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Die Regierung Taaffe (1879–1893).

Selten hat sich ein Ministerium trotz der größten Schwankungen des öffentlichen Lebens so lang am Ruder gehalten wie das des Grafen Eduard von Taaffe. Als dieser am 12. August 1879 das Ministerpräsidium und das Ministerium des Innern übernahm und gleichzeitig mit ihm der bewährte Stremayr Justizminister, sowie Minister für Kultus und Unterricht wurde, ahnte niemand, daß der führende Mann vierzehn Jahre in seinem Amte verbleiben sollte.

Mehrere Föderalisten gehörten gleich anfangs der Regierung an, und so entwickelte sich die deutliche Schwenkung nach rechts immer mehr.

Unter Schmeykals Vorsitz wurde ein deutsches Zentralwahlkomitee begründet. Die Deutschen in Böhmen standen im Vordertreffen und hatten daher auch das volle Recht, ihr Volk in ganz Österreich zu betreuen. Die Verhältnisse waren ganz danach, die größten Besorgnisse zu erwecken.

Zunächst gelang es dem Grafen Taaffe, den Führer des verfassungstreuen Großgrundbesitzes, Carlos Fürsten von Auersperg, zu einem Kompromiß mit dem Feudaladel zu bewegen, wodurch diesem kampflos von 23 böhmischen Abgeordnetenmandaten dieser Kurie 10 überlassen wurden. Die Linke des Wiener Abgeordnetenhauses erfuhr dadurch eine wesentliche Schwächung. Die Tendenz der Regierung war, die deutschen Großgrundbesitzer im Landtag Böhmens in die Minderheit zu drängen, sie mußten daher vor- [37] erst im Reichsrat gedemütigt werden. Durch geschickte Winkelzüge gelang dies auch. Ferner sollte eine den Tschechen genehme Wahlreform geschaffen werden. Alois von Pražák trat als ihr Vertrauensmann ins Kabinett ein.

Unter diesen Umständen beschlossen die Tschechen, ihre Abstinenzpolitik aufzugeben und mit einer Rechtsverwahrung gegen die Dezemberverfassung und zugunsten des böhmischen Staatsrechts den Boden des Wiener Parlaments wieder zu betreten.

Ladislaus Rieger wurde Obmann des reichsrätlichen Tschechenklubs und unterhielt die lebhaftesten Beziehungen zu der bereits erwähnten "Rechtspartei" Hohenwarts, der alle Deutsch-Klerikalen, Slowenen, Kroaten und Rumänen angehörten. Die dritte Gruppe der Rechten bildeten die Polen.

Ein eigentlich deutsch-nationales Programm vertraten die damaligen Linksliberalen, die Mehrheit des Hauses, nicht. Georg Ritter von Schönerer, ein junger und feuriger Redner, fühlte sich zunächst allein als Vertreter dieses Gedankens.

Gegen die übermächtige, verfassungstreue Partei des Herrenhauses wurde durch Austritt einiger Angehöriger dieser Gruppe die sogenannte Mittelpartei begründet. Die Regierung konnte nunmehr mit Hilfe der neuen Mittelpartei entweder die Linke oder die Rechte in Schach halten.

Rieger betonte im Abgeordnetenhaus immer noch sehr nachdrücklich seine Friedensliebe. Sogar für deutsche Schutzgesetze war er scheinbar zu haben. Daß es den Tschechen mit solchen niemals Ernst sein konnte, beweist ihre Vergewaltigungspolitik im letzten Jahrzehnt seit Badeni.

Das beim Eintritt in den Reichsrat von den Tschechen überreichte Memorandum erstreckte sich im ersten Teil auf die "Gleichberechtigung der tschechischen Sprache bei Behörden und Ämtern", im zweiten auf die Prager Universität, im dritten auf die Mittelschulen (besonders Gymnasien und Realschulen), im letzten auf die gewerblichen Bildungsanstalten. Dagegen gaben die deutsch-böhmischen Landtags- und Reichsratsabgeordneten eine Erklärung ab, in der sie gegen die Einführung der tschechischen Sprache für den inneren Gebrauch der Ämter und Gerichte Verwahrung einlegten und vor allem die Meinung bekämpften, daß die Frage des Sprachgebrauches bei den Gerichten im Verordnungsweg gelöst werden könnte.

Bereits 1880 mußte der den Föderalisten mißliebige Stremayr wenigstens das Unterrichtsportefeuille abgeben. Sein Nachfolger wurde Siegmund Freiherr Conrad von Eybesfeld.

[38] Vielleicht um sich als Justizminister zu halten, kam Stremayr den Tschechen mit einemmal sehr entgegen. Seine von Taaffe mitunterzeichnete Sprachenverordnung vom 20. April 1880, sowohl für Böhmen als auch für Mahren bestimmt, versetzte, wie der Parlamentshistoriker Gustav Kolmer sehr richtig bemerkt, der bisherigen deutschen Vorherrschaft in der Verwaltung den empfindlichsten Stoß. Die sprachliche Einheitlichkeit der Verwaltung wurde durchbrochen, die Grundlage des staatlichen Länderverbandes aufgegeben, der traditionelle einheitliche Staatsgedanke aus den Augen verloren, nur noch die gemeinsame Dynastie und Armee verkörperten ihn fortan.

Weil alle späteren Sprachenerlässe auf Stremayrs Verordnung zurückgreifen, sei diese im Wortlaut mitgeteilt:

§ 1. Die politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaftlichen Behörden im Lande sind verpflichtet, die an die Parteien auf deren mündliches Einbringen oder schriftliche Eingabe ergehenden Erledigungen in jener der beiden Sprachen auszufertigen, in welcher das mündliche Einbringen vorgebracht wurde oder die Eingabe abgefaßt ist.

§ 2. Protokollarische Erklärungen der Parteien sind in jener der beiden Landessprachen aufzunehmen, in welcher die Erklärung abgegeben wird.

§ 3. Urkunden oder andere Schriftstücke, welche in einer der beiden Landessprachen abgefaßt sind und als Beilagen, Behelfe oder sonst zum amtlichen Gebrauche beigebracht werden, bedürfen keiner Übersetzung.

§ 4. Die nicht auf Einschreiten der Parteien erfolgenden behördlichen Ausfertigungen haben in jener der beiden Landessprachen zu erfolgen, die von der Person, an welche die Ausfertigung gerichtet werden soll, gesprochen wird. Ist die Sprache, deren sich die Partei bedient, nicht bekannt oder ist sie keine der beiden Landessprachen, so ist jene der beiden Landessprachen zu gebrauchen, deren Verständnis nach Beschaffenheit des Falles, wie insbesondere nach dem Aufenthalt der Partei vorausgesetzt werden kann.

§ 5. Die Bestimmungen der §§ 1–4 gelten auch rücksichtlich der Gemeinden in jenen Angelegenheiten, in denen sie als Parteien anzusehen sind.

§ 6. Alle amtlichen Bekanntmachungen, welche zur allgemeinen Kenntnis im Lande bestimmt sind, haben in beiden Landessprachen zu ergehen. Lediglich für einzelne Bezirke oder Gemeinden bestimmte amtliche Bekanntmachungen haben in den [39] Landessprachen zu erfolgen, welche in den betreffenden Bezirken oder Gemeinden üblich sind.

§ 7. Aussagen von Zeugen sind in jener Landessprache aufzunehmen, in welcher dieselben abgegeben werden.

§ 8. In Strafgerichtsangelegenheiten sind die Klageschrift, sowie überhaupt die dem Angeschuldigten zuzustellenden Anklagen, Erkenntnisse und Beschlüsse für denselben in jener der beiden Landessprachen auszufertigen, deren er sich bedient hat. In dieser Sprache ist auch die Hauptverhandlung zu pflegen und sind in derselben insbesondere die Vorträge des Staatsanwaltes und des Verteidigers zu halten und die Erkenntnisse und Beschlüsse zu verkünden. Von den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes darf nur insofern abgegangen werden, als dieselben mit Rücksicht auf ausnahmsweise Verhältnisse, insbesondere mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der Geschworenenbank unausführbar sind oder der Angeschuldigte selbst den Gebrauch der anderen Landessprache begehrt. Bei Hauptverhandlungen gegen mehrere Angeschuldigte, welche sich nicht derselben Landessprache bedienen, ist die Hauptverhandlung in jener Landessprache abzuhalten, welche die Gerichte für den Zweck der Hauptverhandlung entsprechender erachten. In allen Fällen sind die Aussagen der Angeschuldigten in dieser Sprache zu verkünden und auf Verlangen auszufertigen.

§ 9. In bürgerlichen Rechtsstreiten ist das Erkenntnis samt Gründen in jener Landessprache auszufertigen, in welcher der Rechtsstreit verhandelt wurde. Haben sich die Parteien nicht derselben Landessprache bedient, so hat, falls nicht ein Einverständnis vorliegt, daß das Erkenntnis mit Gründen nur in einer der Landessprachen ausgefertigt werde, die Ausfertigung in beiden Landessprachen zu erfolgen.

§ 10. Die Eintragung in die öffentlichen Bücher (Landwirtschaft, Bergbau, Grundbücher, Wasserbau usw.), dann in die Handelsfirmen, genossenschaftlichen und anderen öffentliche Register, sind in der Sprache des mündlichen oder schriftlichen, eines, beziehungsweise des Bescheides, auf dessen Grund sie erfolgen, zu vollziehen. In derselben Sprache sind die Intabulationsklauseln der Urkunden beizusetzen.

§ 11. Der Verkehr der politischen, gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Behörden mit den autonomen Organen richtet sich nach der Geschäftssprache, deren sich dieselben bekanntermaßen bedienen. Der Verkehr mit den Gemeindebehörden, welche die Funktionen der politischen Bezirksbehörden ausüben, wird hierdurch nicht berührt.

[40] Die Tschechen begnügten sich jedoch nicht mit diesem Erfolg, sie forderten vielmehr noch lauter die innere tschechische Dienstsprache. Ein besonderes Schriftstück, von Prawoslaw Trojan ausgearbeitet und 1891 veröffentlicht, wurde damals der Regierung überreicht. Es beabsichtigte den "Nachweis über die gesetzliche Gerichtspraxis und Justizverweigerungen in den böhmischen Kronländern, gegen die Würde und das Recht der tschechischen Nation, mit Darlegung dringender Abhilfe im Interesse allgemeiner Rechtssicherheit".

Die Deutschen dagegen wiesen in stürmischen Versammlungen darauf hin, die Regierung habe das Verordnungsrecht in verfassungswidriger Weise mißbraucht. Auf eine Interpellation der Liberalen im Abgeordnetenhaus erwiderte Stremayr, er halte sich gegenwärtig, "daß unter keiner Bedingung die Verwaltung und die Justizpflege zur Dienerin nationaler Aspirationen und der Bestrebungen nach sprachlicher Entwicklung gemacht werden dürfe". Nun aber war gerade diesen, wie die Folgezeit zeigte, Tür und Tor geöffnet.

Die alten deutschen Beamten in den Sudetenländern wichen mißmutig zurück und machten vielfach radikalen Tschechen Platz.

Jetzt erst erinnerte man sich, wie wichtig es sei, die deutsche Sprache als Staatssprache festzusetzen. Der in diesem Sinn eingebrachte Antrag des Fortschrittsklubs wurde nicht nur von den Slawen, sondern leider auch von den deutschen Altklerikalen heftig bekämpft und schließlich verschleppt. Auch der hussitische Protest der Prager tschechischen Nationalpartei gegen die böhmischen Bischöfe (1880) konnte sie von ihren bisherigen Bundesgenossen nicht trennen.

Die Tendenz der Konservativen, die Schule der Staatsaufsicht möglichst zu entziehen, fand übrigens auf tschechischer Seite lebhaften Anklang. Denn dadurch mußte vor allem das slawische Schulwesen die mächtigste Förderung erhalten. Und so forderte der Gründer der privaten tschechischen Komensky-Schule, Abgeordneter Johann Graf Harrach die Errichtung öffentlicher Volksschulen dieser Art in Wien.

1879 gab es in Böhmen bereits 47 tschechische Mittelschulen, also mehr als deutsche, und an der Prager in Wirklichkeit bereits utraquistischen Universität 40 tschechische Dozenten. Die Zahlen erfuhren natürlich von Jahr zu Jahr eine unverhältnismäßige Steigerung.

Trotzdem bewies die deutsche Mehrheit des böhmischen Landtags, wie sehr sie berechtigte kulturelle Wünsche der Tschechen zu berücksichtigen verstand, indem sie das tschechische Nationaltheater [41] in das Eigentum und die Verwaltung des Landes übernahm. Die Tschechen freilich machten den Deutschen im Landtag die leidenschaftlichsten Vorwürfe und bezichtigten sie sogar des Hochverrats. Da fand Herbst die richtigen Worte eines treuen österreichischen Patrioten und unbeugsamen Zentralisten: "Wir haben unseren Patriotismus allzeit, auch in schweren Tagen, bewiesen, und werden ihn, wenn auch unzufrieden und gedrückt, aufs neue beweisen, wenn es nötig sein wird, aber nach Wien werden wir doch gravitieren."

Die deutsche Opposition war zerrissen. Im Schoße des Bürgertums entwickelten sich neue Strömungen, neue Parteien, neben den deutschnationalen Dissidenten gab es Wiener Demokraten, auch die internationale Arbeiterpartei der Sozialdemokraten tat der deutschen Einheit Abbruch. Da erwachte im Drang gemeinsamer Not die Erkenntnis, alle deutschen Parteien müßten wie ein Mann zur Abwehr der slawischen Übergriffe sich zusammenschließen.

Der Wiener Gemeinderat appellierte an einen allgemeinen deutschen Parteitag, und Karl Lueger, ein junger Advokat, war mit unter denen, die diesen Entschluß lebhaft befürworteten. Er sollte in den folgenden Jahrzehnten mehr als einmal Gelegenheit haben, den deutschen Einigkeitsgedanken wirksam zu vertreten.

Aber die nationale Einigung der Deutschen kam nicht zustande. Zu sehr war die liberale Partei dabei im Vordergrund und zu groß war bereits die Anzahl derjenigen, die von ihr nichts wissen wollten. Eine nationaler gesinnte deutsche Volkspartei wurde geplant, das sogenannte "Linzer Programm" geschaffen und schließlich unter ausdrücklicher Betonung des Antisemitismus von Schönerer eine radikale Partei begründet, die den engsten Anschluß an das Deutsche Reich suchte und gegenüber gewissen korrupten Größen des politischen Lebens in Österreich den stolzen Wahlspruch hochhielt: "Durch Reinheit zur Einheit."

Inzwischen schieden die letzten Zentralisten aus dem Ministerium Taaffe. Der einflußreiche Pole Julian von Dunajewski trat als Finanzminister ins Kabinett ein. Die Slawen hatten mit ihm einen ihrer erfolgreichsten Vertreter im Kronrat sitzen. Justizminister Alois von Pražák aus Mähren und die übrigen Föderalisten fanden an dem "eisernen Ring" Hohenwarts eine wirksame Stütze.

Der Zensus für die Wahlberechtigung wurde herabgesetzt. Eine große Menge kleiner Steuerzahler rückte so unter die [42] Wähler ein. Nacheinander erhielten die Tschechen in der Budweiser, Pilsener und Prager Handelskammer die Mehrheit. In Brünn dagegen blieb die Handelskammer nach einem erfolglosen Ansturm der Tschechen deutsch.

Tschechische Ausschreitungen gegen die Deutschen in Böhmen häuften sich. In Kuchelbad bei Prag kam es gelegentlich eines Couleurausfluges zu blutigen Kämpfen. Ein deutscher Student wurde erschossen. Seitdem konnte sich keine einzige deutsche Studentenmütze in der Umgebung Prags mehr blicken lassen.

In Prag selbst nahm die tschechische Bewegung einen gefährlichen Charakter an. Das deutsche Kasino, das deutsche Theater und andere deutsche Gebäude wurden belagert und mit Steinen beworfen. Der den Tschechen mißliebige Statthalter Philipp Freiherr von Weber erhielt in dem Feldmarschall-Leutnant Alfred Freiherrn von Kraus einen genehmeren Nachfolger. Das Manifest der liberalen Abgeordneten an das deutsche Volk verfiel der Beschlagnahme.

Die nationalen Streitigkeiten fanden im Wiener Reichsrat ein stürmisches Echo. Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse verbanden sich alle deutschliberalen Gruppen des Abgeordnetenhauses mit den Deutschnationalen zur Vereinigten Linken, nur Schönerer, Ferdinand Kronawetter und Heinrich Fürnkranz schlossen sich aus.

Die radikale Richtung unter den Tschechen drang immer siegreicher vor. Jungtschechische Abgeordnete traten an die Stelle alttschechischer. Die Folge davon war, daß jeder den andern an Nationalfanatismus zu überbieten suchte, um sich in der Gunst der terrorisierten Wähler zu erhalten.

Justizminister Pražák trug dem allgemeinen Umschwung der Dinge freudigen Herzens Rechnung. Zentralistisch gesinnte Richter wurden drangsaliert, in der Sprachenfrage unbotmäßige Gerichtshöfe gemaßregelt, und Pražáks Sprachenerlasse taten das ihre, um die Slawisierung der Gerichte in den Sudetenländern und im Süden Österreichs möglichst durchzuführen. Die deutschen Proteste verhallten im Wind. Pražák verteidigte das Verordnungsrecht der Regierung und berief sich zu seiner Rechtfertigung auf Stremayr.

Große Debatten im Abgeordnetenhaus erregte der Antrag des Grafen Gundakar von Wurmbrand auf gesetzliche Feststellung der deutschen Sprache als Staatssprache. Clam-Martinitz, der Führer des Feudaladels, erkannte ihr damals noch wenigstens die Berechtigung als Vermittlungssprache zu. Schließlich setzte die Mehrheit des "eisernen Rings" im Sprachenausschuß den [43] Antrag auf Übergang zur Tagesordnung durch. Im Abgeordnetenhaus lehnte man alle Anträge ab.

Die Deutschen wurden immer bescheidener. Da die deutsche Staatssprache nicht durchzusetzen war, forderten sie die administrative Trennung der sprachlichen Gebiete in Böhmen. Aber die Tschechen, die noch in den "Fundamentalartikeln" die gleiche Forderung gestellt hatten, fühlten sich nun als Herren des ganzen Landes und wollten von keiner Teilung in irgend einer Form etwas wissen. Die einheitliche Verwaltung des Königreichs sei die unveräußerliche Vorbedingung für das böhmische Staatsrecht.

Mitten in diese Sprachenkämpfe fiel die Errichtung der Prager rein tschechischen Universität.

Gegen eine Utraquisierung hatte der akademische Senat der alten Hochschule stets Einspruch erhoben. In Wirklichkeit war diese Utraquisierung längst durchgeführt, übrigens genügte sie den Tschechen nicht. Professor Clemens Borový forderte die Universität, ihre Sammlungen und Fonds auf Grund des Artikels 19 im Staatsgrundgesetz für die tschechische Nation allein. Eine solche Interpretation ließ der Artikel von der nationalen Gleichberechtigung zu!

Die Regierung nun sah die Unmöglichkeit ein, den Deutschen ihre altererbte Hochschule zu entreißen und ordnete demnach am 9. Februar 1881 die Errichtung einer eigenen tschechischen Universität an, die den Namen Carolo-Ferdinandea, gleich der alten zu führen berechtigt sei. Ein kaiserlicher Akt gab hierzu seine Zustimmung.

Sehr wichtig war die Erklärung, daß die exekutive Staatsgewalt ohne eine besondere Gesetzesvorlage im Weg einer Verordnung eine Universität errichten wie auch umgestalten könne. Dagegen wurde ein Gesetzentwurf, betreffend die "Regelung der Rechtsverhältnisse und die Studienordnung an der Carolo-Ferdinandea" auf Befehl des Kaisers dem Abgeordnetenhaus vorgelegt. Das Vermögen der alten Universität sollte beiden Hochschulen gemeinsam bleiben, sofern die Stiftungsbriefe nicht für eine bestimmte Nationalität Geltung hätten. Die Frage, ob die Errichtung einer Universität im Wege des Gesetzes erfolgen müsse, blieb grundsätzlich unentschieden. Doch einigte man sich schließlich, in den § 1 der Vorlage die Bestimmung aufzunehmen: "Vom Beginn des Wintersemesters 1881/82 an werden in Prag zwei Universitäten bestehen, nämlich die k. k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität und die k. k. böhmische Karl-Ferdinands-Universität", wodurch die Verordnung der Regierung gewissermaßen legalisiert erschien.

[44] Als die neuernannten tschechischen Professoren im Juli 1881 vom Kaiser in Audienz empfangen wurden, meinte dieser: "Es ist gut, wenn die Muttersprache gepflegt wird, aber deutsch ist unerläßlich. Sagen Sie das Ihren Kollegen." Diese deutliche Anspielung bezog sich darauf, daß im neuen Universitätsgesetz die Kenntnis der deutschen Sprache für die künftigen Staatsbeamten nicht ausdrücklich vorgesehen war.

Im Herrenhaus war man mit der Erledigung der Vorlage nicht so rasch fertig wie im Abgeordnetenhaus, wenn auch Taaffe für die Mehrheit durch neue Pairsschübe gesorgt hatte. Sehr richtig bemerkte der verfassungstreue Hasner, durch die Teilung der Universität würden beide Teile zur Mittelmäßigkeit verurteilt, da die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, beide Universitäten genügend zu dotieren. Die tschechische Universität sollte freilich, wie die Folgezeit bewies, unter der Teilung materiell nicht zu leiden haben.

Auch der Geschichtsforscher Konstantin Ritter von Höfler bedauerte im Herrenhaus lebhaft, daß der deutsche Charakter der Prager Universität zerstört werde. Er kündigte seinen Abschied an und warf einen Rückblick auf die glückliche Friedenszeit Böhmens in vergangenen Jahrzehnten. Mahnend klang der Ruf des greisen deutschen Vorkämpfers aus Böhmen in den Sitzungssaal des Herrenhauses: "Es ist ein Spruch, der in das Grundgesetz der deutschen Nation aufgenommen wurde, in die goldene Bulle, die mit den Worten anhebt: Omne regnum in se divisum dilabitur. Möge Österreich lange davor behütet sein, daß dieser Spruch je bewahrheitet werde."

Schließlich nahm jedoch auch die Mehrheit des Herrenhauses den vom Abgeordnetenhaus genehmigten Gesetzentwurf an.

Nachdem der Kampf um die nationale Hochschule ein so siegreiches Ende gefunden hatte, suchten die Tschechen auch die Mittel- und Volksschulen in ihre Hände zu bekommen und neue Trutzschulen zu begründen.

Diese für das Deutschtum traurigen Vorgänge hatten das eine Gute, daß im Jahr der tschechischen Universitätseröffnung der "Deutsche Schulverein" ins Leben gerufen wurde. Wacker und zielbewußt stand er in den folgenden Jahrzehnten der tschechischen "Matice školská" als treuer Eckart des deutschen Kindes gegenüber.

Im neugewählten böhmischen Landtag von 1883 verfügten Tschechen und Feudale über 167, die Deutschen über 75 Stimmen. Die Abgeordneten der Stadt Prag waren zum erstenmal ausschließlich Tschechen.

[45] Schmeykal forderte gleich zu Beginn der Session die administrative Teilung Böhmens nach Sprachgebieten. Rieger trat ihm entgegen, derselbe, der 1849 in Kremsier ein gleiches Programm vertreten hatte. Seine Einladung, die deutschen Abgeordneten mögen mit den tschechischen die böhmische Nationalitätenfrage regeln, wurde von den Deutschen unter Hinweis auf das Reichsparlament als den in dieser Frage einzig zuständigen Boden abgelehnt. Dagegen wollten wieder die Tschechen von einem Antrag Ernst Bareuthers nichts wissen, der auf die Teilung des böhmischen Landesschulrats hinauslief. Auch der Antrag Eduard Herbst auf nationale Abgrenzung der Bezirke fand keine Zustimmung.

Nicht minder rührig waren indes die mährischen Tschechen. Die Landtags-Neuwahlen von 1884 verurteilten die Deutschen zwar nicht zur Minderheit, verringerten jedoch die Zahl ihrer Vertreter. Auf dem Land und in den kleinen Städten wurde von den Tschechen der wirtschaftliche Boykott der Deutschen gepredigt. Palackýs Losung: "Svuj k svému!" mit der Tendenz, jeder Tscheche kaufe nur bei einem Tschechen, fand allenthalben ein wirksames Echo. Damit war auch der wirtschaftliche Kampf entfesselt.

Die Neuwahlen für den Reichsrat von 1885 brachten keine wesentliche Veränderung mit sich. Von 353 Abgeordneten gehörten noch immer 185 der deutschen Nationalität an, aber 38 Konservative gehörten zur Rechten und gingen blindlings mit den Slawen, so daß diese ausschlaggebend waren. Allmählich freilich suchte die deutsch-konservative Gruppe um Georg Lienbacher dieses unwürdige Verhältnis zu lösen und sich vom Joch des "eisernen Ringes" freizumachen.

Gleich in der Adreßdebatte wurde die Nationalitätenfrage abermals aufgerollt. Der nationale Kampf in Böhmen selbst nahm die schärfsten Formen an. Bei einem Turnfest in Königinhof kam es zu blutigen Auseinandersetzungen.

Tschechische Rechtsanwälte, Beamte, Lehrer und Geistliche drangen in das deutsche Sprachgebiet ein, um es zunächst zu utraquisieren und schließlich zu slawisieren. Während der deutsche Klerus sich der größten Objektivität befleißigte, ja oft sogar tschechenfreundlich dachte, war der tschechische von radikalem Hussitentum durchfressen. Die Klagen der Minderheit im Lande Böhmen wurden jedoch vom Statthalter Freiherrn von Kraus geflissentlich überhört.

1888 wurde der Bündnisvertrag mit dem Deutschen Reich gleichzeitig in Berlin, Wien und Pest veröffentlicht. Von tschechi- [46] scher Seite suchten die Russophilen gegen den Vertrag Sturm zu laufen. Es sei das höchste Interesse Österreichs und Rußlands, daß der Vergrößerungssucht Deutschlands, welche durch die Idee der Nationalität geleitet werde, Schranken gesetzt werden, und im Interesse des europäischen Gleichgewichts liege es, daß der Einfluß Frankreichs nicht geschwächt werde.

Diesen tschechischen Protesten gegenüber blieb das Bündnis mit dem Deutschen Reiche fest und gestaltete sich mit den Jahren immer freundschaftlicher. Dies war für die im Innern bedrückten deutsch-österreichischen Patrioten der einzige Trost und ist es noch heute.

Hatten die Tschechen allmählich Kirche, Schule und Verwaltung überflutet, so suchten sie jetzt die Sprachenfrage auch in die bisher einheitlich deutsch kommandierte Armee zu tragen, indem sie für slawische Regimenter die slawische Regimentssprache forderten. Daß dadurch die Wehrfähigkeit im Fall eines Krieges wesentlich verringert würde, war den Tschechen gleichgültig. Sie haßten ja das schwarzgelbe Österreich, und auf seinen Trümmern hofften sie vielmehr das rotweiße, dreieinige Königreich Böhmen zu errichten. Aber an dem geschlossenen, tapferen Geist der Armee und dem unbeugsamen Willen ihres obersten Kriegsherrn scheiterten die tschechischen Zerstückelungsversuche.

Die Parlamentsmehrheit und die Regierung, die nicht in allem nachgeben konnte, standen untereinander nicht mehr so gut wie zu Beginn ihrer Freundschaft. Der tschechische Landsmannminister war seinen Volksgenossen nicht radikal genug. Der Jungtscheche Eduard Grégr verlangte die schärfere Tonart: "Man sieht, daß es bereits im höchsten Grade notwendig geworden ist, daß in dem Rat der Krone endlich auch ein Mann sitze, welcher die Bedürfnisse, die Wünsche und die Interessen des böhmischen Volkes mit Energie und mit Eifer zu vertreten weiß."

Den Intriguen des "eisernen Rings" fiel zuerst der Minister Conrad zum Opfer, und Paul Gautsch Freiherr von Frankenthurn übernahm an seiner Stelle das Ministerium für Kultus und Unterricht (1885). Dem Justizminister Pražák folgte Friedrich Graf Schönborn, früher Statthalter von Mähren und als solcher um die Tschechisierungspolitik hochverdient.

Taaffe fand für seine Regierung das bezeichnende Wort "fortwursteln", aber den Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen, um den er sich am Ende der Legislaturperiode bemühen mußte, brachte er dennoch nicht zustande, vielleicht eben deshalb, weil er kein festes Programm hatte. Die Zerfahrenheit im deutschen Lager kam ihm hierbei freilich zustatten. Die ver- [47] einigte deutsche Linke wurde stets schwächer. Neue deutsche Partei-Gruppen und Grüppchen entstanden, denen allen ein Führer fehlte.

Die Christlichsozialen unter Lueger waren noch sehr schwach und wußten selbst nicht, wie sich die ganze Bewegung entwickeln werde. Sie wurden allgemein gering geschätzt und von der Regierung allerdings erfolglos niederzuhalten gesucht.

Die Tschechen benutzten die Programmlosigkeit der Regierung, sowie die Ohnmacht der Deutschen und gingen trotz häuslichen Zwistes um so geschlossener nach außen vor.

Ein tschechischer Studententag in Kremsier verlangte, von den Prager Kommilitonen unterstützt, 1889 die Errichtung einer tschechischen Universität in Brünn. Abgeordnete nahmen sich der Angelegenheit eifrig an. Flugschriften wurden verbreitet. Dem deutschen Brünn galt nun der allgemeine Vorstoß.

1889 wurde, um "die Selbständigkeit des Vaterlandes" kulturell zu wahren, die Prager tschechische Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufen, der dann 1891 die "Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen" an die Seite trat.

Gelang es so wenigstens auf kulturellem Gebiet sich der tschechischen Feinde einigermaßen zu erwehren, so war dies in der Verwaltung unmöglich. Der Antrag Max Baron Scharschmid, unter Festhaltung der deutschen Sprache als Staatssprache Durchführungsbestimmungen zum Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes zu erlassen, war abgelehnt worden. Ein Sprachenausschuß und ein Subkomitee hatten ihn zu Grabe geläutet. Da inzwischen die Slawisierung der Ämter und Gerichte auf deutschem Boden immer mehr überhand nahm, erwog man in Böhmen ernstlich den Gedanken der Kreiseinteilung, wodurch ein national getrennter Beamtenstatus möglich geworden wäre. Die Tschechen lehnten den Vorschlag wenigstens nicht von vornherein ab. Die späteren Ausgleichsverhandlungen knüpften stets an diesen Gedanken an.

Die Stremayrsche Sprachenverordnung gab dem böhmischen Landtag lange zu schaffen. Die Deutschen forderten ihre Aufhebung für die Kreisgerichte Eger, Brüx, Leipa, Leitmeritz und Reichenberg, allein vergeblich. Die Tschechen verlangten im Gegenteil eine Ergänzung des Stremayrschen Erlasses zu ihren Gunsten. Im Lande Böhmen könne kein geschlossenes deutsches Sprachgebiet anerkannt werden, das bedeute Landeszerreißung, Landesverrat. Mit diesen aller Geographie und Gerechtigkeit hohnsprechenden Ansichten suchten die Tschechen ihr böhmisches [48] Staatsrecht zu verwirklichen. Die Regierung hatte nie den Mut, dieser Utopie tatkräftig entgegenzutreten. Sie schmeichelte ihr vielmehr, indem sie mit Hilfe eines Mehrheitsbeschlusses im Abgeordnetenhaus die kgl. Burg Karlstein bei Prag aus Staatsmitteln in tschechischem Geschmack modernisieren ließ.

Die Deutschen im böhmischen Landtag hatten nach dem die Tschechen neuerdings begünstigenden Sprachenerlaß Pražák für Böhmen und Mähren Ende 1886 ihren Austritt erklärt. Alle ihre Anträge waren entweder ohne weiteres niedergestimmt oder mit Übergang zur Tagesordnung erledigt worden. Anfang 1887 wurden die deutschen Abgeordneten Böhmens ihrer Landtagsmandate für verlustig erklärt. Aber auch nach den Neuwahlen konnten sich die Deutschen nicht bereit erklären, ihre Abstinenzpolitik aufzugeben.

Georg Fürst Lobkowitz bahnte eine Verständigung mit Schmeykal an. Es sollte eine Konferenz zusammentreten und darin vor allem folgendes beraten werden: 1. Die Sicherung einer Kurie im Landtag für die nationale Minorität, 2. die Regelung der Sprachenfrage bei den Gemeinde- und Bezirksvertretungen, 3. die Modifizierung der in bezug auf den Gebrauch der beiden Landessprachen bei den Gerichtsbehörden bestehenden Vorschriften, 4. Erleichterungen der Gemeinden durch Errichtung von Schulen für nationale Minoritäten. Namens der deutschen Vertrauensmänner erwiderte Schmeykal, die Deutschen würden auf eine Verhandlung nur eingehen, wenn ihnen Garantien geboten würden, daß die von ihnen vertretenen Grundsätze, welche die nationale Selbständigkeit der Deutschen im Landtag gewährleisten, anerkannt werden. Der Versöhnungsversuch hatte keinen praktischen Erfolg, denn die Tschechen verweigerten jedes Zugeständnis.

Die von Edmund Fürsten Clary empfohlene Schaffung einer Mittelpartei, er dachte hierbei wohl an den Großgrundbesitz, wurde von den Tschechen rundweg abgelehnt.

Mit dem staatsrechtlichen Programm und dem ungestümsten Radikalismus entrissen die Jungtschechen der alttschechischen Partei ein Mandat um das andere. Der tschechische Staat, die tschechische Staatssprache, Krönung des Königs, Ausmerzung des Deutschtums, so lautete das Lebensprogramm der Sieger. Um wirtschaftliche Reformen bekümmerten sie sich nicht. In hygienischer Hinsicht beschäftigte sie nicht der Prager Typhus, sondern bloß die "Trichinen", mit denen sie die fremden Elemente, die Deutschen meinten und verglichen.

1889 kam Taaffe selbst nach Prag, um wenigstens innerhalb [49] der Großgrundbesitzer-Kurie Frieden zu stiften. Die Feudalen verlangten, ehe sie den Verfassungstreuen eine ihrer Stärke entsprechende Anzahl von Mandaten einräumten, die deutschen Großgrundbesitzer sollten ihre Solidarität mit den übrigen deutschen Landtagsabstinenzlern aufgeben. Daran scheiterten die Verhandlungen.

Der den Deutschen verhaßte Freiherr von Kraus wurde vom böhmischen Statthalterposten abberufen und an seine Stelle trat Franz Graf Thun. Aber auch dieser Wechsel konnte die Deutschen nicht bestimmen, in den Landtag einzuziehen, denn Thun gehörte dem Feudaladel an.

Nochmals leitete Taaffe einen Ausgleichsversuch ein. Alexander Fürst Schönburg von der Mittelpartei des Herrenhauses suchte zu vermitteln. Die Deutschen erklärten unzweideutig ihre Versöhnungsabsichten. "Da jedoch in jüngster Zeit", meinten sie weiter, "die böhmische Königskrönung, deren staatsrechtliche Bedeutung alle bisherigen Differenzpunkte weitaus überragt, von tschechischer Seite in so auffälliger Weise und mit besonderem Nachdruck zum Gegenstand der öffentlichen Erörterung wieder aufgeworfen wird, so erachten wir es zur Klärung der öffentlichen Lage für unerläßlich, daß die Regierung vor dem Beginn eventuell gewünschter Verhandlungen gegenüber diesen, mit der geltenden Verfassung nicht im Einklang stehenden Bestrebungen offen Stellung nehme und das deutsche Volk in Böhmen und ganz Österreich durch eine unzweideutige Erklärung hierüber beruhige." Daraufhin erklärten die Tschechen, unter solchen Umständen könne von einem Ausgleich nicht die Rede sein.

Die Eröffnung des böhmischen Landtags erfolgte ohne die Deutschen. Da sie ihr Fernbleiben nicht rechtfertigten, verloren sie ihre Mandate neuerdings.

Die Prager Landesausstellung, von den Tschechen zu selbstsüchtigen, nationalen Zwecken mißbraucht, wurde von den Deutschen nicht beschickt.

Von der tschechischen Landtagsmehrheit beschlossen, etablierte sich die Böhmische Landesbank mit dem Abgeordneten Karl Mattuš als Oberdirektor. Dafür entzog man deutschen Schulen und Vereinen ihre bisherigen Landesunterstützungen oder schränkte sie ein; die tschechischen wurden um so reicher bedacht, trotz der unverhältnismäßig größeren Steuerleistung der Deutschen.

Ein Gesetzentwurf über die Gleichberechtigung beider Landessprachen bei den autonomen Behörden Böhmens, wonach z. B. die Stadt Prag nur mehr einsprachig tschechisch zu amtieren braucht, wurde von den Tschechen ausgearbeitet und von der Landtagsmehrheit angenommen.

[50] Alle Proteste der Deutschen im Reichsrat, in der Presse, in Versammlungen waren fruchtlos. Ihre Hinweise auf das verfassungswidrige Treiben der Tschechen, ihre staatsrechtliche Agitation, blieben von der Regierung unbeachtet. Man erwog daher auch den Austritt aus dem Abgeordnetenhaus. Armand Freiherr von Dumreicher veröffentlichte einen Artikel: "Deutsche Gemeinbürgschaft", in dem er erklärte, die deutsch-böhmische Abstinenzpolitik sei nur eine halbe Tat, solange nicht ganz Deutsch-Österreich nachfolge. Da raffte sich die Regierung rasch zu energischem Handeln auf.

Am 4. Januar 1890 begannen unter Taaffes Vorsitz die deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen in Wien, die zur Formulierung der sogenannten "Punktationen" führten. Alle böhmischen Parteien waren geladen worden, außer jungtschechischen Vertretern. Von diesen hatte man wegen ihrer offenen Stellungnahme gegen alle früheren Ausgleichsversuche absehen zu müssen geglaubt. Die Jungtschechen erhoben denn auch diesmal gegen die etwa zu fassenden Beschlüsse im voraus lebhaften Protest: Nie könne ein Ausgleich in Wien geschlossen werden.

Die Regierung und die nationalen Vertrauensmänner einigten sich in einer Reihe von Bestimmungen, die sich auf die Zusammenstellung und Einrichtung des Landesschulrats, die Minoritätsschulen, die Reorganisation des Landeskulturrats, die Errichtung einer deutschen Handels- und Gewerbekammer im östlichen Böhmen, die Revision der Handelskammer-Wahlordnungen, die Abgrenzung der Gerichtsbezirke, das Oberlandesgericht in Prag, die Besetzung der Gerichte erster Instanz, die Revision der Sprachenverordnung von 1880, den Gebrauch der Landessprachen bei den autonomen Behörden und endlich die Reform der Landtagswahlordnung und Errichtung nationaler Kurien bezogen. Danach sollten an die Stelle der bisherigen Kurien der Städte- und Landgemeinden unter Fortbestand der Kurie des Großgrundbesitzes zwei neue treten, nämlich die Kurie der von tschechischen Wahlbezirken entsendeten Abgeordneten und die Kurie der von deutschen Wahlbezirken entsendeten Abgeordneten. Die Vertreter der Handelskammern hätten sich nach ihrem Eintritt in den Landtag jeweils für eine der beiden Kurien zu entscheiden. Jede sollte so wie die Kurie der Großgrundbesitzer mit einem Vetorecht ausgestattet werden.

Alle Beschlüsse über Änderungen der Landesordnung und Landtagswahlordnung, ferner über den Gebrauch der Sprachen im öffentlichen Leben bei autonomen Behörden und bei solchen Bildungsanstalten, die nicht ausschließlich einer Nationalität ge- [51] widmet sind, sollten unter dieses Vetorecht fallen, sofern diese Fragen dem Machtbereich des Landtags unterstellt seien.

Die Regierung hatte die Aufgabe übernommen, während die Parteien sich zum Ausgleich äußerten, auf Grund dieser von allen Konferenzteilnehmern unterzeichneten "Punktationen" die nötigen Landtagsvorlagen auszuarbeiten. Das größte Verdienst um das Zustandekommen der Verhandlungen hatte Alexander Fürst Schönburg-Hartenstein. Die anderen Teilnehmer waren Friedrich Karl Graf Kinsky, Hermann Hallwich, Richard Clam-Martinitz, Ernst Plener, Karl Mattuš, Georg Fürst Lobkowitz, Ludwig Schlesinger, Max Baron Scharschmid, Ladislaus Rieger, Franz Schmeykal, Oswald Graf Thun, O. Zeithammer.

Die deutschen Landtagsabgeordneten, der gesamte Großgrundbesitz und die Alttschechen stimmten den Wiener "Punktationen" zu.

Die Jungtschechen dagegen ließen von ihrer unversöhnlichen Politik auch nicht ein Iota ab. Sie erklärten, weder einen österreichischen noch einen böhmischen Patriotismus im Sinne Riegers zu kennen, stets sei "die Nation und vor allem das Wohl der ganzen Nation" ihre Richtschnur. In ihrer leidenschaftlichen Agitation gegen die "Punktationen" erklärten sie, diesen zustimmen, hieße einen Selbstmord begehen.

Statt nun über solche Patrioten zur Tagesordnung überzugehen und so rasch wie möglich den Ausgleich zu besiegeln, unterließ die Regierung Taaffe nicht nur jeden Überrumpelungsversuch, der, geschickt gemacht, von Erfolg gekrönt gewesen wäre, sondern sie verzögerte sogar die Einbringung ihrer Vorlagen.

Inzwischen gewannen die jungtschechischen Politiker Böhmens Zeit, die Brandfackel des Hasses auch nach Mähren und Schlesien zu werfen, und gewannen bei den Landtagsneuwahlen daselbst eine Reihe neuer Sitze.

Zwei Friedenstauben für die Deutschen Böhmens ließ die Regierung zwar rasch nach Abschluß der "Punktationen" fliegen. Dies war völlig verfehlt. Die beiden Verordnungen des Justizministers Schönborn betreffs Änderungen in der Gerichtsorganisation im Königreich Böhmen vom 5. Februar 1890 setzten zwar Stremayrs Erlaß von 1880 nicht außer Kraft, aber sie schränkten ihn ein. Die Tschechen antworteten mit einem Entrüstungssturm, weil sie nunmehr ganz deutlich das "Staatsrecht" angetastet wähnten. Die Regierung hätte das gesamte Material der Punktationen wohl vorbereitet auf einmal erledigen müssen. Durch schrittweises Vorgehen erweckt man überhitzten Völkern gegenüber nur den Eindruck der Unsicherheit und Schwäche. Statt ihre Leidenschaften zu bändigen, stachelt man sie nur auf.

[52] Das plötzliche Aufflackern von Tatkraft, wie die Beschlagnahme derjenigen Blätter, die das aufreizende Gutachten der jungtschechischen Partei über den Ausgleich brachten, war zwecklos und widersinnig. Man konnte leider den vormärzlichen Standpunkt nicht aufgeben und traf nur Druckerschwärze und Papier, ohne die zügellosen Geister durch die entschlossene Tatkraft eines großen Staatsmanns in Schranken zu halten.

Die Deutschen sahen unter diesen Umständen die Unmöglichkeit eines Ausgleichs ein, aber sie bezogen doch den böhmischen Landtag, um ihre friedliche Gesinnung zu bekunden und weil sie dies gelegentlich der "Punktationen" ausdrücklich versprochen hatten. Eine Ausgleichskommission wurde zwar von allen Landtagsparteien beschlossen und eingesetzt. Aber nun entbrannte der Kampf erst recht.

Statthalter Thun mahnte wiederholt zur Einsicht, jedes Stück der Vorlagen bedeute einen Fortschritt zum Ausgleichsziel. Weitsichtig verschloß er sich jedoch der düsteren Zukunft keineswegs, denn die Hoffnung auf eine Ausführung der "Punktationen" verringerte sich von Tag zu Tag. "Wir sehen", so meinte Thun, "eine Partei gegen diese Abmachungen anstürmen, die selbst erklärt, sie wolle den Frieden, die aber die Mittel bekämpft, die vorgeschlagen wurden, eine Partei, welche nicht nur die Vertreter des Ausgleichs bekämpft, sondern auch die besten Söhne des eigenen Volkes. Ihr Vorgehen kann dahin führen, daß der größte Teil der Bevölkerung sich ihnen anschließt, es kann aber die Dinge auch dahin bringen, daß das böhmische Volk ganz isoliert wird und sich dem Chauvinismus anschließt, und so kann sich die Partei, indem sie rasch vorwärts stürmt, selbst ein Grab graben."

Wortwörtlich ist diese Mutmaßung eingetroffen. Die tschechisch-radikalen Totengräber stehen bereits vor der Tür des böhmischen Jungtschechentums und trotz der "Slawischen Union" von 1909 ist seine Politik doch eigentlich isoliert, wie denn Ernst von Plener 1890 den Jungtschechen prophezeite: "Geben Sie acht, eines Tages werden auch Sie vor derselben Situation stehen, in welcher sich die alttschechischen Führer heute befinden."

Aber eine praktische Folge hatten die "Punktationen" dennoch auch im guten Sinn, die nationale Teilung des Landesschulrats und des Landeskulturrats.

Von der Radikalisierungspolitik der Jungtschechen bedroht, nahmen zahlreiche tschechische Führer, darunter Rieger, Heinrich Clam-Martinitz, Karl Fürst Schwarzenberg ihren Abschied vom öffentlichen Leben. Auch das tatkräftige Eintreten für die Einführung [53] der inneren tschechischen Dienstsprache konnte sie vor dem radikalen Sturme nicht mehr retten. Im Gegenteil, der tschechenfreundliche Erlaß des Prager Oberlandesgerichtspräsidenten Josef Freiherrn von Temnitschka vom 15. Juli 1890, wonach die Einvernahme tschechischer Personen durch Vermittlung von Dolmetschen den deutschen Richtern auf das strengste untersagt wurde, bestärkte die Jungtschechen erst recht in ihren Ansprüchen. Selbst den Statthalter Thun versuchten sie zu stürzen.

Im Reichsrat wurde der neu entfachte Streit fortgesetzt. Man entblödete sich nicht, die "Punktationen" als Arbeit der deutschen Botschaft hinzustellen. Ja, auch von deutschnationaler Seite erfolgten Angriffe. Der schlesische Abgeordnete Karl Türk warf den Deutschböhmen vor, sie hätten um "ein paar Gläser Champagner beim Sacher" die Nation preisgegeben. Und so blühte der Radikalismus hüben wie drüben.

In Mähren waren die Gemüter ruhiger. Unter der klugen Führung des Freiherrn Johann von Chlumetzky verfügten die deutschliberalen Landtagsabgeordneten über 51 von insgesamt 100 Mandaten. Vielfach konnten sie auch auf die 8 Stimmen der Mittelpartei (aus der Großgrundbesitzer-Kurie) rechnen und hatten so die Mehrheit in fast allen Fragen.

Im schlesischen Landtag verfügten die vereinigten Tschechen und Polen über 6 Stimmen und beanspruchten infolgedessen eine Stelle im Landesausschuß. Die slawische Propaganda setzte auch hier erfolgreich ein.

Nachdem der Ausgleich in Böhmen gescheitert war, wurde am 23. Januar 1891 das Abgeordnetenhaus aufgelöst. Die jungtschechischen Reichsboten hatten Gelegenheit, ihre Reihen zu verstärken.

Allmählich vollzog sich überhaupt ein völliger Umschwung der Parteiverhältnisse auch bei den Deutschen. Die Liberalen wurden von den judenreinen Deutschvölkischen und den antisemitischen Alldeutschen um Schönerer verdrängt. In Wien und ganz Niederösterreich drangen die von Lueger geführten Christlichsozialen siegreich vor. Die "Vereinigte deutsche Linke" sah sich so im wesentlichen auf einige Hochburgen in den Sudetenländern beschränkt, bis ein Stein um den andern abbröckelte und schließlich bei den jüngsten Reichsratswahlen 1907 der völlige Zusammenbruch der alten deutschliberalen Partei erfolgte. Den Tschechen gegenüber konnte man keine Wahlsiege verzeichnen, es sei denn die Wiedereroberung des bisher durch den Utraquisten Josef Heinrich vertretenen Leitomischl in Böhmen durch den späteren deutschen Landsmannminister und hervorragenden Führer der Agrarier Franz Peschka.

[54] Als am 9. April 1891 das neugewählte Abgeordnetenhaus zusammentrat, war es Taaffe noch nicht gelungen, sich eine parlamentarische Koalitionsmehrheit zu schaffen. 36 jungtschechische Abgeordnete aus Böhmen, geführt von Alois Trojan, überreichten ihre Rechtsverwahrung, der sich jedes später eintretende Mitglied der Partei anschließen mußte. Die Frage des böhmischen Staatsrechts erregte gleich zu Beginn der Reichsratssession die Gemüter sehr heftig. Man forderte auch wegen der inneren Amtssprache eine bündige Regierungserklärung. Taaffe gab sie, indem er von der inneren deutschen Amtssprache unmöglich abweichen zu können meinte. Nur so sei eine einheitliche Administration möglich, abgesehen davon, daß eine Erfüllung der gegenteiligen Wünsche auf unüberwindliche finanzielle Schwierigkeiten stoßen würde. Taaffe hatte inzwischen Fühlungnahme mit den Deutschliberalen gewonnen und suchte ihre Unterstützung.

Anläßlich der Prager Landesausstellung im gleichen Jahre fanden in der böhmischen Hauptstadt eine Reihe von Verbrüderungsfesten statt, die durchaus im Zeichen der panslawistischen Bewegung standen, wenn man sich auch die Teilnahme naiver Deutscher aus den Alpenländern gern gefallen ließ. Ehe der Kaiser zum Besuch der Ausstellung nach Prag kam, demonstrierte man eifrig für eine Krönung des Königs von Böhmen. In allen tschechischen Landesteilen feierte der antiösterreichische Geist seine Triumphe. Der Kaiser suchte vergeblich zu vergessen und zu versöhnen. Seine Anspielungen auf den Ausgleich verhallten vor tauben Ohren, wenn nicht etwa die folgenden tobenden Proteste gegen den Ausgleich als Echo aufzufassen waren.

Die vom böhmischen Landtag eingesetzte nationale Abgrenzungskommission wollte gar nicht vorwärts kommen. Die Absicht der Tschechen lief darauf hinaus, auch die letzte Erinnerung an die Wiener "Punktationen" auszulöschen. Als auch der konservative Großgrundbesitz vom Ausgleich nichts mehr wissen wollte und der tschechische Landsmannminister Pražák von seinem Posten zurücktrat, dachte niemand mehr ernstlich an eine günstige Erledigung.

Der im Landtag gestellte Sprachenantrag des Prager Bürgermeisters Heinrich Šolc, der die nationale Gleichberechtigung im tschechischen Sinn zu deuten versuchte, wüste Obstruktionsszenen, durch eine Rede des Abgeordneten Alois Funke aus Leitmeriz angeblich herausgefordert, Exzesse in Prag und in den tschechischen Landstädten, hussitische Umzüge gegen die nicht genug radikalen Adeligen, die Beseitigung aller deutschen Straßenbezeichnungen in der gemeinsamen Landeshauptstadt durch den rein tschechischen [55] Gemeinderat, die Beschmutzung der kaiserlichen Adler an Amtsgebäuden und Briefkasten durch den tschechischen Pöbel, die antidynastischen Demonstrationen am Vorabend des kaiserlichen Geburtstages, die anarchistischen Verschwörungen eines Geheimbundes, der "Omladina", die Verhängung des Ausnahmezustands über Prag und seine Vorstädte, die Auflösung der Reichenberger Stadtvertretung, die, geführt von dem späteren deutschen Landsmannminister Heinrich Prade, sich gegen die Utraquisierung des Reichenberger Museums und gegen Verfügungen der böhmischen Statthaltern in der Sprachenfrage zur Wehr gesetzt hatte, dies alles deutete darauf hin, daß sich die Zustände nur verschlimmert hatten und den Deutschen die traurigsten Zeiten erst bevorständen.

Aber nicht nur in Böhmen, auch in Wien selbst faßte die Tschechisierungspolitik festen Fuß. Abgesehen von den vielen neuen tschechischen Beamten, die der Expansionspolitik ihres Volkes nach Kräften Vorschub leisteten, von den zahlreichen Petitionen um tschechischen Gottesdienst und Unterricht, der künstlich gefördert werden sollte, handelte es sich darum, die deutsche Parlamentssprache zu durchbrechen. Die Tschechen forderten unablässig die Aufnahme tschechischer Reden ins Protokoll. Und dies gab natürlich zu den mißliebigsten Szenen Anlaß.

Trotz der Bemühungen des Unterrichtsministers Gautsch, die deutsche Sprache zum Vorteil der einzelnen Völker im Lehrplan auch der slawischen Schulen aufrechtzuerhalten, konnte die fortschreitende Beseitigung des deutschen Unterrichts nicht verhindert werden. Sein Verbot, den 300. Jahrestag der Geburt Amon Komenskýs in den tschechischen Schulen zu feiern und dadurch zu staatsrechtlichen Kundgebungen der Schüler und ihrer Eltern Anlaß zu geben, hatte ein erbittertes Mißtrauensvotum zur Folge, das der Tschechenführer Karl Kramář im Juli 1892 im Abgeordnetenhaus aussprach.

Bald darauf verfügte der Prager Stadtrat die Auflassung der Parallelklassen an deutschen Volksschulen. Die deutschen Minoritätsschulen wurden allenthalben bedrängt. Auch hohe Kleriker, wie der Brünner Bischof Franz Bauer, beteiligten sich an dem Kampf gegen die deutsche Schule.

1892 traten die Jungtschechen zum erstenmal in die österreichisch-ungarische Delegation ein. Diese von den Parlamenten beider Reichshälften beschickte Körperschaft war bisher vom österreichischen Nationalitätenstreit wenig berührt worden, da es sich bei den Verhandlungen nur um gemeinsame Angelegenheiten der Reichshälften handelte. Mit dem Eintritt der Jungtschechen wurde auch hier [56] ein Boden für die tschechische Eroberungspolitik geschaffen. Zunächst mußte der Dreibund herhalten. Natürlich galten die Angriffe Kramářs vor allem dem Deutschen Reich, in dem dieser Abgeordnete seine höchste wissenschaftliche Ausbildung genossen hatte. Gegen das Deutsche Reich spielten Jungtschechen Rußland aus und befürworteten auch in den folgenden Jahrzehnten ein Bündnis mit diesem Staate, um Österreich besser slawisieren zu können und das deutsche Volk hüben und drüben zu schwächen. Der Jungtscheche Friedrich Pacák, der spätere Minister, zog gegen die deutsche Armeesprache zu Felde. Viele tschechische Stellungspflichtige und Reservisten begannen damals beim Namensaufruf durch die militärische Behörde statt mit dem vorgeschriebenen "Hier" zu antworten mit der tschechischen Übersetzung "Zde" zu demonstrieren.

Gleichzeitig wurden die deutsch-mährischen Städte arg bedroht. Als erste fiel die Gemeindevertretung von Proßnitz den Tschechen in die Hände. Auch in Schlesien rückten die Slawen immer siegreicher vor. Allerdings gerieten dabei Tschechen und Polen oft gegeneinander, da beide ihre geschichtlichen Anrechte auf das ganze Land geltend machten.

Das Ministerium Taaffe lavierte, solange dies ging. Eine Wahlreform war unausbleiblich. Aber dieses Problem bedeutete Taaffes Ende. Kein nationalgesinnter Deutscher trauerte ihm nach. Er war immer mehr auf Seite der Tschechen getreten, wenn er dies auch äußerlich geschickt zu verbergen suchte. Deshalb fand er auch bei den Feudalen und Tschechen die tiefgefühltesten Nekrologe. Als er am 11. November 1893 seines Amtes enthoben wurde, nahm das alte Österreich endgültig Abschied. Das neue Österreich war deshalb noch lange nicht geboren.







Die Deutschen in Österreich
und ihr Ausgleich mit den Tschechen

Dr. Wilhelm Kosch