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Aspern

Seit dem Tage, da 80 000 Mann österreichischer Truppen zwischen dem Bisamberg und der nach Mähren führenden Straße bei dem Dorfe Deutsch-Wagram Aufstellung genommen haben, ist trotz des bisher unglücklich verlaufenen Feldzuges eine Vereinigung Hillers mit der österreichischen Hauptmacht erreicht, die Napoleon zu verhindern getrachtet hat. Auch sonst erscheint die Lage des österreichischen Heeres noch keineswegs verzweifelt. Vom Generalissimus zur möglichsten Eile gedrängt, marschiert Erzherzog Johann jetzt über ungarisches Gebiet heran, und wenn ihm Eugen Beauharnais auch hart auf dem Fuße folgt und damit in der nächsten Zeit mit einer weiteren bedeutenden Verstärkung der französischen Streitkräfte zu rechnen ist, so stehen die Franzosen und ihre Verbündeten doch im Herzen eines Reiches, dessen Bevölkerung ihnen [211] allerorts die Verbindungswege mit ihren Ausmarschgebieten bedrohen kann und die eine starke Absplitterung von Kräften zum Zwecke der Etappensicherung notwendig macht.

Immer wieder ist Napoleon bemüht, sich mit Gewalt den Übergang über die Donau zu sichern. Von der Donauinsel Lobau aus will er den Brückenschlag auf das linke Ufer wagen. Doch Hochwasser und Stein- oder Feuerschiffe der Österreicher zerstören immer wieder die mühselig aufgebauten Brücken. Dadurch wird der Fortgang der französischen Operationen gehindert, und Erzherzog Carl hat genügend Zeit, seine Regimenter in Schlachtordnung aufzustellen. Sein Plan geht dahin, das zur Sicherung des Donauübergangs von Franzosen besetzte Aspern und Eßling zu erstürmen und den Feind über die Donau zu werfen, bevor die französische Hauptmacht heran ist. Napoleon hat einen österreichischen Angriff noch nicht erwartet und merkt, daß Erzherzog Carl ihm zuvorgekommen ist. Sofort sendet er Massena und Lannes, die sich in Aspern und Eßling befinden, Infanterie und Kavallerie zu Hilfe.

Es ist bereits vier Uhr nachmittags, als der rechte über Hirschstetten und Stadlau vorgehende österreichische Flügel mit Massenas Divisionen Molitor und Legrand vor Aspern handgemein wird. Im ersten Anlauf hat das Regiment Ignaz Gyulai die kleine Brücke hinter Aspern genommen und wirft sich nun auf den hinter Hecken und Büschen am Ortsrand von Aspern postierten Feind. Ohne erst den Befehl zum Feuern abzuwarten, machen die Österreicher nur von der blanken Waffe Gebrauch und sind schon im Dorf, ehe es dem Gegner gelingt, ihren Sturm mit mörderischen Salven abzuschlagen. Erst in der langgestreckten Dorfstraße kommt es dann zum eigentlichen Nahkampf. Und hier erst vermögen Franzosen und Rheinbundtruppen dem Vordringen der Österreicher Halt zu gebieten. Von Gehöft zu Gehöft, von Haus zu Haus beginnt ein erbittertes Ringen. Besonders hart ist der Kampf um den Kirchhof. Mehrmals werden die Österreicher zurückgeworfen. Erst als Erzherzog Carl persönlich Verstärkungen heranführt, wird auch dieses letzte Bollwerk erobert. Massenas Versuche, Aspern zurückzugewinnen, scheitern.

Noch während der Kampf um Aspern alle Kräfte des rechten Flügels gebunden hält, hat das Donnern des Geschützfeuers am linken Flügel den um die Ortschaft ringenden Österreichern die Gewißheit übermittelt, daß ein eiserner Ring um Napoleon geschlossen worden ist. Hier war der äußersten Kolonne Dedovich vom Erzherzog der Befehl erteilt worden, mit einer Schwenkung den Halbkreis gegen die Donau zu schließen. Durch diese Schwenkung hat sich jedoch für kurze Zeit die Verbindung zwischen dem Korps Bellegarde und Hohenzollern gelockert. [212] Dieses Auseinanderziehen der österreichischen Linien genügte Napoleon, der nach seiner Ankunft auf dem Schlachtfelde von einer Ziegelhütte zwischen Aspern und Eßling aus den Kampf leitet, um zu einem gewaltigen Schlag auszuholen. Zwei Infanteriekolonnen mit zahlreichem Geschütz und sechzehn Kürassierregimenter, die inzwischen den Strom hinter sich gebracht haben, setzt er augenblicklich gegen die österreichischen Linien in Marsch. Todesmutig werfen sich ihnen zwei Kavallerieregimenter entgegen. Sie werden erdrückt. Dennoch ist durch ihre Aufopferung das aufgefahrene österreichische Geschütz fast vollständig gerettet. Eine entschlossene Attacke der Albertkürassiere haut sogar noch die verlorengegangenen Kanonen heraus. Und als jetzt wohlgezieltes Infanteriefeuer die französischen Eisenreiter empfängt, schwanken sie, sehen sich plötzlich von den Husaren Kienmayers in den Flanken gefährdet und reiten zurück.

Napoleon ist wütend. Schreiend befiehlt er jetzt seinen Generalen, die Masse seiner Eisenreiter gegen das österreichische Zentrum vorzujagen. Von dieser Attacke hängt endgültig das Schicksal des Tages ab. Lasalle mit der leichten Kavallerie und Espagne mit den Kürassieren, im ganzen fünftausend Reiter, werden zur Attacke befohlen. Eine furchtbare Eisenwalze setzt sich erst in Trab gegen die österreichischen Infanterielinien in Bewegung. Mit Mühe bringt die Artillerie gerade noch rechtzeitig ihre Geschütze in die Zwischenräume der Infanteriebataillone zurück. Gleich darauf empfängt ein gutgezieltes Kartätschenfeuer die leichten französischen Reiter. Lasalles Schwadronen werden zersprengt, aber jetzt ist Espagne mit seinen Kürassieren heran. Zwei österreichische Chevauxlegersregimenter, die sich auch jetzt wieder entgegenwerfen, zerflattern vollkommen im dröhnenden Gewoge der anreitenden Geschwader.

In diesem Augenblick zeigt es sich, daß Erzherzog Carls beharrliche Schulung der Geschlossenheit und Disziplin im Feuergefecht doch bereits dem größten Teil der Infanteriemannschaften in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wie eine einzige unerschütterliche Mauer, fast regungslos, das Gewehr im Arm, stehen die Bataillone der Regimenter Zach, Rohan, Froehlich, Stain, das alte Starhembergregiment Froon, Colloredo und ein Bataillon deutscher Freiwilliger aus Böhmen und erwarten den Feind.

Der dröhnt immer näher heran. Weit voraus, wie zur Verhöhnung der Waffen des Gegners statt des Säbels eine Reitgerte schwingend, reitet General Espagne. Da hallen scharfe Kommandorufe an den weißen Fronten der österreichischen Infanteriebataillone entlang. In der Sekundenschnelle einer wie auf dem Exerzierplatz befolgten Befehlsausführung knien die ersten Glieder nieder, ein zweites Kommando er- [213] tönt, und schon liegen Tausende von Gewehrläufen schußfertig im Anschlag.

Und jetzt trennen nur mehr ein paar Dutzend Schritte die Reitermassen von den Gewehrläufen. Aber die Kaiserlichen lassen die Franzosen noch näher heran. Erst wie das Schnauben der Gäule und das Rasseln der schweren Kürassiere bis auf fünfzehn Schritte gegen die Infanterielinien heranwogt, ertönt gellend, aber unbeirrt und furchtbar in der Gewißheit seiner blutigen Wirkung das Kommando: "Feuer!" Ein tausendfaches Aufblitzen, und dann verhüllt eine undurchdringliche Wand dicken Pulverrauches das grauenvolle Bild des Unterganges von sechzehn herrlichen Kürassierregimentern. Zu Hunderten wälzen sich getroffene Pferde am Boden, behindert durch ihre schweren Panzer, werden die gestürzten Reiter von den wild um sich schlagenden Rossen zerquetscht, verzweifelte Todesschreie gellen über der Wahlstatt, dann tauchen, gespenstischen Schemen gleich, die Umrisse reiterloser Rosse aus den hochziehenden Schwaden des beizenden Pulverrauchs auf, und wie jetzt auch ein scheu gewordener Schimmel die blutüberströmte Leiche General d'Espagnes bis in die Reihen der österreichischen Infanteristen heranschleift, wissen die Kaiserlichen, daß mit dem Tod dieses Generals der geschlossene Angriff der französischen Schwadronen zerschellt ist. Vergeblich versuchen jetzt nur mehr wenige Schwadronen durch Einzelattacken die Lage zu retten. Salve um Salve kracht ihnen todbringend entgegen und wie sie jetzt auch noch in das Kartätschenfeuer der Batterien geraten, wenden sie sich in wilder Auflösung zur Flucht. Diesen Augenblick benützt Johann Liechtenstein, um mit Husaren, Chevauxlegers und Kürassieren anzutraben. Auch die österreichische Infanterie greift jetzt an. Und plötzlich sieht sich Napoleon, der die Attacke der Kürassiere aus der Nähe verfolgt hat, selbst in höchster Gefahr. Schon muß er selber den Degen ziehen, da wirft sich sein Gefolge den österreichischen Reitern entgegen und nur dem Einsatz der Generale Durosuel und Fouler, die dabei selbst in Gefangenschaft geraten, ist es zu danken, daß sich der Kaiser noch zu retten vermag.

Dreitausend Reiter kostet Napoleon diese blutige Attacke. Die Front des gegnerischen Zentrums ist nicht zerschlagen, sondern schickt sich jetzt mit erneuter Wucht zum Angriff an. Denkwürdig für alle deutschen Soldaten, die ihre Überlieferung zu wahren haben, bleibt die Haltung der österreichischen Infanterie, die mit der Abwehr des großen französischen Kavallerieangriffes eine ihrer größten Waffentaten vollbracht hat.

Erfolgreich steht für die Franzosen bisher nur die Schlacht im Raume von Eßling. Denn dort hatten sie mehr Zeit gehabt, um den Ort in einen ausgezeichneten Verteidigungszustand zu setzen. Seit den frühen [214] Nachmittagsstunden wird auch um Eßling mit zunehmender Erbitterung gekämpft. Marschall Lannes hält sich aber hier und ermöglicht es damit Napoleon noch einmal, den Angriff auf das österreichische Zentrum zu befehlen.

Es ist fast schon neun Uhr und die gleiche Stunde, da Massena noch einmal zum Sturm auf Aspern ansetzt, als Napoleon die inzwischen auch über die Donau herangeführte Reservekavallerie unter Bessiéres anreiten läßt. Und es gelingt auch, die von den unaufhörlichen Gegenattacken gegen Espagnes und Lassales Reiter erschöpften österreichischen Chevauxlegersregimenter in der einbrechenden Dunkelheit in Unordnung zu bringen. Doch Fürst Johann Liechtenstein ist wachsam. Mit deutschen und böhmischen Kürassieren packt er die französische Reservekavallerie in der Flanke und wirft sie in einem erbitterten Nachtgefecht. Der Tag ist gerettet. Todmüde lagern sich die österreichischen Soldaten mit der Waffe in der Hand. Napoleon zieht jetzt alle Reserven zusammen, um die Angriffe bei Tagesanbruch zu erneuern.

Zaghaft, als fürchte es sich, mit seiner Helligkeit die furchtbaren Wahrzeichen des Grauens in den schwelenden Ortschaften und auf den stummen Leichenfeldern zu enthüllen, zieht der Tag, von Nebelschwaden verschleiert, im Osten herauf. Da eröffnet schon wieder das Aufbrüllen der Geschütze den Kampf. Massena setzt seine Sturmkolonnen zur Wiedereroberung von Aspern in Bewegung. Unter schweren Verlusten gelingt ihm nach stundenlangem Kampf der Durchbruch. 800 Mann der Besatzung unter dem schwerverwundeten Feldmarschalleutnant Weber müssen die Waffen strecken. Ein Gegenstoß der Österreicher wirft die Franzosen wieder aus Aspern hinaus. Da setzt Massena die Kaisergarde ein, und zum zweiten Male fällt das Dorf in die Hände der Franzosen.

Eßling bleibt ebenfalls im Besitz Napoleons. Da zieht der Kaiser Infanterie und Kavallerie zusammen, um nach einer ausführlichen Artillerievorbereitung einen Durchbruch zu wagen. Die Attacke der Reiter wird, wie am Tage vorher, abgeschlagen, doch das Feuer der feindlichen Artillerie wütet derartig in den Reihen der Österreicher, daß sich die Glieder lösen und einige sich sogar schon zur Flucht wenden.

Doch da ist Erzherzog Carl heran. Er läßt die Geschütze seiner Artillerie gegen die feindlichen Angriffskolonnen richten, ergreift selbst die Fahne des Regiments Zach und führt seine Grenadierreserve, ohne darauf zu achten, daß er sich selbst der größten Gefahr aussetzt, gegen die angreifenden Franzosen. Ein furchtbarer Kartätschenhagel reißt klaffende Lücken in die Reihen der Feinde und zwingt sie in die Ausgangsstellungen zurück. Die nachdrängenden Grenadiere, Erzherzog Carl an [215] der Spitze, erobern die zurückgelassenen feindlichen Geschütze. Erst das Erscheinen des Kaisers bringt die Franzosen wieder zum Stehen. Die Nachricht, daß abermals Feuerschiffe die Brücken über die Lobau vernichtet hätten, zwingt jetzt Napoleon, von jeder weiteren Offensive abzusehen. Nun versucht er, um jeden Preis Aspern und Eßling zu halten. Aspern wechselt mehrmals den Besitzer. Schließlich gelingt es den Österreichern nach mehreren Stürmen doch, sich hier endgültig festzusetzen. Ebenso erbittert wird um Eßling gerungen. Französische Gardegrenadiere greifen ein, schon dringen österreichische Truppen vor, da schmettert ein langgezogenes Signal, von rückwärts kommend und sich über das umkämpfte Eßling bis gegen das Zentrum hinüberziehend, gebieterisch - Halt!

Die Entscheidung ist am rechten Flügel und im Zentrum gefallen. Erzherzog Carl befiehlt, den Angriff auf Eßling abzubrechen, er beordert seine Bataillonsmassen und Reitergeschwader gegen das erschütterte feindliche Zentrum und drängt die Franzosen bis hart an den Flußrand. Dort hat Napoleon jetzt seine Generale versammelt. Während die französischen Pioniere fieberhaft an der Wiederherstellung der Brücke arbeiten, erklären die Generale dem Kaiser, daß nur mehr ein beschleunigter Rückzug über den Strom die Vernichtung der Grande-Armee zu verhindern vermag. Stumm nickt der Kaiser und übergibt den Oberbefehl an Massena. Dann reitet er, finster vor sich hinbrütend, nach der Lobau, sitzt dort ab und wartet, auf einem Baumstamm sitzend im düsteren Schweigen, bis ein Kahn herangeschafft ist, der ihn angesichts der noch nicht fertiggestellten Brücke nach Wien hinüberschafft. Sorgenvoll mit bedrückten Mienen umstehen ihn indessen die Generale. Zum erstenmal ist ihr vergötterter Kaiser in offener Feldschlacht geschlagen. Schon klingen Hohnworte und Spottrufe aus den Reihen der zurückmarschierenden Truppen zu der Gruppe herüber. Da meldet ein Ordonnanzoffizier den Kahn, Napoleon erhebt sich. Doch plötzlich zögert er. Vor ihm liegt auf einer Bahre, schwerverwundet, der österreichische Feldmarschalleutnant Weber, den das 24. leichte Regiment am Morgen in Aspern gefangengenommen hat. In ritterlicher Achtung vor dem verletzten Gegner ordnet der Kaiser nun an, daß der Feldmarschalleutnant mit ihm in demselben Kahn über den Strom zu schaffen und in Wien in ein Lazarett zu befördern sei. Sobald man die Tragbahre in die Barke gestellt hat, besteigt der Kaiser das armselige Schifflein und verharrt weiter in Schweigen. Doch plötzlich blickt er dem bleichen Schwerverletzten starr in das Antlitz. Er zögert, noch einen Augenblick, aber dann fragt er den Österreicher auf einmal:

"Comment s'en va-t-il, général?"

[216] "Trés bien, Sire", antwortet da der Österreicher langsam. Und mit der klaren Stimme eines Mannes, der dem Tod oft ins Auge geblickt hat und nun weiß, daß dieser ihn als Soldaten eines siegreichen Heeres erwartet, erklärt er fast heiter: "Car je vois vous trembler! - denn ich sehe Sie zittern, Majestät!"

Noch in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai vollzog sich der Übergang des größten Teiles der französischen Armee auf die Lobau, wo 40 000 Mann, eng zusammengedrängt und in arg gelockerter Disziplin, die Wiederherstellung der Brücken über die beiden großen Donauarme erwarteten. Erzherzog Carl drängte nicht nach. Über die Ursachen, die ihn veranlaßten, nicht sofort den Sieg auszunützen und sich mit voller Wucht auf die noch in Eßling den Donauübergang deckenden Franzosen zu werfen, um dann Napoleons Hauptheer vollends auf der Lobau zu vernichten, berichtet die Geschichte der k. u. k. Armee lediglich kurz. "Nur die vollkommene Erschöpfung der österreichischen Armee läßt es begreiflich und entschuldbar erscheinen, daß man diese Lage des Gegners nicht ausnützte." Weil aber die Verfasser des Geschichtswerkes wohl selber diesen Hinweis nicht als erschöpfend stichhaltig anzuerkennen vermögen, führen sie - allerdings ohne jegliche kritische Betrachtung des Verhaltens Erzherzog Carls -, wie zur eigenen Beurteilung durch den Leser noch ausdrücklich jene Möglichkeiten an, die in rascher Durchführung eines harten Verfolgungsentschlusses zur endgültigen Vernichtung Napoleons geführt hätten. "Wenn man auf irgendeinen anderen Punkt nur ein Armeekorps auf das rechte Donauufer geworfen hätte", wird treffend von ihnen gesagt, "so wäre bei der Stimmung der Bevölkerung, die nur auf ein Signal zum Aufstand wartete, die Lage der Franzosen ganz verzweifelt gewesen. Wir wissen aus französischen Memoiren, daß man am 23. Mai vollkommen auf eine solche Eventualität gefaßt war und Massena schon den Gedanken erwog, die auf der Lobau zusammengedrängte Armee wieder auf das linke Ufer zu führen und einen Durchbruch gegen Böhmen zu wagen."

Erst am 23. Mai zwang der wiedereinsetzende Druck der Österreicher, vor allem der Kavallerie Liechtensteins, Massena dann doch zur Räumung von Eßling. Dadurch gab er allerdings auch die Basis für den geplanten Durchbruch nach Böhmen auf. Was aber andererseits Erzherzog Carl jetzt noch immer von einem energischen Angriff auf die Lobau abhielt, erklärt die Geschichte der k. u. k. Armee nun ausführlicher und dieses Mal unter Hervorhebung von Tatsachen, die auch bei einer kritischen Betrachtung immerhin einleuchtend erscheinen - nämlich mit dem [217] gänzlichen Mangel an Pontons und Brückenmaterial. "Ein kombinierter Angriff über die sogenannte Herrenau und die kleineren Inseln", wird immerhin zutreffend gesagt, "wurde aber durch den hohen Wasserstand der Donau unmöglich gemacht. Endlich war nicht zu übersehen, daß die zweitägigen mörderischen Kämpfe die Munition erschöpft und die Armee furchtbar geschwächt hatten.

Die Verluste der Österreicher waren in der Tat außerordentlich hart. Sie betrugen 23 330 Mann, davon waren 4286 Mann und 87 Offiziere gefallen. 15 000 Soldaten waren verwundet und 800 in Gefangenschaft geraten. Viel schwerer waren allerdings die Verluste der Franzosen. Mußten doch die Österreicher allein schon 7300 gefallene Gegner begraben. Der Gesamtverlust an Toten erhöhte sich aber beim Feind noch weiter auf 10 000 Mann, da Tausende noch auf den Verbandsplätzen der Lobau und in den Wiener Lazaretten während der darauffolgenden Tage starben. 30 000 Verwundete transportierten die Franzosen dann noch während der nächsten Tage über die wiederhergestellte Donaubrücke ab."

Diese Zahlen erklären sich aus der Erbitterung, mit der auf beiden Seiten gekämpft worden war. Sie geben aber auch ein beredtes Zeugnis von der Leistung des österreichischen Soldaten und der Feldherrnbegabung Erzherzog Carls ab. Untrennbar ist sein Name als derjenige des ersten Sieges über Napoleon mit dem Tage von Aspern verbunden.

In den Tagen nach der Schlacht von Aspern setzte Napoleon alles daran, die Lobauinsel zu einer Festung auszubauen und den Übergang durch starke Brücken, die vor Brandschiffen geschützt waren, zu sichern. Außerdem verstand er es meisterhaft, die österreichische Staatskanzlei durch Verhandlungen über ein von ihm angebotenes Waffenstillstandsangebot hinzuziehen, so daß er eiligst bayrische Truppen aus Tirol unter Preisgabe von Innsbruck heranziehen konnte. Außerdem erwartete er noch die Armee seines Stiefsohnes Eugen Beauharnais.

Der Vizekönig hatte Erzherzog Johann nicht weiter verfolgt, sondern war über Graz und Brück nach Wiener Neustadt gezogen, wo er sich mit Marschall Macdonald vereinigte. Entgegen den Weisungen seines Bruders Carl ließ sich Erzherzog Johann bei Raab in eine Schlacht ein und wurde von den vereinigten französischen Heeren geschlagen. Eugen Beauharnais marschierte dann weiter und vereinigte sich mit dem Kaiser, der jetzt wieder genügend Truppen beisammen hatte, um eine Offensive [218] zu wagen. Am Abend des 4. Juli 1809 überschritt Napoleon die Donau und drängte die österreichische Vorhut zurück. Bei Wagram stellte sich Erzherzog Carl mit 128 000 Mann dem 180 000 Mann starken Heer der Franzosen entgegen. Der Erzherzog hatte die Schlacht im Vertrauen darauf angenommen, daß die Truppen des Erzherzogs Johann ihm noch rechtzeitig zu Hilfe kommen würden. Er hatte auch Eilkuriere an seinen Bruder geschickt, die dessen Vorgehen beschleunigen sollten. Doch Johann versäumte durch umständliche Maßnahmen einen rechtzeitigen Abmarsch seiner Armee, schickte auch keine leichte Kavallerie und reitende Artillerie voraus, die durch ihr bloßes Erscheinen den Gang der Schlacht hätten beeinflussen können. So wurde Erzherzog Carl gezwungen, nachdem die Österreicher stundenlang die Angriffe der französischen Übermacht abgewehrt hatten, am Nachmittag die Schlacht abzubrechen. In vollster Ordnung zog sich die österreichische Armee, Schritt für Schritt kämpfend, zurück und erreichte die mährische Grenze.

Napoleon folgte dem Gegner wegen der eigenen, sehr schweren Verluste nur sehr langsam. Es kam nur noch bei Korneuburg, Hollabrunn und Znaim zu Kämpfen. Erzherzog Carl setzte sich jetzt trotz aller Anfeindungen selbst aus dem Lager der Patrioten und des Heeres für einen Waffenstillstand ein, da seiner Ansicht nach Napoleon eher für einen Frieden geneigt war, wenn noch bedeutende, schlagfertige österreichische Streitkräfte zur Verfügung ständen. Nach heftigen Auseinandersetzungen entschloß sich Kaiser Franz nur ungern zur Unterzeichnung. Erzherzog Carl legte den Oberbefehl nieder und zog sich ins Privatleben zurück. Eine erschütternde Tragik umgibt die Gestalt des Erzherzogs, der sich aus Beharrlichkeit seiner Grundsätze über die Erfolgsmöglichkeiten eines nur festgefügten und durch reiche Hilfsquellen gedeckten Heeres in den Tagen des Jahres 1809 nicht zum Entschluß des Kampfes bis zum Äußersten durchringen konnte. Selbst einer der größten Feldherren Österreichs und ein großer deutscher Patriot versagte sich als Vorkämpfer des Volksheeres in einer allzu starren Festlegung auf den militärischen Weg nur bestens geschulter Soldaten dem Wehrwillen des Volkes.

Dieses Volk war es nun, das allein auf sich selbst gestellt die ganze Rache des Siegers zu spüren bekam. Während das Heer zur Untätigkeit verdammt war und die österreichische Staatskanzlei vergeblich die maßlosen Friedensbedingungen Napoleons herabzumildern trachtete, entbrannte in einem deutschen Lande noch einmal der Kampf mit solcher Heftigkeit, daß sein Auflohen für den Freiheitswillen des ganzen deutschen Volkes zum Symbol wurde. Dieses Land des bedingungslosen Widerstandes war Tirol.

[219] Die Unglücksschläge für die Armee hatten Andreas Hofer nicht erschüttern können. Hatte der Kaiser doch dem Tiroler Volke feierlich verbrieft, daß er niemals einen Frieden unterzeichne, der Tirol von Österreich trennen würde. Diese Proklamation erschien Hofer und dem ganzen Tiroler Volke als bindend. Als daher Marschall Lefebre in Tirol einrückte, rief Andreas Hofer die Bevölkerung noch einmal zu den Waffen. In kurzer Zeit wurden die Eindringlinge vertrieben. Tirol war abermals frei. Da Hofer von der österreichischen Regierung zum Ausharren ermuntert und durch Übersendung einer Ehrenkette ausgezeichnet wurde, lehnte er ein günstiges Waffenstillstandsangebot Napoleons ab. Inzwischen wurde in Schönbrunn der Friede geschlossen. Österreich verlor Krain und Kärnten, Westgalizien und das Innviertel. Tirol wurde an das Vizekönigtum Italien und Bayern aufgeteilt.

Die Tiroler wollten diese Nachricht nicht glauben. Sie konnten sich nicht denken, daß der Kaiser auf eine bloße Zusicherung für unumschränkte Amnestie für die Freiheitskämpfer sein Wort gebrochen hätte. Von der Regierung im Stiche gelassen, erhob sich Tirol zum vierten Male. Von allen Seiten rückten jetzt französische und bayrische Divisionen ins Land. Nach langen Verzweiflungskämpfen erlahmte die Widerstandskraft der Verteidiger. Von feindlicher Übermacht erdrückt, wurde der Aufstand blutig niedergeschlagen. Das Ende waren die Schüsse von Mantua, die am 20. Februar 1810 Andreas Hofer als Opfer einer wortbrüchigen Staatsführung, aber als unsterbliches Vorbild deutschen Heldengeistes hinstreckten.

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Österreichs Blutweg
Ein Vierteljahrtausend Kampf um Großdeutschland
Anton Graf Bossi Fedrigotti