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Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg

Abschnitt: Der Krieg um die Kolonien   (Forts.)
Oberst Dr. Ernst Nigmann

5. Deutsch-Südwestafrika.
Scriptorium merkt an:
bei diesem Abschnitt verweisen wir
noch besonders auf das Kapitel
"Wie Deutsch-Südwest verloren ging"
aus dem Sammelwerk
"Das Buch der deutschen Kolonien".

Die 1884 erworbene Kolonie Südwestafrika hatte etwa die anderthalbfache Größe des Deutschen Reichs. Im Süden und Osten war England (Kapkolonie) ihr Nachbar, dem auch die der Küste vorgelagerten Guano-Inseln und die Walfischbay gehörten, während sie nördlich an portugiesisches Gebiet - Angola - grenzte. Südwestafrika ist eine anfangs sanft, dann steiler ansteigende Terrassenlandschaft, die sich binnenwärts noch innerhalb der Ostgrenze wieder zu senken beginnt. Der Küstengürtel, die Namib, ist öde, nur die Täler der größeren Flüsse bilden Oasen. Das Innere, die Mitte der Kolonie, ist von zahlreichen Gebirgsketten durchzogen, die dann wieder nach Osten zu der Kalahari-Steppe abfallen. Von den wenigen Flüssen führen nur Oranje und Kunene dauernd Wasser, die übrigen liegen während des größten Teils des Jahres trocken. Die Frage der Wassererschließung war daher im Frieden, mehr noch während der Kriegführung, auf beiden Seiten eine der wichtigsten. Die weiße Bevölkerung der Kolonie bestand aus etwa 15 000 Köpfen, davon waren:
      2000 Mann Friedensstärke der Schutztruppe,
      6000 Frauen und Kinder,
      5000 erwachsene deutsche Männer der Zivilbevölkerung und
      2000, meist feindliche, Ausländer.

Aus diesem Mißverhältnis zwischen Deutschen und Ausländern geht schon eine grundlegende Schwierigkeit hervor: eine einheitliche Erhebung, ein restloses Zusammenarbeiten aller Weißen, wie es in so unvergleichlicher Weise die Kolonie Deutsch-Ostafrika vollbracht hat, war hier nicht möglich. Deutschfeindliche Strömungen und Stimmungen, ja Spionage und Verrat, mußten bei diesem gewaltigen Prozentsatz von feindlichen Ausländern an der Tagesordnung sein. Dieser Umstand darf bei Beurteilung der südwestafrikanischen Kämpfe nicht außer acht gelassen werden. Die Mehrzahl der Weißen waren Siedler, mit diesen mußte die geringe Truppe aufgefüllt werden. Man darf sich aber nun durchaus nicht vorstellen, daß die zur Vervollständigung der Truppe eingezogenen Deutschen der Zivilbevölkerung etwa kraftstrotzende Reitersleute gewesen wären, deren Büchse niemals fehlte; oft war eher das Gegenteil der Fall. Die schwere Arbeit des Siedlers strengt, namentlich bei der sehr unregelmäßigen, auch inhaltlich oft mangelhaften Ernährung, außerordentlich an; der Mensch dörrt aus, altert schnell, verliert an Körperkraft und auch an Energie. So war namentlich, als man zuletzt eben auf alles, auch das letzte Menschenmaterial zurückgreifen mußte, die Truppe [363] nur von sehr beschränkter Gefechtskraft. Eine wohldisziplinierte Eingeborenentruppe wäre, wie in anderen Kolonien, so auch hier wohl zu längerem Widerstand befähigt gewesen.

Deutsch-Südwestafrika.

[363]
      Skizze 14: Deutsch-Südwestafrika.

Die Eingeborenenbevölkerung bestand im wesentlichen aus etwa 60 000 Hereros, Damara und Buschleuten. Die in der Gegend von Rehoboth ansässigen Bastards, etwa 3000 Köpfe, eine Mischung von Eingeborenen und Buren, bildeten eine "Nation" für sich und standen in jeder Beziehung höher als die Eingeborenen; von ihnen wird später noch eingehender die Rede sein. Aufstände der [364] Hereros und Hottentotten, zuletzt der große Aufstand 1904, hatten viel Werte an Menschenleben, Kapital und Vieh vernichtet. Es war nur zu natürlich, daß die Eingeborenen mit ihrem Mißgeschick nicht zufrieden, daß auch die ihnen geschlagenen Wunden noch nicht verheilt waren. Deshalb konnte man bei Beginn des Weltkrieges in Südwest der Haltung der Eingeborenen den Deutschen gegenüber weniger sicher sein wie anderen Orts, weshalb auf die örtliche Sicherung gegen die Eingeborenen auch während der großen militärischen Handlungen niemals verzichtet werden durfte. Immerhin war die deutsche Verwaltung zu Beginn des Weltkrieges auf gutem Wege, die Eingeborenen zu brauchbaren Mitarbeitern heranzuziehen, und tatsächlich haben sich die Eingeborenen gut gehalten. Mit Ausnahme der vom englischen Einfluß besonders bearbeiteten Bastards sind sie ruhig geblieben; davon, daß sie die Engländer herbeigesehnt hätten, um sie vom deutschen Joche zu befreien, kann gar keine Rede sein. Ebenso wie in Deutsch-Ostafrika, Kamerun und der Südsee denkt der Eingeborene über die Segnungen der britischen Herrschaft im Gegensatz zur deutschen recht zweifelnd.

Es steht heute unbedingt fest, daß es seit langem britische Absicht war, Südwest dem britischen Empire einzuverleiben. Englische Politik hat es seit Jahrhunderten verstanden, Kolonien durch Mühe und Kosten anderer aus dem Rohen herausarbeiten zu lassen, um sich dann selbst in die wohlaufgebaute Kolonie zu setzen. Dieses, Franzosen, Holländern und Spaniern gegenüber angewendete Verfahren griff erst recht hier Platz, wo die deutsche Kolonie als Keil inmitten Britisch-Südafrikas (das nördlich angrenzende, von England völlig abhängige portugiesische Gebiet rechnet nicht) gelegen war. Und die Diamantfunde 1908 waren sicher geeignet, die britische Begehrlichkeit nicht abzuschwächen.

Eine Vorbereitung zum Kampf gegen einen äußeren Feind war in Südwest ebensowenig planmäßig vorgesehen wie in den anderen Kolonien; für eine solche wäre die Volksvertretung in der Heimat auch niemals zu haben gewesen. So konnte von einem angriffsweisen Vorgehen gegen den britischen Nachbar keine Rede sein, das Kräfteverhältnis dafür machte ein solches von vornherein aussichtslos. Es handelte sich also um Verteidigung, um möglichst lange hinhaltende Kriegsführung unter Binden der feindlichen Kräfte. Hoffte man doch, und mit voller Berechtigung, daß die für Deutschland günstige Entscheidung in nicht zu ferner Zeit in Europa fallen würde.

Der Schwerpunkt des deutschen Grenzschutzes lag an der Süd- und Südostgrenze; dem im Verhältnis zum deutschen Gebiet reichen britischen Südafrika war es nicht schwer, mit seinen vielen Mitteln und unter Anschluß an sein Eisenbahnnetz, das öde Grenzgebiet zu überwinden. Ferner war mit Truppenlandung in Lüderitzbucht und in der Walfischbai zu rechnen. Zur Abwehr waren jedoch keine hinreichenden Kräfte deutscherseits mehr verfügbar, es erschien daher besser, auf die Küstenverteidigung zu verzichten, den Gegner sich mit dem breiten, der Küste folgenden Wüstengürtel abfinden zu lassen und ihm an selbst gewählter Stelle [365] später entgegenzutreten. - Im Osten bildete die Kalahari ein starkes natürliches Hindernis; hier war die Gefahr eines Einfalls gering. - Die Verhältnisse im Norden, ebenso wie Portugals Haltung, waren ganz ungeklärt. Starke Beobachtung war hier am Platze.

Die Truppe bestand aus 2000 Mann Friedensstärke; 5000 erwachsene Männer der deutschen Zivilbevölkerung waren vorhanden. Wenn also - vorübergehend - die Gesamtstärke von annähernd 6000 Soldaten erreicht wurde, so erhellt daraus, daß tatsächlich alles eingestellt wurde, was noch irgend brauchbar und abkömmlich erschien. So verblieben aber trotz ständig notwendig werdender Entlassungen stets noch viele, namentlich Tropen-, Herz- und Fieberleidende in der Truppe, die von sehr fragwürdigem Gefechtswert waren. - Die Ausbildung der Truppe selbst war gut. Nachteilig war allerdings, daß die Kompagnien, Batterien, ja Züge räumlich weit voneinander getrennt waren, so daß die höheren Vorgesetzten manche Teile der Truppe selten zu sehen bekamen, daß auch Übungen in größeren und gemischten Verbänden kaum stattgefunden hatten. Die Truppe war, wie bekannt, eine berittene Infanterie, dazu Feldartillerie mit Gebirgsgeschützen. Die für die verstärkte Truppe nötigen Pferde ließen sich, allerdings mit großer Mühe, aufbringen, Ersatz für Abgänge war aber nahezu ausgeschlossen. Die Bewaffnung war gut: Infanterie mit Gewehr 98, Artillerie mit dem Gebirgsgeschütz Ehrhardt, Munitionsvorrat war reichlich vorhanden. Das Signalgerät bewährte sich, mehr noch die fahrbaren Funkenstationen, die, wohl infolge der reinen afrikanischen Luft, auf Entfernungen weit über 300 km wirkten und viele wichtige Funksprüche der Schiffe auf See abzuhören vermochten.

Das Bahnnetz war noch kurz vor dem Kriege durch Fertigstellung der Nord-südbahn Windhuk - Keetmanshoop beendigt worden. Dies war von ausschlaggebender Bedeutung, da nur auf diese Weise der Verkehr zwischen der Hauptbasis Windhuk und dem ersten Hauptkriegsschauplatz an der südlichen Grenze ermöglicht werden konnte. Kraftfahrzeuge gelangten nicht zur Verwendung; zwei vorhandene veraltete Flugzeuge haben Anerkennenswertes geleistet.

Die Verpflegung konnte dadurch, daß seitens der Regierung alles Vorhandene großzügig erfaßt und auf Zivilbevölkerung, Eingeborene und Truppe verteilt wurde, wenn auch knapp, im Gange gehalten werden. Der Sanitätsdienst war, wie allerorts bei deutschen Truppenteilen, auch hier auf der Höhe. - Die Wassererschließung war für die Entwicklung der Kolonie ein Faktor von nahezu entscheidender Bedeutung; eine großzügige, allerdings kostspielige Organisation hätte dieses auch sicher erreicht. Bisher waren jedoch die vorhandenen Wasserstellen nur spärlich. Auch diese wurden, um dem Gegner das Vordringen zu erschweren, bis auf wenige, für Streifpatrouillen notwendige, unbrauchbar gemacht. Eine wesentliche Erschwerung seiner Kriegführung ist jedoch dem Gegner, der bestes Bohrgerät überreichlich mitführte, hierdurch nicht entstanden.

[366] Unter dem Kommandeur der Schutztruppe, Oberstleutnant v. Heydebreck, wurden anfangs August an Feldtruppen aufgestellt:

    3 Feldbataillone zu je 3 bis 4 Kompagnien (v. Rappard, Franke, Ritter) und eine selbständige (Kamelreiter-) Kompagnie,
    6 Batterien (reitende, Gebirgs- und 1 Haubitzbatterie), davon 3 in einer Abteilung (Bauszus) zusammengefaßt,
    2 Verkehrszüge,
    2 Kolonnenabteilungen,
    4 Feldlazarette.

An Besatzungstruppen: die verschiedenen Ortsbesatzungen und der Küstenschütz Swakopmund.

Schließlich die unter den Etappenkommandos Nord, Mitte, Süd erst allmählich entstehenden Etappentruppen.

Vorausgreifend seien hier noch einige Worte über das "südafrikanische Freikorps" eingeschaltet, das allerdings erst etwas später, Anfang September, entstand. Es mußte der Regierung daran gelegen sein, die über das ganze Land zerstreuten nicht absolut zuverlässigen Buren - die ja nicht wehrpflichtig waren - in regierungsgenehme Bahnen zu lenken. Der Burenführer Andries de Wet fand den richtigen Weg, indem er durch Aufruf zum Kampf für die alte Burenfreiheit gegen die aufgedrungene britische Herrschaft aufrief. So kam ein kleines, innerlich zwar wenig gefestigtes Korps zusammen, das aber - der Bur ist eben Natursoldat! - doch recht Brauchbares geleistet hat.

Beim Gegner waren nach dem Burenkriege an national-britischen Truppen etwa gegen 10 000 Mann aller Waffen in Südafrika verblieben. Die Organisation der Unionstruppen war: die "permanent force": 5 Regimenter berittener Schützen mit Sonderwaffen, und Reserven verschiedenster Klassen, die an den Orten ihrer Kampfformationen alljährliche Übungen zu machen hatten. Bei einer Zahl von ¾ Millionen auserlesener Männer bedurfte es daher für den Führer der Unionstruppen Louis Botha keiner besonderen Anstrengung, selbst nachdem die national-britischen Truppen nach Europa hatten verbracht werden müssen, ein Heer von 60 000 Mann mobil zu machen. Reit- und Zugtiere, Bewaffnung, Ausrüstung waren mustergültig; Lastautos, Flugzeuge, Panzerkraftwagen, Panzerzüge waren reichlich vorhanden. Der Generalissimus Louis Botha selbst war sicher ein vortrefflicher Führer, der es leicht hatte, da ihm überwältigende Kriegsmittel zu Gebote standen; - war doch allein das Truppenverhältnis 12 : 1! Vor allem hatte er eines für sich, was der kleinen deutschen auf Verteidigung beschränkten Truppe fehlte: volle Bewegungsfreiheit.

Während der Mobilmachung war die dringlichste Sorge gewesen: Aufrechterhaltung der Ruhe in der Kolonie und Bereitstellung des Grenzschutzes gegen die südafrikanische Union. Hier war der gefährdetste Teil die Südostecke, der gegen- [367] über eine ganze Kette englischer Polizeistationen lag, die jeden Tag vorgetrieben werden konnten. Diese Grenze zu sichern wurde das I. Feldbataillon (v. Rappard) entsandt mit dem gleichzeitigen Auftrag, einen etwaigen feindlichen Vormarsch über den Oranje aufzuhalten. - Das Etappenkommando Mitte mit dem Standort Windhuk bildete den Mittelpunkt des Versorgungswesens, während das Etappenkommando Nord von der gleichen Hauptbasis aus den Teil bis zur portugiesischen Grenze umfaßte. Das Etappenkommando Süd wurde bald, entsprechend den dort einsetzenden größeren Operationen, geteilt und mußte zunächst vergrößert werden, während es später, beim Zurückgehen der Truppe, aufgelöst wurde.

Die Unionsregierung trat amtlich nicht sofort in den Krieg; sie griff aber gern zwei kleine Vorfälle an der Südgrenze: unbeabsichtigte Grenzüberschreitungen einer deutschen Beobachtungspatrouille und einen ähnlichen Vorgang bei Verfolgung von Viehdieben, auf, um damit zum Kriege zu treiben. Daß dies für die Union nur Vorwände waren, geht einwandfrei aus der Drahtung Louis Bothas vom 4. August an die britische Regierung hervor, in der er anbietet, "er wolle für die Angelegenheiten der Union selbst sorgen, so daß die dort stehenden national-britischen Truppen anderweitig verwendet werden könnten", worauf die britische Regierung unter dem 7. August antwortete, "daß die Besetzung der wichtigen Punkte von Südwestafrika als ein großer dem Empire erwiesener Dienst empfunden würde". Hiernach stehen die Absichten Englands und der Union auf Südwestafrika durchaus fest, wenn auch letztere nicht sofort zur vollen Machtentfaltung schreiten konnte. Dort machte sich nämlich die Unzufriedenheit mit Bothas Absichten bei einem großen Teil der Bevölkerung durch offenen Aufstand Luft. Das durfte die deutsche Regierung sich nicht entgehen lassen; sie trat daher mit dem Kommandeur der Unionstruppen in Upington, dem Oberstleutnant Maritz, in Verbindung, der als Führer der Bewegung zum Wiedergewinn der alten Burenfreiheit galt. Im Oktober kam mit dieser Burenpartei ein Vertrag zustande, demgemäß deutscherseits "die Aufständischen als kriegführende Macht anerkannt, als Verbündete betrachtet und behandelt werden sollten". Aber in der Leitung der Aufstandsbewegung im ganzen wie in jeder Einzelbewegung zeigten sich die alten Burenschwächen, ihre Uneinigkeit und persönliche Interessenpolitik; jeder Kommandant führte seinen eigenen Krieg. So fiel es der Unionsregierung nicht schwer, den Aufstand bereits bis Anfang Dezember 1914 niederzuschlagen.

Am 15. September erschien ein englischer Hilfskreuzer vor Swakopmund und beschoß die offene Stadt. Damit wurden handgreiflich die Feindseligkeiten eröffnet. So wurde denn jetzt auch kommandoseitig die Grenzüberschreitung im Süden freigegeben und alsbald mehrere englische Polizeistationen aufgehoben. Swakopmund, das inzwischen erneut beschossen war, wurde geräumt, ebenso Lüderitzbucht, das sofort vom Feinde besetzt wurde. Die noch zurückgebliebene Zivilbevölkerung, meist Frauen und Kinder, wurde später im Triumph als "German prisoners of war" durch Kapstadt geführt!

[368] Mittlerweile setzten sich feindliche Truppen in Sandfontein (südlich Warmbad) fest. Alles ließ darauf schließen, daß dieser Platz, der sehr günstige Wege und Wasserverhältnisse hatte, als erster Stützpunkt auf deutschem Gebiet dienen sollte. Der Kommandeur entschloß sich daher ihn anzugreifen. Die hierzu zusammengezogene Truppenmacht bestand aus vier, je 2 bis 3 Kompagnien starken Bataillonen (die sich aber zwecks Irreführung des Gegners stolz Regimenter nannten!) mit insgesamt 3 Batterien. Nach anstrengendem Marsche waren am 26. September früh die Truppen zusammengezogen, so daß die Einschließung des Gegners vollendet war. Von allen Seiten arbeiteten sich, nachdem die Batterien vorgearbeitet hatten, die Regimenter durch die Klippen heran, Entsatzversuche des Feindes, die über den Oranje zu Hilfe kommen wollten, wurden abgewiesen, und schon gegen 5 Uhr Nm. ging beim Gegner die weiße Flagge hoch. Wertvolles Kriegsgerät und gegen 300 Gefangene waren die Beute, während die deutschen Verluste (2 Offiziere, 12 Reiter) gering waren.

Am gleichen Tage mit dem Gefecht von Sandfontein wurde an der Ostgrenze die deutsche Polizeistation Hasuur von dem gegenüberliegenden englischen Riedfontein aus überfallen, der Gegner aber blutig heimgeschickt.

In Lüderitzbucht hatte sich während dieser Ereignisse der Gegner festgesetzt und gegen Land zu stark befestigt. Mitte Oktober nahm er bereits die Wiederherstellung der deutscherseits abgebauten Bahn ins Innere auf.

Während der Schwerpunkt des Interesses bisher auf dem Süden des Schutzgebietes lag, kam plötzlich eine Nachricht von Norden her, die geeignet war, eine gänzlich veränderte Lage zu schaffen. Ende Oktober wurde gemeldet, daß der Bezirksamtmann von Outjo, Dr. Schulze-Jena, und seine beiden Begleiter beim Besuch des portugiesischen Forts Naulila von der dortigen Besatzung ermordet worden seien. Bei der unsicheren Haltung des nördlichen Nachbars, der Portugiesen, lag die Befürchtung nahe, diese Tat sei der Auftakt zu offenen Feindseligkeiten. Wie der Zusammenhang im einzelnen gewesen, ist nicht völlig geklärt; so viel steht jedoch fest, daß einzelnen Deutschen portugiesischerseits Grenzverletzung vorgeworfen wurde (die Grenze ist dort noch nicht im Gelände festgelegt), daß bei den bezüglichen Besprechungen der portugiesische Fortkommandant im deutschen Lager Gastfreundschaft genossen und die Deutschen gebeten hatte, nun auch ihrerseits seine Gastfreundschaft im portugiesischen Fort anzunehmen. Die Deutschen taten dies, und sind dann, als sie anscheinend nach einem Wortwechsel mit dem Kommandanten fortritten, von rückwärts her erschossen worden. Im Einvernehmen mit dem Truppenkommandeur entschloß sich der Gouverneur zu einer Expedition, die dem Major Franke mit 2 Kompagnien und 1½ Batterien übertragen wurde; rasches Zufassen sollte die geringe Expeditionsstärke ausgleichen.

Das Ziel war Fort Naulila. Allerdings ging wegen Wassermangels der Vormarsch nicht so schnell vonstatten, wie erwünscht, und erst Mitte Dezember erreichte [369] die Expedition den Grenzfluß Kunene. Fort Naulila war inzwischen durch Truppen aller Waffen besetzt worden. Der portugiesische Kommandant, Oberst Roçadas, hatte das Umgelände des Forts stark zur Verteidigung ausgebaut. Nach mehrstündiger Artillerievorbereitung, wobei das Munitionsdepot des Forts in die Luft ging, folgte energischer Infanterieangriff in 2 Kolonnen. Dem Kampf Mann gegen Mann hielt der Gegner nicht stand, sondern trat nach Norden den Rückzug an, der bald in wilde Flucht ausartete. Trotz seiner vielfachen zahlenmäßigen Überlegenheit ließ der Gegner allein gegen 200 Tote und Verwundete in den Stellungen zurück. - Die Expedition hatte den großen nachhaltigen Erfolg, daß nicht bloß die Gefahr auf dieser Front behoben, sondern daß auch von Truppenansammlungen und Einfallsabsichten Portugals nicht mehr die Rede war.

Einen schweren Verlust erlitt die Truppe in diesen Tagen: ihr ausgezeichneter Führer, Oberstleutnant v. Heydebreck, verunglückte bei einem Versuchsschießen mit Gewehrgranaten tödlich; sein Nachfolger wurde der schon aus früheren Kämpfen rühmlich bekannte Major Franke.

Wie schon hervorgehoben, hatte sich die Regierung der Kolonie mit den Führern der aufständischen Burenbewegung in Südafrika, insbesondere mit General Maritz in Verbindung gesetzt, dessen Heeresgefolgschaft allerdings sehr bald auf nur 500 Mann zusammengeschrumpft war. Die Verhandlungen waren endlos, die Burenparole "viel reden und wenig handeln" wurde aufs gewissenhafteste befolgt, und es fiel schwer, bei der ganz anderen Auffassung von Kriegführung und Mannszucht überhaupt ein Zusammenwirken zu erzielen. Jedenfalls waren sie eine große Geduldsprobe. Außer einem ziemlich planlosen, unentschieden gebliebenen Gefecht bei Keimoes und mancherlei anderem Hin und Her erzielte Maritz mit seiner Kriegführung im Unionsgebiet nichts und ging, nachdem er durch viele Entsendungen - die er niemals wiedersah - einen erheblichen Teil seiner Macht eingebüßt hatte, nach Stolzenfels auf deutsches Gebiet zurück, wo er in wenig gefechtsfähigem Zustande anlangte. - Das Freikorps (vgl. S. 366) war dem Burenführer Kemp, der mit 600 Gewehren im Anmarsch gemeldet war, zur Aufnahme entgegengesandt worden. Da die Burenführer nunmehr energisches Vorgehen versprochen hatten, wurde auch eine bei Nous (südlich Stolzenfels) gemeldete britische Abteilung überfallen, nach Burenart unterblieb aber nicht bloß jede Verfolgung, die erfolgreichen Truppen kehrten vielmehr seelenruhig in ihre Ausgangsstellungen in Gegend von Ukamas zurück!

Auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz war der Gegner von Lüderitzbucht her an der Bahn, teilweise unter Benützung von Panzerzügen - in die er Lazarettwagen mit weithin sichtbarem Roten Kreuz eingestellt hatte - planmäßig nach Osten vorgerückt. Einer von dem britischen Führer, General Mackenzie, selbstgeleiteten gewaltsamen Erkundung traten die deutschen Kräfte bei Haltestelle Garub entgegen. Der Gegner entwickelte sich gegen die Vorposten, brach jedoch, als Verstärkungen aus den Pässen von Aus heraustraten, das Gefecht ab, und ging zurück.

[370] Am ersten Weihnachtsfeiertage 1914 erschien vor Walfischbay eine Anzahl Transportdampfer und Leichter, und die Ausladung britischer Truppen begann. Das war der Wendepunkt im Feldzuge; hiermit wurde die Eroberung des Nordgebiets der Kolonie eingeleitet, und mit diesem mußte die ganze Kolonie fallen. Ohne die Hilfsquellen des reicheren Nordgebiets war das Südgebiet allein hilflos, und fiel von selbst. Es ist nicht ohne weiteres verständlich, warum der feindliche Führer Louis Botha nicht schon längst, von Walfischbay als Basis ausgehend, die Eroberung des Nordens unmittelbar versucht hatte. Maßgebend hierfür kann vielleicht die durch den Burenaufstand geschaffene Unsicherheit der innerpolitischen Lage gewesen sein, vielleicht auch die unvollkommen durchgeführte Ausbildung der "defence force", die ein sofortiges Ausrücken und eine Übersee-Unternehmung nicht als ratsam erscheinen ließ. Aber auch deutscherseits ist man sich anscheinend über die von Walfischbay her drohende Hauptgefahr nicht im vollen Umfange klar gewesen; sonst hätte man gewiß, selbst auf die Gefahr hin, die Truppen im Süden zu schwächen, ein gefechtskräftigeres Detachement an diesen Teil der Küste herangeschoben. Ob man nicht zu dieser Zeit überhaupt besser getan hätte, den unproduktiven Süden des Schutzgebietes ganz aufzugeben, und dafür mit allen Kräften den Feind in die See zu werfen, ist eine weitere Frage. Daß solches erfolgbringend sein kann, zeigt das Beispiel der Schlacht von Tanga in Deutschostafrika. (S. 393.)

Zwingend ergab sich aber jetzt die Notwendigkeit, durch offensive Tätigkeit den Gegner zu binden. Hierfür war das Nächstliegende ein Vorstoß ins Unionsgebiet, in Richtung auf Upington. Da waren die Burenkommandos die gegebene Truppe; aber diese, obwohl allein keinesfalls kampfkräftig genug, lehnten trotzdem die Mitwirkung deutscher Truppen rundweg ab; ein Verhalten, das um so mehr zu denken gab, als unmittelbar vorher schon unter besonderen Schutzmaßregeln eine Unterredung der Burenführer mit englischen Offizieren stattgefunden hatte. Doch gelangen den Burenführern, allerdings wiederum nach vielem Hin und Her, durch Überraschung einige kleine Erfolge gegen Unionstruppen. Auch der Angriff auf den feindlichen Stützpunkt Upington wurde zwar angesetzt, aber nicht durchgeführt; das Gefecht wurde abgebrochen und der Rückzug befohlen. Diese halbe Aktion gegen Upington war der Anfang des Niederbruchs; es setzten Verhandlungen ein und am 30. Januar streckten die Buren die Waffen, Maritz flüchtete auf deutsches Gebiet. Das Freikorps, das nach dem Zusammenbruch der Burensache nicht mehr recht zuverlässig erschien, wurde nunmehr aufgelöst.

Auch deutsche Truppen, Major Ritter mit 3 Kompagnien und 1 Batterie, sollten, über den Grenzfluß Oranje gehend, vorstoßen. Vorgeschobene feindliche Kräfte, bei Kakamas (Sammelbegriff für eine Anzahl weitverstreuter Kleinsiedlungen beiderseits des Flusses) gemeldet, wurden angegriffen. Der Kampf verlief ungünstig: starke feindliche Hilfskräfte rückten aus Upington heran - die dort fechtenden Burenkommandos hatten ja (was die deutsche Truppe nicht wußte) in- [371] zwischen die Waffen gestreckt -, so mußte auch hier das Gefecht abgebrochen und der Rückzug angetreten werden.

Der in Walfischbay gelandete Gegner war inzwischen der Bahn folgend nach Osten vorgegangen und hatte Husab erreicht. Gegen weiteres Vorstoßen sollte die hierfür bestimmte Abteilung des Majors Wehle die Bergstellung westlich der Linie Jakalswater-Riet halten. Daß hier der Hauptstoß zu erwarten sei, war daraus ersichtlich, daß der Feind hier seine Stützpunkte, Verpflegungs- und Wasserstellen gründlich ausbaute und daß der Oberkommandierende Botha mit seinem Stabe anwesend war. Zur Verteidigung der ausgedehnten Stellung standen insgesamt 4 Kompagnien und 2 Batterien zur Verfügung. Die Pforte-Husab-Berge steigen steil aus der Umgebung heraus, feindwärts ist weite ebene Fläche, die scharfen Einschnitte in die steil aufsteigenden Berge sind die "Pforten". Auch der Südhang und das Swakop-Bett bilden ein Gewirr von Felsen und Schluchten. Die Ausdehnung der Stellung war im Verhältnis zur Besetzung eine außerordentlich breite. Allerdings war, eben infolge dieser großen Ausdehnung, die Gefahr, umgangen zu werden, gering.

Feindlicher Angriff auf Riet-Jakalswater.

[371]
      Skizze 15: Feindlicher Angriff auf Riet-Jakalswater.

[372] Der Gegner entfaltete jeder der 3 Pforten gegenüber geschickt eine kampfkräftige Truppe, so daß am frühen Morgen bereits die gesamte deutsche Front gebunden war. Je etwa eine feindliche Kavalleriebrigade ging nun umfassend gegen den nördlichen (rechten) und südlichen (linken) Flügel der ausgedehnten Stellung vor. Bei Jakalswater wurde der Feind zunächst abgewiesen, dagegen wurden die Abteilungen an den 3 Pforten ringsum eingeschlossen (siehe Skizze) [Scriptorium merkt an: oben] und mußten nach heldenmütigem Widerstand und Verlust ihrer ganzen, ohnehin geringen Artillerie, die Waffen strecken. - Der südliche, unter Hauptmann Krüger stehende Flügel konnte ebenfalls sich der erheblichen feindlichen Übermacht gegenüber behaupten und seine Stellung halten. Aber auch er mußte zurückgehen, als bei ihm mittags der Befehl Wehles eintraf: "Pfortestellungen vom Gegner genommen, Angriff auf Jakalswater zurückgeschlagen, muß jedoch Jakalswater räumen. Da Ihre rechte Flanke nunmehr ohne Schutz, befehle Rückzug, fechtend Swakop aufwärts bis Rubas." - Immerhin fochten hier die deutschen Kräfte, insgesamt gegen 500 Mann zählend, tapfer gegen 2 feindliche Reiterbrigaden von je 2500 Mann, also 1 : 10.

Nach dem Gefecht von Garub (S. 369) hatten die Unionstruppen diese Wasserstelle in Besitz genommen und sie zu reichlicher Wasserversorgung schnell und geradezu vorbildlich ausgebaut. Für das weitere Vorgehen des Feindes ließen sich jetzt drei feindliche Vormarschrichtungen deutlich erkennen (siehe Skizze auf S. 373):
      Von Steinkopf über Ramansdrift,
      von Nous über Stolzenfels,
      von Upington über Nakab.

Gemeinsames Ziel schien Keetmannshop. Die Gesamtstärke der zu erwartenden feindlichen Kräfte mag etwa 6000 Mann betragen haben. Die geringen hiergegen verfügbaren deutschen Kräfte, etwa 400 Gewehre, sollten als Nachhuten fechtend langsam auf Keetmannshop zurückgehen.

Auch die deutsche Stellung bei Aus, an der von Lüderitzbucht ins Innere führenden Bahn (Major Bauszus), wurde auf Befehl des Kommandos geräumt, da die geringen dort stehenden Kräfte seitens des weit überlegenen Gegners leicht der Vernichtung ausgesetzt schienen, während sie im Norden, wohin sie sofort herangezogen wurden, dringend notwendig waren.

Vormarsch auf Karibib und Keetmanshop.

[373]
      Skizze 16: Vormarsch auf Karibib und Keetmanshop.
Ende März 1915 entwickelte sich das nebenstehende Gesamtbild (siehe Skizze 16).

Etwa Anfang April überschritten die feindlichen Gros ziemlich gleichzeitig die deutsche Grenze: Der allgemeine Angriff von Süden her hatte damit begonnen.

Die Stellung von Aus wurde von Major Bauszus geräumt; er zog sich mit seinem Detachement befehlsgemäß zum Widerstand gegen die von [373] Walfischbay vordringende feindliche Hauptmacht heran. So mußte der Süden der Kolonie planmäßig vor der feindlichen Übermacht geräumt werden; die einzige mit den geringen verbleibenden Truppen noch lösbare Aufgabe war hier, mit Nachhuten den Feind aufzuhalten und sein Nachdrängen zu verzögern. Im wesentlichen waren zwei Nachhutgruppen gebildet. Die kleinere, Hensel (westlich) und die größere, v. Kleist (östlich). Die Einzelabteilungen letzterer lieferten sich mit dem zunächst nur langsam nachrückenden Gegner zahlreiche kleine Nachhutgefechte, mit der Rückzugsrichtung zunächst auf Keetmanshop. Auch dies mußte bald aufgegeben werden und Hauptmann v. Kleist ging auf Gibeon zurück. In der Nacht vom 26. zum 27. April sprengte jedoch der scharf aufgebliebene Engländer die Bahn nördlich von Gibeon, und es kam nun an dieser Stelle, am Bahnhof [374] Gibeon, zu einem schweren Gefecht, in dem das kleine aus drei Kompagnien und einer halben Batterie bestehende Nachhutdetachement v. Kleist von insgesamt 6 Regimentern umfassend angegriffen wurde und sich nur mühsam der Umklammerung durch zugweisen Abmarsch nach Norden entziehen konnte. Dieses Gefecht kostete der deutschen Truppe mehr als ein Viertel ihrer Frontstärke; es war das verlustreichste des ganzen südwestafrikanischen Feldzuges.

In dieser hochkritischen Periode: erfolgreicher breiter Vormarsch des Feindes im Süden, und gleichzeitiger entscheidender Vorstoß im Norden von Swakopmund her, trat auch, gewiß nicht zufällig, eine innere Krisis hinzu: der Aufstand der Rehobother Bastards. Die Regierung hatte mit diesem Stamm (vgl. S. 363) eine Verwendung der Bastardtruppe "nur im eigenen Lande" vereinbart und ihm deshalb seine Waffen belassen. Es waren dies 150 Bastardsoldaten unter zunächst rund 30 weißen Führern, welch letztere jedoch allmählich mehr und mehr zur Ausfüllung anderswo entstandener Lücken verwendet werden mußten. Kräftige und geschickt einsetzende englische Propaganda und starke Aushebung von Zugochsen deutscherseits bewirkten, daß der Bastardhäuptling April 1915 mit Botha zu verhandeln begann und sich mit seinem Stamm den Engländern verschrieb. Leider wurden die Unbotmäßigen deutscherseits nicht scharf angefaßt; die Regierung unterhandelte sogar noch, als schon eine Anzahl deutscher Farmer von den Bastards ermordet worden war. Schließlich wurden doch einige Kompagnien, außerdem das inzwischen in dortiger Gegend eingetroffene Nachhutdetachement Hensel gegen die Bastards angesetzt, diese auch aus ihrer Stellung bei Kl. Aub (nördlich Rehoboth) geworfen; der Erfolg konnte aber nicht ausgenützt werden, da die Unionstruppen mittlerweile dicht herangekommen waren und sogar eine, allerdings unberittene, Kompagnie (4. Ers. Komp.) abgeschnitten und gefangen genommen hatten. Die Vereinigung der Bastards mit den Unionstruppen war somit nicht mehr zu verhindern.

Nach dem Gefecht von Riet-Jakalswater (vgl. S. 371) war Botha, dem ja eine zehnfache Übermacht zu Gebote stand, trotz außerordentlicher Verpflegungsschwierigkeiten, der Bahn folgend weiter vorgerückt und hatte mit seiner vordersten Gruppe Trekkopje erreicht. Die Unionsstreitkräfte dieser Gruppe in Trekkopje schienen den gegenüberstehenden deutschen Kräften nicht erheblich überlegen, ihre Möglichkeit, Verstärkungen rechtzeitig heranzuziehen, schien gering. Dies veranlaßte das Kommando, den Major Ritter mit einem Detachement von insgesamt etwa 700 Gewehren zu einem Überfall auf das Unionslager bei Trekkopje zu entsenden. Ob Verrat im Spiele gewesen, oder ob aus anderen Gründen, Ritter stieß auf ein alarmiertes wohl vorbereitetes Lager, zu dem auch bereits Verstärkungen herangeholt waren. Der Kampf spielte sich so unter schwereren Umständen ab als gedacht, insbesondere machten zwei frisch aus England eingetroffene Panzerfahrzeuge mit ihren Maschinengewehren den ungedeckt in der blanken Ebene liegenden deutschen Truppen viel zu schaffen. So scheiterte selbst Ritters mit der blanken [375] Waffe versuchter Sturm, so große Anerkennung an und für sich dieses mutige Unternehmen verdient. Der Kampf, der auf beiden Seiten ungefähr die gleichen Verluste gezeitigt hatte, mußte abgebrochen werden; das Detachement Ritter ging in nördlicher Richtung, aus der es gekommen war, zurück.

Eine örtliche Verteidigung Windhuks wäre militärisch nutzlos gewesen; es wurde daher aufgegeben, Regierung und Kommando gingen nach Norden, nach Omaruru, die Bevölkerung blieb in Windhuk zurück. - Nach dem Gefecht von Trekkopje war Botha ziemlich schnell nachgerückt, und zog am 13. Mai in Windhuk ein.

So war jetzt der größte Teil der Kolonie, mit der Landeshauptstadt, in Feindes Hand. Die Mehrzahl der Farmen war verlassen, an ihnen hielten sich die Eingeborenen schadlos. Auch die Großfunkenstation von Windhuk war verloren, die letzte, wenn auch dürftige Verbindung nach außen zerstört und das Land den unkontrollierbarsten Gerüchten über die Vorgänge in der Heimat preisgegeben. Daß diese nur beunruhigend und niederdrückend sein konnten, dafür sorgte die englische Propaganda. So erschien der Versuch der verantwortlichen Männer, Gouverneur und Kommandeur, durch Unterhandlungen der Besetzung und Verwüstung wenigstens des nördlichen Teils der Kolonie vorzubeugen, gerechtfertigt. Doch Botha verlangte rundweg und restlos die Auslieferung des ganzen Schutzgebietes. Der Gouverneur lehnte kurz ab; damit waren die Verhandlungen zu Ende; ein für die Dauer der Verhandlungen geschlossener Waffenstillstand wurde am 21. Mai gekündigt und der Kampf ging weiter.

Es kam jetzt darauf an, die dem Gegner um das Zehnfache unterlegene Truppe so lange als möglich kampfkräftig zu erhalten; nur auf diese Weise, d. h. ungeschlagen, war sie bei einem Kriegsende in Europa - die einzige hoffnungsvolle Lösung, die es noch gab - ein Faktor, der ins Gewicht fiel. So mußte ein Entscheidungskampf so lange als möglich hinausgeschoben, alle Kräfte mußten zusammengeschlossen und durch Auffüllung verbessert werden. Aus diesen Erwägungen heraus wurden die Hauptkräfte zunächst mit einem größeren Ruck nach rückwärts genommen. Es war dies die Gegend von Kalkfeld; dort waren die Verteidigungsverhältnisse günstig, da die nach Süden und Südosten vorgelagerten, nur durch Pforten passierbaren Gebirgszüge das feindliche Vorgehen aus diesen Richtungen erschwerten. "Buschpatrouillen", d. h. kleine Streifabteilungen mit voller Bewegungsfreiheit, suchten von dort aus, meist unter übergroßen Anstrengungen, unter Hunger und Durst, dem Gegner Abbruch zu tun; immerhin konnten dies bei den schwachen deutschen Kräften eben nicht viel mehr wie Nadelstiche sein. In der Gegend Kalkfeld-Waterberg sollte nun so lange als möglich das Vordringen der Unionstruppen aufgehalten, endgültige Entscheidung jedoch durch Ausweichen nach Norden vermieden werden. Auch der Gedanke, nach Nordosten ins deutsche und von da ins portugiesische Ambo-Land zurückzugehen, [376] wurde reiflich erwogen, mußte jedoch, da in diesem Lande furchtbarste Hungersnot herrschte, fallen gelassen werden. - Die gesamten jetzt zusammengezogenen Truppen bestanden aus 17 berittenen Kompagnien, 4 Fußkompagnien und 9 Batterien, die in 5 Abteilungen gegliedert wurden; an Zahl allerdings die stärkste Macht, die bisher in der Kolonie zusammengezogen gewesen war, aber nicht der Zusammensetzung nach; es war im buchstäblichen Sinne das letzte Aufgebot an Mann und Pferd. Dem Gegner standen hiergegen 9 Infanteriebrigaden mit reichlicher Artillerie und allen Sondertruppen: Pionieren, Fliegern, Kraftwagen, auch Panzerkraftwagen, und vor allem bestem Pferdematerial zu Gebote.

Am 18. Juni traten die Gros der Truppen Bothas aus der Linie Okahandja - Otavibahn in nordöstlicher Richtung den gemeinsamen Vormarsch an mit dem ersichtlichen Bestreben, die deutsche Truppe bei Waterberg einzukreisen und einzufangen. Deshalb entschloß sich das Kommando in die Gegend von Otavi auszuweichen, das von den Truppen gegen Ende des Monats Juni erreicht wurde. Hier war für den Gegner das zunächst erstrebenswerteste Ziel Otavifontein (östlich Otavi gelegen), ein bevorzugter Platz der Kolonie mit Wasser, Kulturanlagen jeder Art, Gebäuden, Kasernen, Weiden, kurz, ein idealer Stützpunkt. Dieser sollte daher festgehalten werden, womit das Detachement Ritter (etwa 700 Gewehre) beauftragt wurde. Doch die Truppe hatte mit der Einrichtung dieses Platzes kein Glück; der Gegner folgte außerordentlich schnell, dank guten Führern, über die er, leider aus den früheren Reihen der Deutschen, verfügte. Der Ausbau der Stellung bei Otavifontein war daher, als der Gegner erschien, kaum begonnen, was um so schlimmer war, als die Stellung eine zu den geringen Kräften übergroße Ausdehnung hatte. Bereits am 1. Juli früh griff der Gegner mit erheblicher Übermacht an, und konnte nach hartem fünfstündigen Gefecht Otavifontein nehmen. Botha rückte noch am selben Tage dort ein und zog alsbald dort gegen 15 000 Mann mit schwerer Artillerie, einem großen Kraftwagenpark und allem erdenklichen sonstigen Kriegsbedarf zusammen.

Der Rest der deutschen Truppen war damit bis in die Gegend Tsumeb-Namutoni zurückgedrückt. Die Lage der Truppen war hoffnungslos geworden; ein weiteres Ausweichen in den unbewohnten keinerlei Verpflegung besitzenden Norden war ausgeschlossen. Deshalb wurde am 6. Juli Waffenstillstand vereinbart und, nach Rücksprache des Gouverneurs und Kommandeurs mit General Botha, am 9. Juli dessen Bedingungen angenommen: Kapitulation der Truppe, Übergabe der Artillerie und des Schießbedarfs. Die aktiven Offiziere wurden auf Ehrenwort entlassen, ebenso sämtliche Mannschaften des Beurlaubtenstandes, die aktiven Mannschaften wurden interniert. Zur Übergabe gelangten 280 Offiziere, 4300 Mann, 40 Geschütze. Verlust der Truppe waren (Tote, Verwundete, Gefangene zusammen): rund 1000 Köpfe. Der gegnerische Verlust dürfte um etwa 50 v. H. höher zu schätzen sein.

So ging der elfmonatige Kampf in Südwestafrika zu Ende. Der Kampf [377] hier - dies muß ehrlich ausgesprochen werden - läßt sich dem tapferen Ringen in Kamerun, oder gar dem unvergleichlichen Heldenkampf in Deutsch-Ostafrika in keiner Hinsicht an die Seite stellen. Die Verhältnisse lagen aber auch viel ungünstiger, und namentlich ein Umstand, an den wenige im Frieden gedacht haben, ist auch in dieser Kolonie, allerdings hier in negativem Sinne, in Erscheinung getreten: daß eine farbige, gut disziplinierte, treue Eingeborenentruppe auch im Kampfe gegen einen europäischen Gegner viel verwendbarer und leistungsfähiger ist. Der Eingeborene ist eben im eigenen Lande dem eingewanderten Weißen als Soldat weit überlegen, wenn er gut geführt wird; und hieran hat es, wie die anderen Kolonien beweisen, den Deutschen wahrhaftig nicht gefehlt.

Aber die eigenen Verluste wie die noch erheblicheren des Gegners beweisen, daß auch die südwestafrikanische Schutztruppe tapfer bis zum Ende gekämpft und nur vor überwältigender Übermacht die Waffen gestreckt hat.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte