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Siege des Reichsfeldmarschalls

In Spanien war Karl II. gestorben. Sowohl der Kaiser in Wien als auch Ludwig XIV. erhoben auf Grund ihrer Heirat mit spanischen Prinzessinnen Anspruch auf den spanischen Habsburgerthron. Zu diesen Bewerbern hatte sich außerdem noch das Haus Wittelsbach gestellt, das durch des Kurfürsten Max Emanuels Heirat mit der habsburgischen Prinzessin Maria Antonia für deren Sohn ebenfalls ein Anrecht auf die spanische Thronfolge geltend machte. Diese Forderung Wittelsbachs war von den Seemächten England und Holland, die weder Österreich [75] noch Frankreich den Besitz der überseeischen spanischen Ländereien gönnen wollen, tatkräftig unterstützt worden. Da war der kleine bayrische Erbe plötzlich gestorben. Nun begann ein gewaltiger diplomatischer Machtkampf. Aber erst bei Eröffnung des Testamentes Karls II. wurde der kaiserlichen Regierung bekannt, daß es Ludwig XIV., der noch zu Lebzeiten Karls II. ausdrücklich auf das spanische Erbe zugunsten der spanischen Gemahlin Leopolds I. verzichtet hatte, gelungen war, mit Hilfe des Kardinals Porto-Carrero von Toledo ebenfalls noch zu Lebzeiten des spanischen Herrschers diesen zur Zugestehung der Erbfolge an einen Enkel des Sonnenkönigs zu bestimmen. Als nun der Papst und Portugal als erste diesen Betrug des französischen Königs anerkannten, bedeutete die nun geschaffene Lage für Habsburg den Krieg.

Es war Prinz Eugen, der den alternden Kaiser in erster Linie zur Anrufung der Entscheidung der Waffen brachte. So, wie er in allen seinen Auffassungen stets ein unerbittlicher Verfechter aller Sachlagen war, die er einmal als zu Recht bestehend erkannt hatte, so trat er auch hier für die ungeschmälerte Wahrung des vom deutschen Kaiser dargestellten Machtanspruches der habsburgischen Krone ein. Daß er damit das Reich selber zum blutigen Waffengang gegen Frankreich zwang, war nicht der Kompromißlosigkeit seiner Auffassungen zuzuschreiben, sondern lag in der unglücklichen Verkoppelung der Hausmacht- und Reichsinteressen der Krone. Was aber dennoch die Haltung Prinz Eugens und sein sich daraus ergebendes Handeln im zielbewußten Drauflosgehen auf die Eröffnung der Feindseligkeiten zu einem unbedingten Erfordernis im Reichsinteresse erhob, war die klare Erkenntnis des Prinzen, daß es früher oder später für das Reich zur endgültigen Abrechnung mit Frankreich kommen mußte. Niemand anderes als deutsche Reichsfürsten selber hatten dem Prinzen den Anlaß zur rücksichtslosesten Betreibung dieser Entscheidung gegeben. Kurfürst Max Emanuel von Bayern war der Sache des Reiches untreu geworden und hatte sich gegen das Versprechen der erblichen Statthalterschaft in den spanischen Niederlanden, der Abtrennung der Rheinpfalz, französischer Unterstützung bei der nächsten Kaiserwahl und der Zusicherung des Königstitels durch Frankreich von Ludwig XIV. gewinnen lassen. Schmählich öffnete er die belgischen Festungen den Franzosen, und während sein Bruder Joseph Clemens, der dem Kaiser den Kardinalshut von Köln und die Kurwürde dankte, ebenfalls alle festen kölnischen Plätze den Franzosen überließ, eilte Max Emanuel nach neunjähriger Abwesenheit nach München und versuchte von dort aus, auch die übrigen deutschen Fürsten gegen den Kaiser zu hetzen. So gelang es ihm, auch den Herzog von Wolfenbüttel zum Verbündeten zu [76] gewinnen, der mit französischem Gelde eine Armee von 12 000 Mann gegen den Kaiser mitten in Deutschland aufstellte. Da sich zu diesen, ihre Pflichten gegenüber dem Reich vergessenden Fürsten noch Savoyen, Mantua, Neapel und Sizilien gesellten, gab es für den Kaiser nur die einzige Möglichkeit, den Rat Prinz Eugens zu befolgen, der hieß: "Marschieren wir erst, dann werden wir schon Verbündete finden!"

Der erste dieser Verbündeten, den die Haltung des durch Prinz Eugen verkörperten Österreich für die Sache des Kaisers eintreten ließ, war der zum König von Preußen erhobene, brandenburgische Kurfürst Friedrich. Er war bereit, dem Kaiser 10 000 Mann zur Hilfe zu senden, und so waren es brandenburgisch-preußische Soldaten, die sich mit den österreichischen Truppen als erste in die Front der Reichsverteidigung jenes ersten Weltkrieges nach dem dreißigjährigen Vernichtungskampf stellten.

Es entsprach völlig der Eugenschen Art, daß er schlagartig handelte. Schon hatten sich französische Korps über Savoyen ins spanische Mailand und bis nach Verona geschoben. Auch in Ungarn begann es, von französischen Geldern geschürt, unter der Führung eines neuen Rakoczy wieder zu brodeln. Doch Eugen beschloß, dieses Mal jede Verzettelung von Kräften hinzuhalten, und verwendete erst seine ganze Kraft, um die rechte Hand des französischen Gegners, Oberitalien, kampfunfähig zu machen. Während der bedächtig gewordene Markgraf Ludwig von Baden den Oberbefehl über die österreichischen Truppen in Deutschland übernahm, eilte Eugen auf dem schnellsten Wege nach Süden. Alle Hindernisse an wieder einmal fehlenden Geldern, der Weigerung der Bischöfe von Salzburg, Brixen und Trient, die Truppen durchmarschieren zulassen, wo es sein mußte auch mit Rücksichtslosigkeit und Gewalt überwindend, kam er im Mai 1701 in Südtirol an.

Dort waren es alte bewährte Generale, die seiner mit einem Heer von 30 000 Mann harrten. Guido von Starhemberg, Vaudemont und vor allem der Artilleriegeneral Börner, von dessen Verdienste um die österreichische Artillerie Eugen gesagt hatte, "daß es keine schönere und reputiertere in der Welt gab", waren in der Gegend von Rovereto versammelt. Es war allerdings das Tollkühnste, was Eugen seit Hannibals Tagen begann. Statt den Gegner, wie dieser erwartet hatte, in der Berner Klause anzupacken, vollführte Eugen seinen berühmt gewordenen Alpenübergang auf Vicenza. In 10 Tagen wurde das ganze Heer mit all dem schwerfälligen Geschütz und Train jener Zeit, mit Reitern, Saumtieren und Fußmannschaften über das unwegsame Gebirge gebracht. Mit Hilfe der Tiroler Bevölkerung, die erst die Wege bahnte und Übergänge aus dem Fels und durch Geröllhalden schlug, schob sich das Heer von Paß zu Paß und von Tal zu Tal. Jedes Pferd mußte [77] von den Reitern vorsichtig geführt werden, die Geschütze und Wagen wurden zerlegt und mit Stricken über die Hänge gezogen, und wo es den das Hochgebirge ungewohnten Soldaten an sicherem Fortkommen gebrach, wurde Mann um Mann von den berggewohnten Tirolern weitergeholfen.

Plötzlich stand Eugen im Rücken seines alten Gegners Catinat. Und weil er seine Absichten auch weiter geschickt zu verbergen verstand, warf er sich schlagartig auf den Gegner, der, unsicher geworden, seine Truppen geteilt hatte und bereitete ihm kurz hintereinander bei Castagnara und Carpi zwei schwere Niederlagen. Als dann Herzog Amadeus von Savoyen den Oberbefehl über das französisch-piemontesische Heer übernahm, wurde auch dieser in weiteren Gefechten geschlagen, und so konnte Eugen schon Ende Juli dem Kaiser melden, daß er statt in Südtirol an der Etsch, an der Grenze des mailändischen Gebietes am Oglio stand.

Da schickte Ludwig XIV. den Marschall Villeroi nach Italien. Großsprecherisch vermaß er sich, er wolle die Österreicher in Tirols Berge jagen. Verstärkt durch 32 Bataillone, die er dem nun unter seinem Oberbefehl verbleibenden Catinat zugeführt hatte, griff er Eugen bei Chiari an. Auch dieser Tag endete mit einer französischen Niederlage. Rasch gingen die Österreicher erneut zum Angriff über und nahmen Caneto, Morcario und Guastalla. Jetzt zeigte es sich, wie recht Prinz Eugen mit seinem Wort vom "Marschieren, dann werden wir schon Verbündete finden!" gehabt hatte. Auf einmal ließen die Seemächte ihre abwartende Haltung fallen, der Vertrag der Großen Allianz von Haag kam zustande, und nun traten England und Holland auf die Seite des Kaisers und erkannten dessen zweiten Sohn Karl als Erben der spanischen Krone an. Kein anderer als Prinz Eugen und seine Soldaten hatten diesen Umschwung der europäischen Lage zustande gebracht. Während sie nun im stolzen Bewußtsein des Sieges in die Winterquartiere marschierten, sandte der rastlose Eugen schon wieder Kurier um Kurier nach Wien, um dort die notwendigen Vorbereitungen für den Frühjahrsfeldzug zu betreiben. Der nun sich entwickelnde Krieg in Deutschland, Italien, Spanien, den Niederlanden, auf den Meeren und in den Kolonien sollte das kaiserliche Heer gestärkt und gerüstet finden.

Doch Eugens Vorstellungen fanden wohl Widerhall, aber es fehlte wieder einmal an Mitteln. Ehe jedoch Eugen nach Wien reisen sollte, zwang ihn sein ewig auf Unternehmungen erpichter Geist, den Gegner auch aus der Ruhe seiner Winterquartiere aufzurütteln. Noch in den ersten Februartagen des Jahres 1702 erschien er überraschend vor Cremona, brachte mit Hilfe der Bewohner 400 Mann Guido Starhembergs vom Regiment Gschwind durch einen Wasserkanal in die Stadt und [78] überrumpelte so Villeroi. Als es dann noch einer anderen Abteilung von Starhembergs Truppen gelang, durch die Porta Margherita in die Stadt einzudringen, wurde in der entstehenden Verwirrung der französische Marschall gefangen. Da verzögerte sich unglücklicherweise der Anmarsch der ebenfalls zum Überfall auf die Festung bestimmten Truppen des Prinzen Vaudemont durch die grundlosen Wege. Französische Truppen, die in den ersten Morgenstunden den Ausmarsch zu einer Übung angetreten hatten, leisteten überraschenden Widerstand, und so wurden die eingedrungenen Truppen gezwungen, wieder kämpfend die Stadt zu verlassen. Aber sie führten 300 Gefangene, 500 Pferde und zahlreiche Trophäen mit. Unter den mitgeschleppten Gefangenen befand sich auch der französische Marschall.

Dieser überraschende Streich gewann Eugen die Sympathien des ganzen Landes. Wo sich von jetzt ab die kaiserlichen Truppen zeigten, wurden sie von der Bevölkerung mit Freuden empfangen. Hatte sich doch Villeroi durch sein hochfahrendes Wesen und durch die Überheblichkeit seiner Truppen überall verhaßt gemacht. Erst als Ludwig XIV. den kriegserfahrenen und auch leutseligen Vendome nach Oberitalien sandte, änderte sich das Verhalten der Bevölkerung gegenüber den Franzosen. Auch Eugen machte dieser alte Haudegen jetzt ernstlich zu schaffen. Während es den kaiserlichen Truppen immer mehr an den notwendigsten Dingen zu mangeln begann, zog der Franzose immer größere Verstärkungen heran, so daß schließlich 80 000 Franzosen nur 28 000 Österreichern gegenüberstanden. Dennoch stellte sich Eugen am 15. August 1702 Vendome bei Luzzara und schlug trotz seiner zahlenmäßigen Unterlegenheit eine derart blutige Schlacht, daß die Franzosen den Kampf abbrachen und Eugen das Schlachtfeld überließen. Zum großen Schmerze Eugens fand sein Jugendgespiele und Waffengefährte Prinz Vaudemont an diesem Tage den Heldentod. Doch der sich jetzt immer stärker bemerkbar machende Mangel an Verstärkungen und Kriegsmaterial zwang Eugen, für den weiteren Verlauf dieses Feldzuges seine Kräfte äußerst zu schonen. Er verlegte sich darauf, den Gegner nach Möglichkeit durch kühne Streifzüge in Unruhe zu halten, und als es gar einer Abteilung Husaren unter dem Reiterobristen Deak gelang, noch im Oktober durch den Feind durchzubrechen und in Mailand einzureiten, vermochte er dadurch anzuzeigen, daß er immer noch das Gesetz des Handelns in der Hand behalten hatte.

Da schied nach dem bereits im Jahre 1701 erfolgten Tode Rüdiger von Starhembergs dessen Nachfolger als Hofkriegsratspräsident, der Fürst Mansfeld-Fondi, aus dem Amte. Letzterer hatte sich, sehr zum Unwillen Eugens, gegenüber allen Vorstellungen des Prinzen zur [79] Heranschaffung von Verstärkungen und Kampfmitteln passiv verhalten. War doch die Ausrüstung der Truppen trotz Eugens unendlichem Eifer, sie im Stand zu halten, in der letzten Zeit derartig im argen, daß er darüber hinaus noch berichtet hatte, "die alte Mannschaft zu Fuß und zu Pferd völlig dismundiert, ohne Stiefel und Schuhe nackend und bloß". Nur diesen unablässigen und energischen Vorstellungen war es zu danken, daß man sich in Wien endlich für einen neuen Hofkriegsratspräsidenten entschied.

Eugen reiste nach Wien und wurde tatsächlich zum Präsidenten des Hofkriegsrates ernannt. Sofort schritt er an die Durchführung der unter seinem Einfluß noch von Rüdiger von Starhemberg bereits angestrebten Reformen, und während Guido von Starhemberg das Heer in Italien weiterführte, setzte Eugen alle seine Kräfte daran, auch in die gesamte Kriegführung einen neuen tatkräftigen Zug zu bringen.

Dies tat vor allem auf dem deutschen Kriegsschauplatz und in dem wieder aufsässig gewordenen Ungarn not. Kurfürst Max Emanuel war in Bayern siegreich vorgedrungen und hatte den kaiserlichen General Schlick geschlagen. Unaufgehalten zog er gegen Tirol heran und versuchte sich über den Brenner und über den Reschenpaß einen Weg nach Südtirol zu bahnen. Er hatte die Absicht, sich mit Vendome, dem Starhemberg wegen seiner schwachen Kräfte nur hinhaltend gegenübertreten durfte, zu vereinigen und so Österreich von seinen Vorlanden abzuschneiden. Da geboten ihm aber die Tiroler Bayern unter Martin Sterzinger am Brenner und an der Pontlatzer Brücke Halt. Der Kurfürst wurde derart verlustreich geschlagen, daß er sich mit dem Rest seiner Truppen Hals über Kopf aus Tirol flüchten mußte und erst durch die Vereinigung mit Villars, die übrigens vom Markgrafen Ludwig von Baden nicht gehindert wurde, Kraft zu erneuten Vorstößen fand. Diese Angriffe der vereinigten Franzosen und Bayern führten dann auch zu einer schweren Niederlage des kaiserlichen Feldmarschalls Limburg-Styrum bei Höchstädt. Das Jahr 1703 stand also durchaus im Zeichen des Unglücks für die Kaiserlichen und ihre Verbündeten.

Doch nun machte sich auf einmal Eugens Wirken als Hofkriegsratspräsident auch in der Umgruppierung der gesamten Streitkräfte in Deutschland, den Niederlanden, Italien und Ungarn bemerkbar. Dazu kam, daß die Engländer und Preußen unter Marlborough am Niederrhein erfolgreich gefochten hatten und Herzog Amadeus von Savoyen wieder zur Sache des Kaisers übergetreten war. Auch in Portugal sammelte sich jetzt ein Heer, das mit englischen, holländischen und portugiesischen Truppen unter Führung Karls den Angriff auf Frankreich vorzubereiten begann. Eugen aber hatte mit klarem Blick erkannt, daß [80] eine Entscheidung nur durch die Niederwerfung des Gegners in Süddeutschland möglich war. Zu diesem Zwecke beschloß er, die Vereinigung aller zur Verfügung stehenden Kräfte im württembergisch-bayrischen Raum anzustreben. Es war ein Beispiel für Marlboroughs Feldherrnbegabung, daß er als Führer der in der Maastrichter Gegend stehenden deutsch-englisch-holländischen Truppen ohne zu zögern auf Eugens Vorschläge einging und in einem meisterhaft durchgeführten Marsch in wenigen Tagen sein Heer von der Südspitze der Niederlande bis nach Ladenburg am Neckar heranführte.

Zu gleicher Zeit kam Eugen über Tirol auf dem Kriegsschauplatz an. Nicht umsonst hatte der Kurfürst von Bayern, als er vom Eintreffen Eugens erfuhr, an den Sonnenkönig geschrieben: "Es ist nicht zu zweifeln, daß der Prinz von Savoyen nur zur Ausführung großer Projekte nach dem Kriegsschauplatz gekommen ist." Denn als sich die beiden Feldherren am 10. Juni bei der berühmten Zusammenkunft von Mindesheim trafen, und drei Tage später auch noch der Markgraf Ludwig von Baden bei Großheppach eine Besprechung mit Eugen und Marlborough hatte, änderte sich bald die gesamte militärische Lage.

Eugen selbst übernahm die schwierigste Aufgabe. Er behielt sich die Abwehr der Franzosen in der Rheingegend vor, obwohl ihm das zahlenmäßig kleinste und aus sämtlichen Kontingenten des Reiches zusammengewürfelte Heer zur Verfügung stand. Den Kern seiner Truppen bildeten allerdings Brandenburger und Kaiserliche. Bei den Brandenburgern hatte auch der junge Prinz Leopold von Anhalt-Dessau schon ein Kommando inne.

Markgraf Ludwig von Baden und Marlborough wandten sich inzwischen gemeinsam marschierend gegen den bayrischen General Arco und schlugen ihn am 2. Juli bei Schellenberg in der Nähe von Donauwörth. Das hatte zur Folge, daß der französische Marschall Tallard mit starken Kräften den Rhein überschritt. Weil Prinz Eugen einsah, daß er mit seinen schwachen und vor allem uneinheitlichen Soldaten den Franzosen nicht gegenübertreten konnte, bevor er seine Truppen nicht selber straff in der Hand hatte, faßte er den kühnen Entschluß, im Parallelmarsch das französische Heer zu begleiten. 20 000 Mann ließ er unter dem Grafen Nassau an den Stollhoferlinien zurück, damit dieser den inzwischen wieder freigelassenen Villeroi mit einem zweiten französischen Heere aufhalten konnte. Er selber aber rückte mit nur 15 000 Mann, immer auf gleicher Höhe mit Tallard marschierend, zur Verstärkung Marlboroughs und Markgraf Ludwigs heran.

Dieser Marsch genügte, um Eugens bunt zusammengesetztes Heer bereits fest an seine Persönlichkeit zu binden. Daß Eugen es auch bei den [81] übrigen deutschen Reichskontingenten verstand, sie unter seinen harten Willen zu zwingen, beweist, mit welch unerbittlicher Strenge er seine Befehle erteilte. Ebenso energisch und vor allem bedingungslos vermochte aber Eugen auch bei bedeutenden Feldherren, wie Marlborough und dem zwar alt und bedächtig gewordenen, aber doch auf große Erfolge zurückblickenden Markgrafen von Baden, mit seinen Absichten durchzudringen.

Es war dabei der klugen, Spannungen zu überbrücken suchenden Art des englischen Feldherrn zu danken, daß Eugen und Marlborough nun den Markgrafen Ludwig dazu brachten, sich mit seinen Truppen von den beiden jungen Führern zu trennen und Ingolstadt zu belagern. Nun wandten sich Marlborough und Eugen gegen das Gros des französisch-bayrischen Heeres. Das zog, vom Kurfürsten Max Emanuel und den Marschällen Marsin und Tallard geführt, in der Stärke von rund 55 000 Mann gegen Höchstädt und Dillingen heran. Und als nun diese französisch-bayrische Streitmacht zwischen Blindheim und Lützingen eine feste, durch den Nebelbach gedeckte Stellung bezog, stellten auch Eugen und Marlborough, deren Heer aus einem bunten Durcheinander kaiserlicher, brandenburgischer, reichsständiger, britischer, dänischer und niederländischer Kontingente bestand, ihre Streitkräfte in Schlachtordnung auf und führten sie angesichts des gleichen Höchstädt zur Schlacht, wo ein Jahr vorher der kaiserliche General Limburg-Styrum geschlagen worden war.

Am 13. August 1704 kam es zum Kampf. Noch am Tage vorher hatten Eugen und Marlborough gemeinsam eine Rekognoszierung der feindlichen Linien vorgenommen und dabei einen Fehler in der Aufstellung des Gegners entdeckt. Diese dehnte sich zwischen Blindheim und Lützingen in einem zu großen Umfange aus. Nun beschlossen die beiden Feldherren das feindliche Zentrum zu sprengen. In aller Stille führte Eugen in den Morgenstunden des 13. August seinen rechten Flügel, darunter auch die Brandenburger, in einem Flankenmarsch auf die gleiche Höhe von Lützingen heran. Durch tiefen Nebel gedeckt, gelang es ihm dann, ungestört vom Gegner gegen den Ort einzuschwenken, und während nun Marlborough auf Blindheim losrückte, warf sich Eugen auf das von Bayern besetzte Lützingen und das französische Zentrum. Aber alle Angriffe brachen vorerst noch im furchtbaren Artilleriefeuer des Gegners zusammen. Erst als die Brandenburger des Fürsten Leopold von Anhalt Dessau von Eugen vorgeführt wurden, [82] glückte der Einbruch in die Stellungen. Auch Marlborough brachte jetzt seine Bataillone unter schweren Verlusten über den Nebelbach. Dieser gemeinsam geführte Stoß zerriß jetzt endlich auch das feindliche Zentrum. Während Eugen mit den Brandenburgern Lützingen erstürmte, wurde der französische General Blatanc in Blindheim umzingelt. In den Flanken gepackt, wich der General auf allen Punkten. Der rechte Flügel Tallards schien völlig vernichtet. Marsin entwich in voller Auflösung bis an den Rhein. Auch die Bayern hatten schwere Verluste. Allein 14 000 Tote und Verwundete, mehr als 13 000 Gefangene, darunter Marschall Tallard, kostete dieser Tag den Franzosen.

Der Herzog von Marlborough leitet das Vorgehen seiner Kavallerie
bei Höchstädt.
[86]      Der Herzog von Marlborough leitet das Vorgehen seiner Kavallerie bei Höchstädt.
Nach einer Zeichnung von Wilhelm Dietz. (Österreichische Lichtbildstelle, Wien)

Aber die Verbündeten haben an die 12 000 Tote verloren. Wenn Eugen am Abend der Schlacht dem Kaiser berichtet, "Ich habe kein Schwadron und kein Bataillon, welches nicht wenigstens viermal angreifen mußte", so gilt dieses Wort vor allem dem Heldenmut der bayrischen Soldaten, die im Dienste eines ehrgeizeigen, seine Reichspflicht vergessenden Fürsten, für die Interessen Frankreichs geblutet haben und damit jener verhängnisvollen deutschen Zwietracht Tribut zollten, die noch so oft bestes deutsches Soldatenblut im Dienste der Fremden verspritzen sollte.

Zu schwer war diesmal der Sieg errungen worden, als daß sich Eugen von seiner gewohnten Tatkraft fortreißen ließ, den geschlagenen Gegner sofort zu verfolgen. So glückte es Marsin und dem bayrischen Kurfürsten, ihre arg dezimierten Truppen hinter die Festung Landau zu führen, das in einer tapferen Verteidigung durch den französischen Generalleutnant Laubanie den Verbündeten lange widerstand. Erst im November 1704 kam es zu Fall, was zur Folge hatte, daß damit den Franzosen das ganze Gebiet rechts des Rheins entrissen wurde und Bayern in österreichische Gewalt kam. Vor der Festung Landau war auch der römische König Josef, Leopolds Sohn, als militärischer Führer in Erscheinung getreten. Obwohl er nur den nominellen Oberbefehl führte, bewies der jugendliche Fürst neben einer von Verehrung und Freundschaft getragenen Haltung gegenüber dem Prinzen Eugen auch ein derartig energisches, schon jetzt zielbewußt auf das gesamte Reichsinteresse gerichtetes Auftreten, daß sich Prinz Eugen und mancher deutsche Reichsfürst, der nicht nur von den Interessen seiner mehr oder minder bedeutsamen Stellung innerhalb des Reiches befangen war, von der späteren Übernahme der Reichsgewalt durch Josef eine neue Stärkung der deutschen Kaiserwürde versprachen.

[83] Daß die österreichische Herrschaft, die jetzt die Macht in den bayrischen Landen Max Emanuels übernahm, sich vielfach in derart grausamer Strenge auswirkte, daß es zu Aufständen und zuletzt zur blutigen Sendlinger Bauernschlacht des fürstentreuen, bayrischen Volkes kam, war nicht Prinz Eugen, sondern vielfach der Härte mancher kaiserlicher Unterführer zuzuschreiben. Nur dort, wo er im Sinne seiner Stellung als kaiserlicher Feldmarschall scharf durchgreifen mußte, war Eugen allerdings für kompromißlose Strenge. Aber ebensooft versuchte er zu schlichten und auszugleichen. Auch daß er die bayrischen Soldaten in kaiserliche Regimenter einreihte, war nicht als Ausdruck einer willkürlich auf die alleinige Stärkung der habsburgischen Hausmacht hinzielenden Gewaltmaßnahme zu werten, sondern galt dem Gedanken, die kaiserliche, also die Reichsgewalt durch die zahlenmäßige Verstärkung deutsch-kaiserlicher Truppen zu erhärten. Es war nicht des deutschen Kaisers sondern Max Emanuels Schuld, daß bayrisches Land alle Bitternis eines gegen das Reich aufgebotenen Staates auszukosten bekam. Für Prinz Eugenius galt stets die durch die Person seines Fürsten verkörperte Sache des Reiches als Maßstab für seine Handlungen und Entscheidungen. Als dann Graf Wratislaw die Statthalterschaft in Bayern übernahm, reiste Eugen nach Wien. Hier war er es allerdings, der auf rücksichtslose Unterwerfung der habsburgischen Untertanen in Ungarn drang, die in neuen Aufständen sogar zeitweise das von Truppen entblößte Wien bedroht hatten. Die Erfolge, die der sonst tapfere, aber in seiner Härte dem General Caraffa in nichts nachstehende General Heister gegen die Anhänger Rakoczys bei Forgach und Tyrnau errungen hatte, nötigten Eugen damals lediglich die Bemerkung ab, daß mit Einzelerfolgen nichts, sondern nur mit einer Zusammenfassung aller verfügbaren Kräfte die Ausrottung aller Widerstandsnester herbeigeführt werden könne. Doch ehe Eugen die Wiederherstellung der Ordnung in den ungarischen Landen selbst in die Hand nehmen konnte, zwang die Lage in Oberitalien den Feldmarschall zu einer beschleunigten Abreise in Guido Starhembergs Lager.

Da traf ihn, schon als er von Wien abgereist war, die Nachricht vom Ableben des alten Kaisers. Für Eugen bedeutete dieser Tod Leopolds, der in einer sturmbewegten Zeit beinahe 50 Jahre die Kaiserkrone getragen hatte, einen schweren Schlag. War er doch dem bedächtigen, stets im Banne seiner kirchlichen Ratgeber gefangenen, aber doch das Reichsinteresse, wenn es not tat auch mit starrer Entschiedenheit wahrnehmenden Fürsten in tiefer, treuer Ehrfurcht ergeben. Nicht nur dem Manne, dem er seine große Soldatenlaufbahn verdankte, sondern vor allem dem deutschen Kaiser hatte er sich mit der [84] ganzen Kompromißlosigkeit seines aufrechten Wesens verschrieben. Weil er jener Leopold war, der in all seinem oftmaligen Zögern und Zaudern in dem Savoyer eben jenen wahren Paladin des Reiches erkannt hatte, dem das Reich gerade die starre Entschiedenheit des Kaisers in der Begegnung rechtsfeindlicher Gefahren verdankte, hatte Leopold Eugens Verdienste mit vielfältigen Gnadenbeweisen vergolten. Stets hatte er sich auch entschieden gegen alle Intrigen gegenüber Eugen gewandt. Nun, da er auf dem Totenbett lag, beklagte ihn Eugen wie einen Vater. Als er noch viele Jahre später sein Verhältnis zu den drei Kaisern, denen er gedient hatte, in den Satz kleidete, "Kaiser Leopold war mein Vater, Josef I. mein Bruder, Karl VI. mein Herr!", hat er selber seine Bindung an den alten Kaiser durch dieses Bekenntnis erhärtet.

Auch Josef I. mußte bei seinem Regierungsantritt sogleich Eugens unermüdliche und mahnende Sorge um seine Soldaten erfahren. Prinz Eugen war dem Hilfskorps Deutscher, vor allem preußischer Truppen, die er für die Fortführung des italienischen Feldzuges angefordert hatte, vorausgeeilt und erschien im April 1705 in Starhembergs Roveretanerlager. Nur unter den größten Schwierigkeiten hatte sich Starhemberg gegen den übermächtigen Vendome gehalten. Das savoyische Hilfskorps, das der jetzt wieder auf deutscher Seite kämpfende Herzog Amadeus den Kaiserlichen zugeführt hatte, bestand aus einer Handvoll Soldaten. Weil Starhembergs Kräfte viel zu schwach gewesen waren, sich in den weiten lombardisch-venezianischen Ebenen gegen die Franzosen zu halten, hatte er sich im Schutze der Berner Klause verschanzt.

Aber wie bisher noch nie befand sich der Zustand der Truppen im argen. Das Verhängnis, das stets österreichische Truppen in der Gestalt des Mangels an allem verfolgt hatte, glich dieses Mal einer Katastrophe. Wien hatte und sollte auch im folgenden nicht einmal die Mittel haben, um die Kuriere für Starhemberg und den Feldmarschall abzufertigen. Was jedoch Eugen vorfand, schien ihm alle Hoffnung auf den geringsten Erfolg gegenüber Vendome zu nehmen. "Wie ich irgend etwas mit ausgehungerten und halbnackten Soldaten, ohne einen Kreuzer Geld, ohne Zelte, ohne Brot, ohne Fuhrwesen, ohne Artillerie werde in die Wege richten können, scheint fast eine Unmöglichkeit zu sein... Viele Regimenter sind derart ohne Montur, daß ihre Kleidung zerrissener und abgetragener aussieht als die von Straßenbettlern, so daß die Offiziere sich schämen, sie zu befehligen. Wenn man ein Kommando von nur 100 Mann ausschickt und dies nicht weiter als eine halbe Stunde geht, so bleibt gewiß die Hälfte davon aus Mattigkeit auf der Straße liegen, weil die Leute dergestalt ausgehungert sind, daß sie mehr [85-86=Illustrationen] [87] Schatten als lebenden Menschen ähnlich sehen", das schrieb er von diesem Heere nach Wien.

Und doch hat Prinz Eugen mit diesen Soldaten zwei der bedeutsamsten Schlachten jener Epoche geschlagen. Rücksichtslos setzte er sofort alle Kräfte daran, mit Hilfe der aus dem Lande gezogenen Mittel, seine Truppen manövrierfähig zu machen. Schon bald schien sich die Bemerkung des Engländers Hill zu bewahrheiten, "daß auf der österreichischen Seite die Überlegenheit des Genies, der Tapferkeit und der Begabung des Prinzen Eugen lag". Mit geschickten Bewegungen schob sich Eugen, den Gardasee überfahrend, in das oberitalienische Tiefland. Bald hatte er Vendomes Bruder zur Aufgabe seiner Stellungen am Etschlauf gebracht, schlug ihm am Oglio und stellte dann den Marschall am 16. August bei Cassano. Hier schlug er jene denkwürdige Schlacht, die einzigartig war und die wegen ihrer Durchführung wohl als einmaliges Beispiel ihrer Art in der neueren Heeresgeschichte Eingang gefunden hat.

Die Franzosen standen hinter stark verschanzten Stellungen nahe der Adda. Um sie zum Rückzug über diesen Fluß zu zwingen, griff Eugen Vendome entschlossen an. Verstärkt durch die bewährten preußischen Truppen des Dessauers durchwateten die Kaiserlichen die Kanäle der Adda und stürmten gegen die französischen Schanzen. Es zeigte sich, daß das Wasser die Schußmunition der Infanterie völlig unbrauchbar gemacht hatte. Da griffen Österreicher und Preußen ohne zu feuern an und führten durch Stunden fast ausschließlich mit der blanken Waffe den Kampf. Der spielte sich mit solcher Wildheit und rauher persönlicher Tapferkeit ab, wie er seinesgleichen nur in den mörderischen Kämpfen von Mann zu Mann im Mittelalter gekannt hatte.

Beide Feldherren, Eugen und Vendome wurden mehrmals verwundet. Als man dann Eugen trotz seiner wiederholten Weigerung, die vordersten Linien zu verlassen, zuletzt dennoch auf einer Bahre von der Walstatt tragen mußte, übernahm der Feldzeugmeister Bibsa die Fortführung der Schlacht. Sie endete unentschieden auf beiden Seiten nach einem fürchterlichen Blutbad. Mit über zweitausend Toten und ebensoviel Verwundeten, unter denen sich auch Leopold von Anhalt-Dessau befand, mußten Österreicher und Preußen den Tag bezahlen, mit dem der Feldzug in diesem Jahr seinen Abschluß fand.

Aber Vendome, der übereilig Ludwig XIV. berichtet hatte, er werde dieses Mal einen vollständigen Sieg erringen, sah sich genötigt, seine Unfähigkeit einzugestehen, den in der Lombardei eingedrungene Eugen wieder abzuschütteln. Leopold von Dessau, den Eugen als Deckung des kaiserlichen Heeres vorgeschoben hatte, hielt scharfe Wacht.

[88] Starhemberg war inzwischen zur Niederwerfung der ungarischen Unruhen abgegangen. Heister hatte dort keine glückliche Hand. Es gelang ihm zwar militärische Erfolge zu erringen, aber, wie es Prinz Eugen vorausgesagt hatte, vermochte er durch einzelne Schläge, die er dann stets nur mit härtesten örtlichen Maßnahmen auszunützen trachtete, des weitverzweigten Aufruhrs nicht Herr zu werden. Erst als Starhemberg das Kommando übernahm, trieb dieser durch planmäßiges Vorgehen die Rebellen zu Paaren. Weil er sich außerdem klug und gerecht zeigte, gewann er der Partei Rakoczys viele Anhänger ab.

Eugen arbeitete indessen an großen Plänen. Er war mit Beginn des Winters wieder nach Wien geeilt und fand als Hofkriegsratspräsident eine kräftige Stütze in der Person des jungen Kaisers. Unermüdlich führte er jetzt die schon begonnenen Heeresreformen durch. Weil er seine Hauptsorge aus bitteren Erfahrungen heraus der Sicherstellung der notwendigen Mittel für die Ausrüstung des Heeres zuwendete, gehörte er auch zu jenen, die entscheidend am Ausbau der soeben gegründeten Wiener Stadtbank mitwirkten. Zum größten Schaden des Staates und damit im besonderen der Soldaten hatten bisher jüdische "Kriegsfaktoren", voran das Bankhaus Oppenheimer, das gesamte Geldwesen in Wien in der Hand gehabt. Durch die Gründung der Stadtbank sollte nun die Geldwirtschaft auf gesünderen Grundlagen aufgebaut werden. Unumwunden lehnte Eugen dem Kaiser gegenüber jede Verantwortung ab, weiter ein schlecht gerüstetes Heer in den Kampf zu führen. Und weil Josef I. ein Fürst war, der sich auch den Reichsfürsten und den Reichsständen, ja selbst den Jesuiten gegenüber durchzusetzen verstand, gelang es Eugen endlich, nicht nur die Mittel für den Ausbau des Heeres zu betreiben, sondern er sicherte auch einen erneuten militärischen Beistand im Reiche. Selbst in England vermochte Marlborough auf Eugens Drängen eine Anleihe für die Fortführung des Krieges in Italien aufzubringen. Auch war es derselbe Marlborough, der auf Eugens Bitten hin den König Friedrich durch einen Besuch in Berlin zur Belassung und Verstärkung der preußischen Truppen in Italien bewog.

Eugen sollte auch dieses Mal wieder den Gegner erst auf italienischem Boden treffen. Solange sich Markgraf Ludwig von Baden zwar umständlich operierend, aber doch zäh in den Stollhofer Linien Villars und Marsins erwehrte, sah Eugen den gefährlichsten Gegner in seinem alten Widersacher Vendome. Und er behielt auch recht. Denn Nachrichten aus Holland besagten, daß Ludwig XIV. immer mehr Truppen ins Savoyische werfe. Scheinbar erhoffte sich der Sonnenkönig einen bedeutenden Erfolg durch die Umsicht seines bewährten Vendome und ge- [89] dachte durch ihn die besten Truppen des Kaisers entscheidend zu schlagen, um sich dann mit ganzer Macht auf Ludwig von Baden zu werfen.

So rüstete Eugen neuerlich zum Aufbruch nach Italien. Kaum, daß er dann beim Heere ankam, mußte er auch schon eingreifen, um die Folgen einer Niederlage zu vereiteln, die Vendome dem General Graf Reventlau bei Calcinato beigebracht hatte. Bezeichnend für Eugen war seine dem General gegenüber bewiesene Haltung. Als man von ihm verlangte, Graf Reventlau vor ein Kriegsgericht zu stellen, gab er ablehnend zur Antwort, "man würde kein anderes Ergebnis liefern als zeigen, daß es eben nicht jedermann verstehe, eine Armee zu führen."

Nun galt es, sich für einen bestimmten Plan zu entschließen, da die Verteilung der Kräfteverhältnisse bei den Gegnern auf italienischem Boden verschiedene Angriffsmöglichkeiten boten. Es galt entweder Turin, das von La Feuillade belagert wurde, zu entsetzen, oder die Eroberung Neapels. Eugen entschied sich aber, wohl auch unter dem Eindruck der unglücklichen Schlacht bei Calcinato, erst das Ansehen der kaiserlichen Waffen in Norditalien wieder herzustellen. So rüstete er zum Entsatz von Turin. Seit Mitte Mai hatte dort der österreichische Feldmarschall Wirich Graf Daun, der Vater des späteren Feldherrn Maria Theresias, aufs tapferste unterstützt durch die Bevölkerung, der hartnäckigen Belagerung von 90 000 Franzosen standgehalten. Doch vorerst wurde die Ausdauer und Opferwilligkeit der Belagerten noch weiter auf eine harte Probe gestellt. Eugen hielt es für unerläßlich, erst sein Heer nach der Niederlage von Calcinato in Südtirol neu zu ordnen. Langsam schob er sich dann, die von Vendome besetzten Etschpässe umgehend, in das oberitalienische Land und stand auf einmal an der Etsch, forcierte den Po und war, ehe Vendome Eugens Absichten überhaupt erraten konnte, schon in das Gebiet von Ferrara ausgewichen. Bestürzt sah sich Vendome gezwungen, seine mit großer Mühe ausgebauten Befestigungsanlagen am Etschdurchbruch als zwecklos gewordene Schanzen zu räumen. Nun manövrierte sich Eugen, ohne auch nur einen Schuß zu tun, mit seinen 30 000 Mann südlich des Po ins Monferatto heran. Wohl wissend, daß ihm nördlich des Po die angeschwollenen Flüsse, die aus den Alpen hervorbrachen, den Vormarsch erschweren würden, rückte er jetzt durch nichts aufgehalten immer näher an die bedrängte Stadt.

Schon in den ersten Septembertagen stand er plötzlich in dem Rücken der Belagerer. In Eilmärschen kam jetzt auch das französische Heer aus der Lombardei. Doch es war nicht mehr Vendome, der nun [90] den Entsatz Turins zu vereiteln trachtete. Ludwig XIV. hatte inzwischen diesen erfahrenen Marschall in die Niederlande abberufen. Dort war seinen Truppen unter Villeroi von Marlborough bei Ramilliers eine empfindliche Niederlage beigebracht worden. An Vendomes Stelle kommandierte jetzt ein königlicher Prinz, Philipp von Orléans, und Marschall Marsin in Italien. Am 7. September trat Eugen gegen die französische Hauptmacht an, während das zweite französische Heer Turin noch weiter belagerte. Obwohl Übermacht und eine außerordentlich befestigte Stellung den Franzosen alle Vorteile eröffneten, errang Eugen mit knapp 30 000 Mann einen seiner glänzendsten Siege. Vor allem hatten die Brandenburger unter dem "alten Dessauer" einen hervorragenden Anteil an dem Erfolge des Tages. Bei der Erstürmung der feindlichen Hauptschanzen entwickelten sie einen Heldenmut, der bald im ganzen deutschen Heere sprichwörtlich war. Eugen selbst wurde verwundet. Das Pferd brach unter dem Feldmarschall tödlich getroffen zusammen, doch als die Soldaten erschreckt herbeieilten, hatte sich Eugen bereits wieder aufgerafft und führte die Stürmenden zu Fuß gegen die französischen Schanzen.

Nach stundenlangem Kampf brachte der gleichzeitige Ansturm der Preußen, Österreicher und Piemonteser die französische Schlachtordnung ins Wanken. Als dann kaiserliche Reiterei über die eroberten Verhacke hinwegsetzten, die Kanoniere Eugens die erbeuteten Geschütze herumwarfen, erlahmte auch der letzte feindliche Widerstand. Durch einen Ausfall Dauns in der Flanke gefaßt, sah sowohl die französische Belagerungsarmee als auch ihre Hauptmacht die einzige Rettung in einem fluchtartigen Abmarsch. Marschall Marsin war gefallen, der Herzog von Orléans verwundet. Und was nicht floh, ging in den Sümpfen des Po elend zugrunde. 6000 Gefangene, 3000 Pferde, der gesamte Geschütz- und Belagerungspark säumten die Wege der Sieger. Auch ihnen hatte die Schlacht bei Turin 3000 Tote gekostet. Doch über allen Verlusten stand strahlend der Tag, an dem der "kleine Abbé" zwei Heere Ludwigs XIV. vernichtet und den Prinzen aus königlichem Geblüt mit dessen ganzer Armee aus Italien gejagt hatte.

Rasch hintereinander fielen jetzt Mailand, Como, Lodi, Alessandria, Mortara und Modena in die Hände der Kaiserlichen. Weil der Papst, der als Verbündeter des "allerchristlichsten" Königs gegen den deutschen Kaiser stand, sich gerade gegenüber dem jesuitenfeindlichen Josef I. nicht beugen wollte, schickte ihm dieser kurzerhand die protestantischen [91] Preußen in den Kirchenstaat. Im Jahre 1707 eroberten der Verteidiger von Turin, Wirisch Graf Daun, schließlich auch noch Neapel.

Dieses Jahr 1707 wurde aber, obwohl es sonst im Zeichen einiger erfolgloser, ja sogar unglücklicher Unternehmungen für die Sache des Kaisers stand, gerade für die deutsche Heeresgeschichte ein Jahr von besonderer Bedeutung. Es brachte die Ernennung des Prinzen Eugen zum Reichsfeldmarschall!

Am 4. Januar 1707 war der alte "Türkenlouis", Markgraf Ludwig von Baden, zu Rastatt gestorben. Kühn und ein leuchtendes Beispiel deutschen Soldatentums in den Jugendjahren, war er mit zunehmendem Alter ein immer eigenwilligerer, ja geradezu eifersüchtiger Feldherr in allen Angelegenheiten der Obersten Kommandoführung geworden. Sicherlich hatten ihm in den letzten Lebensjahren auch die leidigen Zustände bei der "Reichsarmee" noch vieles vergällt. Aber er trat schließlich doch, seines alten Feldherrnruhmes würdig, mit der Eroberung von Landau aus der Reihe der Kommandierenden ab. Kurze Zeit später ereilte ihn der Tod. Mit ihm war auch der letzte der großen militärischen Führer aus jener bedeutenden Feldherrngeneration ins Grab gesunken, die von Montecuccoli über Herzog Carl von Lothringen, und solange er auch zur Sache des Reiches stand, auch mit Kurfürst Max Emilian dem Prinzen Eugen Vorbild und Lehrmeister waren.

Prinz Eugen von Savoyen, der Befreier Südosteuropas von der
Türkenherrschaft und Vorkämpfer für eine
großdeutsche Einheit.
[85]      Prinz Eugen von Savoyen, der Befreier Südosteuropas von der Türkenherrschaft und Vorkämpfer für eine großdeutsche Einheit.
Nach einem Gemälde von J. van Schuppen. (Österreichische Lichtbildstelle, Wien)
Es lag somit auf der Hand, daß man in dem Prinzen Eugen nicht nur den würdigsten Nachfolger im Range des obersten Reichsbefehlshabers sah, sondern es war vor allem die Tatkraft Eugens, die durch seine Ernennung zum Reichsfeldmarschall eine endliche kraftvolle Zusammenfassung aller militärischen Kräfte und Möglichkeiten versprach. Soweit dies das Reich und die Beistellung von Truppen durch die Reichsstände und Reichsfürsten betraf, schien das Eingreifen Eugens hier noch dringender nötig, als es schon dauernd in Wien erforderlich war. Unter der schwerfälligen Führung des Oberbefehles durch den Markgraf Ludwig von Baden hatte sich bei der Reichsarmee wieder ein blühender kleindeutscher Separatismus entwickelt. Während die besten Truppen der Reichskontingente, die Mannschaften aus den deutschen habsburgischen Erblanden, Preußen und Sachsen, schon ferne des Reiches um die Reichssache fochten, haben die deutschen Kleinfürsten, statt ihre Truppen für die Reichsarmee zur Verfügung zu stellen, diese an die dem Kaiser verbündeten Seemächte vermietet. So ergab sich die für den Schutz des Reiches unhaltbare Lage, daß wohl Deutsche in Italien für die Reichssache eingesetzt waren, daß unter britischer, holländischer und dänischer Flagge in den Niederlanden und Belgien Deutsche aus Oldenburg, Holstein, Kurpfalz, Hessen, Kassel und anderen Reichs- [92] gebieten "des besseren Geschäftes halber, als dies vom Reich zu erwarten war", kämpften, daß aber für die Reichsarmee selber zu wenig deutsche Kontingente zur Verfügung standen.

Es war also eine noch weitaus schwerere Bürde, als es schon die Stelle des Hofkriegsratpräsidenten war, die Eugen auf sich nahm, als ihn der Regensburger Reichstag durch Aufforderung des Kaisers zum Reichsfeldmarschall ernannte. Weil aber der Savoyer gewillt war, diesen höchsten militärischen Rang nicht mehr als großartig klingendes Anhängsel irgendeines fürstlichen Namens, sondern als Ausdruck der in seiner Person vereinigten Oberbefehlsgewalt zu betrachten, nahm er, immer nur die Verfolgung seines unausgesetzten Zieles, das Reich für alle Zukunft vor den Einbrüchen Frankreichs zu bewahren, vor Augen, bedenkenlos an.

Er hatte soeben, sehr gegen seinen Willen, erst noch eine von England und Holland geforderte Belagerung von Toulon durchzuführen gehabt. Wie er befürchtet hatte, war diese Belagerung ohne nennenswerten Erfolg geblieben. Darüber hinaus hatte der Nachfolger Ludwigs von Baden im Oberkommando an den Stollhofener Linien, der Markgraf von Bayreuth, diese an den Marschall Villars verloren. Auch in Spanien war König Karl bei Almanza vom Herzog von Berwick geschlagen worden. Als Karl daraufhin Eugen für den Oberbefehl in Spanien forderte, hatte dieser den Kaiser veranlaßt, daß der tüchtige Guido Starhemberg an seiner Stelle nach Spanien gesandt wurde.

Plötzlich, ohne dem Gegner die geringste Möglichkeit zu Erforschungen seiner Pläne zu geben, erschien er an der Mosel. Aber nicht einmal die Generale der Reichsarmee vermochten von diesem Auftauchen Eugens ein Bild über seine Absichten zu gewinnen. Nur einer kannte die Gedanken Eugens als tiefstes Geheimnis, Marlborough! Seit Monaten befand sich der englische Feldmarschall vor dem hochbefähigten Vendome in schwerster Bedrängnis. Vorsichtig und dabei noch mit der zähen Tapferkeit seiner Truppen operierend, hatte Vendome Stück um Stück eines an Hilfsquellen reichen, fruchtbaren Landes gewonnen. Gent und Brügge waren verlorengegangen, schon bedrohte der Franzose die wichtigsten Wasserverbindungen der Niederlande, näherte sich Antwerpen, Cortay, Menin und marschierte soeben auf die Festung Oudenarde, da stand Eugen mit einem aus dem Boden gestampften Heere von Reichstruppen, Preußen und Österreichern auf einmal in den Niederlanden.

Mit einer derartig meisterhaften Tarnung, die alle ähnlichen Proben seiner bisher schon oft bewiesenen Fähigkeit, den Gegner über sich im unklaren zu lassen, zu überbieten verstand, hatte er ganz im stillen sein Heer versammelt und alle Aufmerksamkeit des Gegners auf die Truppen der Reichsarmee abgelenkt. Am 28. Juni 1708 war er mit der [93] Moselarmee, die Reichsarmee und damit Süddeutschland ruhig der Bedrohung durch Villars überlassend, zur Unterstützung Marlboroughs aufgebrochen. Am 6. Juli kam er in Brüssel an. Tags darauf traf er mit Marlborough bei Asche zusammen.

Die beiden Feldherren einigten sich fürs erste, die hart bedrängte Festung Oudenarde zu entsetzen. War das Zusammenwirken dieser beiden befreundeten Führer an und für sich schon ein Unterpfand des Erfolges, so lähmten Eifersüchteleien zwischen den französischen Generalen Vendome und dem Herzog von Burgund die Schlagkraft des Gegners, obwohl auch diese beiden fähige Heerführer waren. Am 11. Juli überraschten Eugen und Marlborough das französische Heer, das sich gerade zur Einnahme Oudenardes bereit gestellt hatte. Besonders die Engländer bewiesen in der sich nun entwickelnden Schlacht eine äußerst zähe Tapferkeit. Schritt um Schritt mußten die Franzosen aus ihren Stellungen geworfen werden. Erst als die französische Infanterie durch das furchtbare Feuer der deutschen und englischen Fußtruppen bataillonsweise dezimiert wurde, verweigerte sie jeden weiteren Widerstand. Ein umfassender Umklammerungsversuch Eugens und Marlboroughs zwang dann noch die französischen Garden zur Waffenstreckung. Fast vernichtet, wandte sich das Gros des französischen Heeres zur Flucht.

Es schien, als habe sich die Schicksalsgöttin auch weiter Eugen als dem Mann verdungen, der sie einfach im Bann seines unbeugsamen Willens festzuhalten verstand. Mit niemals erlahmender Zielsicherheit war er von dem Tage an, da sein Einfluß in Wien und damit auch für die Interessen des Reiches maßgebend geworden war, auf die vollkommene Ausschaltung Frankreichs vom deutschen Boden losgegangen. Immer wieder hatte er alle Hindernisse, gleichgültig ob es Mängel beim Heer, Rückschläge, reichsschädigende Widersetzlichkeiten deutscher Fürsten oder dem Reiche nicht dienliche Interessenverlagerungen bei den ausländischen Verbündeten der deutschen Sache waren, zu überwinden verstanden. Und nun schien endlich der Tag anzubrechen, an dem nicht nur der nach drei Fronten geführte Krieg des Reiches gegen Frankreich seine Vollendung in der endgültigen Besitznahme aller geraubten deutschen Lande finden sollte, sondern der auch den Verbündeten Deutschlands die Erfüllung all ihrer Forderungen brachte. Noch halfen Eugen und Marlborough der mahnenden Forderung ihrer Waffen an Ludwig XIV., den Kampf aufzugeben, durch zwei kräftige Schwertstreiche nach. Sie eroberten kurz nach dem Siege von Oudenarde das als uneinnehmbar geltende Ryssel und getreu seiner Parole, die er ausge- [94] sprochen hatte, erschien der Savoyer mit Marlborough wenige Tage später vor Lille. Vergeblich versuchte der Herzog von Burgund die stolze Feste Vaubans zu entsetzen. Schon am 20. September 1708 fiel ein Teil der gewaltigen Werke in Eugens Hände.

Als am 9. Dezember der tapfere Verteidiger Lilles, Marschall Boufflers, nach sechzigtägiger Belagerungsschlacht die bis zuletzt gehaltene Zitadelle übergeben mußte, schien Ludwigs XIV. Schicksal besiegelt. Schon jagte Eugens gefürchtetste Waffe, die von ihm erzogene Kavallerie, bis St. Quentin und Peronne, schon hatte Guido von Starhemberg den größten Teil der französischen und bourbonisch-spanischen Streitkräfte bis hart an die Pyrenäen gedrängt und Heister Frankreichs Verbündeten in Ungarn, Rakoczy, bei Trentschin vernichtend geschlagen, da gab der stolze französische König gramgebeugt nach. Zum ersten Mal bot Frankreich dem deutschen Kaiser und seinen Verbündeten durch Unterhändler im Haag den Frieden des gedemütigten europäischen Unruhestifters an. Jetzt zeigte sich Eugen als der unerbittliche Sachwalter der Interessen des Reiches. Während Holland nur die militärische Besetzung einiger belgischer Plätze verlangte, England die Vertreibung der Stuarts aus Frankreich, die Schleifung Dünkirchens und beide Mächte als Verbündete Habsburgs das spanische Erbe für den Bruder Josef I. forderten, war es Eugen, der unbeugsam durch einen Kriegsrat in seinem Palais der Wiener Himmelpfortgasse an den Kaiser die Forderung stellte, von Frankreich nicht nur die Rückgabe des geraubten Elsaß und Straßburgs, sondern auch die Herausgabe der im 16. Jahrhundert verlorengegangenen Plätze Metz, Toul und Verdun zu verlangen.

Ludwig XIV. war ernstlich einmal nicht nur zur Übergabe Straßburgs und des Elsaß bereit, sondern er verzichtete sogar auf das spanische Erbe. Doch da ersannen die Diplomaten, durchaus gegen den Willen des Prinzen, ein noch demütigerendes Ansinnen an Frankreich. Ludwig XIV. sollte gezwungen werden, seinen eigenen Enkel Philipp mit französischer Waffenhilfe vollends aus Spanien zu vertreiben. Diese Forderung ging selbst dem Frankreich gegenüber unerbittlichen Eugen zu weit. Deutlich erkannte er, daß über solch übertriebene Bedingungen diplomatischer Unergründlichkeit das Reichsinteresse Gefahr laufen müsse. Er hatte als Soldat den König von Frankreich auf großen europäischen Schlachtfeldern geschlagen. Aber auf eine Demütigung, welche die Soldatenehre des Gegners verletzen würde, ging Eugen nicht ein. So beschwor er den Kaiser, es bei den von Frankreich bereits zugestandenen Forderungen um die Rückgabe aller verloren gewesenen Plätze im Westen und den französischen Verzicht auf das spanische Erbe zu be- [95] lassen. Doch Josef I. und die hochfahrende Anna, Königin von England, gaben nicht nach. So mußte sich Eugen schweren Herzens dazu hergeben, dem französischen Minister des Auswärtigen, Marquis de Torcy, die schwerste Friedensbedingung der Verbündeten zu übermitteln. Nun trat ein, was er befürchtet hatte. Höflich, aber doch entschieden wies der Bevollmächtigte Ludwigs XIV. das Frankreichs Waffenehre verletzende Ansinnen zurück. "Viel unschuldiges Blut wird die Fortsetzung dieses blutigen Krieges kosten!" schrieb Eugen daraufhin nach Wien. Und er behielt recht. Noch einmal raffte sich Ludwig XIV. zum Widerstand auf. Er beauftragte den Marschall Villars, ein französisches Heer aufzustellen. Der Marschall versammelte alle nur verfügbaren Truppen in der ersten Hälfte des Jahres 1709 an der belgischen Grenze. Villars galt als äußerst fähiger militärischer Führer. Wenn auch Großsprecherei und Habsucht seine soldatischen Eigenschaften oft verdunkelten, so gab ihm doch das Bewußtsein, daß er die letzte Armee seines Königs gegen einen fast unbezwinglichen Gegner ins Feld zu führen hatte, die Kraft, sich um die Waffenehre Frankreichs auf Leben und Tod zu schlagen.

Er verzichtete gleich zu Beginn des Feldzuges auf Vorstöße, die ihn in die Gefahr eines vorzeitigen Zusammentreffens mit dem überlegenen Gegner bringen konnten. Denn zum ersten Male war das französische Heer den Streitkräften Eugens und Marlboroughs um Geringes unterlegen. So bezog Villars eine befestigte Stellung an der Lys und begnügte sich damit, die Verbündeten zu beobachten. Da erschien, von Ludwig XIV. gesandt, der Marschall Boufflers im französischen Hauptquartier, um ihn zur Rettung des von Eugen und Marlborough hart bedrängten Mons aufzufordern. Die beiden Feldherrn hatten ihr Heer in Stärke von ungefähr 110 000 Mann zunächst bei Courtray gesammelt, hatten durch Teile desselben erst Tournay belagern lassen und waren nach dessen Fall vor Mons gezogen. Jetzt setzte sich Villars, nachdem er noch alle irgendwie verfügbaren Kräfte an sich herangezogen hatte, in Bewegung und schien willens, dem Wunsche seines Königs folgend, eine günstige Gelegenheit zu erfassen, um sich zu schlagen.

Doch schon hatten die Verbündeten von den Bewegungen des französischen Marschalls erfahren. Sie bezogen auf den Höhen von Quaregnon und Quey eine befestigte Stellung und formierten ihre Truppen in Erwartung des Gegners. Bei den deutschen Truppen befand sich diesesmal auch der junge preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Soldatenkönig. Er war Eugen durch ein persönliches Handschreiben des Königs von Preußen empfohlen worden. Sonst zeigte das Heer der Verbündeten das nun schon gewohnte bunte Bild. An Stärke waren sie dem Heere Villars, das durch Hinzuziehung auch des letzten Batail- [96] lons auf 135 Bataillone und 257 Schwadronen gebracht worden war, trotz der größeren Nummernzahl, 170 Bataillone und 263 Schwadronen, im Gegensatz zum Feldzugsbeginn unterlegen. Was aber Eugen dieses Mal bedeutend größere Sorgen als jemals bereitete, war die Unzahl an Generalen bei den verbündeten Truppen, die sich niemals so hindernd bemerkbar gemacht hatten, als bei Beginn dieses Feldzuges. Jedes kleinste deutsche und ausländische Kontingent hatte neben den größeren Verbänden der Kaiserlichen, Preußen, Engländer und Holländer seinen Kommandierenden General. Wenn also in der Aufstellung vor diesem Kampf Kaiserliche, Spanier, Dänen, Hessen, Sachsen, Kurpfälzer, Wallonen, Holsteiner, Mecklenburger, Würzburger, Engländer, Holländer und Preußen nebeneinander standen, dann konnte man begreifen, welche wahre Sisyphusarbeit der Savoyer geleistet hatte, als er abschließend den alle Rücksichten übergehenden Befehl ausgab, daß jeder "geringere General dem höher charakterisierten zu parieren" habe. So trat Eugen mit Marlborough zum letzten und zum blutigsten Waffengang mit Frankreich an. Ein Waffengang, der nach Eugens Auffassung jetzt, da die Friedensverhandlungen gescheitert waren, nicht mehr über die Hegemonie Frankreichs über Europa entschied, sondern bei dem das Reich selber sein Schicksal für die Zukunft in die Waagschale warf. Noch einmal stieß der deutsche Aar in der Einigkeit seiner in Eugens Hand zusammengeballten Kraft drohend auf den gallischen Hahn herab.

Schon am 9. September, als die ersten französischen Reiter vor den Vorposten der Verbündeten auftauchen, erwarten Eugen und Marlborough den Aufmarsch des im vollen Marsch auf Mons befindlichen Villars zur Schlacht.

Aber wider alles Erwarten scheint weder die Avantgarde noch das Gros des französischen Heeres nach dem ersten Geplänkel ihrer Spitzenpatrouillen mit den deutschen und britischen Reitern Miene zu machen, sich in die Schlachtordnung für einen Angriffskampf zu entwickeln. Das steht so sehr im Widerspruch zu den Worten Villars, der noch kurz vorher gesagt hat: "Meinen Franzosen liegt es im Blute, den Feind anzugreifen!", daß Eugen beschließt, selber die Bewegungen des Gegners auszukundschaften. Dabei muß er feststellen, daß der Gegner angesichts der Stärke zwischen Quaregnon und Quey aufmarschierten verbündeten Truppen nicht nur haltgemacht hat, sondern daß er sich anschickt, sich mit allen Mitteln der gerade bei den Franzosen hervorragend ausgebildeten Befestigungskunst zu verschanzen.

Villars legt sich quer vor das Dörfchen Malplaquet mit einem Ge- [97] wirre von Verhacken und Schanzgräben, nützt geschickt das zerklüftete, von Hohlwegen, Bachläufen, Buschwerk und Wäldern zerschnittene und überzogene Gelände aus und wirft vor Weilern, mauernumgebenen Adelssitzen und weißen, aus dem Grün der Landschaft freundlich herübergrüßenden Bauernhöfen schwarze Erdwälle auf, als wolle er hier den Angriff des Gegners erwarten.

Mißmutig unter dem Eindruck, um die Voraussetzungen eines Schlachtplanes gebracht worden zu sein, reitet Eugen zu Marlborough zurück. Er muß erst hartnäckig gegen alle möglichen Bedenken der englischen Felddeputierten, die seit einiger Zeit Marlboroughs Befehlsgewalt immer unverfrorener eindämmen, ankämpfen, wie er nun von dem Engländer die Aufgabe der defensiven Stellung und das Wagnis einer Angriffsschlacht fordert.

In Marlborough ist seit den letzten Monaten eine seltsame Veränderung vorgegangen. Er ist nicht mehr der alte verläßliche Haudegen, der unverzagt mit Eugen die kühnsten Unternehmungen wagt. Schon wird es auch unter den Unterführern des verbündeten Heeres bekannt, daß in England die Partei der kriegsfeindlichen Tories immer mehr an Einfluß gewinnt und daß die Herzogin von Marlborough in ein immer kühleres Verhältnis zur englischen Königin tritt. Darum steigert sich auch täglich die unerfreuliche Einmischung der englischen Beauftragten, und da und dort nennt man schon den Namen des Kurfürsten von Hannover als Nachfolger des englischen Feldmarschalls. So muß Eugen zu allen dienstlichen Sorgen des Reichsfeldmarschalls immer wieder seinen Einfluß als unermüdlicher Mahner und vielen schon lästiger Draufgänger geltend machen, kann aber dennoch nicht mehr überall durchgreifen und verdankt es nur seiner so glücklichen Gemütsbeschaffenheit und seinem außerordentlichen Talente, daß er über all das hinwegkommen kann.

Nach langem Hin und Her stimmt endlich Marlborough Eugens Vorschlag zu. Doch erst nach achtundvierzig Stunden, nachdem noch Verstärkungen eingetroffen sind, wird der Angriffsbefehl gegeben.

Es ist ein Morgen wie bei Höchstädt, als im Aufbrechen der Herbstnebel die tiefgegliederten Treffen der Verbündeten in all der Farbenpracht ihrer vielfachen Uniformen mit blitzenden Waffen und wehenden Bannern gegen die Franzosen heranrücken. Dem am stärksten verschanzten französischen linken Flügel im Walde von Sarte und im Wäldchen von Taières greift Eugen und unter ihm der sächsische General von der Schulenburg an. Eugen sind die Kaiserlichen, Truppen der deutschen Kleinstaaten und Dänen unterstellt. Links befiehlt Marlborough Engländer, Holländer, Hannoveraner und Preußen. Noch einmal dröhnen [98] längs der gesamten Schlachtenfront der Verbündeten die Geschützsalven auf und geben damit das Signal zum Beginn der Schlacht. Dann stürmen rechts schon Eugens Bataillone gegen den Wald von Sarte heran und links stürmen Preußen und Holländer gegen Malplaquet. Sumpf, Buschwerk, wassergefüllte Gräben und Hohlwege hemmen den Anlauf der Kaiserlichen. Doch unentwegt rücken Eugens Grenadiere als erste gegen den Forst von Sarte vor. Der starrt nicht nur als ein Wald von quergelegten Bäumen, Astwerk, spanischen Reitern und Brustwehren, sondern auch als ein Wald von Bajonetten den Angreifern entgegen. Wie auf dem Exerzierplatz gehen die braven Grenadiere das feindliche Bollwerk an. Geschickt werden alle Hindernisse des Geländes überwunden, die sumpfigen Wiesenflächen werden umgangen, und dann sind die ersten schon auf Schußweite an den Gegner heran. Aber erst als sich die Soldaten Eugens auf Pistolenschußweite den Franzosen genähert haben, schlägt ihnen eine Feuergarbe entgegen, daß hunderte unter dem furchtbaren Kugelregen fallen. Wie eine Axt, die einen Baumstamm zuerst nicht durchschlägt, sondern sein Holz zersplittert, so wirft Salve um Salve jetzt die ersten Treffen der Angreifer zwar nicht zurück, aber sie fegt sie zur Seite. Da ist Prinz Eugen, wie immer in den entscheidenden Augenblicken, schon mitten unter den Stürmenden. An Schulenburgs Seite sammelt er die Zersprengten, läßt die Glieder neuerdings schließen und rückt an der Spitze der Grenadiere heran. Noch einmal zerreißen ihm die Franzosen mit ihrem Feuer die soeben erst wieder geordneten Linien, aber beim drittenmal ist der Prinz als erster mit den Grenadieren an den Verhauen. Meterhoch sausen die Splitter der niederkrachenden Verhacke unter den Beilen der neben den Grenadieren vorstürmenden Zimmerleute der Musketierkompanien, schwarze Rauchfahnen ziehen sausend die Grenadiergranaten in die Massen der zwischen dem Buschgrün gestaffelten französischen Infanterie. Krachend klirrt die Eisenfüllung und das splitternde Glas der Handgranaten zwischen berstendem Astwerk und blutüberströmten Menschenleibern, und dann rast der Bajonettsturm des Infanterieangriffs auf die Reihen des französischen Fußvolks los, daß das ganze Waldstück von Sarte für lange nichts als der Schauplatz eines furchtbaren Nahkampfes wird, bei dem um jeden Fußbreit Bodens erbittert gerungen wird.

Mit 36 Bataillonen steht Prinz Eugen nun im Walde von Sarte in einem nach rechts ausholenden Bogen an der feindlichen Flanke. Zwei Stunden dauert der Waldkampf - im Pulverrauch und unübersichtlichen Dickicht schießen kaiserliche und Reichskontingente verschiedentlich auch aufeinander -, dann drücken Schulenburgs Grenadiere die letzten französischen Truppen aus dem Waldgebiet auf offenes Gelände zurück.

[99] "Der Prinz leitete diesen Angriff mit einer Weisheit und Geistesgegenwart, deren, man möchte sagen, nur er allein fähig ist. Er sah alles und wußte an jeder Stelle einzugreifen; kaum war ein Bataillon zurückgeworfen, als schon ein anderes an seiner Stelle erschien, während ersteres sich bereits anschickte, wieder zu kämpfen", sagt der französische Schlachtbericht später über den Waldkampf von Sarte. So ist es Eugen, dem der erste Erfolg dieses blutigen Tages glückt. Während sich Villars vor Malplaquet und im Zentrum unerschütterlich hält, biegt Eugen den linken Flügel des französischen Marschalls immer weiter zurück.

Indessen wird vor Malplaquet mit der gleichen Erbitterung wie im Wald von Sarte gerungen. Holländer und Preußen tragen dort die blutige Last des Schlachtanfanges. Schon ist es dem Prinzen von Oranien gelungen, mit der Fahne in der Hand den vordersten Erdwall zu erklimmen, da wirft eine furchtbare Lage Kartätschenfeuer die holländischen Stürme zurück. Bald decken 2000 Leichen, darunter die der Generale Sparr und Oxenstierna, die Hänge vor Malplaquet, ja schon ist es den Franzosen durch einen Ausfall gelungen, den Holländern eine Batterie wegzunehmen, da stemmen sich ihnen die preußischen Bataillone Finkensteins entgegen und gewinnen wieder Schritt um Schritt an Boden. Zuletzt greifen noch die Reiter des Erbprinzen von Hessen ein. Nun müssen die Franzosen wieder an den Ortsrand von Malplaquet zurück, so daß der Sturm der Preußen und Holländer um diesen Ort von neuem beginnt.

Es ist zwölf Uhr mittag, als Villars Eugens Truppen im Vormarsch über seine äußersten Flügelregimenter erkennt. Die Gefahr des Aufgerolltwerdens erfassend, rafft der französische Marschall 30 Bataillone zusammen und wirft sich aus dem Zentrum auf Eugens Flanke, um ihn vom eigenen Zentrum zu trennen. Doch während des erneuten schweren Kampfes, der jetzt im Wald von Taières entbrennt, ist Villars zu kühn, zu stürmisch gegen den Savoyer losgeprescht und hat selber seine eigene Verbindung mit dem französischen linken Flügel durch das Herausholen der Verbindungstruppen zwischen Zentrum und Flügel zerrissen. Während Eugen sich im Walde von Taières den Franzosen hartnäckig entgegenstemmt, holt er aus seinem rückwärtigen Treffen schon neue Bataillone heran, die, während im Walde noch mit wechselndem Glück gekämpft wird, längs des Waldrandes vorbrechen sollen, um die entstandene Lücke bei den Franzosen zu erweitern. Da wird er, mitten unter den feuernden Infanteriegliedern stehend und Dispositionen zum Stoß in die feindliche Lücke gebend, am Kopfe verwundet. Die herbeistürzenden Offiziere und Soldaten, die ihn stützen und verbinden wollen, weist er mit harten Worten zurück. "Wenn ich bestimmt bin, hier [100] zu sterben, ist der Verband unnütz; wenn aber nicht, so hat es auch noch abends Zeit genug dazu!" sagt er kurz und begibt sich nun sofort zu den Truppen, die vorbrechen sollen. Und das Wagnis gelingt. Von Eugen geführt, reißen die vorgehenden Bataillone am Walde von Taières die französische Front auseinander. Als Villars in diesem entscheidenden Augenblick durch einen Knieschuß verwundet wird, ist das Schicksal des Tages eigentlich schon besiegelt. Wohl übernimmt der "Löwe von Lille", Boufflers, jetzt den Oberbefehl über die französischen Truppen, und es gelingt ihm auch, durch einen todesmutigen Reiterangriff die im Zentrum bereits vorbrechende kaiserliche, preußische, hannoversche und holländische Kavallerie zu werfen, da taucht Eugen zum dritten Male an diesem Tage in der vordersten Linie auf. Einen Regimentshornisten an seiner Seite, läßt er ununterbrochen zum Sammeln und zur Neuformierung der zurückpreschenden Schwadronen blasen. Als diese Signale unablässig mahnend, dann fordernd und befehlend das Kampfgetöse durchgellen, als sie, von kaiserlichen, preußischen und britischen Trompeten aufgenommen, zuletzt über das ganze Schlachtfeld dahinschmettern, da dröhnt der Boden plötzlich wider vom Galopp der Schwadronen. 18 Reiterregimenter sammeln sich neuerdings im Geschützqualm und Pulverrauch, und auf einmal brandet es mit brausendem "Vivat, Eugenius!" gegen Boufflers Reitermassen heran, jagt sie zurück, und jetzt ist auch das französische Fußvolk nicht mehr zu halten. Im Zentrum zusammengeritten, am linken Flügel umzingelt, bricht die französische Schlachtfront zusammen. Noch halten sich die tapferen Reste des rechten Franzosenflügels in Malplaquet. Doch nun gelingt es endlich dem Prinzen von Oranien, mit seinen Holländern den brennenden Ort zu erstürmen. Es ist erst drei Uhr, als Boufflers zum allgemeinen Rückzug blasen läßt. Geschlagen, aber in guter Ordnung verläßt das französische Heer das Schlachtfeld von Malplaquet. Es hat sich ehrenvoll und mit so großer Tapferkeit geschlagen, daß die eigenen Verluste die Verbündeten zwingen, von jeder weiteren Verfolgung abzustehen. Fast 23 000 Mann an Toten und Verwundeten der Verbündeten bedecken das Schlachtfeld. Die holländische Garde hat allein 1200 Mann vor Malplaquet verloren. Dort wo sie gefallen sind, türmen sich die Leichen zu so furchtbaren Haufen, daß die obersten in gleicher Höhe mit den französischen Brustwehren liegen. Auch sonst ist das Schlachtfeld, vor allem in den Wäldern von Sarte und Taières, mit Toten übersät. "Wir hoffen, daß Eugen und Marlborough mit uns zufrieden waren!" sagen französische Offiziere nach dieser Schlacht. Auch die Franzosen haben 11 000 Mann zu beklagen. So wird Malplaquet zum blutigsten Tag aller Schlachten des spanischen Erbfolgekrieges. Er hinterläßt eine [101] Walstatt, auf der nach der Voraussage Prinz Eugens Ströme von Blut geflossen sind und die dennoch, weil man auf den gleichen Eugen nicht gehört hat, für die deutsche Sache bereits umsonst geflossen sind.

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