Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung,
Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im
Heere
[328]
Kapitel 6: Fürsorge
für die Gefallenen und die
Kriegsgräber
Regierungsrat Major a. D. Rudolf
Schumacher
Ehrung der in den Tod für das Vaterland gegangenen Helden war von jeher
deutsche Sitte. Die Vorfahren errichteten in der Urzeit den gefallenen Kriegern
gewaltige Bauten, und noch jetzt leuchten die Hünengräber der
norddeutschen Tiefebene, aus riesigen Findlingsblöcken getürmt,
weithin ins Land. Die Steinbeile und andere Feuersteinwaffen, die sich in den
Begräbnisstätten finden, künden den kriegerischen Geist der
Führer und Vorkämpfer, die so geehrt werden sollten. Erst nachdem
unter dem Einfluß der römischen Legionen römische Kultur in
deutschen Gauen Eingang gefunden hatte, erstanden die ersten künstlerisch
ausgeführten Grabsteine deutscher Krieger. Diese Art der Kriegerehrung
erschien den rauhen Germanen aber noch lange Zeit als reichlich unwürdig
und als eine nicht hinreichende Ehrung ihrer großen Führer.
Für Alarich leiteten die Goten den Busento ab, um seine Leiche im
Flußbett zu versenken, dem König Theoderich errichteten sie auf den
Katalaunischen Feldern einen gewaltigen Hügel. Als sich dann in den
Landsknechten ein eigentlicher Soldatenstand herausbildete, kamen
allmählich die Formen des einen jeden im Kampf gefallenen tapferen
Krieger ehrenden Soldatenbegräbnisses auf. Es war nicht mehr lediglich
Heldenehrung, die nur den Tapfersten und den Führern gezollt wurde. So
entstanden auf einzelnen Schlachtfeldern der Vergangenheit die ersten
prächtigen Kriegerfriedhöfe. Bei Prag und bei Leipzig bewahren
noch heute sorgsam gepflegte Grabanlagen das Andenken an die gefallenen
Krieger aus dem Siebenjährigen und dem Befreiungskriege. Immerhin
waren noch in jener späteren Zeit derartige reinen Kriegerfriedhöfe
eine Seltenheit. Im umfangreichen Maße ist die Anlegung von großen
Kriegerfriedhöfen erst auf den Schlachtfeldern nach 1870 erfolgt.
Der kulturellen Bedeutung, wie sie dem deutschen Kriegergrab nach dem
Weltkriege beizumessen ist, wurde jedoch auch nach 1870 noch wenig Beachtung
geschenkt. Niemand hatte an eine solche Dauer des Krieges und eine so
ungeheure Ausdehnung des Kriegsschauplatzes gedacht, niemand derartig
erschreckende [329] Zahlen der Opfer
für möglich gehalten. So kam es, daß die
Mobilmachungsvorarbeiten wie auch der Unterricht zur Vorbereitung der Truppe
für den Krieg dem Kriegergrab und der Frage nach allem dem, was mit den
toten Kriegern zu geschehen habe, vor Ausbruch des Weltkrieges
verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt haben.
Gemäß Bestimmung der Kriegssanitätsordnung wurde bei der
Mobilmachung zur Sammlung und Mitteilung von Nachrichten über
Verwundete, Kranke, Tote und Vermißte das "Zentralnachweisbureau" als
eine selbständige Abteilung des preußischen Kriegsministeriums
errichtet. Im "Genfer Abkommen" vom Jahre 1906 war die internationale
Übereinkunft erreicht, durch welche die kriegführenden Nationen
zum Nachrichtenaustausch über das
Schicksal der in Kriegsgefangenschaft
geratenen Heeresangehörigen verpflichtet waren. Jede Kriegspartei sollte
danach sobald als möglich die bei den Gefallenen aufgefundenen
militärischen Erkennungsmarken und Beweisstücke der
Identität sowie ein Namenverzeichnis der von ihr aufgenommenen
Verwundeten und Kranken deren Landesbehörden oder den
Dienstbehörden ihres Heeres übermitteln. Sie sollten sich über
die vorkommenden Sterbefälle gegenseitig auf dem laufenden halten.
Ferner sollten sie alle zum persönlichen Gebrauch bestimmten
Gegenstände, Wertsachen, Briefe usw., die auf dem Schlachtfelde
gefunden oder von den in Sanitätsanstalten
und -formationen sterbenden Verwundeten und Kranken hinterlassen wurden,
sammeln, um sie durch deren Landesbehörden den Berechtigten
übermitteln zu lassen.
Über die Bestattung der Toten besagten die Friedensbestimmungen im
wesentlichen lediglich in der Kriegssanitätsordnung und in der
Krankenträgerordnung, daß jeder Truppenteil nach dem Gefecht ohne
höhere Anordnung dazu verpflichtet sei, das Schlachtfeld nach
Verwundeten abzusuchen und für die Beerdigung der Toten zu sorgen.
Personal der Sanitätskompagnien solle beigegeben werden
können.
Diese Maßnahmen erwiesen sich in der Praxis bald als nicht ausreichend
und nur zum Teil durchführbar bei der noch in keinem Kriege dagewesenen
Zahl der Toten und der ungeheuren Geschwindigkeit der vorrückenden
deutschen Truppen.
In der ersten Zeit des Bewegungskrieges war es der fechtenden Truppe selbst nur
sehr vereinzelt möglich, den eigenen Toten die letzte Ehre zu erweisen.
Hart war es, den zu Tode getroffenen Kameraden seinem Schicksal
überlassen zu müssen, ihm nicht den letzten Freundschaftsdienst, die
letzte Ehre erweisen zu können. "Kann dir die Hand nicht geben, dieweil
ich eben lad', bleib du im ew'gen Leben mein treuer Kamerad." Manchem
sterbenden Krieger hat die im Volkslied besungene alte Soldatenpflicht die letzten
Stunden schwer gemacht, wenn das Vorwärtsgehen des Gefechts ihm den
Trost und letzten Liebesdienst des treuen Kriegsgefährten vorenthielt. Dort,
wo der Tod sie auf dem Schlacht- [330] feld traf, wurden sie,
gleich ob Offizier oder einfacher Soldat, bestattet, meist von den
Sanitätsformationen, vielfach erst später bei dem Durchqueren der
Schlachtfelder von den nachfolgenden Kolonnen unter Heranziehung der
Ortseinwohner. Ein einfaches Kreuz, aus Holzlatten roh gezimmert,
darüber der Helm, von der Hand eines Kameraden mit Bleistift der Name.
Das war das übliche Bild. Blieb in jener ersten Zeit des unaufhaltsamen
Vordringens den nachfolgenden Kolonnen nur einige Zeit zur Rast, so galt es
gleich als selbstverständliche Liebespflicht, die in der Nähe
gelegenen Grabstätten zu festigen und zu sichern, die Namen und
Inschriften zu verstärken.
Erst der Stellungskrieg gab die Möglichkeit, dem Kriegergrab
größere Sorgfalt zukommen zu lassen. Der ruhende Teil der
fechtenden Truppe erhielt jetzt Gelegenheit, die Gräber seines Bezirks
selbst zu betreuen. Im engeren Truppenverbande gewann die Mühewaltung
für die Toten und ihre Ruhestätten ein viel persönlicheres
Gepräge. Bis in die kleinsten Verbände hinab suchten die Soldaten
jetzt ihren Kameraden in nächster Nähe ihres Standortes oder ihrer
Stellung eine möglichst schöne Gräberanlage zu schaffen.
Gewärtig, täglich selbst das Los der vorangegangenen Kameraden zu
teilen, war es ihnen ein Trost, zu wissen, daß auch ihnen treue
Freundeshände ein Ehrenmal errichten würden. Der Gedanke war
ihnen eine Beruhigung, daß die Kameraden und Vorgesetzten Berichte in
die Heimat schicken würden, die den Eltern, der Frau, der Braut oder den
Kindern Kunde brachten über die letzten tapferen Taten. Es wurde ihnen
zum stolzen Bewußtsein, daß ihr Grab dort draußen im
Feindesland dem Heimatdorfe eine bleibende Ehrenstätte bedeuten
würde. Keiner hatte damals den Wunsch, in die Heimat
zurückgeführt zu werden. Sie waren stolz in dem Gedanken, am Ort
der Ruhmestat ihres tapferen Regiments vereint ein Ehrenmal zu erhalten, das in
der Geschichte bleibende Erwähnung finden würde, und das nach
siegreicher Beendigung des Krieges die Angehörigen und Bekannten in
Treue und Stolz besuchen würden.
[328a]
Kriegergrab in den Dünen von
Ostende.
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So entstanden in jener Zeit, als noch die Eigenart jedes einzelnen sich in der
Herrichtung unbeeinflußt auswirkte, die ergreifendsten
Kriegergedenkstätten. Natürlich war die Art der Bestattung und die
Ausschmückung der Gräber sehr verschieden und abhängig
von der Nähe des Feindes und seinem Feuer. Doch vermochte die Gefahr
weder Führer noch nächste Kameraden abzuhalten, selbst dicht am
Schützengraben unter dem Schutze des Dunkels der Nacht an das offene
Grab heranzutreten, um den Toten mit stillem Gebet der Erde zu
übergeben. Die Fürsorge für die Gräber fand die
mannigfaltigsten Ausdrücke der Treue und Kameradschaft über das
Grab hinaus. Jeder wollte nach seinem Können und seinem Geschmack
sein Bestes dazu beitragen. Welcher Kriegsteilnehmer wird sich nicht derartiger
Beweise rührender Anhänglichkeit und Sorge um die Gräber
in jener ersten Zeit entsinnen? Sie sind niedergelegt in zahllosen Feldbriefen an
die Heimat. Ein Beispiel aus dem Briefe eines höheren Offiziers über
seine [331] Beobachtung der
Soldatentreue:
"Im siegreichen Gefecht
bei ...... starb
unter andern auch der Unteroffizier Ch. Br. den Heldentod. Nach jenem
Gefecht begegnete mir öfters auf der Chaussee ein Soldat mit
blühenden Blumentöpfen im Arm. Nun habe ich auch gefunden,
wohin dieser stille, treue Mann sie trug. Dicht am nördlichen Dorfrande
liegt ein einsames, mit rührender Liebe und Sorgfalt gepflegtes Grab. Ein
festes Kreuz trägt die Inschrift
Unteroffizier Ch... Br.....
2......
gefallen am 5. Oktober 1914.
Der Grabhügel ist dicht besetzt mit Blumentöpfen, in denen noch
jetzt die Herbstblumen teilweise in voller Blüte stehen. Die
Seitenwände sind mit kleinen Brettern versteift und sorgsam mit Grasboden
belegt. Auf dem Fußboden liegt ein ziemlich großer vergoldeter
Bilderrahmen, das Bild darin ist umgedreht, so daß die weiße
Rückseite unter der Glasseite liegt. Auf dieser Rückseite ist mit
klarer Schrift folgendes Gedicht geschrieben:
Am Bachbett brennt die bitt're Beere
In ihrer Reife tiefem Rot.
Mir ist's, als wenn es Herzblut wäre
Von Kameraden wund und tot.
Da ruh'n die Treuen still beisammen,
Gebettet all zum letzten Schlaf,
Verklärt im Glanz der Sonnenflammen
All die, die heut die Kugel traf.
Und auch mein Freund ruht in der Erden,
Mein Herz, was schlägst du laut und jach?
Auch du mußt balde stille werden,
Drum still mein Freund! Ich komme nach!"
Kein Zweifel, daß derartige Berichte und Nachrichten wie kaum etwas
anderes geeignet waren, den Herzen der trauernden Angehörigen daheim
Trost zu bringen, ganz besonders aber auch das Grauen über das Schicksal
der Toten bei den noch in Furcht Bangenden zu bannen. In Wechselwirkung
ließ eine zuversichtliche Stimmung im Brief aus der Heimat wiederum den
Krieger leichteren Herzens in den Kampf ziehen.
Bald erkannte die Heeresverwaltung, daß eine planmäßige
Nacharbeit zur dauernden und würdigen Erhaltung der Gräber
nötig sei. Im preußischen Kriegsministerium wurde bei der
Unterkunftsabteilung eine besondere Stelle zur Leitung der
Kriegergräberfürsorge geschaffen, die sich in gleicher Weise auf die
Angelegenheiten der eigenen, verbündeten und feindlichen Armeen
erstrecken sollte. Im Frühjahr 1915 ergingen die ersten Erlasse zur
Sicherstellung und Aufnahme aller auf den Schlachtfeldern sowie auf den
Kirchhöfen im besetzten Gebiet beerdigten deutschen und feindlichen
Soldaten. Gräber- und Totenlisten [332] sollten
baldmöglichst dem Zentralnachweisbureau im Kriegsministerium
eingereicht werden. Die Feststellung der Gräber und der Bestatteten wurde
im Operationsgebiet durch den fortgesetzten Wechsel der Truppen sehr erschwert.
Durch Erlaß vom Juli 1916 wurde daher die Organisation einer regelrechten
bodenständigen Gräberverwaltung angeordnet. In jedem
Armeegebiet wurde die Gräberverwaltung in die Hand der
Etappeninspektion gelegt, während in den Verwaltungsgebieten die
Generalgouvernements und im Inlande die stellvertretenden Generalkommandos
für sie verantwortlich waren. Die Dienstgeschäfte der
Kriegergräberfürsorge sollten die Feststellung der Gräber, die
Führung der Gräberlisten, die Umbettung von Kriegergräbern
und deren Zusammenlegung, die Instandsetzung der Gräber und die
Ausgrabung und Rückführung von Leichen von Gefallenen nach der
Heimat umfassen. Das gesamte Gebiet wurde in Gräberverwaltungsbezirke
eingeteilt. Auch die Gräberverwaltungsbezirke im Operationsgebiet
unterstanden unmittelbar dem Etappenkommando.
Die erste und wichtigste Aufgabe der Gräberverwaltungsoffiziere wurde die
Ermittelung sämtlicher in ihren Bezirken befindlichen Kriegergräber
und die Feststellung der in ihnen bestatteten Krieger. Hierzu hatten die
Gräberverwaltungsbezirke Gräberlisten im Anschluß an die
Kreiseinteilung des Landes anzulegen. Die Friedhöfe und die einzeln
liegenden Gräber waren in Pläne einzuzeichnen, Photographien
waren beizulegen. Bei Ermittelung der Gräber war darauf zu achten,
daß einmal aufgefundene Gräber sofort in einer Weise
gekennzeichnet wurden, die ihr Wiederauffinden sicherstellte. Inschriften, die sich
auf den alten, noch von der Truppe gesetzten Kreuzen befanden, sollten sofort
beim Auffinden der Gräber mit dem Messer nachgeritzt werden, damit sie
nicht bis zur Instandsetzung durch Witterungseinflüsse verwischt
würden. Die Entzifferung verblaßter Inschriften sollte auf
photographischem und chemischem Wege versucht werden. Als von
größtem Wert beim Auffinden der Gräber und Feststellen der
Toten wurde auf die von den Truppen aufgestellten Totenlisten verwiesen. An
Hand dieser Truppenlisten sollte die Richtigkeit und Vollständigkeit der
Gräberlisten nachgeprüft werden. Um die Vollständigkeit der
Gräberlisten zu sichern, wurde die Truppe angewiesen, jede Beerdigung auf
dem Dienstwege an die höhere Kommandobehörde zu melden. Diese
sollte dann die Unterlagen an den zuständigen
Gräberverwaltungsbezirk weitergeben. Als ein weiteres Mittel zur
Feststellung unbekannter Toter wurde auf die Notwendigkeit einer Anfrage bei
den Formationen, die die Beerdigung vorgenommen oder das Schlachtfeld
aufgeräumt hatten, verwiesen. Als letztes Mittel wurde die Öffnung
der Gräber bezeichnet, für die aber in jedem Falle die Genehmigung
des Etappenkommandos einzuholen sei.
Ohne Zutun der Heeresverwaltung hatten bereits in den rückwärtigen
Gebieten aller Fronten zunächst die zur Etappe gehörigen
Landwehr- und Landsturmformationen, dann allmählich fortschreitend die
nächsthöheren Befehls- [333] stellen der Besatzung
sich mit der systematischen Ausgestaltung und Sammlung der
Kriegergräber befaßt. Es ist begreiflich, daß nicht alle auf diese
Weise ohne einheitliche Richtlinien getroffenen Maßnahmen zweckdienlich
genannt werden können, sowohl hinsichtlich Anlage der Friedhöfe
und Monumentalbauten als auch in bezug auf Erhaltung der Identität.
Gerade in dieser Hinsicht machte sich ein gewisser Mangel an Richtlinien des
Friedensunterrichts geltend. So manche Grabstätte mit der Kreuzinschrift:
"Hier ruht ein unbekannter deutscher Krieger", hätte vermieden werden
können. Die mehrfache Umbettung zahlloser Toter hätte
eingeschränkt werden können, die Errichtung mancher wenig
geschmackvoller Monumentalbauten wäre unterblieben, wenn
entsprechende Richtlinien durch den Friedensunterricht von vornherein
Gemeingut der Truppe gewesen wären.
Die Anregung in der Heimatpresse und in Feldzeitungen, Beratung der Fachleute,
wie Bildhauer, Gartenarchitekten, bewirkten dann in Verbindung mit den
Meldungen über die Erfahrungen der Truppe und Etappe die Herausgabe
weiterer einheitlicher Bestimmungen und Richtlinien seitens des
Kriegsministeriums. Grundsätzlich sollte das Grab an Ort und Stelle
erhalten bleiben. "Der Soldat liegt dort am besten, wo er für das Vaterland
gefallen", heißt es in dem Erlaß. Insbesondere sollten Umbettungen
von Gräbern, mit denen die Erinnerung an eine hervorragende Heldentat
verbunden war, nach Möglichkeit vermieden werden.
Es wurde aber nicht verkannt, daß in Gebieten, durch die der Krieg schnell
durchgezogen war und in denen die Gräber vielfach in Sümpfen und
dem Hochwasser ausgesetztem Gelände, am Rande der Wege, auf
Äckern und Wiesen und in den Wäldern zerstreut lagen, trotzdem
Umbettungen in größerem Umfange erforderlich sein würden.
Auch die Umbettung vereinzelt innerhalb der Ortschaften und in Gehöften
liegender Gräber war zu erwägen. Den Bewohnern unwillkommen
und hinderlich, mußten sie der Gefahr der Zerstörung in besonders
hohem Maße ausgesetzt sein.
Den Gräberverwaltungsbezirken wurde es jedoch zur Pflicht gemacht, von
Fall zu Fall zu prüfen, ob eine Umbettung angezeigt sei. Sie bedurfte
jedesmal der Genehmigung des Etappenkommandos. Die umzubettenden
Gräber sollten bei Anlage von Sammelfriedhöfen
grundsätzlich in Gestalt von Einzelgräbern vereinigt werden;
Umbettungen in Massengräbern aus Einzelgräbern durften nur
erfolgen, wenn die Namen der einzelnen Toten mit Sicherheit nicht mehr
festzustellen waren. Bei Umbettungen von Unbekannten waren die
körperlichen Erkennungsmale schriftlich niederzulegen. Die den Toten
abgenommenen Sachen sollten in einem besonderen Beutel mit Nummer als
spätere Erkennungsmittel aufbewahrt werden. Eine Photographie der
früheren Grabstätte sollte der Gräberliste beigefügt
werden. Alle diese letztgenannten Unterlagen waren der dem Kriegsministerium
unterstehenden "Zentralstelle für Nachlaßsachen" zu [334] senden. Die
Umbettungen sollten, soweit diese ohne erhebliche Verzögerungen der
Arbeiten durchzuführen waren, im Beisein eines Kriegsgerichtsrats,
Offiziers oder Feldgeistlichen vorgenommen werden, wobei letzterer ein
Protokoll aufzunehmen hätte. Es ist bekannt, daß die
Ansprüche des Krieges für die Lebenden die letztgenannte
weitgehende Bestimmung hinsichtlich Beteiligung eines Kriegsgerichtsrats und
Feldgeistlichen undurchführbar gemacht hat.
In der Sorge für eine würdige Ausgestaltung der Kriegergräber
hatte die Heeresverwaltung im Zusammenwirken mit den Ministerien der
geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten eine Anzahl hervorragender
Künstler, Architekten, Bildhauer ehrenamtlich gewonnen. Unter weiterer
Hinzuziehung von Gartenarchitekten und Baumschulbesitzern fanden
Bereisungen der verschiedenen Kriegsschauplätze statt, um Erfahrungen zu
sammeln und die verschiedenen Ansprüche und Ansichten zu klären.
Die Ergebnisse dieser Reisen und Aussprachen wurden dann grundlegend
für die Anordnungen der Heeresverwaltung. So entstanden zunächst
unter dem Titel: Kriegergräber, Beiträge zu der Frage: Wie sollen
wir unsere Kriegergräber würdig erhalten? mehrere
Einzelschriften, die allen Truppenteilen und den mit der Gräberfrage
betrauten Stellen zugänglich gemacht wurden. Behandelte die erste Schrift
die rein künstlerischen Grundlagen, so gab ein zweites Heft mit gleichem
Titel die Richtlinien für die Bepflanzung der Einzelgräber und der
Gräberanlagen. Um die fachmännische Anwendung dieser
Grundsätze zu sichern, wurde eine Anzahl zur Zeit dem Heere
angehörender Gartenarchitekten mit der Leitung der Ausgestaltung der
Gräber betraut. Die nötigen Pflanzen wurden in opferwilliger Weise
kostenlos zur Verfügung gestellt.
In dem Bestreben, die bisher gewonnene Erfahrung immer mehr zu einer
möglichst einheitlichen Anwendung zu bringen und sie durch Austausch
noch zu erweitern, wurden vom Kriegsministerium Mitte März 1916 alle in
Betracht kommenden Behörden und die beteiligten Kreise zu einer
gemeinsamen Besprechung zusammenberufen. Bei dieser waren das Feldheer, die
Generalgouvernements, die deutschen Heimatsbehörden, das
verbündete Kaiserreich, die Künstlerschaft und die deutsche
Gesellschaft für Gartenkunst vertreten. Alle schwebenden Fragen wurden
nochmals eingehend beraten. Durch Gründung von
"Landesberatungsstellen" wurde die dauernde Mitarbeit hervorragender
Künstler, im Einvernehmen mit dem Kultusministerium und den
Bundesministerien unter Angliederung an diese Zentralbehörden, gesichert.
So wurde geschaffen: in Preußen die "Staatliche Beratungsstelle für
Kriegerehrungen"; in Bayern "die Bayerische Landesberatungsstelle für
Kriegergräber beim kgl. Staatsministerium des Innern für
Kirchen- und Schulangelegenheiten"; in Sachsen die "Sächsische
Landesberatungsstelle für Kriegergräber beim kgl. Ministerium des
Innern"; in Württemberg der "Württembergische
Landesausschuß für
Natur- und Heimatschutz".
[335] Nachdem die allgemein
leitenden Gesichtspunkte dieser Stellen für die praktische bautechnische
Gräberfürsorge die Billigung auch eines weiteren Kreises von
Künstlern aus dem ganzen Deutschen Reich gefunden hatten, wurden sie in
"Leitsätze" zusammengefaßt, die an Hand von Skizzen und
Abbildungen zeigten, wie mit einfachen Mitteln bei der Herrichtung von
Grabstellen auch den künstlerischen Anforderungen voll genügt
werden könne. Die kulturelle Bedeutung, die man inzwischen an allen
maßgebenden Stellen in der Heimat, im Heer und der Marine einer
würdigen Ausgestaltung der ja vornehmlich im Feindesland liegenden
Kriegergräber beimaß, erhellt die nachstehende kaiserliche
Kabinettsorder vom 28. Juli 1917.
Betreff: Kriegergräber.
Die Frage nach der würdigen Ehrung der
Gräber der vielen im Kampfe für Thron und Vaterland gefallenen
Helden bewegt in Wort und Bild, im Beraten und Schaffen, je länger je
mehr aller Gedanken und Herzen im Heer und im Volke draußen und
daheim. Auch die Heeresverwaltung ist um Beantwortung dieser Frage im Verein
mit den heimatlichen Behörden und mit berufenen Künstlern und
Fachmännern seit langem bemüht gewesen. Das Ergebnis hierzu ist
in grundlegenden Erlassen, in Leitsätzen und in vorbildlichen Formen
für Grabzeichen und für Friedhofanlagen zum Ausdruck gekommen,
auch den leitenden Stellen im Heere zugänglich gemacht wurden.
Es ist Mein Wille, daß diese in Wort und Bild
gegebenen Grundlagen überall auch in die Tat umgesetzt werden: Indem sie
für Kriegergräber und Soldatenfriedhöfe tunlichste Anlehnung
an die Natur, schlicht soldatische Einfachheit - bei möglichster
Erhaltung des von treuen Kameradenhänden
Geschaffenen -, gleiche Grabzeichen für alle auf einem Friedhof,
Vermeidung aufdringlichen Prunks und Aufschub großer Denkmalsanlagen
verlangen, entsprechen sie, des bin Ich gewiß, sowohl dem Geiste derer, die
im Kampf ihr Leben gelassen haben, wie auch dem gesunden Empfinden der
überlebenden Kameraden.
Ich bestimme daher, daß bei den
Etappeninspektionen und bei den Generalgouvernements der besetzten Gebiete im
Benehmen mit einer staatlichen Beratungsstelle ein ständiger Beirat von
anerkannten, im Heeresdienste stehenden Künstlern und Gartenarchitekten
berufen wird, der bei allen allgemeinen und bei wichtigeren Einzelfragen in bezug
auf die Gestaltung der Kriegergräber und Kriegerfriedhöfe zu Rate
zu ziehen ist. Zu diesem Beirat sind auch Vertreter der Feldgeistlichkeit
heranzuziehen.
Großes Hauptquartier, den 28. Februar 1917.
Wilhelm.
An das Kriegsministerium.
v. Stein.
[336] Diese Kabinettsorder
läßt neben der organisatorischen Anordnung zugleich anschaulich
erkennen, in welcher Weise und in welchem Geiste die Gestalt schaffende Arbeit
der Fürsorge im Felde sich bewegen sollte. Es darf hier aber nicht
unerwähnt bleiben, daß die auf diese Weise hauptsächlich
durch Künstler und Architekten entstandene
Beeinflussung - und zwar nicht nur nach Ansicht eines
überwiegenden Teils der Angehörigen des alten
Heeres - in kultureller Hinsicht oft zu nicht immer einwandfreien Erfolgen
geführt hat. Vielfach wäre es durchaus nicht nötig gewesen, so
manches schlichte, naive und darum künstlerisch einfache Kriegerdenkmal
der Truppe zu beseitigen, um es durch andere Bauten zu ersetzen, über
deren Kunstwerk man sehr geteilter Ansicht sein kann, und die vielfach einen
geringeren kulturhistorischen und Dauerwert haben. Diesem Gesichtspunkt ist bis
in die neueste Zeit leider nicht immer Beachtung geschenkt worden. Es war leider
nicht immer lediglich die Rücksicht auf das angeblich zu dauernder
Erhaltung nicht geeignete Material des Denkmals, wenn manche unter
tätiger Mithilfe der Truppe entstandene, von ihr mit Freude
begrüßte, sicher nicht unschöne Schöpfung
zerstört wurde, um sie durch zunftmäßige Kunst zu
ersetzen.
Ebenso wie den Kriegergräbern im Felde hat die Heeresverwaltung auch
den letzten Ruhestätten der in der Heimat ihren Wunden und Krankheiten
ehrenvoll erlegenen Kriegern ihre Fürsorge angedeihen lassen.
Während sich die Kriegergräber auf den Schlachtfeldern
zunächst schon aus ihrer örtlichen Lage unschwer als solche
erkennen ließen, war dies bei denen in der Heimat, die
größtenteils in den vorhandenen Friedhöfen angelegt wurden,
nicht in gleichem Maße der Fall. Es schien deshalb gerade hier besonders
geboten, daß sich das Kriegergrab in seiner Eigenschaft als solches
ausspräche. Wiederum unter Beteiligung der bundesstaatlichen
Kultusministerien, der staatlichen Beratungsstellen und sonstiger Künstler
wurden deshalb auch besonders für die Gräber in der Heimat
allgemeingültige Richtlinien aufgestellt.
Auch für die auf verbündetem und feindlichem Gebiet liegenden
deutschen Gräber sorgte die Heeresverwaltung. So wurde mit
Österreich-Ungarn ein Abkommen getroffen, wonach die Fürsorge
für die Gräber, gleichgültig ob eigene, verbündete oder
feindliche Heeresangehörige in Frage kamen, von dem Staat
übernommen wurde, in dessen Verwaltungsgebiet die Gräber lagen.
Die k. u. k. Heeresverwaltung verpflichtete sich zugleich, für
den Schmuck der in ihrem Bereich liegenden Gräber zu sorgen. Zu ihrer
Unterstützung bei der Feststellung deutscher Kriegergräber wurde
eine größere Anzahl deutscher Offiziere zu den k. u. k.
Dienststellen kommandiert. Viele tausend Gräber sind auf diese Weise vor
der Vergessenheit und Vernichtung bewahrt worden. Ein ähnliches
Abkommen wurde auch mit der kgl. bulgarischen Regierung für das
bulgarische Verwaltungsgebiet Serbiens getroffen.
Nachdem im Westen schon bei dem großen Rückzuge zahlreiche
Kriegerfriedhöfe einem ungewissen Schicksal hatten überlassen
werden müssen, brachte [337] der Abschluß des
Waffenstillstandes in dem besetzten Gebiet fast überall die
überstürzte Einstellung der mit soviel Sorgfalt vorbereiteten und
eingeleiteten, aber naturgemäß noch nicht abgeschlossenen Arbeiten.
Sie bedeutete den schmerzlichen Verzicht auf die Vollendung mancher mit
großer Mühe und Hingabe geschaffenen Gräberehrung.
Immerhin war aber damals doch schon erreicht, daß der weitaus
grüßte Teil der riesigen Aufgabe der
Kriegergräberfürsorge (abgesehen von dem Gebiet der Westfront, in
dem bis zuletzt die schweren Kämpfe tobten), im wesentlichen als
bewältigt angesehen werden konnte. Unter der Einwirkung des Verlustes
des Krieges und der Besetzung des bisher deutscherseits verwalteten Gebiets
durch die Feinde ließ sich aber schon bald diese
verhältnismäßig günstige Auffassung über den
Stand der deutschen Kriegergräberfürsorge nicht mehr
aufrechterhalten. In einer kaum wieder gutzumachenden Weise wurde
zunächst gleich der Gräbernachweis betroffen. Zahllose Grabkreuze
standen noch in den Werkstätten der Etappen mit fertiggebrannter
Grabinschrift bereit, konnten aber nicht mehr auf den nach sorgfältiger
Umbettung fertiggestellten Friedhöfen aufgestellt werden. Den
Gräberverwaltungsoffizieren waren die Inhaber vieler dieser noch
unbezeichneten Gräber wohlbekannt, sie waren auch in Listen und
Plänen eingetragen. Es bedurfte nur noch geringer fachkundiger Arbeit, um
die Gräber der Gefahr zu entziehen, als "unbekannte Gräber"
behandelt zu werden. Werden die Feinde aber sich die Mühe gemacht
haben, diese Grabkreuze richtig aufzustellen und zu ergänzen?
Wahrscheinlich nicht! Erschwert wird ihnen diese Arbeit jedenfalls dadurch,
daß viele der hierzu unbedingt erforderlichen Akten mit den
Belegungsplänen und namentlichen Gräberlisten beim
Rückzug verlorengingen. Nur die wichtigsten Akten konnten damals
bekanntlich gerettet und mitgeführt werden. War so bereits die
Grabfeststellung gefährdet, so schwanden mit den fortschreitenden
Ereignissen bald die Hoffnungen auf eine ordnungsmäßige
Vollendung der weiteren, noch unfertigen praktischen Arbeiten im Sinne der
deutschen Kriegergräberfürsorge. Die gehässigen und
maßlosen Ausfälle des im geistigen Leben Frankreichs eine
führende Rolle spielenden Henri Labedan, der in seiner Schrift L'autre
occupation zur direkten systematischen Zerstörung und Vernichtung
der auf Frankreichs Boden errichteten deutschen Friedhofsanlagen
und -denkmäler aufforderte, ließen noch darüber hinaus das
Schlimmste fürchten. Seine Ausführungen sind kennzeichnend
für die Empfindungen, mit denen weite Kreise der französischen und
belgischen Bevölkerung auf die, Freund und Feind in gleich liebevoller
Weise behandelnde, deutsche Gräberpflege blickten. Über die
Beweggründe der deutschen Kriegergräberfürsorge schreibt er
unter anderem z. B.:
"Unseren Boden
herabzuwürdigen, zu entehren, zu verunstalten, zu unterdrücken, zu
demütigen, ihn selbst nach dem Rückzug noch besetzt zu halten, und
zwar in jeder nur möglichen Weise durch seine beleidigende Kunst und
seine aggressive Ästhetik, durch seinen Stil, seine
Monu- [338] mente, die
Unverschämtheit seiner Embleme und die Heuchelei seiner Grabschriften,
die Herausforderung seiner Statuen und beleidigenden
Allegorien - das ist das Endziel des Deutschen, sein Kriegsplan in der
Niederlage.
Häuser und Schlösser sind zerstört,
verbrannt, aber die letzten Ruhestätten der Herren Brandstifter recken ihre
weißen turmähnlichen Portale ruhig in die Luft. Die Keller sind leer,
die Gräber Frankreichs geschändet, seine Särge aufgebrochen,
aber die sterblichen Überreste der Säufer und Schänder ruhen
friedlich in ihren schönen Gewölben.
Was werden wir angesichts dieser klugen Organisation,
dieser Ausnutzung ihrer Toten seitens der Deutschen tun?...
Werden wir den Einwohnern, die nicht einmal mehr den
Platz ihrer in Asche liegenden Häuser auffinden konnten, die Marter
auferlegen, stets auf die weiße kleine, soeben erst erbaute und
geschmückte Stadt der feindlichen Toten zu blicken, geschmückt mit
unseren Blumen, beschattet von unseren Bäumen, den einzigen, die man
nicht umgehauen hat?
Ich stelle diese notwendige Frage und überlasse es
unseren Soldaten, darauf zu antworten.
Wir werden die Toten nicht anrühren, die da ruhen.
Da sie nun einmal hergekommen sind, um hier zu sterben, lassen wir ihnen
unseren Boden. Mögen sie ihn düngen. Aber nichts weiter. Die sechs
Fuß Erde, auf welche sie wie jeder Mensch ein Anrecht haben, gelten aber
nur für die Länge, nicht auch für die Höhe. Lassen wir
ihnen ein einfaches kleines Holzkreuz, niedrig und gut, so sind wir schon mehr als
freigebig. Und was den Rest anbetrifft... nieder mit ihm. Pickel und Mauerbrecher
herbei. Nieder mit den stierköpfigen Engeln, mit den Luzifern von der
Spree, den geflügelten Siegesgöttinnen, den zweiköpfigen
Adlern, den Trophäen aus Zement."
Nun ist nicht zu leugnen, daß unter den zahlreichen Grabmälern, die
in der ersten Zeit des Krieges pietätvoller Eifer und hochgehende
Begeisterung den Kameraden errichteten, manche den Ansprüchen ruhigen
gereiften Kunstverständnisses nicht standhielten. Die Organisation der
deutschen Kriegergräberpflege, vor deren Zustandekommen übrigens
die meisten angefochtenen Denkmäler entstanden sind, war aber gerade zur
Verhütung von Entgleisungen geschaffen worden. Und was Labedan als
besonderes Kennzeichen deutscher Barbarei bezeichnet hat, wurde ja von der
deutschen Heeresverwaltung und den deutschen Behörden in
Einmütigkeit mit den vornehmsten Künstlern erfolgreich
bekämpft.
Die Folgen der allgemeinen Verhetzung konnten nicht ausbleiben, und so ist es
tatsächlich dazu gekommen, daß namentlich die Franzosen, aber auch
andere ihnen nahestehende Nationen, sich auf den wiedergewonnenen
Friedhöfen nicht nur mit der Beseitigung von größeren
Denkmälern begnügten, sondern in ihrem sinnlosen Haß auch
an den einzelnen schlichten Grabzeichen vergriffen.
[339] Nach Abschluß
des Waffenstillstandes blieb der deutschen Regierung nur übrig, bei der
Waffenstillstandskommission ("Wako") Einspruch zu erheben. Einen
unmittelbaren Einfluß auf die Kriegergräber im Auslande hatte von
jetzt ab die deutsche Regierung nicht mehr. Inmitten schmachvoller
Bedrängnis und schwerer Sorge um die Zukunft des Vaterlandes, hat die
alte Heeresverwaltung die einmal übernommene Pflicht und Dankbarkeit
gegen die opfermutigen Streiter im Daseinskampf des Vaterlandes jedoch nicht
vergessen. Durch Vermittlung der "Wako" wurden sogleich die Verbindungen
erneut aufgenommen, um zunächst wenigstens die Auskunftserteilung, die
Grabnachforschung und vorläufige Erhaltung der Gräber im
Auslande in die Wege zu leiten. Im Vertrag von Versailles wurde dann als Ergebnis der
Verhandlungen mit den Ententemächten die von ihnen als ein besonderes
Entgegenkommen bezeichnete nachstehende Vereinbarung erreicht:
Artikel
225.
Die alliierten und assoziierten Regierungen und die
deutsche Regierung werden dafür Sorge tragen, daß die
Grabstätten der auf ihren Gebieten beerdigten
Heeres- und Marineangehörigen mit Achtung behandelt und
instandgehalten werden.
Sie verpflichten sich, jeden Ausschuß, der von
irgendeiner der alliierten oder assoziierten Regierungen mit der Feststellung, der
Verzeichnung, der Instandhaltung dieser Grabstätten oder der Errichtung
würdiger Denkmäler auf ihnen betraut wird, anzuerkennen und in der
Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.
Sie kommen ferner überein, Wünsche wegen
Überführung der irdischen Reste ihrer
Heeres- und Marineangehörigen in die Heimat, vorbehaltlich der
Bestimmungen der Landesgesetze und der Gebote der öffentlichen
Gesundheitspflege, gegenseitig nach Möglichkeit zu erfüllen.
Artikel 226.
Die Grabstätten der in Gefangenschaft
verstorbenen, den verschiedenen kriegführenden Staaten
angehörenden Kriegsgefangenen und Zivilinternierten sind nach
Maßgabe der Bestimmungen im Artikel 225 des gegenwärtigen
Vertrages würdig instandzuhalten.
Die alliierten und assoziierten Regierungen einerseits und
die deutsche Regierung andererseits verpflichten sich, weiter einander zu
übermitteln:
1. Eine vollständige Liste der
Verstorbenen mit allen zur Feststellung der Personen dienlichen Angaben;
2. alle Auskünfte über Zahl und Ort
der Gräber sämtlicher Toten, die ohne Feststellung der Person
beerdigt worden sind.
Bald entsandten dann die Westmächte der Ententestaaten sowie Italien
besondere "Militärkommissionen für die
Vermißtennachforschung" nach Berlin, [340] die in erster Linie die
Aufgabe hatten, die ungeheure Zahl ihrer in der deutschen Kampfzone belassenen
Toten und Vermißten nach den sorgfältigen deutschen
Aufzeichnungen aufzustellen. Sie traten hierzu in direkte Verbindung mit dem
Zentralnachweisbureau des Kriegsministeriums, das seinerseits die
Militärkommissionen benutzte, um die sich aus dem Vertrag von Versailles
für die deutsche Regierung in dieser Beziehung ergebenen Forderungen im
unmittelbaren Benehmen zu regeln.
Der Zwang zur Auflösung des alten Heeres und zur Verringerung des
Heeresetats veranlaßte die Regierung, die zukünftige Regelung aller
das alte Heer betreffenden bleibenden Verpflichtungen nicht dem neugebildeten
Reichswehrministerium zu übertragen, sondern sie auf die anderen
Ministerien zu verteilen. Bei der Neuorganisation war es (leider jetzt erst)
möglich, alle, die Angelegenheiten der Toten des Feldheeres und die
Kriegergräber bearbeitenden, amtlichen Stellen in einer Behörde
enger zusammenzufassen. Die geeignete Stelle war das Zentralnachweisbureau
des Kriegsministeriums, das entsprechend der nicht geahnten Ausdehnung des
Krieges allmählich einen ungeheuren Umfang erreicht hatte. Unter
Einbeziehung des Nachweisebureaus des Marineamts, der Nachweisebureaus der
Kriegsministerien in Bayern, Sachsen und Württemberg und unter
Hinzuziehung der Zentralstelle für Nachlaßsachen, sowie des beim
Unterkunftsdepartement des Kriegsministeriums bestehenden Referats für
Kriegergräber entstand am 1. Oktober 1919 das "Zentralnachweiseamt
für Kriegerverluste und Kriegergräber" ("Z. A. K.") als
eine dem Reichsministerium des Innern nachgeordnete Behörde. Unter
ausdrücklicher Anerkennung der Verpflichtung des Staats für die
Sorge um die Erhaltung und Pflege der Kriegergräber aus dem Weltkriege
wurde durch Kabinettsbeschluß mit dieser Aufgabe das Reichsministerium
des Innern betraut, das diese wiederum dem "Z. A. K."
übertrug.
Dem Bedürfnis zur Beteiligung der Öffentlichkeit an der
Kriegergräberfürsorge Rechnung tragend, wurde in jener Zeit des
Übergangs durch einige bis dahin im Zentralnachweisebureau des
Kriegsministeriums tätige ehemalige Gräberverwaltungsoffiziere der
groß angelegte "Volksbund für deutsche
Kriegsgräberfürsorge" mit dem Sitz in Berlin ins Leben gerufen. Er
hatte sich als Aufgabe gestellt, unabhängig von den Behörden,
jedoch im Einvernehmen mit ihnen, die Herrichtung, den Schmuck und die Pflege
der Kriegergrabstätten dem Volksempfinden entsprechend zu
fördern, den Angehörigen der Gefallenen und Verstorbenen in allen
Angelegenheiten der Kriegergräberfürsorge behilflich zu sein und die
internationale Fürsorge für die Kriegergräber zu betreiben.
Auch in anderen Staaten war inzwischen die Allgemeinheit an der
Kriegergräberfürsorge praktisch interessiert worden. In England hatte
sich unter Beteiligung des königlichen Hauses "The Imperial War
Graves Commission" gebildet; in Rumänien wurde durch das
Kriegsministerium die "Societatea
mor- [341] mintele eroilor
cazuti in rasboiju" (Verein zum Gedächtnis der im Kriege gefallenen
Helden) ins Leben gerufen. In Italien und Polen entstanden ähnliche
Organisationen. Alle diese Vereinigungen hatten halbamtlichen Charakter und
ressortierten zunächst vom Kriegsministerium ihres Landes. Auch mit
dieser Art der Organisation hatten sie, dem deutschen Volksbund
gegenüber, den Vorzug, über das für eine
zweckmäßige Betätigung hinsichtlich Auskunftserteilung,
Grabfeststellung usw. unentbehrliche amtliche Aktenmaterial unmittelbar
verfügen und sich durch die amtlichen Beziehungen leichter bei den
Behörden, insbesondere im Ausland, durchsetzen zu können. Weiter
ist es diesen Organisationen durch ihren gleichzeitig privaten Charakter
ermöglicht, Geldmittel zu sammeln und in den Dienst der staatlichen
Aufgabe zu stellen, was einer rein staatlichen Behörde als solcher kaum
möglich ist. Schließlich wird dadurch, daß bei diesen
Organisationen die Ziele und Bemühungen aller Kräfte des Landes,
der Behörden und der Öffentlichkeit einheitlich straff
zusammengefaßt sind, einer Zersplitterung mit ihren stets unerfreulichen
Erscheinungen und Nachteilen vorgebeugt.
Für die Richtung, in der sich die Arbeiten beim "Z. A. K." in der
Gräberfrage zu bewegen hatten, wurden die Bestimmungen des Versailler
Vertrages ausschlaggebend. Die Grundlage für alle Arbeiten mußte
die auch deutscherseits eingegangene Verpflichtung zu gegenseitiger dauernder
Erhaltung aller Kriegergräber bilden, der mit nachstehendem Reichsgesetz
Rechnung getragen worden ist:
Gesetz über die Erhaltung
der Kriegergräber aus dem Weltkrieg.
Vom 29. Dezember 1922.
Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das
mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:
§ 1. Die Gräber der im Reichsgebiet
bestatteten deutschen Krieger (Kriegergräber) werden dauernd
erhalten.
§ 2. Die Sorge für die Erhaltung der
Kriegergräber obliegt in Ergänzung einer Pflege von anderer Seite
dem Reiche und den Ländern.
Die Reichsregierung erläßt mit Zustimmung
des Reichsrats Ausführungsbestimmungen, in denen besonders die
Grundsätze über die Feststellung und die Erstattung der entstehenden
Kosten durch das Reich sowie die Richtlinien für die Pflege der
Gräber aufzustellen sind.
§ 3. An Grundstücken, die nicht im
Eigentum des Reichs oder der Länder stehen, besteht für die darin
liegenden Kriegergräber zugunsten des Landes das dauernde Ruherecht;
werden Grundstücke, die im Eigentum des Reichs oder der Länder
sind, veräußert, so entsteht das dauernde Ruherecht mit der
Veräußerung.
Das dauernde Ruherecht ist eine öffentliche Last,
die allen öffentlichen und privaten Rechten im Range vorgeht und der
Eintragung im Grundbuch nicht [342] bedarf. Sie besteht in
der Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks, die
Gräber dauernd bestehen zu lassen, sie zugänglich zu erhalten und
den Ländern eine Einwirkung auf ihre Instandsetzung und Erhaltung zu
gestatten.
Dem Eigentümer kann aus Reichsmitteln eine
Entschädigung für die Belastung des Grundstücks mit dem
Ruherecht soweit gewährt werden, als es unter Berücksichtigung des
Umfanges der Belastung und nach seinen
Vermögens- und Erwerbsverhältnissen der Billigkeit
entspricht.
§ 4. Aus besonderen Gründen
können Kriegergräber, die auf reichseigenen oder in der Verwaltung
des Reichs stehenden Grundstücken liegen, mit Zustimmung der obersten
Reichsbehörde, die anderen Kriegergräber mit Zustimmung der
obersten Landesbehörde verlegt werden. Die Zustimmung soll erteilt
werden, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt und wenn eine andere
Ruhestätte für die sterblichen Überreste gesichert ist.
§ 5. Die Vorschriften dieses Gesetzes
gelten für die Gräber aller Personen, die bei ihrem Tode
Angehörige des ehemaligen deutschen Heeres oder der ehemaligen
deutschen Marine oder des Heeresgefolges waren und deren Überreste seit
dem 1. August 1914 innerhalb des Reichsgebiets bestattet worden sind.
Gleichgestellt sind ihnen die Angehörigen der nach dem Waffenstillstande
gegründeten deutschen Truppenverbände mit Ausnahme der
Reichswehr, ferner die in der Gefangenschaft gestorbenen deutschen
Zivilinternierten, deren Überreste in Deutschland bestattet worden
sind.
Dieses Gesetz gilt auch für die im Reichsgebiete
bestatteten Heeres- und Marineangehörigen der während des
Weltkrieges mit dem Deutschen Reiche verbündeten Mächte. Es gilt
ferner für die im Reichsgebiete bestatteten
Heeres- und Marineangehörigen und Zivilinternierten der im Weltkrieg
feindlichen Mächte.
Über die Frage, ob ein Grab im Einzelfalle als
Kriegergrab im Sinne des Gesetzes anzusehen ist, entscheidet unter
Ausschluß des Rechtsweges die oberste Landesbehörde nach
Anhörung des Reichsministeriums des Innern.
Berlin, den 29. Dezember 1922.
Der Reichsminister des Innern
Der
Reichspräsident
Oeser. Ebert.
Nachdem bereits im Kriege eingehende Richtlinien für die Herrichtung der
Gräber in der Heimat, die ja mit Ausnahme von Ostpreußen fast
ausschließlich auf Garnison- oder Gemeindefriedhöfen errichtet
waren, Beachtung gefunden hatten, war die Vollendung dieser Arbeiten sowie die
dauernde Pflege der Grabstätten verhältnismäßig
einfach. Für die große Zahl der Feldgräber aus der Zeit der
ersten Kämpfe in Ostpreußen waren dort schon während des
Krieges besondere Gräberbauämter geschaffen, die inzwischen ihre
Aufgabe in mustergültiger Weise mit Hilfe der Landesberatungsstelle den
schon genannten Richtlinien entsprechend zu Ende geführt haben.
[343] Die Zahl der deutschen
Kriegergräber im Reichsgebiet, auf die sich eine unmittelbare deutsche
Fürsorge nach dem Kriege im wesentlichen beschränken
mußte, ist verhältnismäßig gering, wie die nachstehende
Berechnung zeigt:
Deutsche Kriegergräber |
Zahl der
Kriegergräber |
A. In Deutschland |
210 000 |
B. Im Auslande |
|
Frankreich |
840 000 |
Belgien |
190 000 |
England |
6 000 |
Tschechoslowakei |
1 000 |
Deutsch-Österreich |
200 |
Ungarn |
2 000 |
Rumänien |
23 000 |
Serbien |
12 000 |
Bulgarien |
800 |
Griechenland |
200 |
Italien |
5 000 |
Polen (einschließl. Galizien) |
17 000 |
Litauen |
25 000 |
Lettland |
18 000 |
Estland |
300 |
Finnland |
350 |
Rußland (einschließl.
Ukraine) |
64 0001 |
Türkei |
3 000 |
Neutrale u. Überseeländer |
2 000 |
|
|
|
1 572 850 |
Die Zahlen sind das Ergebnis der letzten Berechnung des "Z. A. K." Eine ganz
genaue Zahlenangabe wird sich niemals ermöglichen lassen. Die
Berechnung gibt zudem die Zahlen der einst vorhanden gewesenen Gräber;
es ist schon heute mit einer wesentlich geringeren Gesamtsumme der noch
erhaltenen Gräber zu rechnen. Wenn man der im "Z. A. K."
zusammengestellten Berechnung über die Toten des Weltkrieges mit
1 814 851 |
Tote des Landheeres |
35 770 |
" der Marine |
1 133 |
" " Schutztruppe |
|
zusammen 1 851 754 |
Tote |
[344] die errechnete Zahl der
Gräber gegenüberstellt, so ergibt sich ein Unterschied von
ca. 20%. Dieser Prozentsatz muß als das Mindestmaß des
Unterschieds angenommen werden bei Berücksichtigung der
Massengräber, der nicht mehr aufzufindenden Gräber und der recht
erheblichen Zahl jener Toten, die infolge von Verschüttung oder anderen
Kriegseinflüssen nie bestattet werden konnten.
Die Entwicklung der Kriegergräberfürsorge im Auslande nach dem
Kriege hatte im allgemeinen gezeigt, daß fast alle in Frage kommenden
Staaten dieser Angelegenheit immer mehr Bedeutung beilegen und sie als eine
Kulturaufgabe und damit Ehrensache ansehen, in der keine Regierung hinter einer
anderen zurückstehen möchte. Dem Beispiele der Westmächte
folgend, hatten auch die Regierungen der Ententemächte des Ostens und
Südostens durchweg ein besonderes Amt geschaffen, das mit der
Organisation einer geordneten systematischen Gräberfürsorge
beauftragt wurde und dem in Ausführung des Vertrages von Versailles auch
die Instandhaltung der deutschen Gräber obliegen sollte. Es lag auf der
Hand, daß die fremden Behörden damit ein direktes Eingreifen der
deutschen Regierung ablehnen würden.
Die Erkenntnis, daß vor allem in den östlichen Staaten infolge der
überall vorhandenen Geldknappheit selbst bei tatsächlich
vorhandenem guten Willen der fremden Behörden mit einer beschleunigten
Erledigung und Abstellung von Mißständen nicht immer zu rechnen
ist, ließ es für die deutsche Regierung erwünscht erscheinen,
sich in den amtlichen Erfordernissen der Gräberfürsorge nicht allein
auf die verantwortlichen fremden Organe zu verlassen. Wenn nicht Sorge
getragen wurde, die einzelnen Grabstellen als solche kenntlich zu erhalten, so
bestand Gefahr, daß sie verschwinden, bevor die amtlichen
Herrichtungsarbeiten der fremden Regierungen vollendet sind. Ein
beschränktes amtliches Eingreifen von deutscher Seite erschien daher
wenigstens in allen östlichen Ländern, auch in den durch Vertrag von
Versailles gebundenen Staaten, nötig und möglich durch
Zusammenfassung der deutsch gesinnten Kreise in jenen Ländern im
Interesse der Feststellung und Erhaltung deutscher Gräber. In Verfolgung
dieser Gesichtspunkte hat das Zentralnachweiseamt daher im Benehmen mit den
Auslandsvertretungen sich mit Erfolg bemüht, in allen östlichen und
südöstlichen beteiligten Staaten einen größeren Kreis
von Vertrauensleuten zu gewinnen, die durch einen besonderen Beauftragten bei
der Gesandtschaft im Interesse der deutschen Kriegergräberfürsorge
zusammengefaßt werden.
Nachstehend eine kurze Skizze über die Verhältnisse der deutschen
Kriegergräberfürsorge in den einzelnen fremden Staaten.
Frankreich und Belgien. In großzügiger Organisation wurde
gleich nach Kriegsschluß die systematische Instandsetzung der
Kriegergräber aller Nationen nach einheitlichen für alle Krieger
gleichen Richtlinien begonnen. Nachdem zunächst Zusammenlegungen der
Einzelgräber stattgefunden hatten, [345] wurde später
angestrebt, die Zahl der Kriegerfriedhofsanlagen zu verringern. Zahlreiche kleine
Kriegerfriedhöfe wurden zu großen Begräbnisplätzen
zusammengelegt. Über die Art der Durchführung der Fürsorge
wurden den deutschen Behörden nur die wichtigsten allgemeinen
Grundsätze amtlich mitgeteilt. Inwieweit diesen bei den Arbeiten selbst
Beachtung geschenkt wird, entzieht sich der amtlichen Kenntnis. Haben doch
Frankreich und Belgien der deutschen Regierung nicht einmal gestattet, sich
über den Zustand der Friedhöfe usw. durch persönliche
Inaugenscheinnahme orientieren zu dürfen. Sicher ist, daß dem
deutschen Empfinden für Friedhofsgestaltung nur in sehr geringem
Maße Rechnung getragen wird. Über die Grabschändungen am
Schluß des Krieges ist bereits berichtet. Es soll nicht verkannt werden,
daß wenigstens von seiten der zuständigen französischen und
belgischen Behörden seinerzeit ernste Schritte getan wurden, um dem
Unwesen zu steuern. Sicher ist, daß sich die Zahl der unbekannten
deutschen Gräber durch die wiederholten Umbettungen ganz
außerordentlich erhöht hat.
England. Nach den amtlichen Erklärungen sorgt die britische
Regierung für die meist auf geschlossenen Gefangenenfriedhöfen
liegenden deutschen Gräber in derselben Weise wie für ihre eigenen.
Sämtliche Gräber sind beim "Z. A. K." listlich
erfaßt; nach Mitteilung - auch von privater
Seite - befinden sich die Anlagen in gutem Zustande.
Italien. Die Fürsorge liegt in der Hand des "Nationalkomitees
für die Kriegsgefallenen" in Udine. Nach dem Muster der
Westmächte sind in der oberitalienischen Kampfzone durch Umbettungen
großzügige Friedhofsanlagen geschaffen worden.
Finnland. In Finnland sind alle deutschen Gräber auf Staatskosten
instand gesetzt. Zahlreiche Denkmäler sind von Städten, Gemeinden
und Bürgern gestiftet. Mit tätiger Hilfe durch den "Verein der
Finnlandkämpfer" ist auch für die Zukunft die Pflege der
Kriegergräber durch den Staat gewährleistet.
Estland. Neuerdings ist ein Abkommen getroffen, nach dem die
estnische Regierung auf Grund der Gegenseitigkeit sich verpflichtet, die
deutschen Gräber instand zu setzen und zu erhalten. Die Gräber sind
im wesentlichen listenmäßig erfaßt.
Lettland und Litauen. Die Regierungen haben erklärt, daß
sie Mittel für die deutschen Kriegergräber nicht bereitstellen
können, die deutschen Arbeiten jedoch unterstützen und für
den Schutz der Gräber sorgen werden. Umfangreiche
Instandsetzungsarbeiten sind auf deutsche Rechnung unter Leitung der Organe des
"Z. A. K." im Gange. Das "Z. A. K." unterhält
bei beiden deutschen Vertretungen einen besonderen Beauftragten. Zahlreiche
Vertrauensleute sind im Lande gewonnen. Da seitens der Regierungen keinerlei
Gräberarbeiten für [346] die eigenen Toten
ausgeführt werden, findet die deutsche Gräberfürsorge
allseitige Beachtung im Lande zur Hebung des deutschen Ansehens.
Polen. Nächst Frankreich enthält Polen die weitaus
größte Zahl an deutschen Kriegergräbern. Ein besonderes
Gräberamt ist in Warschau gebildet, erhebliche Etatsmittel sind
bereitgestellt. Gräberschändungen haben stattgefunden, die
Pressemeldungen haben sich jedoch vielfach als übertrieben erwiesen.
Besonders in der Zone der Kämpfe mit der Sowjetarmee befinden sich die
Gräber vielfach noch in sehr schlechtem Zustande. In den Gebieten aller
Generalkommandos befinden sich besondere Gräberkommandos, die
fortlaufend an der systematischen Instandsetzung auch der deutschen
Gräber arbeiten. Für die Auskunftserteilung über die
deutschen Gräber und ihre vorläufige Erhaltung sind Vertrauensleute
gewonnen, mit denen die deutsche Gesandtschaft in Verbindung steht.
Tschechoslowakei. Die Kriegergräberfürsorge wird nach
französischem Muster durchgeführt und durch eine besondere
Behörde, "das Zentralinspektorat für Kriegergräber",
geleitet.
Deutsch-Österreich. Sämtliche deutschen Gräber
befinden sich in gutem Zustande und werden gut gepflegt.
Ungarn. Die deutschen Gräber werden auf ungarische
Staatskosten instand gesetzt. Ein Beauftragter bei der Gesandtschaft hält
gute Verbindung mit den amtlichen Behörden und veranlaßt die
Auskunft, gestützt auf Vertrauensleute.
Serbien. Die praktische Durchführung der
Kriegergräberfürsorge liegt unter Leitung des Kultusministeriums
amtlich in den Händen der Geistlichkeit. Die amtliche Auskunftserteilung
ist unter Berücksichtigung der kulturellen Verhältnisse des Landes
dank der fortgesetzten Bemühungen der Gesandtschaft in Verbindung mit
Vertrauensleuten gut zu nennen. Infolge des späten Einsetzens der
staatlichen Fürsorge, insbesondere der Maßnahmen zum Schutze der
Gräber, wird eine große Zahl nicht mehr feststellbar sein.
Rumänien. Die Gräberfürsorge ist unter staatlicher
Verantwortung in die Hände der vom Kriegsministerium angeregten
privaten "Vereinigung zum Gedächtnis der gefallenen Helden" gelegt. Die
rumänischen Arbeiten beginnen auch für die deutschen
Kriegergräber Fortschritte zu machen. Auch für die deutschen
Kriegergräber besteht das "Ewige Ruherecht". Die Grabstätten
unbekannter deutscher Krieger in der ehemaligen Kampfzone, bei denen eine
Identifizierung vollständig ausgeschlossen ist, werden mit den gleichen
Grabstätten unbekannter rumänischer Krieger vereinigt. In
Siebenbürgen haben sich deutsche Kolonisten, insbesondere der
sächsische Frauenverein, mit großer Hingabe der deutschen
Kriegergräberfürsorge gewidmet.
Bulgarien. Bisher ist in Bulgarien leider nur sehr wenig, auch für
die Gräber der eigenen Krieger, getan. Erst sehr spät hat die
Regierung die Kriegergräberfürsorge organisiert und Mittel
bereitgestellt. Die Auskunftserteilung wird [347] durch gutes
Zusammenarbeiten des Beauftragten bei der deutschen Gesandtschaft mit den
bulgarischen Stellen erleichtert, andererseits wesentlich dadurch erschwert,
daß keinerlei amtliche Statistik über die deutschen
Kriegergräber im Lande bisher vorhanden war.
Türkei. Angesichts der eigenartigen Lage des ausgedehnten
Kampfgebiets (in Syrien, Palästina, Suezfront usw.) ist es
wahrscheinlich, daß infolge des verspäteten Einsetzens der
Gräberfürsorge die Mehrzahl der Gräber nicht mehr auffindbar
sein wird. An einzelnen Stellen des Landes sind Reichsdeutsche für die
Organisation der deutschen Kriegergräberfürsorge gewonnen.
Japan. Die in Japan gestorbenen Gefangenen sind verbrannt und die
Urnen meist nach Deutschland überführt worden. Die Leichen der im
Gebiet von Tsingtau
gefallenen Deutschen sind auf die dortigen Friedhöfe
umgebettet und werden von den noch ansässigen Deutschen gepflegt.
Der Tatsache Rechnung tragend, daß eine wirksame
Gräberfürsorge im Auslande dem deutschen Interesse entsprechend
nur durch tatkräftige Mitwirkung der deutschen Auslandsvertretungen
erfolgreich durchgeführt werden kann, wurde im Herbst 1922 durch
Kabinettsbeschluß bestimmt, daß von der bisher dem
Zentralnachweiseamt obliegenden Kriegergräberfürsorge ab 1. April
1923 die Pflege der deutschen Gräber im Auslande zur Zuständigkeit
des Auswärtigen Amts gehören soll. Die Aufgaben der
Grabnachforschung, der Gräbernachweis sowie die Auskunftserteilung
hierüber, die Fragen der Leichenüberführung und
Leichenumbettung sollen dagegen dem Zentralnachweiseamt verbleiben.
Mit dieser Änderung hat die organisatorische Entwicklung der deutschen
Kriegergräberfürsorge dann hoffentlich die abschließende und
erfolgreiche Form erreicht, die es der deutschen Regierung ermöglichen
wird, ihre Ehrenpflicht gegen die Toten in der Weise zu erfüllen, die dem
allgemeinen deutschen Volksempfinden entspricht. In diesem Volksempfinden
wirkt sich die gleiche seelische Bewegung aus, der schon während des
Krieges die Fürsorge um die gefallenen Helden und ihre Ruhestätten
entsprang, die den Willen zur Hingabe für das Vaterland in stärkster
Weise beeinflußte und die Vorstellung von der Möglichkeit des
eigenen Todes leichter ertragen ließ.
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