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[Bd. 9 S. 5]

Einleitung zu Bd. 9: Der Wesenswandel in der großen Politik Europas durch das Auftreten Adolf Hitlers.

Der Geist von Versailles trennte die Völker Europas in die Sieger und die Besiegten. Die Sieger hatten das Recht, sich in einem Völkerbund zu organisieren, dessen Aufgabe darin bestand, die Interessen der Sieger gegen die Besiegten wahrzunehmen. Der Völkerbund war insofern praktisch die Fortsetzung der alten Bündnispolitik in erweitertem Umfange. Seine geistige Führung lag in Paris, und die Theorien vom Frieden und von der Sicherheit Europas, die in Genf verkündet wurden, wurden in Paris formuliert. Ihr Kern war reine Machtpolitik, die darin gipfelte, die Macht der Siegerstaaten, dargestellt durch Bajonette, Gewehrläufe, Flugzeuge, Tanks und Torpedoboote, zu erhalten und zu vermehren, dagegen die Besiegten in einem Dauerzustand der politischen Rechtlosigkeit und der militärischen Machtlosigkeit zu belassen.

Neben die beiden Prinzipien der Macht und der Entmachtung in Europa trat als drittes der von Sowjetrußland ausgehende jüdische Bolschewismus. Sein Wesen ist die Weltrevolution. So wie Genf auf der Antithese Sieger–Besiegte beruhte, so war Moskau begründet auf dem Gegensatz Proletarier–Bourgeois. Hier wie da handelte es sich nicht um nationale aufbauende, sondern um internationale zerstörende Bestrebungen. Die Flammen des Bolschewismus schlugen hinüber nach Europa, sie ergriffen Ungarn und Bayern, sie züngelten in Mitteldeutschland und am Rhein. Aus eigener Kraft aber vermochte Deutschland zu verhindern, daß es ein Raub des jüdischen Bolschewismus wurde. Jedoch die moskowitische Gefahr gänzlich auszurotten war der demokratische Liberalismus nicht imstande, denn beide, Liberalismus und Bolschewismus, waren aus gleicher Wurzel hervorgegangen, waren wesensverwandt und weltanschaulich, abgesehen von einer Abstufung der Konsequenz ihrer Forderungen, doch durchaus homogen.

[6] In der Ära von 1918 bis 1932 wurde nun Deutschland zwischen den beiden Polen Genf und Moskau hin- und hergeschleudert. Aber es gelang, um mich mal im Stile jener Zeit auszudrücken, der Demokratie, die Aktienmehrheit der Republik in ihre Hände zu bekommen. Der Mangel der tatsächlichen Macht des Reiches, der durch das gänzliche Fehlen des deutschen Volkes und seines Volksbewußtseins bedingt war, wurde durch einen Wechsel auf die Zukunft verhüllt, den der Eintritt in den Völkerbund darstellte. Trotz seiner Mitgliedschaft im Völkerbunde konnte Deutschland aber nicht verhindern, daß es langsam aber sicher immer mehr von unten her verbolschewisierte. Es krallte sich an Genf fest, während Moskau es immer kräftiger zu sich hinüberzog.

  Politik des Führerreiches  

In diesen Zustand kam Adolf Hitler. Er und seine Bewegung hatten sich in unerbittlicher Folgerichtigkeit gegen die beiden internationalen Prinzipien von Genf und Moskau durchgesetzt. Ausgehend von der neuen absoluten Größe jeder Politik, dem Volke, lehnte er den Völkerbund ab als den einseitigen Machthüter jener Gruppe von Staaten, die sich die Sieger nannten, lehnte er aber ebenso entschieden den blutigen Bolschewismus ab, der das chaotisch-grausame Mittel zum Zwecke der jüdischen Weltdiktatur ist.

Durch Hitlers Auftreten bekamen die politischen Prinzipien Europas alsbald ein grundsätzlich anderes Gesicht. Hitler meldete zwischen den beiden Systemen von Genf und Moskau ein völlig neues System an: er entwickelte auf der völkischen Grundlage der Selbsterhaltung den Plan eines solidarischen Friedenswillens der Völker Europas, einen Plan, der frei war von allen selbstsüchtigen imperialistischen Bestrebungen, der in ausdrücklicher territorialer Selbstbescheidung von vornherein jegliche Möglichkeiten eines Streitfalles um Landbesitz ausschaltete. Als Voraussetzung für das Gelingen dieses Planes erkannte und forderte Hitler, daß ohne Vorzug für den einen oder anderen jeder Beteiligte die gleichen Rechte haben sollte, daß die Rüstungen der Völker nach einem absoluten Maßstab der Sicherheit für die Allgemeinheit begrenzt würden, und daß auf der Grundlage der politischen und militärischen Gleichheit der ehrliche Friedenswille bekräftigt werden solle durch [7] zweiseitige Verträge, welche je zwei Staaten auf Grund ihrer nachbarlichen Beziehungen abschließen sollen.

Das System Adolf Hitlers schaltete also von vornherein automatisch alle nationalen und internationalen Imperialismen aus. Seine völkische Voraussetzung hatte nicht nur den entschlossenen Willen zur Folge, den Kommunismus als den Träger des Moskauer Machtwillens und als eine für alle Völker in gleicher Weise schwere innere Gefahr in Deutschland rücksichtslos auszurotten, sondern sie bewirkte auch, daß die in den Formen von Versailles erstarrte Völkerbundsidee sich aufzulösen begann. –

Hitlers große Politik begann mit dem Austritt aus dem Völkerbunde am 14. Oktober 1933. Im Interesse einer klaren und sauberen Linie des Aufbaues Deutschlands mußte dieser Schritt getan werden. Hitler hatte die entschlossene Absage an den Kommunismus erteilt, er mußte ebenso entschlossen die Trennung ziehen zwischen dem Reiche und einer Einrichtung, welche zwar Pflichten ohne Unterschied verteilte, aber die Rechte nur denen gewährte, die die Macht hatten.

Der nächste Schritt des Führers war das Freundschaftsabkommen mit Polen vom 26. Januar 1934. Es war der erste zweiseitige Friedensvertrag zweier Nachbarstaaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung und außerhalb des Völkerbundes, der im beiderseitigen Verkehr jede Gewaltanwendung ausschloß und den Anfang und Wegweiser zu einem klaren und übersichtlichen Friedenssystem bildete.

Die dritte Aufgabe war, der Welt zu zeigen, daß die "Siegermächte" ihre Abrüstungsverpflichtungen nicht eingehalten hatten und daß der Abrüstungskonferenz der gute Wille zum Erfolg fehlte. Mitte Juni 1934 brach diese infolge der starren Haltung Frankreichs zusammen. Dies Ereignis wurde der Anfang einer tiefen Revolutionierung der großen Politik Europas. Die am 3. Februar 1932 in Genf mit großem Gepränge eröffnete Konferenz war zwar keine direkte Völkerbundseinrichtung, aber sie stand doch in sehr enger Beziehung zur Liga der Nationen, so daß ihr Schicksal das des Völkerbundes aufs innigste berühren mußte.

Von nun an, seit Mitte 1934, vollzieht sich im System der europäischen Politik eine tiefgreifende Wandlung. – Ge- [8] stützt auf die nicht nur politische, sondern auch moralische Forderung der Gleichberechtigung, gestützt auch auf die feierlichen Zusagen und Verpflichtungsübernahmen der ehemaligen "Siegermächte", gestützt schließlich auf die zahlreichen einwandfreien Zeugnisse für Deutschlands Recht aus dem Munde führender Staatsmänner der Weltmächte kann der Führer den Völkerbundsmächten selbst die Initiative zuschieben, die Revision der Völkerbundsidee und die Reformation des Völkerbundes ins Auge zu fassen und die hieraus sich ergebenden Verantwortlichkeiten zu übernehmen.

So sehen wir denn, wie sich der Völkerbund geistig zu spalten beginnt. Die unerschütterliche, unermüdliche, zähe und klare Beweisführung des Führers, sein ebenso unerschütterlicher und zutiefst ehrlicher Friedenswille bringen es dahin, daß gegen die französische Machtidee, die bisher im Völkerbunde vorherrschte, die englische Rechtsidee sich wesentlich kräftiger zu erheben begann. Damit erscheint neben dem großen politischen Plan Hitlers eine weitere neue Idee in der Politik der großen Mächte Europas.

  Das englische Empire  
und die Welt

Das Ziel der englischen Politik ist das der Befriedung Europas durch Gleichberechtigung. Es ist inhaltlich dasselbe Ziel, das der Führer verfolgt. Der Engländer aber, der in den Dimensionen seines Weltreiches denkt, sieht andere Formen des Friedens als der Deutsche. Der Engländer, der geborene Organisator der großen Räume und der Massen der Völker, hat in seinem weltumspannenden Empire eine wahrhaft vorbildliche Organisation der Befriedung der heterogensten Elemente gegeben. Begreiflicherweise treten völkische Fragen, weil sie als trennend, als gegen das übergeordnete Ganze des Empire aggressiv und revolutionär empfunden werden, hier in den Hintergrund. Während des Weltkrieges zeichneten englische Staatsmänner den Völkerbund als Weltfriedensbund folgendermaßen: Der Kern ist das Empire, hierzu tritt die bestehende Entente, weiterhin kommen die assoziierten Mächte hinzu, und schließlich die Neutralen. Wenn der Engländer den Wert des Völkerbundes bestimmen will, dann mißt er ihn an seinem Empire; und weil er den Frieden als die Seele des Empire erkannt hat, darum will er nach dem Vorbild seines Empire einen Völker- [9] bund, der alle Völker umfaßt und im Frieden einigt. Was London für das Empire ist, das soll Genf für alle jene Völker und Länder sein, die nicht dem Empire angehören. Der Wert der Beziehungen zwischen den beiden Mittelpunkten der Welt ergibt sich aber daraus, inwieweit der Völkerbund in der Lage ist, den tatsächlichen Frieden zwischen dem Empire und der Welt zu garantieren.

Die moderne englische Politik, d. h. die Politik Englands seit 1918, kennt nicht mehr die Politik der einseitigen Bündnisse gegen einen Dritten wie vor 1914. Die Politik dieser Bündnisse ist gefährlich, wie der Weltkrieg bewiesen hat. Der Engländer, der die Welt organisiert, will das unterschiedslos gleiche Verhältnis des Friedens zu allen Völkern, und dieses Verhältnis des Friedens ist für den Engländer der Sinn des Völkerbundes. Er ist die zentrale Verwaltungsstelle des Weltfriedens, die beste und sicherste Organisationsform, in der England ohne viele Mühe das gleiche Verhältnis des Friedens zu allen Staaten außerhalb des Empire finden will. Aus diesem Grunde hat England nach dem Weltkriege den Völkerbund in den Vordergrund und die Bündnisse in den Hintergrund seiner Weltpolitik gerückt. Hinzu kommt der Gesichtspunkt, daß die Völker im Völkerbunde die Plattform für eine unmittelbare Aussprache untereinander haben sollen. So ist die doppelte Begründung des Völkerbundes für den Engländer die, daß er für das Empire die Instanz ist, durch die es mit der Welt Verbindung hält und seine Beziehungen zu ihr ordnet, und für die einzelnen Völker die Stelle ist, welche Frieden, Ordnung und Sicherheit garantiert.

Das ist nicht nur für die britische Regierung, sondern auch für die Massen des englischen Volkes ein elementares politisches Glaubensbekenntnis. Auf eine Umfrage der englischen Völkerbundsliga im Frühjahr 1935, ob England im Völkerbunde bleiben solle, wurden 1½ Millionen Jastimmen und 90 000 Neinstimmen abgegeben, auch erklärten sich 1 430 000 für, 120 000 gegen eine Rüstungsherabsetzung durch internationale Abmachungen.

Es wäre verkehrt, wenn wir vom deutschen Standpunkte meinen zu müssen glauben, daß ein Systemwechsel in England [10] sich durch Lösung seiner einseitigen "Bündnisse" mit Frankreich ankündige; England braucht keine Bündnisse zu lösen, weil es die Politik der Bündnisse seit 1919 aufgegeben hat; wohl aber hält England an seinen, auch Frankreich gegenüber, eingegangenen "Verpflichtungen" für den Frieden und um des Friedens willen fest. Diesen Verpflichtungen steht keineswegs im Wege, daß England sich mit dem Führer einigt, auch wenn die Franzosen darüber ungehalten sind. In einer Rede in der Londoner Albert-Hall am 27. Mai 1935 umriß der stellvertretende Premierminister Baldwin das Verhältnis zwischen England und Frankreich mit folgenden treffenden Worten:

      "Im Zeitalter der Luftfahrt und der schweren Geschütze wissen die Franzosen und wir, die wir beide an einer schmalen Meeresstraße leben, daß wir gute Nachbarn bleiben müssen und auch gute Freunde – was auch immer wir empfinden und über uns denken mögen in dem Augenblick, in dem der eine den anderen auf die Probe stellt, wie das Nachbarn manchmal tun."

Es wäre grundverkehrt, heute meinen zu wollen, der Erfolg der großen Politik des Führers sei erst dann da, wenn England sich mit Frankreich überwerfe. Nein, der Erfolg ist in dem Augenblicke da, sobald England das starke Deutsche Reich als gleichberechtigte Verhandlungsmacht anerkannt hat! Die grundsätzlich neue Dynamik der deutsch-englischen Beziehungen besteht nicht in einem Abbruch der Beziehungen Englands zu Frankreich, sondern in der Neuorientierung der Beziehungen Englands zu Deutschlands; diese aber sind, englisch gesehen, ein Teilproblem der Beziehungen Englands zum Völkerbunde, aber ein sehr wichtiges Teilproblem! Ist nämlich die Frage der Beziehungen Deutschlands zu England und zum Völkerbunde geklärt, dann steht, nach Meinung Englands, der anderen englischen Idee, der Abrüstung, nichts mehr im Wege – außer dem Widerstande Frankreichs. Aus diesen Erwägungen heraus ergibt sich die überragende Bedeutung, welche nach englischer Auffassung der Locarnopakt besitzt. Dieser Pakt ist wohl im Lichte der englischen Politik das einzige wertvolle Ergebnis, das der Völkerbund in Europa zustande gebracht hat. Er ist gewissermaßen [11] ein Eckpfeiler der neuen englischen Europapolitik, ein Grundstein der Zusammenarbeit der vier großen Mächte.

Im Gegensatz zu dem englischen Prinzip hat sich seit der Regierung Adolf Hitlers auch das französische wesentlich stärker ausgeprägt.

  Frankreich, Völkerbund  
und Pakte

Allerdings verfügte Frankreich nicht über eine politische Willenseinheit. Während die Mehrheit des Frontkämpfergeschlechtes und bedeutende Teile der ihm folgenden Generation die Verständigung mit Deutschland anstrebten, während anderseits die Massen des Marxismus ihre internationalen Ziele verfolgten, vermochte in dem hier behandelten Zeitraum noch die Mehrheit des republikanisch-demokratischen Bürgertums seine traditionelle, von der Freimaurerei bestimmte und gegen Deutschland gerichtete Politik der Freiheit, des Friedens und der Sicherheit, wie sie in Versailles kodifiziert worden war, fortzusetzen. In diesem Sinne führten Barthou und Laval die Außenpolitik ihres Staates, deren innerstes Wesen Senator Bérniger im Pester Lloyd Anfang Juni 1935 (V. B. 4. 6. 35) folgendermaßen zeichnete:

      "Als Franzose glaube ich nicht an eine deutsch-französische Verständigung, aber ich glaube an eine Abmachung, oder vielmehr an Abmachungen. Man kann sich mit Nachbarn oder Teilhabern einigen, ohne deswegen mit ihnen verkehren zu müssen."

Das Auftreten Hitlers veranlaßte die französische Freimaurerei, den Gedanken der Revolution auf der Grundlage der Geistesmächte von 1789 gegen den "Faschismus" zu aktivieren und in diesem Gedanken die demokratische Bourgeoisie und das marxistische Proletariat zu einigen. Diese innere, antifaschistische Einigung führte dazu, daß der Schwerpunkt des neuen Kurses unaufhaltsam sich zum Marxismus hin verlagerte. Dieser Vorgang wurde verschärft durch die außenpolitischen Bestrebungen, die darin gipfelten, über den Völkerbund hinweg, der nach Frankreichs Meinung im Herbst 1933 und im Frühjahr 1934 versagt hatte, ein neues System der Einkreisungsbündnisse zu schaffen und zum Eckpfeiler dieses Systems das bolschewistische Rußland zu machen. Die weltanschauliche Starrheit der französischen Freimaurerei, die dem Nationalsozialismus die Doktrin der "Demokratie" und "Hu- [12] manität" entgegensetzte und dadurch die vernichtenden Ideen, die nach Versailles geführt hatten, aufs neue belebte, war in der Folge die eigentliche Ursache dafür, daß das französische Volk eine Beute des Marxismus wurde.

Der Auftakt des neuen französischen Bündniskurses war das Ostpaktprojekt Barthous aus dem Sommer 1934 und die Einführung Sowjetrußlands in den Völkerbund, September 1934. Die Vereinigung der beiden Machtkreise Genf und Moskau, die ihren Sinn nur in der gemeinsamen Gegnerschaft gegen Deutschland hatte, ist wohl als das bedeutsamste Ereignis in der Geschichte des Völkerbundes zu bezeichnen, wenn wir sie vom europäisch-kontinentalen Gesichtspunkt aus ansehen. Und doch war der Völkerbund, als dies geschah, bereits weit von der Höhe seiner Macht herabgestiegen, er fungierte nur noch als Mittel zum Zweck. Rußlands Völkerbundsmitgliedschaft sollte, wie oben gesagt, der Start für eine neue großartige Bündnispolitik Frankreichs werden. Und eigentlich war die Einführung Rußlands in den Völkerbund durch Barthou die letzte große Anteilnahme, die Frankreich der Genfer Einrichtung bewies. Die Plattform seines Nachfolgers Laval war nicht mehr Genf, sondern Rom und London, Moskau und Prag. Das Zentralbüro der französischen Bündnis- und Machtpolitik, der Völkerbund in Genf, trat in den Hintergrund, ja, was man früher kaum für möglich gehalten hatte, das geschah jetzt: Frankreich half mit, den Völkerbund zu diskriminieren! Wir sehen bei der Behandlung des ungarisch-südslawischen Streitfalles Frankreich heftig dabei, die beiden Völkerbundsmitglieder bis auf den Tod zu verfeinden, wir sehen im italisch-abessinischen Konflikt Frankreich das Kriegsfeuer zwischen beiden Völkerbundsmitgliedern schüren!

Getarnt noch durch die Mitgliedschaft beim Völkerbund knüpft Frankreich ein neues festes Netz der Bündnisse um Deutschland. Im Januar 1935 findet es den Ausgleich mit dem Italien Mussolinis. Es entspannt gleichzeitig Mussolinis Verhältnis zur Kleinen Entente. Es schließt im Mai 1935 das Bündnis mit Sowjetrußland; es stand hinter dem Bündnis, das zwei Wochen später die Tschechoslowakei mit Rußland schloß, und sicher hat Laval auch die Annäherung Sowjetrußlands und [13] Litauens gefördert. Im Sommer 1935 hatte die französische Bündnispolitik Rom, Belgrad, Bukarest und Prag, Moskau und Kowno umfaßt. Es war eine neuer Völkerbund, der den außenpolitischen Interessen Frankreichs zwar besser entsprach als der von Genf, aber sich im Innern sehr bedenklich auswirkte. –

  Großbritannien und das Reich  

Während sich diese Front bildete, vollzog sich die innere Annäherung zwischen Großbritannien und dem Reiche. Wenn schon beide in ihrem ehrlichen Willen zum Frieden übereinstimmten, so waren sie allerdings noch über die Gestaltung und Organisierung dieses Friedenswillens verschiedener Auffassung. Hielt England am Völkerbund als der Organisierung der kollektiven Sicherheit fest, so bestand des Reich auf seinem System der zweiseitigen Verträge, dessen Ausbau logischerweise eine fortschreitende Ausschaltung des Völkerbundes in seiner augenblicklichen Gestalt haben mußte. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit lagen die größeren Aussichten des Erfolges bei dem System Hitlers. Ein neuer Erfolg auf seinem Wege war dem Führer beschieden, als er im Sommer 1935 das Flottenabkommen mit England erreichte. Dieses Ereignis zeigte der Welt, daß das neue Deutsche Reich seinen Rang als gleichberechtigte Großmacht in der Welt wieder eingenommen hatte und seine Ziele durchzusetzen verstand. Das Reich war wieder eine wirkliche Großmacht geworden, nachdem es im März seine Wehrhoheit wieder gewonnen hatte. –

Von Mitte Oktober 1933 bis Mitte Juni 1935, also in 20 Monaten, hatte sich etwas ganz Außerordentliches vollzogen: Der Führer hatte die Klärung der europäischen Fronten außerhalb von Genf herbeigeführt. Die beiden Elemente Paris und Moskau hatten sich verbunden, wie auf der anderen Seite die beiden Großmächte, Großbritannien und das Reich, vor der Welt eine gemeinsame Plattform der gegenseitigen Verständigung gefunden hatten.

Ungeklärt war noch die Stellung der fünften Großmacht Italien. Ihrem Wesen nach gehörte sie in die Front London–Berlin; unter dem Einfluß der augenblicklichen Lage, d. h. des bevorstehenden Konfliktes mit Abessinien, stand sie in der wesensfremden Front Paris–Moskau. Die Klärung der Stellung [14] Italiens in Europa war erst möglich nach seiner Auseinandersetzung mit Abessinien. –

  Voraussetzungen  
der deutschen Politik

Fragt man nun nach den Gründen, die den Führer in die Lage versetzten, in verhältnismäßig so kurzer Zeit eine so tiefgreifende Wesenswandlung der europäischen Zustände herbeizuführen, so finden wir deren drei.

Zunächst hängt der Erfolg jeder Politik von der Persönlichkeit ab, die Politik macht. Die Männer des Systems hatten keine Linie, keine Haltung, überhaupt kein großes Ziel, ihnen fehlte der Charakter. Der Führer verbindet mit der geraden und klaren Erkenntnis der Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes den stahlharten Willen, und, was das wichtigste ist, den kühnen Mut, das in die Tat umzusetzen, was dem Reiche nötig ist.

Sodann sind alle diejenigen Stellen ausgeschaltet worden, die seit Generationen gewohnt waren, der Reichsregierung eine Neben- oder besser gesagt Gegenregierung an die Seite zu setzen. Es sind das diejenigen offenen und geheimen Kräfte, die wir Nationalsozialisten als die überstaatlichen Mächte bezeichnen: Juden, Jesuiten, Freimaurer und Marxisten. Der tragische 30. Juni 1934 war notwendig, um die Ausschaltung dieser Gegenkräfte vollkommen zu machen. Erst von diesem Tage an war die einheitliche Linie der Außenpolitik des Dritten Reiches ganz gewonnen. Störende Gegenminen waren beseitigt, frei und offen lag der Weg zur Lösung eines der gewaltigsten Probleme, der Befreiung Deutschlands aus den Fesseln, die seiner Kraft und Macht und seinem moralischen Rechte angelegt waren. Im Frühjahr 1934 wäre die Rückergreifung der Wehrhoheit nicht bloß außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch unmöglich gewesen.

Hieraus folgt das dritte: Die Stellung des Führers ist von einer derartigen Freiheit und Souveränität, wie sie vor ihm kein deutscher Staatsmann besessen hat. Sein Wort ist sogleich Gesetz und Tat. Diese Stellung, großartig, gewaltig und verantwortungsreich zugleich, gestattet ihm den restlosen Einsatz seiner Kraft und seines Willens. Die grandiose Disziplin des deutschen Volkes, die geschlossene und einheitliche Marschrichtung des gesamten öffentlichen Lebens, [15] die nicht militärische Unterordnung, sondern soldatische Würde der ganzen Nation – das ist das, was als das Geheimnis der Stärke hinter allem steht. Der innere Zwiespalt, der die anderen Staaten erfüllt, fehlt im deutschen Volke; darin liegt seine politische und moralische Größe begründet, und das war der Grund, weshalb im Frühjahr 1935 die Entscheidung über das Schicksal Europas, die Entscheidung, ob die Völker Europas in Frieden und Ordnung weiterleben oder in Krieg und Bolschewismus versinken sollten, in der Hand des Führers ruhte. Denn er sprach und handelte für eine große Nation im Herzen Europas. Die Krisis jenes Frühjahrs und Sommers wurde nicht in Genf, sondern in Berlin gelöst!

Die folgenden Kapitel werden sich nun bemühen, das gewaltige Ringen der Geister um die neuen Prinzipien der europäischen Geschichte und den bestimmenden Einfluß, den das Reichs Hitlers auf dieses Ringen ausübte, darzustellen.



Geschichte unserer Zeit
Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra