SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor

 
I. Das österreichisch-ungarische Erbe

1. Der tschechoslowakische Anteil an Bodenfläche und Bevölkerung

c) Die soziale Berufsschichtung

Aus der Übersicht über die soziale Gliederung der Bevölkerung ergibt sich zugleich ein anschauliches Bild der wirtschaftlichen Struktur des Staates, dessen westlicher Teil vorwiegend industriell und dessen östlicher Teil vorwiegend agrarisch eingestellt ist. Interessant ist der volkliche Anteil an den einzelnen Berufsschichten. Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich wird, ist das Sudetendeutschtum im Gegensatz zu den Tschechen in weit stärkerem Maße in Handel und Industrie als in der Landwirtschaft beschäftigt, was den industriellen Charakter der sudetendeutschen Gebiete beweist:27

[66]

Berufsklasse Land Deutsche Tschechen
  1910   1921    1910    1921
Land- und Forstwirtschaft Böhmen 616.523   538.012  1.563.933 1.429.553
Mähren 222.471   192.551  856.256 828.738
Schlesien 80.024   68.958  49.066 56.807

Sudetenländer   919.018   799.521  2.469.255 2.315.098

Industrie und Gewerbe Böhmen 1.176.249   1.013.991  1.572.055 1.676.336
Mähren 266.368   192.274  631.486 711.207
Schlesien 141.452   106.142  96.900 163.685

Sudetenländer   1.584.069   1.312.407  2.300.441 2.551.228

Handel, Geldwesen u. Verkehr Böhmen 350.685   277.090  529.242 535.141
Mähren 108.073   60.793  170.884 197.557
Schlesien 50.136   29.869  13.131 26.263

Sudetenländer   508.894   367.752  713.257 758.961

Öffentl. Dienst, freie Berufe,
Militär, Sonstige
Böhmen 324.136   344.146  576.310 741.758
Mähren 122.488   101.986  210.248 310.924
Schlesien 53.948   47.396  21.220 49.439

Sudetenländer   500.572   493.528  807.778 1.102.121

Bewohner insgesamt Böhmen 2.467.593   2.173.239  4.241.540 4.382.788
Mähren 719.400   547.605  1.868.874 2.048.425
Schlesien 325.560   252.365  180.317 296.194

Sudetenländer   3.512.553    2.973.209   6.290.731  6.727.407

Albin Oberschall hat in einer interessanten Arbeit28 die Strukturveränderungen in der Berufsgliederung der Deutschen und Tschechen in der Zeit von 1900-1930 untersucht und die hier wiedergegebene Übersicht aufgestellt.

Dieser Übersicht fügt Dr. Oberschall folgende interessanten Erläuterungen hinzu:

      "In formaler Hinsicht sei zu der vorstehenden Übersicht zunächst bemerkt, daß, da die Berufserhebung in jedem dieser Zeitpunkte nicht auf Grund des gleichen Schemas erfolgt war, Zusammenziehungen und Umstellungen von mir vorgenommen werden mußten, falls vergleichbare Angaben erzielt werden sollten, was, nebenbei bemerkt, keine so einfache Sache war. Ja, da gerade für das Jahr 1930 große Schema-Umgruppierungen stattgefunden haben, war ich genötigt, für das Jahr 1920 für die Hauptberufsarten Daten nach dem alten und nach dem neuen Schema nebeneinander anzuführen. Weiter betone ich, daß sich die Daten für die einzelnen Berufsarten vom Jahre 1930 mit denen für die früheren Jahrzehnte nicht immer genau decken und auch die entsprechenden Daten für das Jahr 1921 auf Grund der vorhandenen Quellen zu berechnen nicht möglich ist.

[67]

[68]
      In sachlicher Hinsicht zeigt uns die Übersicht zunächst, in welchen Berufen sich Deutsche und Tschechen voneinander unterscheiden. Hier kann natürlich nur das Wichtigste hervorgehoben werden. Während heute von den Tschechen ungefähr ein Viertel auf die Land- und Forstwirtschaft, bei den Deutschen dagegen nur rund ein Fünftel entfällt, gehören fast die Hälfte der Deutschen, aber erst wenig über 40% der Tschechen zu Industrie und Gewerbe. Das ist der wichtigste Unterschied in beruflicher Hinsicht zwischen Deutschen und Tschechen. Dieser Unterschied ist ein wesentlicher, da er sich bei allen letzten vier Volkszählungen zeigt. Aber noch eine zweite wichtige Tatsache enthüllt uns obige Übersicht, nämlich einen ganz bedeutenden Rückgang der Tschechen, aber auch einen ziemlich bedeutenden Rückgang der Deutschen in der Landwirtschaft, während sich der Anteil beider Völker an Industrie und Gewerbe weniger verschoben hat, wogegen der Anteil der sonstigen Berufe manchmal ganz beträchtlich zugenommen hat. Sonst sei auf die Tabelle verwiesen.
      Unter den Berufszugehörigen kommt die größte Bedeutung den Berufstätigen zu, d. i. den Unternehmern, Beamten und Angestellten, Arbeitern, Lehrlingen und Taglöhnern, sowie den mithelfenden Familienmitgliedern, während von den Berufstätigen die Dienstpersonen, vor allem aber die nichtberufstätigen Familienmitglieder (wie nur in der Hauswirtschaft tätige Ehefrauen, Kinder usw.) erhalten werden. Von allen Deutschen in Böhmen waren nun im Jahre 1900 50,3%, im Jahre 1910 53,7%, im Jahre 1920 51,1% und im Jahre 1930 55,9%, bei den Tschechen 51,6% bzw. 54,6% bzw. 50,6%, bzw. 55,3%, d. i. ungefähr die Hälfte, berufstätig. Die Angleichung von Deutschen und Tschechen in der Jetztzeit ist ganz bemerkenswert. Unter den Berufstätigen kommt natürlich die größte Bedeutung den Unternehmern zu. Leider lassen sich da nur Vergleiche für Industrie und Gewerbe vornehmen. Hier ist nun folgende Tatsache festzustellen. Während bei den Deutschen zu den genannten vier Zeitpunkten in Industrie und Gewerbe von allen Berufszugehörigen 45,6%, bzw. 49,7%, bzw. 51,3%, bzw. im Jahre 1930 sogar 54,0%, bei den Tschechen 42,8%, bzw. 47,6%, bzw. 49,3% und im Jahre 1930 51,8% berufstätig waren, entfielen von diesen Berufstätigen auf die Unternehmer 14,4%, bzw. 15,4%, bzw. 12,7% und im Jahre 1930 10,9% bei den Deutschen und 16,6%, bzw. 14,6%, bzw. 14,7% und im Jahre 1930 12,0% bei den Tschechen. Es nehmen bei beiden Völkern also die Berufstätigen in Industrie und Gewerbe im Verhältnis zu, die Unternehmer jedoch ab; diese Tatsache ist bei beiden Völkern, besonders aber bei den Deutschen, sehr zu bedenken."

Wir werden im weiteren Verlauf unserer Darstellung auf die Ursachen dieser volkspolitisch äußerst bedeutungsvollen Entwicklung noch zu sprechen kom- [69] men. Während in den Sudetenländern z. B. noch 1880 auf 100 Landwirtschafttreibende 370 Nichtagrarier fielen, stieg die Zahl bis 1910 auf 470 und erreichte 1930 bereits 512 Nichtagrarier. Die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen sank auf 29,69% (1921). In der Slowakei dagegen stehen 60 v. H., in Karpathenrußland sogar 70 v. H. der Gesamtbevölkerung in der Landwirtschaft.

Von den 418 Verwaltungsbezirken der Staates weisen 11 eine Bevölkerungsdichte von über 500 auf. Sie liegen in den Sudetenländern. In der Slowakei erreichen von 77 nur 1 eine Bevölkerungsdichte von 150 und in Karpathenrußland nur 2 eine Bevölkerungsdichte von 125. Die 83 Bezirke mit einer Bevölkerungsdichte von mehr als 200 liegen mit wenigen Ausnahmen alle im sudetendeutschen Gebiet.

Seite zurückInhaltsübersichtnächste Seite

27Wenn hier wie an anderen Stellen gesonderte Übersichten über die Slowakei und Karpathenrußland wegbleiben, dann geschieht es, weil uns in erster Linie die Verhältnisse in den Sudetenländern interessieren, als dem Siedlungsgebiet des allergrößten Teiles der sudetendeutschen Volksgruppe. ...zurück...

28Sudetendeutsche Tageszeitung, Tetschen, 25. Dezember 1934. ...zurück...

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite




200 000 Sudetendeutsche zuviel!
Der tschechische Vernichtungskampf
gegen 3,5 Millionen Sudetendeutsche
und seine volkspolitischen Auswirkungen.
Kurt Vorbach