum" in der Ziegelstraße berufen wurde. Es war die berühmte Lehr- und Forschungsstätte, an welcher ihm bestimmt war, die große Tradition zu wahren, die sich an die Namen C. A. von Graefe, Dieffenbach und Bernhard von Langenbeck knüpfte.

Hier fand er die Stätte, die ihm die Möglichkeiten bot, seine großen Gedanken zur Erneuerung der Chirurgie in die Tat umzusetzen, seine Lehren weithin wirken zu lassen durch die Tausende von Studierenden und Ärzten, die hier die Klinik des beredten Künders neuer Wahrheiten besuchten oder gar in ihr selbst tätig sein durften, von ihm und seinen engeren Mitarbeitern selbst zu Chirurgen herangebildet werden konnten.

Bergmann beim Eingriff im Operationssaal.
In guten Händen. Der große Chirurg Ernst von Bergmann (mit grauem Bart) macht sich bereit zum Eingriff im Operationssaal der Berliner Universitätsklinik. Das Bild erschien im Juli 1906 in der Zeitschrift "Berliner Leben".       [Nach tagesspiegel.de.]

Hier hat er zunächst, in Fortführung seiner Erkenntnis aus dem Russisch-Türkischen Feldzug, Schritt um Schritt den Weg von der Antiseptik zur Aseptik gefunden, hat das ganze Verfahren, diesen Grundgedanken lückenlos in die Praxis umzusetzen, entwickelt, seit 1889 maßgebend unterstützt durch seinen in jeder Hinsicht ausgezeichneten Assistenten Kurt Schimmelbusch, der leider allzufrüh seiner Arbeit durch den Tod entrissen wurde. 1886 war an der Klinik die Dampfdesinfektion bereits eingeführt.

Ernst von Bergmann bei einer Operation.
1886: der deutsche Chirurg Ernst Gustav Benjamin von Bergmann
führt die Dampfsterilisation ärztlicher Instrumente ein.
Damit wird die gefährliche chemische Sterilisation zurückgedrängt.
Ernst von Bergmann bei einer Operation. Im Vordergrund Trommel mit sterilisiertem Material.
Gemälde von Franz Skarbina, 1906.       [Nach payer.de.]

Wegweisend sind auch seine Arbeiten über Hirnchirurgie gewesen; zu ihm kamen aus aller Welt gerade diese Kranken. Will man sich einen Begriff davon machen, was Bergmann mit seiner "Schule" hier in fünfundzwanzig Jahren geleistet hat, dann nehme man Arend Buchholtz' [473] Biographie zur Hand und vertiefe sich in die Erinnerungen, welche in ihm die früheren Schüler und Mitarbeiter des Meisters niedergelegt haben, namentlich Hans Schlange, der später in Hannover als Chef des Krankenhauses berechtigten Ruhm gewann, den die übrigen Schüler Bergmanns selbst für den besten Operateur ihrer Schule gehalten haben, den der alte Meister schon längst dazu bestimmt hatte, nötigenfalls eine an ihm nötig werdende Operation auszuführen, und den er zu sich rief, als er von der letzten tödlichen Krankheit ergriffen wurde.

Neben dem Forscher größten Formats, dem geschickten Operateur, dem liebevollen gütigen Arzt, dem tatkräftigen Chef seiner großen Klinik stand in vorderster Linie seine wahrhaft künstlerische Gabe der Rede, sein hinreißendes Lehrtalent! Sprach er, wie so gern, von den Grundsätzen der Wundbehandlung, von Schußverletzungen, von Verletzungen oder Krankheiten des Kopfes oder vom Krebs, dann erhob sich seine formvollendete Sprache zu begeisterndem Pathos. Es war wohl, wie wenn Klänge einer Orgel den klinischen Hörsaal durchbrausten. Er lehnte es durchaus ab – wie es leider nicht selten geschah und wohl noch geschieht –, seine Ergebnisse irgendwie zu beschönigen: dazu war er zu gerade, zu ehrlich! Offen gab er Mißerfolge zu und zeigte an ihnen, wie man bestrebt sein müsse, sie künftig zu vermeiden. Darum hat er überall uneingeschränktes Vertrauen genossen und konnte stets der restlosen Sympathie seiner Studenten sicher sein, mochte er sie auch oft genug im Hörsaal oder im Staatsexamen im Bewußtsein seiner Verantwortung als Examinator hart anfassen.

Er war auch gegen sich selbst hart; ihm war es selbstverständlich, nach dem Spruch zu leben, den er einmal den Seinen gegenüber erwähnt hatte: "Man ist nicht zu seinem Glück auf der Erde, sondern dazu, es anderen zu bereiten!"

Er stellte an sich selbst ungeheure Ansprüche und war wohl berechtigt, auch von seinen Untergebenen sehr viel zu verlangen. Er gehörte zu den Glücklichen, die mit sehr wenig Schlaf auskommen; fünf Stunden mußten im allgemeinen genügen. Wie glücklich war er, als ein langgehegter Wunsch in Erfüllung ging, als er sich in Potsdam ein schönes Heim geschaffen hatte inmitten eines großen, mit ausgesuchten Bäumen geschmückten Gartens! Hier hatte er einen Souterrainraum zu seinem "Archivzimmer" ernannt; hier pflegte er zuweilen schon um fünf Uhr früh zu sitzen, um an Hand der von ihm in mühevoller Arbeit gesammelten Urkunden sich in die Herkunft seines Geschlechts zu vertiefen; hier hat er die Geschichte seiner Familie geschrieben, die leider nur als Manuskript gedruckt allein für seine Familie bestimmt war. Hier hat er auch, bevor er in die Hetzjagd der nervenaufreibenden Tagesarbeit sich stürzte, das immer umfangreicher werdende Fachschrifttum studiert, um jederzeit wissenschaftlich gewappnet zu sein. An den Tagen, wo im Anatomischen Institut der Chirurgische Operationskurs stattfand, war er pünktlich um sechs Uhr zur Stelle; er ließ sich so gut wie niemals vertreten. Kurz nach acht Uhr erschien er in seiner Klinik: dann kam der alte eisgraue Pförtner Jobke aus seiner Loge heraus [474] und zog dreimal die lauthallende große Glocke zum Zeichen, daß der Chef die Klinik betreten habe. Dann mußten die Assistenten mit ihrer Krankenvisite fertig und bereit sein, dem Chef über alles Rede zu stehen. Er ging durch die wichtigsten Abteilungen, operierte einige Stunden, hielt die oft sehr zeitraubenden Prüfungen ab, die ihn, wenn ein Prüfling nicht genügt hatte, stark erregen und tief deprimieren konnten; von da aus ging's zu Konsultationen in die Stadt, zu Sitzungen und den vielfachen, allzuvielen Verabredungen mit einflußreichen, im öffentlichen Leben Stehenden, die den hochberühmten Mann, den als peinlich gewissenhaft Bekannten in irgendeiner Form für wohltätige Zwecke zu gewinnen wußten. Er hatte ja "unbegrenzten Kredit" dank seiner großen menschlichen Eigenschaften und konnte sich so gut wie nie in seiner Gutherzigkeit entschließen, "nein" zu sagen, wenn man an ihn herantrat mit der Bitte, ein Werk der Nächstenliebe zu fördern, einer Einrichtung des ärztlichen Standes seine Unterstützung zu gewähren.

Von zwei bis vier Uhr fand traditionsgemäß die Klinik statt: stets war der Hörsaal gepfropft voll, die Stufen der Treppen besetzt. Man sah ihm an, wie freudig er Lehrer war, wie gern er gab, was er nur aus seiner Erfahrung zu geben in der Lage war. Es war auch oft genug ein ästhetischer Genuß, seinem Vortrag zu lauschen: darum haben nicht nur Mediziner, sondern auch gelegentlich Angehörige anderer Fakultäten seine Klinik besucht. Dann ging es zur Privatsprechstunde in seine Wohnung am Kronprinzenufer und wieder zu Sitzungen, Konsultationen, Beratungen usw., meist bis tief in die Nacht hinein. Hinzu kamen mehr und mehr große Auslandsreisen zu Konsultationen des Weltberühmten, zunächst in die frühere russische Heimat, nach Spanien und der Türkei an den Hof des Sultans. Es gehörte die ganze beinahe unzerstörbare Gesundheit und ungewöhnliche, von den Vorfahren ererbte körperliche Kraft dieses Mannes dazu, hier nicht zu versagen. Und dann die unvermeidlichen geselligen Verpflichtungen in der Haupt- und Residenzstadt in den Jahrzehnten höchsten Aufschwungs, größten Reichtums des Landes! Gerade hier auch hatte er im Kreise von Freunden und Bekannten, auf Kommersen, Kongressen und anderen Veranstaltungen oft Gelegenheit, mit seiner wundervollen rednerischen Begabung die Menschen zu begeistern, ja hinzureißen; es war ihm gegeben, ohne jede Vorbereitung zu jeder Zeit in vollendetster Form etwas Wertvolles sagen zu können, und zwar oft genug auch Neues, das blitzartig seinem Genie entsprang.

Viel Zeit und Kraft widmete er bis zuletzt der Berliner Rettungsgesellschaft, die in zahlreichen Stationen bei Tag und Nacht für die Versorgung von Unfallverletzten oder plötzlich Erkrankten bereit war. Die Gründung des Kaiserin-Friedrich-Hauses für ärztliche Fortbildung war wesentlich sein Werk. Der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, der er als einer der Ersten beigetreten war, fühlte er sich innig verbunden und bemühte sich, ihr ihren deutschen Charakter zu erhalten, ihre Stellung in der Wissenschaft der Welt zu fördern. Ihrem Organ, dem [475] Archiv für klinische Chirurgie, und dem Zentralblatt für Chirurgie hat er lange Jahre beratend zur Seite gestanden, auch zahlreiche andere Fachzeitschriften nach besten Kräften unterstützt. Der Berliner Medizinischen Gesellschaft war er viele Jahre lang ein überaus tätiger, energischer und dabei wohlwollender Vorsitzender. Die Führung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte hat er stets maßgebend beeinflußt. Nirgends hat er aus Eitelkeit oder anderen unsachlichen Gründen Anträgen um Mitwirkung an einem Werk stattgegeben: wo er zur Mitarbeit sich bereiterklärt hatte, da pflegte er den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen und im vollen Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit sich einzusetzen, auch wenn das zuweilen dem oder jenem unbequem sein mochte!

Er war, wie seiner Familie, seinem Beruf, so auch seinem Herrscherhaus ein unbedingt treuer Berater und Helfer. Er hat uns Assistenten zuweilen im engeren Kreise tiefbewegt erzählt von den schrecklichen Monaten, da es um das Leben des damaligen Kronprinzen ging. Wer ein Verständnis für die furchtbar schwere Lage gewinnen will, in welche damals die deutschen Ärzte des Thronerben versetzt waren, der lese einmal, was in Buchholtz' Biographie darüber gesagt ist, und ferner das kleine Büchlein, das die Tochter Ernst von Bergmanns, Freifrau von Brand, im Jahre 1936 hat erscheinen lassen. Er schrieb damals aus San Remo an seine Frau: "Jeder ärmste Kranke meiner Klinik hat es besser als der Kronprinz von Deutschland!" Die Erinnerung an jene Zeit hat ihn bis zuletzt nie verlassen. Daß sein junger Kaiser zu ihm hielt und ihm sein Vertrauen stets bewahrt hat, hat er immer mit größtem Dank anerkannt.

Ernst von Bergmann.
Ernst von Bergmann.
Gemälde von Franz von Lenbach.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 410.]
Die ganze Persönlichkeit Ernst von Bergmanns ist wohl nirgends in so vollendet schöner Form dargestellt worden wie durch seinen Schüler Carl Ludwig Schleich in seinem Buch Besonnte Vergangenheit, wo er seinem verewigten Meister ein unvergleichliches Denkmal des Dankes errichtet hat. Seine poetische Darstellung erinnert da unwillkürlich an die Klänge der Ilias. Und er tut recht daran! Denn der Meister hatte etwas vom homerischen Helden, der mit gewaltigen Schritten daherkommt, ein breitschultriger Hüne, in Sicherheit und Würde, willensstark, ein eindrucksvoller Kopf mit hoher freier Stirn, feingeschwungener Adlernase (wie sie unter seinen Ahnherren in besonderer Ausprägung Balthasar Bergmann gehabt hatte), leuchtenden Auges, jederzeit bereit, im Kampf bis zum Letzten sich einzusetzen für seine hohen Ideale als Mensch und Arzt! Dazu kam seine wunderbare, oft geradezu gewaltige Redegabe, die so oft einer Veranstaltung die rechte Weihe zu geben verstand. Bei aller unerbittlichen Strenge gegen sich und andere hatte er in harter Schale ein weiches Herz. Gewiß haben davon die Fernerstehenden nie etwas bemerkt: ihnen war er und blieb er der ehrfurchtgebietende Herr und Meister. Aber gelegentlich, namentlich im Umgang mit Kindern, brach sein heißes Herz, sein tiefes gütiges Mitempfinden elementar durch: so hat gerade wieder Schleich es uns an einer eigenen Erfahrung vor Augen gestellt.

[476] Niemals wäre es ihm möglich gewesen, einem Menschen bewußt Unrecht zu tun! Kam es einmal vor, daß er, der immer Gehetzte, der oft nicht die Zeit hatte, alles bis auf den Grund zu prüfen, wider Willen einen Menschen gekränkt hatte, dann war er der erste, der in wahrhaft rührender Weise bemüht war, das Unrecht ungeschehen zu machen. Das tun nur wahrhaft "große" Menschen – und die sind zu allen Zeiten leider sehr gering an Zahl gewesen.

Er lehnte es ab, aus Tagesrücksichten schnell nach dem Lorbeer zu haschen, der zumeist ebenso schnell vergeht und mehr Unglück zurückläßt, als er Glücksempfinden schuf. Er ging gerade auf sein Ziel los mit offenem Visier, immer nur darauf bedacht, wahrhaft Gutes, Solides zu schaffen, mochte zunächst auch mancher die Achseln darüber zucken.

So wie er selbst in seinem ganzen Wesen ein Sinnbild der "Treue" gewesen ist, so setzte er dasselbe in seinem gütigen vertrauenden Herzen auch bei anderen voraus trotz mancher bitteren Erfahrung seines Lebens. Darum hat man ihm nicht etwa nur Ehrfurcht und Hochachtung entgegengebracht, sondern man hat ihm überall wahre Zuneigung und Liebe bewiesen: das ist ihm bis an sein Ende der schönste Lohn seines mühseligen arbeits- und entbehrungsreichen Lebens gewesen, mochte dies Leben dem oberflächlichen Beschauer auch noch so beneidenswert erscheinen.

Er war immer und mit Recht stolz darauf, daß er ganz aus sich selbst heraus geworden war, ohne einer bestimmten "Schule" anzugehören. Ebenso glücklich und stolz aber war er, daß es ihm gelungen war, "Schule zu machen", eine große Zahl von Schülern herangezogen zu haben, die in seinem Geist weiter der Forschung und Lehre dienten und als praktische Chirurgen die Tradition ihres Meisters zum Wohl ihrer Kranken und zum Besten ihres Standes fortzupflanzen bemüht waren.

Das hat ihm auch geholfen, das schwere Schicksal zu tragen, als wenige Monate nach der wundervollen Feier seines siebzigsten Geburtstages der Weg seines Lebens zu Ende ging: zwar hatte er seit mehreren Jahren an quälenden Beschwerden der Darmtätigkeit gelitten, die er auf eine krebsige Erkrankung glaubte beziehen zu sollen; auch an Bronchitis und lästigen Neuralgien hatte er zuletzt oft zu leiden. Am 1. März 1907 fuhr er, nachdem er fleißig wie immer die Arbeit des Wintersemesters bis zuletzt getan hatte, nach Wiesbaden, um dort Linderung seiner Beschwerden zu finden. Hier kam es nun wieder zu Darmstörungen, die so ernst wurden, daß er seinen alten Schüler Schlange zu kommen bat; leider konnte auch seine Kunst hier nicht mehr helfen; am 25. März kam das Ende. Die Obduktion ergab, daß eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse mit Bauchfellentzündung den Tod herbeigeführt hatte und daß eine Darmstenose bestand, die vermutlich auf eine Erkrankung an Ruhr im Russisch-Türkischen Krieg zurückzuführen war; von Krebs fand sich nichts.

Am Karfreitag, dem 29. März 1907, trug man Ernst von Bergmann zu seiner letzten Ruhestatt auf dem Alten Kirchhof in Potsdam.

[477] Seine gewaltige Leistung war und wird immer bleiben, daß er bewußt die Antiseptik durch die Aseptik ersetzt hat. Haben auch andere zur selben Zeit, ja vielleicht zeitlich etwas früher Ähnliches gefunden und davon gesprochen, wie der hochverdiente Neuber in Kiel oder der Franzose Vinay, so hat doch auch hier das Wort zu gelten, das Karl Sudhoff einmal unter Bezugnahme auf William Harveys Entdeckung des großen Kreislaufs geprägt hat: "Als Entdecker oder Erfinder ist nicht der anzusehen, der mit Gedanken an die Sache streifte, sondern lediglich, wer zielbewußt auf Grund von Experimenten den Gedanken verarbeitet und in wissenschaftlicher Form den Beweis der Wahrheit gründlich erbracht, die Idee so siegreich und nachhaltig verfochten hat, daß jeder Zweifel verstummen mußte!"

Es ist gerade in der Medizin manch großer Gedanke gedacht, in die Praxis umgesetzt und sogar veröffentlicht worden; es fehlte aber das eine oder andre dessen, was eben erwähnt worden ist; es fehlte zumeist am zähen Kämpfen um das Neugewonnene, bis es, allen Widersachern zum Trotz, Allgemeingültigkeit erhielt. So ist es wieder und wieder geschehen, daß die Erkenntnis auf enge Kreise begrenzt blieb, daß sie auch hier wieder schwand und zuletzt vergessen wurde. Denken wir nur an Semmelweis' Großtat; denken wir daran, daß der Gedanke aseptischer Chirurgie bereits sechshundert Jahre vorher in Bologna von Hugo von Lucca, seinem Sohn Theoderich und dann von dem bedeutenden französischen Kriegschirurgen Henri de Mondeville in die Tat umgesetzt wurde zum Segen zahlreicher Verwundeter und Operierter – und dennoch wurde alles, aber auch alles wieder ganz vergessen!

Ernst von Bergmann war eine Kämpfernatur, der sein Bestes und Letztes einsetzte für das, was er für recht erkannt hatte: darum hat er nicht geruht, bis seine Erkenntnis Allgemeingut der Ärzte in der ganzen Welt wurde, und deswegen gebührt ihm der Lorbeer, den ihm niemand rauben kann und darf!




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Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz