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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

[550] Kapitel 8: Das Deutsche Rote Kreuz1
Generalarzt Dr. Carl Altgelt

Das Deutsche Rote Kreuz war gerüstet, als am 2. August 1914 der Mobilmachungsbefehl erging. In den vorangegangenen langen Friedensjahren hatten seine leitenden Stellen, an der Spitze das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, in enger Verbindung mit den staatlichen Dienststellen, insonderheit dem preußischen Kriegsministerium - Medizinalabteilung -, alle Arbeit und Sorgfalt stets auf den eigentlichen Daseinszweck des Roten Kreuzes eingestellt: die Rüstung für den Krieg. Wertvolle Erfahrungen der letzten Zeit durch eine Reihe von Hilfsexpeditionen auf außerdeutsche Kriegsschauplätze (Balkan 1912/13) waren dabei für Organisation und Materialausrüstung gemacht worden. Die zunehmende Entwicklung und die Arbeitsfreudigkeit der Landes-, Provinzial- und Zweigvereine hatten das planmäßige Vorgehen beim Ausbau des Vorbereitungswerks gefördert und erleichtert.

So konnten, wie beim Heere, mit der Mobilmachung alle Angehörigen des Roten Kreuzes, die zur Verwendung bei Heeressanitätsformationen vorgesehen waren, pünktlich in ihre planmäßigen mobilen Stellen einrücken, wohlversehen mit allem, was zu ihrer persönlichen Ausrüstung gehörte, und aufs beste unterrichtet über Art und Umfang der ernsten und schweren Arbeit, die ihrer harrte.

Auch die gleichzeitig einsetzende umfangreiche Tätigkeit, die sich auf Einrichtung und Ausstattung der zahlreichen und verschiedenartigsten Hilfsstätten des Roten Kreuzes (Erfrischungs-, Verpflegungsstellen für die Truppentransporte, Überwachungsstellen auf den Bahnhöfen, Vereinslazarette, Genesungsheime usw.) erstreckte, lief ohne Störung ab, dank der sorgfältigen Vorbereitung, mit der alles bis ins kleinste bedacht war.

Auf diesem sicheren Unterbau vollzog sich dann im Lauf der Jahre die weitere Entwicklung; sie hat, allein schon was die Personalgestellung und Materialbelieferung betrifft, jede Berechnung aus der Friedenszeit umgeworfen. Aber [551] die von Grund aus gesunde Organisation des Deutschen Roten Kreuzes hat die gewaltige Belastungsprobe des Krieges, im Felde sowohl wie in der Heimat, ausgehalten. Reicher Segen für das ganze Deutsche Volk ist von ihm ausgegangen. Denn des Roten Kreuzes Tätigkeit war nicht sowohl die Unterstützung des Heeressanitätsdienstes durch Gestellung von Hilfspersonal für den Krankenpflege- und den Transportdienst, durch Überweisung von Material und Liebesgaben aller Art und durch Einrichtung zahlreicher Pflegestätten für Kranke und Verwundete in der Heimat, als vor allem der Ausbau einer großen Zahl wichtiger Wohlfahrtseinrichtungen daselbst, die zum Teil zwar schon im Frieden bestanden, in Rücksicht aber auf die Kriegsverhältnisse besondere Bedeutung gewannen.

Aus der nachstehend aufgeführten Geschäftseinteilung der Organisation des Zentralkomitees der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz läßt sich der ungeheure Umfang und die Vielseitigkeit dieser Aufgaben erkennen.

* Abt. 1.  Kriegsleistungen, Etat (dazu 1a Vereinslazarettzüge und Laborantinnen, 1b Kraftwagen);2
* " 2.  Männliches Personal der freiwilligen Krankenpflege;
* " 3.  Depotwesen (mit Ausnahme der freiwilligen Gaben);
* " 4.  Weibliches Personal der freiwilligen Krankenpflege,
" 5.  Sammelkasse;
* " 6.  Sammel- und Werbewesen (mit Kunstbeirat);
* " 7.  Gefangenenfürsorge;
* " 8.  Kriegsbeschädigtenfürsorge und Hinterbliebenenfürsorge;
* " 9.  Bäder und Anstaltsfürsorge;
* " 10.  Kriegswohlfahrtspflege:
a) Tuberkuloseausschuß,
b) Ausschuß für Mutter- und Säuglingsfürsorge,
c) Familienfürsorge,
d) Kriegskinderpflege,
e) Abteilung für Helferinnen und Hilfsschwestern,
f) Ziegenmilch für Volksernährung,
An Abt. 10 angegliedert: Kriegsarbeitsverteilungsstelle;
* " 11.  Fürsorge für Auslandsdeutsche, Flüchtlinge, Rückwanderer, aus Feindesland Vertriebene, Jugendhilfe vom Roten Kreuz u. a.;
" 12.  Presseangelegenheiten;
" 13.  Kunstbeirat (später an Abt. 6 angegliedert);
" 14.  "Kreuzpfennig"-Sammlung;
" 15.  Rechtsabteilung;
[552] * " 16.  Personal und Lazarette des Roten Kreuzes in Berlin, soweit das Zentralkomitee beteiligt ist;3
" 16a. Notstandsarbeiten;
" 17.  Materialverwaltung;
* " 18.  Kriegsausstellungen;
" 19.  Gesamtausschuß für Verteilung von Lesestoff;
" 20.  Mineralwasserversorgung der Truppen und Lazarette;
* " 21.  Seuchenbekämpfung;
" 22.  Lebensmittel für Lazarettzwecke.

Hätte das Deutsche Rote Kreuz sich nicht schon im Frieden, als Folge seiner segensreichen Liebes- und Hilfstätigkeit, im ganzen Deutschen Volke hohe Achtung und unbegrenztes Vertrauen erworben, so wäre ihm von Kriegsausbruch an bis zuletzt nicht ununterbrochen die große Zahl von Hilfskräften aus allen Kreisen der Bevölkerung zugeströmt, würden nicht die reichen Mittel an Geld und Liebesgaben jeder Art ihm zugeflossen sein, deren es bedurfte, um seiner gewaltigen Aufgabe immer wieder gerecht zu werden.

Nach der zahlenmäßigen Übersicht vom 31. August 1913 bestanden in ganz Deutschland 1007 Zweigvereine vom Roten Kreuz mit 194 622 Mitgliedern, ferner 2166 Sanitätskolonnen mit 73 518 Mitgliedern, 76 Verbände der Genossenschaft Freiwilliger Krankenpfleger im Kriege mit 11 520 Mitgliedern, 10 Samaritervereine mit 1398 Mitgliedern; außerdem hatten sich 1448 ausgebildete Krankenpfleger und 148 militärfreie Ärzte dem Roten Kreuz für den Mobilmachungsfall verpflichtet. Von dem Personal waren allein für den Dienst in der Etappe 5857 Pfleger und Träger und 1249 Schwestern vorgesehen. Im letzten Jahr vor dem Kriege hatte sich diese Zahl noch etwas vermehrt. Daß bei den gewaltigen Anforderungen im Kriege diese Zahlen nicht ausreichten, ist selbstverständlich. Um so deutlicher tritt die Großartigkeit der freiwilligen persönlichen Leistungen hervor beim Vergleich mit der Gesamtzahl der Männer und Frauen, die während des Krieges im Dienst des Roten Kreuzes tätig gewesen sind.

    Es standen im Dienst des Roten Kreuzes:
          Männer 132 782
          Frauen 117 988

    250 770

    davon wurden verwendet:
          in der Etappe 72 419
          im Heimatgebiet 178 351

    250 770
    [553]
    und zwar als:
          Pfleger und Träger 111 444
          Schwestern, Hilfsschwestern und Helferinnen 91 807
          Kochpersonal 9 461
          Depotpersonal, Schreiber, Desinfektoren 5 221
          Delegierte 857
          Laborantinnen 638
          in leitenden Stellungen der Vereine und in Lazarettbetrieben 31 342

    250 770

Bei Betrachtung dieser Ziffern ist zu beachten, daß sie nur das im eigentlichen Sanitätsdienst verwendete Personal enthalten. In die richtige Beleuchtung werden sie erst gerückt durch Hinzufügung des zahlenmäßig gar nicht zu erfassenden Heeres von Frauen und Männern, das sich im Hilfsdienst bei den verschiedenen Vereinigungen des Roten Kreuzes, bei den Delegierten des Militärinspekteurs der Freiwilligen Krankenpflege und bei den Vereinsvorständen, ferner bei den zahlreichen Kriegswohlfahrtseinrichtungen des Roten Kreuzes betätigt hat, z. B. in Küchen und Speisehäusern, in den Erfrischungsanstalten der Bahnhöfe, in der Schwangeren-, Wöchnerinnen- und Säuglingsfürsorge, in den Nähstuben und bei der Beschaffung von Kleidungsstücken, bei der Vermittlung von Heimarbeit, sowie von Landaufenthalt, in See- und Heilbädern, bei der Verabreichung von Milch und Stärkungsmitteln, bei Gründung von Soldatenheimen und Lesezimmern im Etappen- und Heimatgebiet, endlich bei der Einrichtung von Werkstätten und in der Berufsberatung und Berufsausbildung.

Wie hoch sich die Gesamtsumme aller während des Krieges erzielten Einnahmen in Geld und Materialwert belaufen hat, ist genau bisher nicht festgestellt, da die abschließenden Ziffern noch nicht vollständig vorliegen. Um wie gewaltige Summen es sich dabei handelt, läßt der Rechenschaftsbericht erkennen, der für die ersten beiden Kriegsjahre allein für das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz - Landes-, Provinzial- und Zweigvereine nicht mitgerechnet - einen Gesamtumsatz in Höhe von 78,5 Millionen Mark nachweist. Für die Materialspenden dürfte eine sichere Feststellung überhaupt nicht möglich sein. Vorsichtige Schätzungen berechnen ihren Wert auf rund 250 Millionen Mark. Die Bareinnahmen dürften nach Abzug der zurückerstatteten Verpflegungskosten für die Zeit vom 1. August 1914 bis 31. Dezember 1919 gegen 450 Millionen Mark betragen haben. Somit erreicht die finanzielle Gesamtleistung des Roten Kreuzes an Materialwerten und in bar in den Einnahmen die Summe von 700 Millionen Mark, denen nur um wenige Prozent geringere Ausgaben gegenüberstehen.

[554] Unter dem Zeichen des Roten Kreuzes waren für den Krieg alle Kräfte vereinigt, die bereit und geeignet waren, als wertvolle Ergänzung und wichtige Unterstützung des amtlichen Sanitätsdienstes des Heeres und der Marine zu wirken. Kein selbständiger Faktor also der Kranken- und Verwundetenfürsorge im Kriege, vielmehr ein engverbundener wesentlicher Bestandteil derselben. Das gleiche gilt für die Körperschaften der Ritterorden, vor allem der Johanniter-, Malteser- und Georgsritterorden, ferner für alle sonstigen Vereinigungen und Personen, die von den berufenen amtlichen Stellen zur Unterstützung des Kriegssanitätsdienstes zugelassen waren.4

An der Spitze stand der Kaiserliche Kommissar und Militärinspekteur der Freiwilligen Krankenpflege, der schon im Frieden allen Teilen dieses freiwilligen Heeres die von den Generalkommandos und dem Kriegsministerium aufgestellten Forderungen übermittelte und darüber wachte, ob das Verlangte geleistet werden konnte. Er wohnte zu diesem Zweck teils selbst den Beratungen und Übungen der verschiedenen Vereinigungen bei, teils entsandte er zur Prüfung seine Vertreter, insbesondere seine Territorialdelegierten - in Preußen die Oberpräsidenten -, die in ihrer Person außerdem die Stellung eines Vorsitzenden des betreffenden Provinzialvereins vom Roten Kreuz zu vereinigen pflegten.

Im Kriege kamen zu diesen Territorialdelegierten noch eine ganze Reihe von Delegierten, im Felde und in der Heimat, als aufsichtsführende und leitende Organe hinzu. Diese hatten einerseits alles zu regeln, was die Freiwillige Krankenpflege innerhalb ihres Pflichtengebiets zu leisten berufen war, andererseits sollten sie die Interessen der Schwestern, Krankenträger und Krankenpfleger nach Möglichkeit vertreten. Seit Februar 1904 waren an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für die Delegierten Kurse eingerichtet, in denen ihnen alles das vorgetragen wurde, was sie im Kriegsfalle bezüglich ihrer Aufgaben wissen mußten (Organisation des staatlichen Sanitätsdienstes, Dienstbetrieb in den einzelnen Sanitätsformationen, bei denen die Mitwirkung des Roten Kreuzes in Frage kam, Transportwesen usw.).

Während der Dauer des Krieges hatte der Kaiserliche Kommissar und Militärinspekteur der Freiwilligen Krankenpflege seinen Sitz im Großen Hauptquartier; dort arbeitete er mit seinem, aus mehreren Delegierten und Hilfspersonal bestehenden Stabe in engster Fühlung mit dem Chef des Feldsanitätswesens und den übrigen für seinen Geschäftsbereich in Betracht kommenden Dienststellen und mit dem Zentralkomitee in Berlin.

Die Aufgaben waren vielseitig genug; mit der Länge des Krieges und der zunehmenden Ausdehnung der Kriegsschauplätze wuchsen sie ins Ungeheure. [555] Es kam hinzu, daß ein großer Teil des männlichen Personals, wohl der tüchtigste und bewährteste, zum Militärdienst ausgehoben wurde und durch weniger leistungsfähige Kräfte ersetzt werden mußte.

Zu Beginn des Krieges hatte sich auch manches weibliche Personal eingeschlichen, zum Teil sogar mit unlauteren Absichten, das erst entfernt werden mußte.

Die Etappe verlangte mit der wachsenden Zahl der aufgestellten mobilen Sanitätsformationen (Kriegslazarettabteilungen, Krankentransportabteilungen, Etappensanitätsdepots) immer mehr geschultes und erprobtes Personal (Krankenpfleger und Schwestern, Laborantinnen, Köchinnen).

Vorweg sei hier mit wärmstem Dank und hoher Anerkennung hervorgehoben, daß dieses Personal der Freiwilligen Krankenpflege mit größter Opferwilligkeit und Hingabe, oft unter den widrigsten und schwierigsten äußeren Verhältnissen ohne jede Rücksicht auf die eigene Schonung, bis zum äußersten seine Pflicht und Schuldigkeit getan hat. Und nicht nur durch seine treue Pflichterfüllung im eigentlichen Kranken- und Transportdienst hat das Personal der Freiwilligen Krankenpflege sich Anerkennung verdient, auch in anderer Hinsicht hat es wertvolle Dienste geleistet. Bei dem Bau und der Einrichtung der zahlreichen Krankenunterkünfte (Lazarette, Sammelstellen, Überwachungs-, Verband-, Verpflegungsstellen, Behelfszüge usw.) haben viele vom männlichen Personal, unter dem sich Techniker, Handwerker aller Art und sonstige Spezialisten befanden, ratend und helfend mitgewirkt; sie haben so mit dazu beigetragen, oft großartige Anlagen, sozusagen aus dem Nichts, zu schaffen. Die Schwestern verstanden es, mit geringen Mitteln die Krankenräume freundlich auszugestalten, so daß die eintreffenden Schwerkranken oder Schwerverwundeten sogleich das Gefühl des Geborgenseins überkam.

Als im Stellungskrieg, insbesondere im Westen, die Feldsanitätsformationen (Feldlazarette) mehr bodenständig wurden, konnten zur besseren Pflege der dort eintreffenden Schwerverwundeten auch in diese mehr oder weniger feindwärts gelegenen Lazarette Schwestern beordert werden. Ihre unermüdliche Arbeit bleibt bei den Kranken, wie bei den Ärzten, die sich auf ihre treuen Helferinnen unbedingt verlassen konnten, für immer unvergessen. Fliegerangriff oder Fernbeschießung konnten sie in ihrem Liebeswerk nicht wankend machen oder stören. Manche von ihnen hat, zum Lohn für ihre Treue, durch Krankheit oder Verwundung Schaden an Leib und Leben davongetragen oder ist ihnen erlegen.

Bis auf die eben genannten Ausnahmen war Personal der Freiwilligen Krankenpflege nicht im eigentlichen Operationsgebiet (Kampfgebiet) tätig. Im Etappengebiet, bei den Kriegslazarettabteilungen, waren die Lazaretttrupps tätig, deren Stärke im einzelnen bei den ständig wachsenden Anforderungen fortgesetzt zunahm.

[556] Nach der Mobilmachungsaufstellung vor dem Kriege gehörten zu einem Lazaretttrupp außer dem Delegierten: 1 Zug männliches Personal, nämlich: 1 Zugführer, 1 Zugführerstellvertreter, 3 Gruppenführer, 36 Pfleger; ferner 35 Pflegerinnen und 6 Köchinnen. Kurz nach Beginn des Krieges erfolgte fast Verdopplung dieses Etats; es traten ferner Laborantinnen hinzu, die für die Röntgenstationen und Laboratorien in den Kriegslazaretten dringend gebraucht wurden. Gegen Ende des Krieges war die Stärke eines einzigen Lazaretttrupps im Westen z. B., einerseits infolge der Herausziehung des kriegsverwendungsfähigen Personals, andererseits auf Grund der außerordentlichen Anforderungen bei den fortgesetzt schweren Abwehrkämpfen folgende: der Delegierte mit Diener, Schreiber, Kraftwagenführer oder Pferdewärter, 40 Pfleger, 125 Pflegerinnen, 6 Laborantinnen, 13 Köchinnen; also fast dreifache Vermehrung des weiblichen Pflegepersonals. Schon diese Zahlen erklären die außerordentlichen Schwierigkeiten, eine so große freiwillige Formation zu leiten, unterzubringen und zu verpflegen.

Ähnlich lagen die Verhältnisse bei den Transport- und Begleittrupps der Krankentransportabteilungen. Hinsichtlich der Begleittrupps - 4 Züge = 164 Pfleger und 25 Pflegerinnen - und der Transporttrupps - 4 Züge = 164 Träger - fand im Lauf des Krieges eine Verschmelzung statt, da sich die Scheidung zwischen Pfleger und Träger nicht mehr aufrechterhalten ließ. Beide Arten versahen schließlich den gleichen Dienst. Auch bei den Transporttrupps erfolgte aus den gleichen Gründen wie bei den Lazaretttrupps (Ersatz des herausgezogenen kriegsverwendungsfähigen Personals durch weibliches und Steigerung der Anforderungen) erhebliche Erhöhung des Etats. Gegen Ende des Krieges bestand der Transporttrupp einer Krankentransportabteilung im Westen: aus dem Delegierten mit Diener, Schreiber, Kraftwagenführer oder Pferdewärter, aus 154 Pflegern, 144 Pflegerinnen, 5 Laborantinnen und 19 Köchinnen. Die Laborantinnen waren zumeist, die Köchinnen mehrfach an die Kriegslazarette abgegeben.

Hier sei der besonderen Leistungen dankend gedacht, die dieses Personal, namentlich in den vielen Behelfszügen, vollbracht hat, die in den Perioden der Großkämpfe zum ersten Abtransport von den Sammelstellen dicht hinter der Front liefen, und die vielfach noch unter dem Feuer des Feindes lagen. Die Anwesenheit dieser Pfleger und Pflegerinnen im Zuge hatte stets eine außerordentlich günstige moralische Wirkung auf die Verwundeten.

Die lange Dauer des Krieges brachte es mit sich, daß die anfangs mehr oder weniger selbständige freiwillige Organisation des Roten Kreuzes sich beim Feldheer mit der militärischen enger verwob, insbesondere da, wo zwischen den führenden Dienststellen (Etappenarzt, Kriegslazarettdirektor, Chefarzt einerseits, Etappendelegierter, Delegierter beim Kriegslazarettdirektor andererseits) ein enges persönliches und kameradschaftliches Verhältnis bestand. Dort kamen [557] gegensätzliche Auffassungen bald zum Ausgleich, auseinandergehende Anschauungen in dienstlichen Angelegenheiten wurden rasch überbrückt. Enges Zusammenarbeiten, für das Ganze zum Segen und Vorteil, war die Folge.

Bei der gewaltigen Aufgabe, die im Weltkriege die Beförderung der Massen von Kranken und Verwundeten aus dem Kampfgebiet in die Etappe und über diese zur Heimat dargestellt hat, bildeten die 86 Vereinslazarettzüge der Freiwilligen Krankenpflege, die neben den 62 planmäßigen militärischen Lazarettzügen und den 102 Leichtkrankenzügen aufgestellt worden sind, eine wesentliche Unterstützung des militärischen Krankentransportdienstes. Im allgemeinen entsprachen diese Züge, was Wagenverteilung, Raumverwendung und Zugzusammensetzung betraf, den Vorschriften für die Lazarettzüge; im einzelnen war jedoch, was innere Einrichtung und Ausstattung anbelangte, den Stiftern keine Einschränkung auferlegt worden. So haben z. B. Sanitätskolonnen mehrere sehr brauchbare Konstruktionen für die Lagerstellen geliefert. Die großen Schiffahrtsgesellschaften (Norddeutscher Lloyd, Hamburg-Amerika-Linie) stellten aus ihren zur unfreiwilligen Muße verurteilten Dampfern die praktischen Einrichtungen der Kojen, Kabinen, Küchen und Materialräume zur Verfügung, die ohne Schwierigkeiten in die Eisenbahnwagen eingebaut werden konnten und sich sehr bewährt haben.

Die Vereinslazarettzüge sind, gleich den militärischen Lazarettzügen, in alle Teile des ausgedehnten Kriegsgebiets gelaufen. Zu Zeiten der Großkämpfe im Westen sind sie oft bis zu den Sammelstellen dicht hinter der Front vorgezogen worden und dort mehrfachen Fliegerangriffen ausgesetzt gewesen, die schwere Sachbeschädigung zur Folge hatten, auch unter dem Personal Opfer an Toten und Verwundeten gefordert haben. Im Osten boten sie bei der Schwierigkeit, die Kranken und Verwundeten unterzubringen, wiederholt die erste Gelegenheit zu deren ordnungsmäßiger Versorgung. Zu Zeiten der Ruhe, oder wenn länger dauernde Reparaturen erforderlich waren, wurden die Züge, wenn möglich, am Aufstellungsort abgestellt, das Personal zu der oft dringend nötigen Erholung beurlaubt oder im Krankenpflegedienst in einem Heimatlazarett verwendet. Die Leistungen der Vereinslazarettzüge sind zum Teil ganz erheblich; manche haben wohl mehr als 100 Fahrten über viele Tausende von Kilometern gemacht. In den Tagen der Hochspannung gab es für den Führer, wie das Personal (Pfleger und Schwestern) weder Ruhe noch Rast, oft keinen Schlaf. Dafür wird noch heute mancher der Schwerkranken oder Schwerverwundeten, die mit ihnen transportiert worden sind, der sorgsamen Aufsicht der Ärzte und der liebevollen Fürsorge des Pflegepersonals in Dankbarkeit gedenken.

Das Rote Kreuz war bei der Beförderung der Kranken und Verwundeten von den Ausladestellen der Bahnhöfe in die Lazarette und umgekehrt in aus- [558] giebigster Weise beteiligt, nicht nur in der Heimat, auch innerhalb der Etappen. Es verfügte für sich über 399 Sanitätskraftwagen, 733 Krankenwagen, eine große Anzahl anderer, zum Krankentransport behelfsmäßig eingerichteter Fahrzeuge (Bauernwagen, Omnibusse usw.) und über 10 357 Transportmittel, wie Tragbahren, Rädergestelle, Fahrbahren der verschiedensten Konstruktion.

Wo Straßenbahnverbindungen zur Verfügung standen, was im Laufe des Krieges nach Möglichkeit zur Durchführung kam, ist davon in reichstem Maße Gebrauch gemacht worden. Die Straßenbahnwagen wurden zum Transport liegender Kranker entsprechend umgebaut und haben überall sehr gute Dienste geleistet.

Ein außerordentliches Verdienst hat sich das Rote Kreuz dadurch erworben, daß es die Versorgung der Kranken von den unzähligen Truppentransporten, die während des Krieges die Heimat und die besetzten Gebiete durchquerten, übernommen hatte. Dies geschah auf den 601 Verband-, Erfrischungs- und Übernachtungsstellen, die überall auf den Bahnhöfen eingerichtet und dauernd mit freiwilligen Helfern und Helferinnen besetzt waren. Diese Stellen waren vielfach Anlagen größten Stils. Sie haben namentlich zu Zeiten großer Truppenbewegungen, wenn ganze Armeekorps und Divisionen mit ihrem Zubehör in ungezählten Zügen durchliefen, in tagelanger Arbeit ohne Ruhe noch Rast vorzügliches geleistet. Auch die Riesenzahl der Urlauber fand dort Verpflegung und Unterkunft für die Nacht und vielfach Rat und Hilfe für die Weiterreise. Von den durchfahrenden Lazarett- usw. Zügen übernahmen die Stellen die wegen Verschlechterung ihres Zustandes nicht weiter zu Transportierenden zur Weiterleitung in das nächstgelegene Lazarett, leider auch manchen, der während des Transportes seiner Krankheit oder Verwundung erlegen war.

Die Organisation des Hilfsdienstes des Roten Kreuzes auf den Bahnhöfen funktionierte überall in bester Weise. Nur mit wärmstem Dank und höchstem Lob kann dieser freiwilligen, fast ausschließlich ehrenamtlichen Tätigkeit gedacht werden.

Im vorstehenden ist dargetan worden, in welchem Umfange und mit welcher Großartigkeit der Leistungen das Rote Kreuz dem amtlichen Heeressanitätsdienst im Kriege, im Kampf- und Etappengebiet und beim Krankentransport wertvolle Unterstützung hat zuteil werden lassen. In noch weit höherem Maße gilt das für Unterbringung, Verpflegung und Versorgung der Kranken und Verwundeten des Feld- und Besatzungsheeres im Heimatgebiet. Bei der gewaltigen Zahl derselben (s. S. 538) wäre es der Heeresverwaltung kaum möglich gewesen, die Heilfürsorge ohne Mitwirkung des Roten Kreuzes sicherzustellen. 3470 Vereinslazarette und Genesungsheime mit annähernd 200 000 Lagerstellen sind vom Roten Kreuz eingerichtet und verwaltet worden, ein Teil gemäß der bei [559] Kriegsausbruch vorhandenen Mobilmachungspläne, der Hauptteil erst während des Krieges selbst. Außerdem wurde zahlreiches Verwaltungs- und Pflegepersonal an die von seiten der Heeres- und Marineverwaltung eingerichteten Festungs- und Reservelazarette abgegeben.

Eine sehr wichtige und begrüßenswerte Förderung hat dieser Lazarettdienst bei Kriegsbeginn durch die Opferfreudigkeit aller Kreise der Bevölkerung erfahren, die wetteiferten, größere und kleinere Pflegestätten mitsamt der Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Sogar ganze Lazarette mit voller Einrichtung sind gestiftet worden. Im übrigen griff man auf alle geeigneten Baulichkeiten in Stadt und Land zurück. Schlösser, Museen, Auswandererhäuser in den Hafenplätzen, Hotels, Sanatorien und Privatkliniken, Hochschulen, Gasthöfe, Schulgebäude wurden in Vereinslazarette umgewandelt.

So bedeutend die Zahl der in Betrieb genommenen Lazarette auch war, bei dem gewaltigen Zustrom von Verwundeten nach großen Kampfhandlungen an weit ausgedehnten Teilen der Front trat häufig genug eine Überfüllung ein, der nur durch Aufstellung der schon in Friedenszeiten zur Seuchenbekämpfung in Gebrauch gewesenen beweglichen Baracken entgegengewirkt werden konnte. Die Krankenpfleger und -träger besaßen in der Aufstellung, dem Abbrechen und Verpacken dieser ungemein praktisch konstruierten, seit Jahrzehnten bewährten Baracken und in ihrer gründlichen Desinfektion eine solche Erfahrung, daß jedem plötzlich auftretenden Notstand sofort abgeholfen werden konnte. Ebenso wurden bei Ausbruch ansteckender Krankheiten ohne Verzug solche zerlegbaren Baracken vom System Döcker nebst Ausstattung in der benötigten Zahl an die Bedarfsstelle gebracht. Daß während des ganzen Krieges alle an dieser oder jener Stelle ausbrechenden Seuchen sofort an der Ausbreitung verhindert und erstickt werden konnten, ist nicht zum wenigsten auf die Verwendung dieser Baracken zurückzuführen, von denen das Zentralkomitee schließlich fast 500 mit 10 000 Betten besaß.

Etwa seit Beginn des dritten Kriegsjahres brachte die allgemeine Lage, wie sie sich allmählich herausgebildet hatte, den Lazarettdienst des Roten Kreuzes in eine bedenkliche Krisis, indem wegen des gesteigerten Bedarfs an Männern an der Front und ihrer militärischen Einberufung, wie infolge des Inkrafttretens des Hilfsdienstgesetzes es an männlichen Hilfskräften in der Heimat stark zu mangeln begann. Die Gestellung von vertraglich verpflichteten Ärzten, von Pflegern und männlichem Hilfs- und Wirtschaftspersonal wurde dadurch aufs äußerste erschwert. Weitere Schwierigkeiten erwuchsen den Vereinslazaretten aus der Beschlagnahme der Lebensmittel und vieler für den Betrieb notwendiger Waren, wie Leder, Baumwollstoffe, Verbandzeug. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich das Bestreben der Militärverwaltung, die Pflege der Verwundeten und Kranken immer mehr selbst zu übernehmen. Tatsächlich war ja auch das Rote Kreuz, wie die Freiwillige Krankenpflege überhaupt, nur zur Unterstützung [560] des amtlichen Sanitätsdienstes verpflichtet. Es ist also in der Folgezeit eine ganze Anzahl Vereinslazarette in staatliche Reservelazarette umgewandelt oder ganz aufgehoben worden. Die frei werdenden Vorräte an Verbandstoffmaterial, ärztlichen Instrumenten und Lazarettausrüstungsgegenständen wurden gesammelt und nach Bedarf verwendet. Dank der unermüdlichen Tätigkeit der Ärzte und des gesamten Personals gelang es trotz erheblichen Personalmangels, die übrigbleibenden, immer noch sehr zahlreichen Vereinslazarette auf der Höhe ihrer Leistungen zu halten.

Als wirksame Unterstützung des staatlichen Heeressanitätsdienstes ist das Deutsche Rote Kreuz auf alle Kriegsschauplätze in West und Süd und Ost, nach Polen, nach Rußland, Serbien und Rumänien, an der Küste des Schwarzen Meeres entlang bis zum Kaukasus und tief nach Asien hinein gefolgt. Dabei ist es vielfach mit den nationalen Rot-Kreuz-Organisationen der verbündeten Mächte in Berührung gekommen, was besonders dann, wenn deutsche Truppen vorübergehend in den Verband einer verbündeten Armee eingereiht waren, zu einem Zusammenarbeiten mit jenen geführt hat. Aber auch unabhängig von gleichzeitiger Anwesenheit in derselben Kriegszone hat das Deutsche Rote Kreuz, wo sich die Gelegenheit bot und die Umstände es irgend gestatteten, den Schwesterorganisationen seine Unterstützung geliehen.

Auch eigene Hilfsexpeditionen hat das Deutsche Rote Kreuz ausgerüstet und entsandt, so im Winter 1914/15, nach einer äußerst beschwerlichen Reise, nach Erzinghian, südlich Trapezunt, wo in einer neuen türkischen Kaserne ein größeres Lazarett eingerichtet wurde. Es galt dort neben der Verwundetenfürsorge vor allem die in schwerster Form auftretenden Kriegsseuchen zu bekämpfen. Nach fünfmonatiger Tätigkeit setzte die Expedition ihre Arbeit in Konstantinopel fort. Eine weitere Abordnung begleitete die 4. türkische Armee nach Bagdad. Ihr Führer wirkte als Beratender Chirurg der Armee. Eine andere Expedition, die sich später noch verstärkte, richtete in Konstantinopel ein großes Lazarett ein, das lange Zeit vortreffliche Dienste geleistet hat. Die Auflösung erfolgte, als die Tätigkeit nach Beendigung der Dardanellenkämpfe abgeschlossen war. Mancher der Expeditionsteilnehmer (Ärzte wie Pfleger und Schwestern) hat infolge der körperlichen Strapazen und klimatischen Einflüsse erheblichen Schaden erlitten. Der Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes im Kriege ist durch diese erfolgreichen Expeditionen ein neues Ruhmesblatt hinzugefügt.

Sammelstelle des Roten Kreuzes für warmes Unterzeug.
Sammelstelle des Roten Kreuzes für
warmes Unterzeug.      [Vergrößern]

Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 1, S. 45.


Die Liebesgaben der Fleischer in der Geschäftsstelle der Berliner Fleischerzeitung.
Die Liebesgaben der Fleischer
in der Geschäftsstelle der Berliner
Fleischerzeitung.      [Vergrößern]

Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 1, S. 45.


Kriegsspende des deutschen Buchhandels.
Kriegsspende des deutschen
Buchhandels.      [Vergrößern]

Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 1, S. 45.


In Berlin zum Versand aufgestapelte Liebesgaben.
In Berlin zum Versand aufgestapelte
Liebesgaben.      [Vergrößern]

Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 1, S. 45.
Ein weiteres umfangreiches Arbeitsfeld des Deutschen Roten Kreuzes erstreckte sich auf die Kriegswohlfahrtspflege, d. h. die allumfassende, außerhalb des staatlichen Sanitätsdienstes liegende Fürsorge für die Kriegsteilnehmer und ihre Angehörigen in der Heimat. Der Sanitätsdienst wurde dabei durch die [561] Überweisung großer Mengen von Liebesgaben an die in den Lazaretten usw. des Kriegsgebiets und der Heimat befindlichen Kranken und Verwundeten unterstützt. Die Verteilung erfolgte im Einvernehmen mit den Chefärzten durch Depots der Freiwilligen Krankenpflege. Die mit den Etappensanitätsdepots (s. S. 434) in enger Arbeitsgemeinschaft stehenden Depots der Freiwilligen Krankenpflege unterstanden einem Delegierten; sie waren mit 1 Zug (1 Zugführer, 40 Mann) besetzt und verwalteten und verteilten die aus den heimatlichen Sammelstellen einlaufenden reichen Gaben.

Unter diesen waren von besonderem Wert: allerlei Erfrischungs-, Labungs-, Stärkungs- und Genußmittel, die nicht zur planmäßigen Krankenverpflegung gehörten und auch durch Beitreibung nicht zu beschaffen waren. Ferner die verschiedenen Geräte und Gegenstände zur besseren Bettung und Lagerung der Schwerkranken und Schwerverwundeten; dann allerlei Gegenstände, um die Krankenräume freundlicher zu machen und besser auszustatten, vor allem aber Lesestoff und Unterhaltungsspiele. Es ist so möglich geworden, manches Lazarett, was Einrichtung und Betrieb anbetrifft, mindestens ebensogut wie in der Heimat, wenn nicht besser zu gestalten, als es dort, namentlich gegen Ende des Krieges, unter dem immer stärker werdenden Druck der Verhältnisse möglich gewesen ist. Dies gilt nicht nur für die großen schönen Anlagen der Kriegslazarette in den reichen Städten Nordfrankreichs, sondern auch für manches hier dicht hinter der Kampffront oder in den elenden Ortschaften Russisch-Polens, Mazedoniens gelegenes Feldlazarett, dessen bescheidene Räume vorher vielleicht ganz anderen Zwecken gedient hatten.

Auch bei der Sicherung und Durchführung des Gesundheitsdienstes hat das Rote Kreuz wirksamst mitgeholfen. Dies betrifft die Lieferung von Mineralwasser an diejenigen Truppenteile und Lazarette usw., die unter ungünstigen Trinkwasserverhältnissen zu leiden hatten. Nicht überall konnten die Trinkwasserbereiter hinkommen, z. B. nicht in die Schützengräben. Die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung war aber angesichts ihrer Bedeutung bei den durch Wasser übertragbaren Kriegsseuchen von der allergrößten Wichtigkeit. Man kann also ermessen, in welchem Umfange das Rote Kreuz bei den Vorbeugungsmaßnahmen gegenüber den Kriegsseuchen erfolgreich mitgewirkt hat, wenn man sich die tatsächliche Leistung vergegenwärtigt. Es sind vom Roten Kreuz 21,2 Millionen Flaschen Mineralwasser geliefert worden. Wahrlich eine großartige Leistung!

Bei der Kriegswohlfahrtspflege haben auch die Soldatenheime, die vom Roten Kreuz, allerdings außerhalb des Sanitätsdienstes, überall hinter der Front und in den besetzten Gebieten eingerichtet worden sind, und die Urlauberheime in der Heimat eine wichtige Rolle gespielt. Hier fanden Mannschaften wie Offiziere Ruhe und Erholung, Gelegenheit zum Schreiben und Lesen, Auffrischung und oft genug Rat und Hilfe in den häuslichen Dingen oder in ge- [562] schäftlichen Angelegenheiten durch Vermittlung der Geistlichen oder sonstiger geeigneter Ratgeber. Viel Segen ist von diesen Einrichtungen ausgegangen, die vielfach von Damen der ersten Kreise ehrenamtlich geleitet, auch oft auf deren Kosten unterhalten worden sind.

Einen weiteren wesentlichen Teil der Kriegswohlfahrtspflege bildete und bildet noch jetzt die Fürsorge für die Kriegsbeschädigten.

Wie aus dem wissenschaftlichen Teil der Darstellung des Kriegssanitätsdienstes - vgl S. 473 ff. - hervorgeht, ist es noch in keinem früheren Feldzug gelungen, einen so hohen Prozentsatz von Verwundeten und Erkrankten völlig wiederherzustellen wie in diesem Kriege. Was übrig blieb, waren die Kriegsbeschädigten verschiedenen Grades, von nur Dienstuntauglichen bis zum hilflosen Krüppel. Daß sich das Rote Kreuz aller dieser Kriegsopfer mit besonderer Liebe angenommen hat und weiter noch annimmt, bedarf keiner weiteren Betonung. Mit den feinsten Methoden der Psychologie wurde versucht, diese seelisch vollkommen zusammengebrochenen Männer erst einmal wieder mit neuem Lebensmut zu erfüllen. Das gelang gerade bei den schwersten Fällen, bei denen alle anderen Ablenkungsversuche versagten, meist erst dann, wenn der Kriegsbeschädigte auf Grund praktischer Versuche zu dem Glauben sich durchgerungen hatte, daß er trotz seiner Verstümmelung wieder ein nützliches, Werte schaffendes Mitglied der menschlichen Gesellschaft werden könnte. War diese Überzeugung einmal gefestigt, so hat die dann einsetzende eigentliche Berufsausbildung häufig zu geradezu erstaunlichen Ergebnissen geführt. Selbst der kleinste Rest verbliebener Arbeitsmöglichkeit ist unter Beihilfe der Behörden auf Grund einer streng wissenschaftlich durchgebildeten Arbeitstherapie zu neuer Arbeitsfähigkeit und Arbeitsfreude entwickelt worden.

Das Rote Kreuz (Abt. VIII des Zentralkomitees und die Landesorganisationen) hat an diesem Hilfswerk für die Kriegsbeschädigten hervorragenden Anteil genommen. Es ließ durch bewährte Lehrkräfte den Blinden und Tauben, den Gelähmten, Einarmigen und allen sonstigen Verstümmelten unter individueller Behandlung jedes einzelnen Falles Unterricht erteilen, stellte das Lehr- und Übungsmaterial bereit, richtete Werkstätten ein und scheute vor keiner Mühe, vor keiner Ausgabe zurück, um diese Opfer des Krieges für die Wiederaufnahme des Kampfes ums Dasein so gut wie nur möglich auszurüsten und ihm neue Berufsaussichten zu eröffnen, wenn die Art der Kriegsbeschädigung die Wiederaufnahme der alten Arbeit ausschloß.

In Verbindung mit allen amtlichen und den privaten großen Organisationen der Kriegsbeschädigtenfürsorge hat das Rote Kreuz die Bäderfürsorge zu einer großangelegten, über den Krieg hinaus in den Frieden weisenden Wohlfahrtseinrichtung ausgebaut. Ihr Zweck ist die Unterbringung von heeresentlassenen Kriegsteilnehmern und Mitgliedern der Freiwilligen Krankenpflege, die zur Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit noch eines Heilverfahrens be- [563] dürfen, für die aber nach den bestehenden Bestimmungen weder die Heeresverwaltung noch die Versicherungsträger die Kosten übernahmen. Mit den deutschen Bädern und Heilanstalten wurden feste Verträge zwecks Aufnahme der Kriegsbeschädigten zu Ausnahmebedingungen abgeschlossen. In ganz Deutschland standen während des Krieges so viel Betten zur Verfügung, daß gleichzeitig etwa 100 000 Kriegsteilnehmer Unterkunft finden konnten. Ähnliche Verträge bestanden mit österreichischen und ungarischen Bädern. Die Abteilung IX des Zentralkomitees hatte schon innerhalb des ersten Jahres nach Einrichtung der Bäderfürsorge über einer Million Kriegsteilnehmer die Kurversorgung verschaffen können. Diese Bäderfürsorge beschränkte sich keineswegs auf die Kriegszeit, sondern ist bestimmt, noch auf Jahrzehnte hinaus bei der Beseitigung der Kriegsschäden auf gesundheitlichem Gebiet in Ergänzung der staatlichen Einrichtungen mitzuwirken.

Ebenfalls im Interesse der Kriegsbeschädigten sind neue Heilanstalten für Lungenkranke eröffnet worden und im Herbst 1918 hat das Zentralkomitee gemeinsam mit dem Reichsausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge und dem Hilfsbund für deutsche Kriegerfürsorge in Davos (Schweiz) eine Heilstätte für Lungenkranke erworben, die unter dem Namen "Deutsches Kriegerkurhaus Davos" in erster Linie lungenkranken Kriegsbeschädigten aus dem Mittelstande zugute kommen soll.

Leider haben unverständliche Verhetzung in den Reihen der Kriegsbeschädigten, zum Teil auch unklare Vorstellungen über die Versorgungsmöglichkeiten und die Versorgungspflicht des Staates, zum großen Teil auch geradezu unsinniges Rentenbegehren dem segensreichen Werke der Kriegsbeschädigtenfürsorge nicht unerheblich Abbruch getan. Durch häßliche Vorgänge, ebenso wie durch wiederholte Versuche das Mitleid zu täuschen, ist die öffentliche Meinung im ablehnenden Sinne beeinflußt worden; das wird zur Folge haben, daß dem Roten Kreuz für diesen Zweck weniger Mittel zufließen werden, ein Umstand, der an sich in hohem Grade bedauerlich ist, unter dem aber die Kriegsbeschädigten zunächst selbst am meisten zu leiden haben werden.

Noch auf eine andere, zahlenmäßig wohl kaum zu erfassende Gruppe der Opfer des Krieges hat das Deutsche Rote Kreuz seine Fürsorgetätigkeit erstreckt: auf die Kriegsgefangenen und Vermißten, nicht allein des Deutschen Heeres und der Marine usw., sondern ebenso auch der der Gegner, weiter auf die Flüchtlinge aus den vom Feinde besetzten Gebiete (Ostpreußen), auf die deutschen Rückwanderer aus den deutschen Kolonien und den feindlichen Ländern, vor allem auch aus den Gebieten, die Deutschland nach dem Vertrage von Versailles abzutreten gezwungen worden ist. Diese Fürsorgetätigkeit berührt den Heeressanitätsdienst auf dem Gebiet der Seuchenabwehr und -bekämpfung, stellt aber auch sonst eine großartige Leistung dar, so daß sie hier, wenn auch nur kurz, besprochen werden soll.

[564] Nach der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907, das endliche Ergebnis vielfacher früherer Bestrebungen auf internationalen Konferenzen über diesen Gegenstand, sollten die Kriegsgefangenen "mit Menschlichkeit" behandelt werden. Die IX. internationale Konferenz des Roten Kreuzes 1912 in Washington hatte daraufhin beschlossen, die Kriegsgefangenenfürsorge in den Kreis der Aufgaben des Roten Kreuzes zu ziehen. Infolgedessen wurde bei Kriegsausbruch von seiten des Deutschen Roten Kreuzes sofort mit der Organisation begonnen. Ende 1914, nach Überwindung großer Schwierigkeiten, war das System der geschäftlichen Behandlung der Kriegsgefangenenfürsorge richtig durchgebildet. In engster Verbindung mit dem Zentralnachweisebureau des preußischen Kriegsministeriums als der zuständigen Dienststelle für die amtliche Bearbeitung aller Kriegsverluste wurde eine einheitliche Arbeitsgemeinschaft geschaffen, die wie folgt gegliedert war:

Meldewesen für vermißte und gefangene Angehörige des deutschen Heeres:

  1. Abteilung VII des Zentralkomitees für alle Länder;
  2. der Ausschuß für deutsche Kriegsgefangene des Frankfurter Vereins vom Roten Kreuz für Süd- und Westdeutschland;
  3. der Deutsche Ausschuß für Kriegsgefangene des Hamburgischen Landesvereins vom Roten Kreuz für Nord- und Ostdeutschland, einschließlich Sachsen.

Meldewesen für vermißte und gefangene Angehörige der feindlichen Heere:

  1. Abteilung VII des Zentralkomitees, welches gemäß § 14 der Haager Landkriegsordnung dem Zentralnachweisebureau beim Kriegsministerium angeschlossen war (das letztere beschränkte sich auf die Aufstellung der amtlichen Gefangenenlisten und auf die Auskunftserteilung über gefangene Deutsche);
  2. der Ausschuß für deutsche Kriegsgefangene des Frankfurter Vereins vom Roten Kreuz (Ausländer-Abteilung) für Frankreich, England und Amerika und für die Angehörigen anderer Armeen;
  3. der Ausschuß für deutsche Kriegsgefangene vom Hamburgischen Landesverein des Roten Kreuzes für Rußland;
  4. die Badische Gefangenenfürsorge in Freiburg für kriegsgefangene Feinde, die im Großherzogtum Baden untergebracht waren;
  5. der Verwundeten- und Vermißtennachweis des Roten Kreuzes in Köln für kriegsgefangene Feinde innerhalb des 7. Armeekorps.

Die geldliche Unterstützung der Gefangenen in Frankreich übernahm:

  1. der Ausschuß für deutsche Kriegsgefangene in Frankfurt a. M.;
  2. der Gefangenen in England und den englischen Kolonien der Ausschuß für deutsche Kriegsgefangene in Köln;
  3. [565] der Gefangenen in Rußland der Ausschuß für deutsche Kriegsgefangene in Hamburg;
  4. die Unterstützung mit Liebesgaben nach Frankreich: die Kriegsgefangenenfürsorge des Württembergischen Landesvereins in Stuttgart und späterhin der auf neutralem Boden geschaffene Hilfsdienst für die Kriegs- und Zivilgefangenen in Frankreich;
  5. die Unterstützung mit Liebesgaben nach Rußland: der unter Mitwirkung des Roten Kreuzes geschaffene Deutsche Sonderausschuß, Kriegsgefangenenhilfe, Kopenhagen;
  6. die Liebesgaben für die Gefangenen in England: der Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes im Haag;
  7. die geistige Fürsorge übernahm:
    1. für Frankreich die Deutsche Kriegsgefangenenfürsorge Bern, Abt. Bücherzentrale, Gümlingen bei Bern,
    2. für England die Deutsche Christliche Studentenvereinigung in Berlin,
    3. für Rußland die Deutsche Christliche Studentenvereinigung in Berlin und der Deutsche Sonderausschuß, Kriegsgefangenenhilfe, Kopenhagen.

Auf Grund dieser Vereinbarung hat sich der Geschäftsgang sofort in zweckmäßigster, jede Kollisionsmöglichkeit verhindernder Weise geregelt.

Auf dem Boden dieses Systems entwickelte sich allmählich ein umfangreicher Austausch von Liebesgaben sowohl für die deutschen Gefangenen und Internierten im feindlichen Auslande, wie für die fremden Gefangenen in Deutschland. Daß diese Arbeit der Gefangenenfürsorge bei deren Riesenzahl gewaltig war, versteht sich von selbst. Allein in Berlin waren ständig 260, in Hamburg 300 - 400, in Frankfurt a. M. gar 600 - 700 Personen meist ehrenamtlich tätig.

Das Deutsche Rote Kreuz hat in gemeinsamer Arbeit mit dem Roten Kreuz der neutralen Staaten und feindlichen Länder sich fortgesetzt bemüht, das Los der Kriegsgefangenen zu bessern. In Dankbarkeit gedenkt es der tatkräftigen Unterstützung durch das Internationale Komitee in Genf und durch die Organisationen des Roten Kreuzes in den neutralen Ländern, vor allem in Schweden, Dänemark und der Schweiz. Auch das Russische Rote Kreuz war stets zur Mitarbeit bereit, solange und soweit es ihm bei den Verhältnissen in Rußland möglich war. In Frankreich und England fand das Deutsche Rote Kreuz bei den amtlichen Auskunftsstellen, dem Bureau de Renseignements sur les Prisonniers de Guerre in Paris und dem Prisoners of War Information Bureau in London, das Entgegenkommen und die Unterstützung, ohne welche der Nachforschungs- und Auskunftsdienst aussichtslos gewesen wäre.

Auch auf die Bewohner der besetzten Gebiete in Frankreich hat sich die Fürsorgetätigkeit des Deutschen Roten Kreuzes erstreckt. Mit Einverständnis [566] der Obersten Heeresleitung und unter deren Aufsicht wurde in Frankfurt a. M. eine Geschäftsstelle errichtet, die nach einem besonderen Plan den regelmäßigen Nachrichtenverkehr der Bewohner des besetzten Gebiets mit ihren Angehörigen im unbesetzten vermittelte und das Unterstützungswesen für jene leitete. Diese Einrichtung hat sich aufs beste bewährt; sie fand von seiten Spaniens als Schutzmacht und besonders bei dem Internationalen Komitee in Genf warme Unterstützung. Für Belgien, für das ja besondere Verhältnisse bestanden, waren besondere Vorschriften erlassen. Bei der Heimschaffung der aus den Kampfgebieten in Nordfrankreich abzubefördernden Zivilbevölkerung über Belgien und die Schweiz nach dem unbesetzten Frankreich war das Rote Kreuz tatkräftig mitbeteiligt. So sind die Transporte regelmäßig von Schwestern und Pflegern begleitet gewesen, die in zahlreichen Fällen ratend und namentlich den Schwachen und Kranken helfend eingegriffen haben.

Die Flüchtlingsfürsorge stellte das Rote Kreuz vor gewaltige Aufgaben; sie entwickelte sich rasch, als im August 1914 der erste Russeneinbruch nach Ostpreußen erfolgte, der zur Folge hatte, daß rund eine Million Einwohner die Wohnstädten verließ und nur mit dem Nötigsten versehen - meist zu Fuß - die Wanderung zur Weichsel antrat. Sofort setzte zur Unterstützung der Hilfsorganisationen des Staates ein großzügiges Hilfswerk: die "Ostpreußenhilfe" ein. Nachdem die Russen nach kurzer Zeit die Provinz geräumt hatten, strömte die Masse der Flüchtlinge wieder zurück. Jetzt galt es, diesen Rückwanderern die Reise in den Heimatsort zu erleichtern und bei dem Wiederaufbau der zerstörten Wohnstätten planmäßig mitzuwirken. Kaum war dies Ziel einigermaßen erreicht, da drangen die Russen im November 1914 zum zweiten Male ein und besetzten etwa ein Fünftel der Provinz, das sie erst vier Monate später, nach Hindenburgs Siegen, verließen, nachdem sie, wie bekannt, von Grund aus alles vernichtet oder geraubt hatten. Auch bei dem zweiten Einfall waren etwa 400 000 Einwohner geflüchtet; von den wenigen Zurückgebliebenen, die nicht rechtzeitig hatten fortkommen können oder die ihre Scholle nicht verlassen wollten, waren 11 000 ins innere Rußland verschleppt.5

War diesmal die Not viel größer, so war doch die Abhilfe besser vorbereitet. An allen in Betracht kommenden Bahnlinien und Landstraßen waren Verpflegungsstellen eingerichtet worden, wo die Flüchtenden mit Lebensmitteln, wärmenden Kleidungsstücken - erfolgte doch die Flucht mitten im tiefsten Winter -, Arzeneien versehen wurden und vor allen Dingen ärztlichen Rat erhielten. Viel Kinder, Kranke und Greise befanden sich unter den Flüchtlingen, gar mancher starb. Auch die Verteilung der Flüchtlinge im übrigen Deutschland war sorgfältig vorbereitet gewesen, so daß sich die Fürsorge für sie, nachdem sie [567] erst einmal in die Obhut des Roten Kreuzes getreten waren, nunmehr in glatten Bahnen vollzog. - Als im Februar 1915 die Russen endgültig aus der Provinz vertrieben waren, folgte den siegreichen deutschen Truppen unmittelbar eine Schar freiwilliger Helfer und Helferinnen, die aus Vorstandsmitgliedern der örtlichen Rote-Kreuz-Organisation, Krankenpflegern und Schwestern bestehend, sofort ans Werk ging, um überall die Hilfe für die rückkehrenden Einwohner planmäßig einzuleiten und vor allem mit liebevoller Fürsorge die wenigen, körperlich und seelisch schwer erschütterten Zurückgebliebenen wieder aufzurichten. Diese Gruppen, "Heimathilfe" benannt, sorgten dafür, daß die Heimkehrenden Kleidung, Nahrung und alles sonst Nötige vorfanden, um den Wiederaufbau und vor allen Dingen die dringend nötige Arbeit der Feldbestellung beginnen zu können. Überall wurden Volksküchen, Pflegestellen für Kranke und Niederlagen von Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Hausrat eingerichtet. Aus ganz Deutschland waren unendlich reiche Gaben, teils in Geld, teils in Sachen aller Art gesammelt worden; letztere wurden nach bestimmtem Plane, meist waggonweise, an den Ort des Bedarfes gesandt. In Königsberg befand sich eine Hauptliebesgabenstelle des Provinzialverbandes vom Roten Kreuz, die bei der Verteilung in ausgedehntem Maße mitwirkte.

Die Rückkehr der Einwohner erfolgte selbstverständlich erst, nachdem durch staatliche Sanierungskolonnen die dringend notwendige Entseuchungsarbeit getan war; denn mit den Russen waren gleichzeitig auch die gefährlichen Infektionskrankheiten, vor allem das Fleckfieber ins Land gekommen. Wenn Ostpreußen sich trotz der schweren Bedrängnis und Zerstörung verhältnismäßig rasch wieder erholt hat, so verdankt es dies, neben der Unterstützung durch den Staat, nicht zum wenigsten dem großzügigen Hilfswerk der "Ostpreußenhilfe" des Roten Kreuzes.

Eine zweite Gruppe der Flüchtlinge bildeten die in den feindlichen Ländern ansässig gewesenen Reichsdeutschen und diejenigen Deutschen, die aus den abgetretenen Randgebieten ausgewiesen waren; erstere hatten in den meisten Fällen alles verloren; sie mußten sich nun ihr Leben wieder ganz neu aufbauen, diese bedurften auch vielfach des Rates und der Unterstützung.

Das Hilfswerk des Roten Kreuzes für die deutschen Rückwanderer gewinnt dadurch eine besondere Bedeutung, daß es amtlichen Charakter erhielt. Ein Erlaß des preußischen Ministeriums des Inneren übertrug nämlich (8. August 1915) die amtliche Fürsorge für die flüchtenden Auslandsdeutschen dem Zentralkomitee der Vereine vom Roten Kreuz. Diesem Beispiele folgten dann die meisten anderen Bundesstaaten. Die Abteilung XI des Zentralkomitees übernahm in enger Verbindung und Arbeitsgemeinschaft mit sämtlichen nichtamtlichen Organisationen, vor allem mit den Vertretern der Rückwanderer selbst, nunmehr die Fürsorge.

[568] Es wurden Grenzüberwachungs-Beratungsstellen, Arbeitsvermittelungs- und Fürsorgestellen und ähnliches eingerichtet; vor allem wurde eine Verordnung des Bundesrats (Januar 1916) herbeigeführt, die die Flüchtlingsfamilien hinsichtlich der reichsgesetzlichen Familienunterstützung den Familien der Feldzugsteilnehmer gleichstellte. So ist es wenigstens zum Teil gelungen, das Leben von mehr als hunderttausend Menschen, die Beruf und Vermögen verloren hatten, von Grund aus neu aufzubauen.

In das Gebiet der Kriegswohlfahrtspflege gehören noch eine Reihe von Einrichtungen, namentlich der "Vaterländischen Frauenvereine", die schon im Frieden geschaffen worden waren und lange schon bestanden, die aber im Kriege naturgemäß besondere Bedeutung gewannen. Es sind dies: Gemeindekrankenpflegestellen, Schwangeren- und Säuglingspflegestellen, Krippen usw., Haushaltungs- und Handarbeitsschulen, Volks-, Milch- und Kaffeeküchen u. a. m. - Hierzu traten endlich Beratungsstellen für Jugendliche und Heranwachsende und namentlich eine ausgedehnte Arbeitsvermittelung, die es ermöglichte, die Frauen und Mädchen, die Arbeitsverdienst zum Lebensunterhalt brauchten, zu Hunderttausenden in den großen militärischen Betrieben und in den Fabriken für Kriegsbedarf unterzubringen.

Das gesamte gewaltige Hilfswerk, das das Deutsche Rote Kreuz während des Krieges vollbracht hat, wurde nur dadurch ermöglicht, daß es anderen Wohlfahrtsvereinen im Vaterlande gegenüber niemals als Konkurrent, sondern von jeher als mitstrebend nach gleichem Ziel aufgetreten ist und überall da, wo es nötig und wünschenswert erschien, mit seinen Mitteln helfend beigesprungen ist. Auf diesem Wege hat es sich mit den staatlichen, städtischen, kirchlichen Behörden, mit den konfessionellen Verbänden, den Kriegshilfsvereinen aller Art und den vielen anderen Wohlfahrtsinstitutionen in Stadt und Land engste Verbindung geschaffen. Diese Arbeitsgemeinschaft hatte zur Folge, daß der Vergeudung an Kräften, Personal und Geld vorgebeugt und die größtmöglichste Leistung mit dem geringsten Aufwand an Mitteln erzielt wurde.

Das Rote Kreuz ist heute notwendiger denn je. Der Glaube an seine innere Kraft in ihm unbeirrbar; so wird es auch in dunkler Zukunft seiner Aufgabe, Menschennot und Menschenleid zu lindern, gerecht werden.


1 [1/550]Unter Benutzung des Berichts des Deutschen Roten Kreuzes über seine Tätigkeit seit 1902 und der Schrift Das Deutsche Rote Kreuz im Weltkriege von Professor Kimmle, Generalsekretär des Zentralkomitees des Deutschen Vereins vom Roten Kreuz, Berlin 1909, Verlag Heinrich Grand. ...zurück...

2 [1/551]Die mit * bezeichneten Abteilungen bestanden, zum Teil anders benannt, schon im Frieden. ...zurück...

3 [1/552]Die mit * bezeichneten Abteilungen bestanden, zum Teil anders benannt, schon im Frieden. ...zurück...

4 [1/554]Die Beteiligung der Mitglieder der Freiwilligen Krankenpflege an dem Heeressanitätsdienst ist, um den Zusammenhang zu wahren, in der vorangegangenen Darstellung desselben - siehe den sechsten Abschnitt - an den entsprechenden Stellen eingehend besprochen und gewürdigt worden. Eine Wiederholung der Schilderung im vorliegenden Abschnitt erübrigt sich also. ...zurück...

5 [1/566]Diese sind, soweit sie nicht inzwischen umgekommen waren, erst im Sommer 1918 mit Hilfe des Roten Kreuzes wieder zurückgeführt worden. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte