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[Bd. 8 S. 283]

7. Kapitel: Staatsfeinde und Hochverräter. Hindenburgs Tod.
Die deutsche Führerwahl und der Reichsparteitag.

1.

Die Ausmerzung der sittlichen Verwahrlosung, die seit 1918 im Volke sich verbreitet hatte, war die erste Aufgabe, die der Nationalsozialismus zu erfüllen hatte. Die Abdrosselung der tiefen bourgeoisen Korruption und die Niederschmetterung des marxistischen Verbrechertums, beides streng, gerecht und rücksichtslos, waren nötig, um erst den reinen Grund vorzubereiten, auf dem Adolf Hitler das neue Reich errichten konnte.

Eine Fülle von Prozessen gegen Beamte, Minister, Wirtschaftsführer enthüllte dem deutschen Volke die bodenlose Korruption der Bourgeoisie von 1919 bis 1932. Hirtsiefer, Hermes, Stingl, Gereke wurden für ihre elende und schmutzige Habgier vor Gericht gezogen, da sie es verstanden hatten, Zehntausende von Mark, die das Volk als Steuern seiner mühseligen Arbeit aufbrachte, für sich zu verwenden. Polizeibeamte, Rundfunkangestellte, hohe Beamte öffentlicher Kreditanstalten, Sparkassen- und Krankenkassendirektoren mußten sich wegen unwürdiger Bestechlichkeit verantworten.

Genau so wurde mit dem marxistischen Verbrechertum verfahren. Der Prozeß gegen den Reichstagsbrandstifter van der Lubbe und seiner Helfershelfer vor dem Reichsgericht, der vom Oktober bis vor Weihnachten in 52 Tagen stattfand, und auf Grund der Vernehmung von 250 Zeugen die auf Massenmord und Vernichtung hinzielenden Methoden der Kommunisten, die internationale Verbindung maßgebender deutschen Kommunisten mit den Moskowitern, mit bulgarischen Anarchisten usw. und schließlich die große Gefahr, in der sich Deutschland seit Ende 1932 befand, enthüllte, endete mit dem Todesurteil gegen den Brandstifter van der Lubbe. Dies Urteil, bei dem der mitschuldige deutsche Kom- [284] munist Torgler und die ebenfalls beteiligten bulgarischen Anarchisten frei ausgingen, verletzte tief das Rechtsempfinden der Nationalsozialisten. Trotz marxistischer Proteste und eines Gnadengesuches der holländischen Regierung wurde Lubbe Anfang Januar 1934 hingerichtet.

Dieser große Prozeß zeigte so recht die Sünden des überwundenen Systems, das durch seine Trägheit erst die gefährliche Entwicklung des Bolschewismus in Deutschland ermöglicht hatte. Dieser Prozeß auch war für Emigranten und Juden in allen Ländern der willkommene Grund, wieder eine wüste, aber völlig erfolglose Hetze gegen das neue Deutschland zu betreiben.

Da das vergangene System es auch unterlassen hatte, die marxistischen Mörder der SA.-Männer und Nationalsozialisten gebührend zu bestrafen, wurden seit Anfang 1934 wieder eine Anzahl Prozesse gegen kommunistische Mörder aufgerollt. Im Januar 1934 wurden die Mörder Maikowskis abgeurteilt: 53 Angeklagte erhielten zusammen 38 Jahre Zuchthaus und 95 Jahre Gefängnis. Auch der Mord an dem SA.-Mann von der Ahé wurde gesühnt. Weiterhin wurde der Mord an den Berliner Polizeihauptleuten Anlauf und Lenk am Bülowplatz sowie an Horst Wessel, wie auch zahlreiche ungesühnt gebliebene Kommunistenmorde in der Provinz neu abgeurteilt. Es war selbstverständlich, daß diese viehischen Taten jetzt mit dem Tode bestraft wurden. Es war ein heilsames Reinigungsgewitter, das durch Deutschland zog und das keine Gnade am falschen Platze kannte.

  Staatsfeinde  

2.

Nachdem die Reichsmacht auf den Führer Adolf Hitler übergegangen war, nachdem das alte Parteiwesen verschwunden war, erschien hinfort jeder Versuch, gegen die nationalsozialistische Regierung zu arbeiten, nicht mehr als politische Willensäußerung, sondern als gemeines Verbrechen, als Staatsfeindschaft und Hochverrat. Nun hatte der 12. November 1933 bewiesen, daß von 45 Millionen Wahlberech- [285] tigten sich nur etwa 5 Millionen außerhalb der nationalsozialistischen Politik stellten. In ihnen verkörperten sich die unverbesserlichen Überreste der alten Parteienwelt, die ihr Intrigenspiel gegen das neue Reich nicht aufgeben konnten und wollten. Adolf Hitler wußte die Massen der ehemaligen Anhänger der anderen Parteien von diesen staatsfeindlichen Rückständen sehr wohl zu unterscheiden, wie die umfassenden Gnadenakte zeigen: Allein bis Weihnachten 1933 wurden 5500 Schutzhäftlinge entlassen, davon 500 in Bayern und 5000 in Preußen; am 21. März 1934 entließ Bayern abermals 600 und am 1. Mai nochmals 200 Schutzhäftlinge, zur gleichen Zeit befanden sich in Preußen nur noch 2800 Insassen in den Konzentrationslagern. In der Folgezeit wurden eine Anzahl von Konzentrationslagern, wie Brandenburg, Sonnenburg, Dachau usw. aufgelöst. –

Die Klasse der Staatsfeinde zerfiel in vier Gruppen. Zunächst waren da die Kommunisten. Die verbissenen Fanatiker, immer und immer wieder von Moskau aufgereizt, versuchten mit einer Verwegenheit sondergleichen ihre Ziele zu verfolgen. Zu Hunderten wurden sie gleichsam am laufenden Bande in Haft genommen, weil sie versuchten, illegale Ortsgruppen neu zu gründen, Beiträge einzusammeln, den Roten Frontkämpferbund insgeheim wieder aufzubauen, in den Betrieben, in der SA., in der Reichswehr Anhänger ihrer Idee zu werben und diese Verbände zu zersetzen. Auch nächtliche Überfälle und Mordversuche auf SA.-Männer ereigneten sich immer wieder. Ende November 1933 wurden 2300 marxistische Funktionäre in Haft gesetzt: man hatte bei ihnen 25 000 Zentner Hetzschriften gefunden! Anfang 1934 konnte in Dresden ein Kommunistenherd ausgeräuchert werden, wobei 300 Kommunisten verhaftet wurden. In Kiel und München und Nürnberg, in Breslau und Stettin und Hamburg, in Essen und Frankfurt und Halle, in allen Teilen des Reiches kam man diesen Hochverratszentralen auf die Spur, zahllose Warenlager wurden aufgedeckt. Umfangreiche Aufstands- und Bürgerkriegspläne wurden gefunden. Auch unter der religiösen Maske der "Ernsten Bibelforscher", eine ebenfalls verbotene Vereinigung, ver- [286] suchten die Kommunisten ihre Wühlereien fortzusetzen. Insbesondere konnte in Danzig eine kommunistische Hetzzentrale ermittelt werden, die von Juden geleitet wurde und weitverzweigte Verbindungen im Reich hatte, ja auch über zahlreiche Waffen verfügte und illegale Druckschriften verteilte. Ende Mai 1934 verbot der Senat die Danziger KPD. Im Saargebiet dagegen erfreute sich das kommunistische Untermenschentum der besonderen Gunst der Saarregierung, und die Reichsregierung mußte die von der Saar in die Pfalz führenden Straßen und Bahnen besonders scharf überwachen, um die Kuriere mit den hochverräterischen Schriften, die diese in Massen einzuschmuggeln versuchten, zu verhaften.

Diese Kommunisten stellten keine Gefahr mehr für den Staat dar. Sie waren ein Überbleibsel der unseligen Vergangenheit, und wie bei jedem organischen Prozeß, in dem ein gesunder Lebenskörper ein Gift zu überwinden hat, hatte auch das neue Reich die Aufgabe, durch seine Lebenskräfte im Laufe der Zeit dieses bolschewistische Gift zu überwinden. Wichtig war nur, daß das Reich den beweglichen Kommunisten auf den Fersen blieb und sie da, wo sie solche faßte, sofort unschädlich machte. Das erforderte das schnelle, exakte und entschlossene Arbeiten der Geheimen Staatspolizei und der Sondergerichte in allen Teilen des Reiches. So wurde die Leitung der Geheimen Staatspolizei des gesamten Reiches am 20. April 1934, nachdem bereits in den Wintermonaten nach und nach die Politischen Polizeien aller Länder dem Reichsführer der SS. unterstellt worden waren, in den Händen Himmlers vereinigt. Sie wurde dadurch ein besonders schlagkräftiges Machtinstrument – keine Ochrana, aber eine starke Volkspolizei zum Schutze des nationalsozialistischen Staates, wie Ministerpräsident Göring am 11. März erklärte. Der Sinn und die Aufgabe der neuen Polizei waren es, solche unliebsamen Überraschungen, wie eine solche der Reichstagsbrand für die frühere Polizei darstellte, in Zukunft zu verhindern; somit war sie die stärkste Waffe und, wie die weitere Entwicklung zeigte, die erfolgreichste Abwehr gegen das marxistische Untermenschentum. –

Die zweite Gruppe der Staatsfeinde waren die in der [287] Mehrzahl sozialdemokratischen Emigranten. Auch die Sozialdemokratie versuchte hin und wieder, auf illegale Weise im Reiche Fuß zu fassen, ihre früheren Anhänger in Ortsgruppen zusammenzufassen. Da ihr aber der nötige Fanatismus und Glaube an ihr Werk fehlte, kam sie nicht weit damit. Ihre Taktik war es daher, vom Auslande her, wohin sie versprengt worden war, eine Lügen- und Greuelhetze gegen das neue Deutschland zu betreiben und die Zersetzung durch Rundfunk und illegale Presse im Reiche zu versuchen.

Eine Statistik des Völkerbundes vom Frühjahr 1934 stellte fest, daß sich insgesamt 62 400 Emigranten, die aus Deutschland stammten, im Auslande aufhielten, und zwar 21 000 in Frankreich, 10 000 in Palästina, 8000 in Polen, 3500 in der Tschechoslowakei, 2500 je in Holland und der Schweiz, in Skandinavien (– in Schweden waren nach der Feststellung der dortigen Behörden vom 1. Mai bis 1. November 1933 24 000 Deutsche eingereist, davon hatten 19 000 das Land wieder verlassen, so daß Mitte November noch 5000 Emigranten sich dort aufhielten –) und USA., 2300 in Belgien, 2000 in England, 1000 in Luxemburg und Saarland insgesamt, 1000 in Spanien, 800 je in Österreich und Italien und 1000 in den übrigen Ländern. Anfangs hatte sie das Ausland in aufwallenden Humanitätsgefühlen durch Geldsammlungen unterstützt, doch schon bald empfand man die unwillkommenen Gäste als lästige Ausländer. Ende November 1933 schrieb zum Beispiel eine tschechische Zeitung: Gastfreundschaft sei eine schöne Sache, aber sie habe ihre Grenzen, wenn diese Fremden den eigenen Leuten das Brot wegnähmen. In Prag hätten 700 Emigranten eine Existenz gefunden, die ihnen monatlich 1,4 Millionen insgesamt einbringe. Schweden lebte in Sorge vor der Invasion von 75 deutschen Bolschewistenführern mit ihren Familien. Grade Schweden und Dänemark liebten gar nicht die politische und literarische Tätigkeit, die Schmutz- und Schundliteratur der Emigranten, und die französische Regierung war aus eigener blutiger Erfahrung sehr verstimmt, daß die Emigranten das Asylrecht mißbrauchten und an den inneren marxistischen Umtrieben Frankreichs regen Anteil nahmen. –

[288] In Paris hatte im August 1933 eine Marxistenkonferenz stattgefunden, an der Wels, Breitscheid und Höltermann teilnahmen. Man beschloß Agitation in Deutschland durch illegale Presse und ausländischen Rundfunk sowie Boykott deutscher Waren und Transportsperre und Aufstellung "militärischer Formationen"! Nicht das geringste dieses hochfliegenden Programms wurde verwirklicht, trotz verzweifelter Versuche.

Ein ganz bestimmtes Schmuggelprinzip konnte die Geheime Staatspolizei Ende 1933 an der dänischen Grenze feststellen: von Hamburg über Flensburg wurden die Emigranten nach Dänemark geschmuggelt, wo sie bei dem Linkspolitiker J. P. Hansen in Apenrade, ehemaligen deutschen Reichstagsabgeordneten vor der Abtretung Nordschleswigs, Aufnahme fanden, und von hier brachten sie auf dem Seewege zentnerweise illegale Hetzschriften nach Deutschland zurück! Auch von der Tschechoslowakei wurden illegale Hetzschriften durch Kuriere nach Deutschland geschmuggelt, so der Neue Vorwärts aus Prag, dessen Ziel es war, den gewaltsamen Umsturz der Hitlerregierung herbeizuführen. Doch die Geheime Staatspolizei ließ alle deutschen Grenzen so aufmerksam bewachen, daß die mit solchen Giftbazillen geschwängerten Blindschleichen nicht zu ihren Freunden, sondern in die Gefängnisse wanderten. Natürlich gelang es mal dem einen oder anderen, einmal seinem Verhängnis zu entgehen.

Von der üblen Hetz- und Greuelpropaganda in der Auslandspresse und in den Auslandssendern ist lediglich die Erwähnung nötig, ohne auf den schmutzigen Inhalt einzugehen.

Selbst diesen Menschen gegenüber war der Führer bereit, unter gewissen Voraussetzungen Milde zu bezeigen und Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Wie gesagt: unter gewissen Voraussetzungen, die Mitte Januar 1934 bekanntgegeben wurden. Danach war das Dritte Reich an einer Rückkehr krimineller und der etwa 16 000 nichtdeutschen Emigranten keinesfalls interessiert; sie sollten bei ihrem Auftauchen in Deutschland verhaftet und in ein Konzentrationslager überführt werden. Dasselbe und anschließende gerichtliche Verurteilung hatten die böswilligen Hetzer bei ihrem [289] Erscheinen in Deutschland zu erwarten. Diesen waren ja übrigens auch die Staatsbürgerrechte und ihre Titel, insbesondere der Doktortitel, aberkannt und ihre Vermögen von Staats wegen eingezogen worden. Nachdem bereits am 23. August 1933 die Reichsregierung 33 Emigranten die Staatsbürgerrechte abgesprochen hatte, erklärte Reichsminister Frick Ende März 1934 nochmals 37 Emigranten der Staatsangehörigkeit für verlustig. Schließlich die Verführten und Verängstigten, die nachweisen konnten, daß sie im Auslande nicht gegen Deutschland gehetzt hatten und sonst die Gewähr boten, daß sie nach ihrer Rückkehr alles gutmachen würden, was sie an Deutschland gesündigt hatten, durften straffrei ins Vaterland zurückkommen und ihren Beruf ausüben. Auf diese Weise kehrte eine gewisse Anzahl von Emigranten nach Deutschland zurück. –

Eine dritte staatsfeindliche Gruppe stellten gewisse Pfarrer beider Kirchen dar. Die katholischen konnten es nicht verschmerzen, daß sie in der Politik nichts mehr zu sagen hatten, die evangelischen empfanden die neue Reichskirchenordnung als eine Gewalttat, ein Martyrium der evangelischen Kirche, auch fürchteten sie infolge des Anwachsens der deutschgläubigen Bewegung im Volke, daß Adolf Hitler der evangelischen Kirche und ihrem Bekenntnis sowie der Bibel nicht den, wie sie meinten, nötigen Schutz gewähre.

Im Winter 1933–1934 entfalteten die renitenten Geistlichen in allen Teilen des Reiches eine staatsfeindliche Propaganda. Fast kein Tag verging, wo nicht die Zeitungen verhängte Schutzhaft oder gerichtliche Strafen über katholische Zentrumspriester meldeten. Die Auffassung, welche diese Herren über den im Konkordat angestrebten Religionsfrieden hatten, hatte nichts gemein mit der Sorge für Volk und Reich. Wurden doch in München, wo Kardinal Faulhaber seine Polemiken gegen die angebliche "Christentumsfeindlichkeit" und "das Neuheidentum des Nationalsozialismus" betrieb, im Dezember 1933 drei Pfarrer festgenommen, deren einer, Leiter der katholischen Aktion in Bayern, sich von Kommunisten umfangreiche Greuelliteratur über das Lager Dachau verschafft und dies weiterverbreitet hatte! Als diese [290] drei Ende Januar Gefängnisstrafen erhielten, erklärte Reichsjustizkommissar Dr. Frank zu diesem Fall am 25. Januar in Augsburg, auch die katholischen Priester seien verpflichtet, ausschließlich Diener der neuen Volksgemeinschaft zu sein, vor dem Priestergewand dürfe die Justiz nicht haltmachen. Der katholische Universitätsprofessor Karl Adam in Tübingen machte das Deutschtum und Martin Luther verächtlich und verherrlichte die jüdische Geschichte als einzigartiges Erlebnis, so daß die katholische Jugendvereinigung auf der Straße zu demonstrieren versuchte und von der Polizei zerstreut werden mußte. – Andere Geistliche wurden bestraft, weil sie aufforderten, an Feiertagen nicht die Häuser "mit heidnischen Symbolen und verbogenen Kreuzen" zu schmücken; wieder andere neigten zum Ungehorsam gegen das Sterilisationsgesetz. In Württemberg intrigierte eine Pfarrerklique so sehr, daß die Bevölkerung in Unruhe und Erregung geriet. Da hatte z. B. ein Pfarrer zur Hinrichtung von sechs Kölner Kommunisten eine heilige Messe gehalten und sich mit den Kindern im Religionsunterricht über diese Hinrichtungen unterhalten. Ein anderer Geistlicher schmähte den Nationalsozialismus von der Kanzel herab, ein dritter verhinderte das Anhören einer Führerrede. Es war überall dasselbe: Haß, Verleumdung, Verherrlichung hingerichteter kommunistischer Verbrecher als Märtyrer oder Verbot der Anerkennung der nationalen Symbole – hatte doch auch der einst separatistische Bischof von Mainz, Dr. Hugo, Ende Januar 1934 angeordnet, daß in seiner Diözese nur die Kirchenfahnen an den Kirchengebäuden und nicht die Reichsfahnen zu hissen seien – war der Inhalt der staatsfeindlichen Tätigkeit der renitenten Priester. Diese Vorgänge führten häufig zu starker Erregung des Volkes. Nur ein Beispiel sei erwähnt: am 17. April kam es in Mannheim vor dem Gebäude des Neuen Mannheimer Volksblattes, das früher eine Zentrumszeitung war, zu stürmischen Demonstrationen, in denen das Verschwinden konfessioneller Zeitungen gefordert wurde. Die Menge zertrümmerte die Scheiben des Verlagshauses.

Daß diese Staatsfeindlichkeit des priesterlichen Führertums ihre Früchte trug, war klar. Ein Geist der [291] Auflehnung erfüllte die katholischen Jugendvereine, so daß die Regierung auf Grund mehrfacher Zwischenfälle und Gewalttaten und Überfälle auf die Hitlerjugend diese konfessionellen Jugendvereine im Frühjahr 1934 überall da auflöste, wo solche Gewalttaten vorkamen. Bis zu welcher Verblendung diese priesterliche Verhetzung führte, bewies der grauenhafte Mord, den Ende Juni 1934 im Kreis Schwerin an der Warthe, ein Begründer des katholischen Jugendvereins "Deutsche Jugendkraft", Meißner, an einem Ortsgruppenkassenwart der NSDAP., Kurt Eisholz, beging. Der Verein, in dem der ruchlose Mord ausgebrütet worden war, wurde sofort aufgelöst, 11 Mitglieder mußten sich vor Gericht verantworten, Meißner selbst wurde hingerichtet. Wie hier gearbeitet wurde, das enthüllten die Zeugenaussagen: die ehemaligen Zentrumsleute hetzten systematisch die SA. und Hitlerjugend gegen ihre Führer auf; sogar an den Arbeitsdienst machten sich die Staatsfeinde heran. Als in dem Dorfe Prittisch ein Hitlerjunge, den man überredet hatte, in die "Jugendkraft" einzutreten, wieder zur HJ. zurückkehrte, ließ der Pfarrer Roloff an der Kirchentür einen Anschlag anbringen, daß der Junge sein vor dem Altar Christi abgelegtes Treuversprechen gebrochen habe!

Auch auf evangelischer Seite ruhten die kirchlichen Staatsfeinde nicht. In allen Teilen des Landes wurden Pfarrer verhaftet und bestraft, weil sie Verleumdungen und Beleidigungen gegen die Regierung und ihre Mitglieder verbreiteten. Insbesondere waren es hier auch eingebildete konfessionelle Gründe, die zur Auflehnung führten. Die Orthodoxen nämlich, die den ganzen Sinn der Kirche allein in der sklavischen Befolgung eines Dogmas erblickten, glaubten in der Einrichtung der evangelischen Reichskirche einen politischen Eingriff in die Kirche erblicken zu müssen. Andere wieder hielten sich für verpflichtet, den Reichsleiter Rosenberg wegen seinem Mythus abzukanzeln, indem sie den Anschein erweckten, als habe sich unser Herrgott persönlich ganz allein mit ihnen über seine weiteren Pläne besprochen, und wieder andere glaubten, der Regierung Vorwürfe machen zu müssen, daß sie nicht tatkräftig genug gegen die, die sich vom Christentum [292] lösten, vorging. Diese Elemente versuchten, sich im "Notbund" zu organisieren, und ein hübsches Sümmchen solcher Priester wurde für seinen erklärt staatsfeindlichen "Bekenntnis"-Fanatismus bestraft, weil sie Unruhe und Zerspaltung in die Volksgemeinschaft hineinbrachten.

Bei all diesen Erscheinungen konfessioneller Auflehnung handelte es sich um Ausnahmen, um unverdaute Rückstände aus einer schlechten Zeit. Aber sie waren da und mußten behandelt werden, denn der hier in dieser Minderheit zutage tretende Wille zum Kulturkampf bedeutete eine Gefahr für die Einheit des Reiches. Der nationalsozialistische Staat dachte nicht daran, Gewissenszwang auszuüben. In ihm darf jeder nach seiner Fasson selig werden, wenn er nicht mit seinem Glauben politische Ziele verbindet, die für Volk und Reich gefährlich sind. Papen, Goebbels, Rosenberg, Frick nahmen daher in aller Öffentlichkeit Stellung zu den priesterlichen Umtrieben.

Anfang April 1934 schrieb Rosenberg im Völkischen Beobachter: Die Zentrumsgeistlichen und Zentrumsführer hätten alle Ursache, dem Nationalsozialismus dankbar zu sein, daß er unter die Vergangenheit einen Schlußstrich gezogen habe. Es wäre doch ein leichtes, die Beteiligung der Zentrumspriester an den separatistischen Umtrieben gerichtlich festzustellen und aburteilen zu lassen.

      "Das muß man sich vergegenwärtigen, um die Anmaßung richtig einzuschätzen, wenn nun im Gefühl neuer Sicherheit von verschiedenen hohen kirchlichen Stellen dem Nationalsozialismus nahezu das Recht abgesprochen wird, auch seine Weltanschauung zu verbreiten! Der Kardinal Faulhaber in München gab das Stichwort, und eine Anzahl von bischöflichen Reden hat diesen Vorstoß weitergeführt......
      Wir glauben, daß mit den genannten Angriffen ehemaliger Zentrumsführer eine Stimmung geschaffen werden soll, um unter Umständen Märtyrer hervorzubringen. Der nationalsozialistische Staat hat die Freiheit des religiösen Lebens von jeher anerkannt und wird diese nicht antasten, aber er wird nach wie vor, wenn nötig mit starkem Nachdruck, zu fordern haben, daß, nachdem die Parlamentstribüne dem Zen- [293] trum verschlossen wurde, nicht etwa die Kanzel in der Kirche mit dem Rednerpult im Reichstag verwechselt wird."

Minister Goebbels wandte sich Mitte April 1934 in einer Rundfunkansprache scharf gegen die "kleinen Konventikel", die die Wiederbelebung konfessioneller Gegensätze betrieben und bewiesen, daß sie vom Geist der neuen Zeit keinen Hauch verspürt hätten. Sie sollten nicht die Entschlossenheit der Regierung unterschätzen, solche frevlerischen Versuche zurückzuschlagen. Es gebe in Deutschland weder eine Arbeiter-, noch eine Bürger- oder eine protestantische oder katholische, sondern nur noch eine deutsche Presse.

Zu Ende des Monats führte der Minister in einer Rede zu Düsseldorf folgendes aus: Wenn heute wieder das Zentrum den neuen Staat zu sabotieren versucht, so sollen die hohen Herren nicht glauben, daß sie unserem Scharfsinn entgehen, wenn sie sich die trügerische Maske einer heuchlerischen Frömmigkeit umbinden; sie sind erkannt. Das Volk hat ferner für die Kämpfe, die sich innerhalb der protestantischen Kirche abspielen, in dieser ernsten Notzeit kein Verständnis. Der Nationalsozialismus steht auf dem Boden positiven Christentums; aber er duldet keinen Gesinnungszwang, sondern handelt nach alten preußischen Traditionen, daß jeder nach seiner Fasson selig werden soll. Das Volk will sich christlich betätigen, aber nicht gegen, sondern für den Staat. Eine Regierung, die 320 Millionen Mark in einem Winter für die Ärmsten des Volkes ausgegeben hat, hat es nicht nötig, ihre christliche Gesinnung unter Beweis zu stellen. Diese Regierung darf es nicht zulassen, nachdem der Klassenkampf überwunden ist, daß das deutsche Volk in einen Konfessionskrieg geführt wird. Wir lassen die Kirche in Ruhe, aber die Kirche soll uns auch in Ruhe lassen.

Die vierte Gruppe nun, das waren diejenigen, die da mangels innerer Werte nicht auf ihre bürgerlichen Klassenvorrechte verzichten zu können glaubten. Es war eine Gruppe der "exklusiven" Gesellschaft, die der völkischen Gemeinschaft widerstrebte und sich von ihr sonderte. Diese bürgerliche Reaktion war der Ansicht, daß der Nationalsozialismus Adolf Hitlers nur ein Durchgangsstadium zur Monarchie sei, und [294] so fand die bürgerliche Reaktion ihren sichtbaren Ausdruck in der monarchistischen Bewegung, die infolge der Tatsache, daß die Größe ihres Geldsackes oder Dünkels im umgekehrten Verhältnis zur Kleinheit ihres Gehirns stand, laut und leise die Rückkehr des Kaisers aus Doorn herbeiwünschten.

Meist handelte es sich um Leute, die in ihrer verrannten Gesinnung außerhalb der NSDAP. geblieben waren, aber auch um Konjunkturritter, die im Frühjahr 1933 der Partei beigetreten waren, es zumeist schon wieder bereuten, aber es doch teilweise angenehm empfanden, sich nationalsozialistisch tarnen zu können. Die im Frühjahr 1933 erfolgte "Gleichschaltung" hatte diesen Leuten die Möglichkeit gegeben, unter dem Deckmantel der Partei ihre dunklen Ziele weiter zu verfolgen, und im Herbst 1933, nach dem Ende der nationalsozialistischen Revolution, begannen sie sich zu regen. Ihre Tätigkeit bestand vor allem darin, für sich nach gutbezahlten Stellen zu streben, und sofern sie diese nicht erhielten, als Miesmacher zu nörgeln und zu kritisieren, als Denunzianten ihre Mitmenschen zu verunglimpfen. Gerade mit diesen Denunzianten hatten Partei und Regierung sehr zu kämpfen.

Gesellschaftliche Klubs und politisierende Stammtische, die im ersten Schreck über die nationale Revolution zerstoben waren, fanden sich wieder zusammen. Hier wurde kritisiert und geschimpft, hier erwuchs der eigentliche Geist des Widerstandes gegen das neue Deutschland, der sich dann gelegentlich nach außen hin zeigte und dann dazu führte, daß politisierende Pfarrer und unsoziale Arbeitgeber in Schutzhaft genommen bzw. aus ihrem Betriebe entfernt werden mußten. Besonders in Pommern entfaltete sich die Reaktion sehr unbekümmert. An Stammtischen und bei Jagdessen übten die Großgrundbesitzer ziemlich ungestört das "Recht der Kritik", das sie für sich in Anspruch nehmen zu dürfen glaubten und das darin gipfelte: Hitler sei zwar Idealist und seine Ziele seien gut, aber die Unterführer taugten nichts, die Partei könne ja nun verschwinden, die SA. sei nicht zuverlässig, der "Stahlhelm" sei die einzige Rettung und Hoffnung. Gegen den Reichsminister Dr. Goebbels, der das Treiben dieser Dunkelmänner schonungslos anprangerte und gelegentlich ein- [295] mal sagte, wenn man diese Sorte Menschen noch frei herumlaufen lasse, so geschehe es, weil sie dem Staate nicht gefährlich werden könnten und weil sich das Volk an ihren Narrensprüngen ergötzen wolle, richtete sich vor allem die Wut der Staatsfeinde. So mußte Ende Januar 1934 ein Stahlhelmführer auf Rügen verhaftet werden, weil er den Minister Goebbels und die SA. beschimpft hatte.

Grollend und gereizt beobachteten die alten Mitglieder der Partei, wie die "Wühlmäuse aus ihren Löchern zu kriechen" begannen. Monarchistische Junker auf dem Lande, die einst im Stahlhelm eine große Rolle gespielt hatten, deutschnationale Parteimänner, die einst im Reichstag das große Wort führten, erwarben sich die besondere Beachtung des Nationalsozialismus. Gegen diese Nörgler und Miesmacher, Spießer und Gaukler und Verfälscher der Idee, gegen diese Trümmer des Hugenberg-Düsterberg-Häufleins, die ihre gänzliche Ausschaltung nicht ertagen zu können glaubten, richtete sich der Kampf der Partei in Wort und Schrift: "Wir kämpfen für ein Drittes Reich, ein Reich der sozialen Ehre und Gerechtigkeit." Insbesondere auch wandte sich die Partei gegen die Auffassung der Reaktionäre: daß nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler die NSDAP. nun überhaupt verschwinden könne. Der Grundton des scharfen Pressefeldzuges im Januar 1934 war der, daß das bevorstehende Jahr im Zeichen des Kampfes gegen die Reaktion in Stadt und Land, gegen Bourgeois und Junker stehe. Auch der Führer lehnte in seiner großen Rede vom 30. Januar 1934 wie auch Minister Goebbels in seiner Sportpalastrede vom folgenden Tage die reaktionären und monarchischen Umtriebe ab.

Bereits im November 1933 betrieben im Rheinland der "Hohenzollernbund, Front der Kaiserlichen" und der "Bund für die Förderung des Hohenzollerngedankens" eine intensive Werbung für die Rückkehr des Kaisers als Trägers einer neu zu konstituierenden Staatsform. Ein Bundesführer wurde in Schutzhaft genommen, und der Krefelder Polizeipräsident verbot jede weitere Veranstaltung des Hohenzollernbundes. Bei Kaisersgeburtstagsfeiern 1934 in Berlin entstand verschiedentlich eine starke Unruhe im Volke, das die Auffassung [296] vertrat: Wir brauchen keinen Kaiser mehr, weil wir Adolf Hitler haben. Die wachsende Spannung, die sich zwischen der nationalsozialistischen Volksmehrheit und der kleinen Gruppe der monarchistischen Bewegung, die mit steigender Betriebsamkeit eine neue, gegen den nationalsozialistischen Staat gerichtete monarchistische Organisation, besonders unter der Jugend, gründete, erhob, glich Ministerpräsident Göring dadurch aus, daß er beim Reichsinnenminister Frick das Verbot der monarchistischen Verbände anregte. So wurden denn am 1. Februar 1934 alle diese reaktionären, staatsfeindlichen Bünde aufgelöst und verboten, da Frick ein derartiges Ersuchen an die Landesregierungen gerichtet hatte; der Minister sagte: die Maßnahme hätte sich erübrigt, wenn sich die Verbände der gebotenen Zurückhaltung befleißigt und auf die Pflege rein geschichtlicher Erinnerung beschränkt hätten; der nationalsozialistische Staat werde die historischen Verdienste großer deutscher Fürsten und preußischer Könige anerkennen, er könne es aber nicht dulden, daß sich dunkle Elemente in die monarchistische Bewegung einschlichen und den Versuch machten, sie zu einer Opposition gegen den nationalsozialistischen Staat auszubauen. Schon solche Versuche richteten sich gegen Sinn und Geist des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933. Von nun an tauchten solche Verbände, wie die "Deutsche Kaiserbewegung", der "Bund der Aufrechten", der "Volksbund der Kaisertreuen", der "Ring der Kaisertreuen", die "Kameradschaft Hohenzollerntreue" und der "Preußenbund" ins Dunkel unter.

Doch trotz der Warnungen der Regierung und der Drohungen der Partei unterließ die Reaktion nicht ihr untergründiges Wühlen. Oft genug kam es vor, daß Wirtschaftsführer als Saboteure der neuen Wirtschaft, Professoren als Kritikaster des neuen Staates, Pfarrer als Nörgler, ehemalige Stahlhelmer als politische Besserwisser in Haft genommen werden mußten. Ganz unglaublich war die Ende Mai aufgedeckte staatsfeindliche Verschwörung, die von einem welfischen Klüngel ausging. Eine Anzahl der Verschwörer, an deren Spitze ein Rittergutsbesitzer Leßmann aus Oberg und ein Dentist Henne aus Peine standen, wurden verhaftet. Die [297] Staatsfeinde betrieben eine planmäßige Miesmacherei, nörgelten an der Wirtschaft, an der Außenhandelspolitik, an der Behandlung der Judenfrage herum, redeten von Hungerlöhnen und Inflation, stellten Ungerechtigkeiten und Gewalttaten fest (Sterilisationsgesetz), förderten Klassenkampfinstinkte, machten den Führer, den neuen Staat und die NSDAP. verächtlich und priesen die Monarchie. Führende Leute des ehemaligen Scharnhorstbundes, der gegen Ende des Jahres 1933 in Berlin in die HJ. eingegliedert wurde, versuchten, ihre alte Organisation weiterzuführen. Unter Leitung ihrer ehemaligen Führung in Berlin kamen gewisse Gruppen in kurzen Abständen zusammen, um gegen die HJ. Stellung zu nehmen. Ende Mai 1934 gelang es der HJ.-Streife in Berlin, eine solche Versammlung festzustellen.

In der Juniausgabe des vom Reichspropagandaministerium herausgegebenen Aufklärungsmaterials hieß es über Monarchisten und kleine reaktionäre Spießbürger:

      "Heute schreien sie nach der Monarchie und wissen dabei immer noch nicht, daß ihre Instinktlosigkeit, ihr würdeloser, oft geradezu lächerlicher Hurrapatriotismus, ihr Schachergeist und ihr Mangel an Mannestreue der Monarchie letzten Endes das Grab geschaufelt haben. Diejenigen, die sich heute als die Träger des monarchischen Staatsgedankens aufspielen möchten, leisten der monarchischen Idee selbst den schlechtesten Dienst, denn gerade sie sind die typischen Vertreter des 'Hier stehe ich, ich kann auch anders'. 14 Jahre lang haben sie sich brav und bieder auf den Boden der gegebenen Tatsachen gestellt, haben zu allem 'Ja' und 'Amen' gesagt, was Liberalismus und Marxismus als der Weisheit letzten Schluß verkündeten, haben sich in der Demokratie häuslich eingerichtet – und jetzt wollen sie da ernten, wo sie nicht gesät haben. Sie sind nicht ernst zu nehmen, denn so wenig wie sie früher rückhaltlos und opferbereit für ihre Überzeugung eingetreten sind, so wenig werden sie es heute tun."

Anfang Mai 1934 eröffnete Reichspropagandaminister Goebbels bis Ende Juni einen gewaltigen Feldzug gegen Miesmacher, Kritikaster, Nörgler und Reaktionäre, der in einer Flut von Versammlungen Millionen und Abermillionen [298] deutscher Volksgenossen erfaßte. Die Minister Goebbels, Göring, Frick, Heß und die an sichtbarer Stelle stehenden Nationalsozialisten schalteten sich in diesen Feldzug ein und sprachen vor Versammlungen, deren jede Hunderttausende von Menschen vereinigte. In zahlreichen Reden rechnete der Propagandaminister mit der judenfreundlichen und kirchlich getarnten Reaktion ab, zeigte die gewaltigen Leistungen der Regierung auf, widerlegte die Gerüchte einer durch den Führer verursachten drohenden Kriegsgefahr, wandte sich gegen die jüdische Boykotthetze. Immer schärfer und leidenschaftlicher wurde seine Sprache, die er gegen die sich vornehm dünkenden Herren führte. Die Charaktertugend der Treue allein habe Geltung, nicht Wissen und Stand und Besitz. Auf seiner letzten großen Rede in Essen am 24. Juni führte der Minister folgendes aus:

      "Der Feind des Nationalsozialismus sitzt nicht im Arbeiter, er sitzt bei den vornehmen Herren, bei denen, die im Nationalsozialismus nur eine Zeiterscheinung sehen. Der Nationalsozialismus muß sich über diese Klique mit dem Volke auseinandersetzen... Die Revolution ist heute im Zeichen der Disziplin und Loyalität verlaufen. Gewiß haben wir den Marxismus vernichtet, aber wir dulden heute noch im Lande die Reaktion. Wenn der Führer heute vor die Bewegung träte und sagte: Meine Parteigenossen, jetzt wollen wir ihnen zeigen, was wir mit ihnen machen – in 24 Stunden wären sie verschwunden! Unsere Macht ist unbeschränkt!"

Am folgenden Tage hielt Ministerpräsident Göring in Hamburg eine Rede, darin er die Wiederherstellung der Monarchie als undiskutabel bezeichnete. Wir Lebenden haben Adolf Hitler, und das Band, das ihn und sein Volk umschließt, ist Treue und Vertrauen. "Dieses Vertrauen ist die Basis, auf der wir alles aufbauen müssen. Wer gegen dies Vertrauen sündigt, der hat sich um seinen Kopf gebracht!"

Hochverräter:
  Die Röhmrevolte  

3.

Die Schärfe solcher Reden hatte ihren besonderen Grund. In nächster Nähe des Führers erhob sich gräßlich das Gespenst des Verrates.

[299] Der Stabschef der SA., Ernst Röhm, hatte 1928 sein Leben beschrieben. Es war bezeichnend, daß er im Titel des Buches, das er Geschichte eines Hochverräters nannte, sich selbst weit von der Grundtugend der Deutschen, der Treue, distanzierte. Unmittelbar vor der Machtergreifung Januar 1933 erschien die achte Auflage.

Wer dies Buch aufmerksam liest, wird erkennen, daß die Auffassungen des Führers und die Röhms nie übereingestimmt haben. Das Weltanschauliche, was die Gesamtheit des Volkes in allen seinen Lebensäußerungen zu einer sinnvollen Einheit zusammenführen sollte, stellte Adolf Hitler als das Grundlegende, vor allem Notwendige oder das Primäre hin. Für Röhm aber war es nur Mittel zum Zweck, ihm erschien das Militärische, weltanschaulich verbrämt, als die eigentlich maßgebende Kraft des Volkes. Erkannte der Führer im Militärischen eine scharf abgegrenzte Teilfunktion des völkischen Lebensorganismus, dessen sichtbare Ausdrucksform das Reichsheer als einziger Waffenträger der Nation war, so strebte Röhm nach der alles beherrschenden militärischen Vorherrschaft im Staate. Es handelte sich bei ihm also um eine innerlich zerrüttete Weltanschauung, wie wir sie z. B. in dem in rassischem Verfall befindlichen Prätorianerstaat des versinkenden römischen Reiches mit der Fülle seiner Illegalität und Unmoral vorfinden.

Röhm war nie Nationalsozialist. In seinem Buche bekannte er sich zum bayerischen, d. h. separatistischen Monarchismus, und daneben zur einseitig prätorianischen, d. h. militärdiktatorischen Volksordnung, denn überall da, wo eine Teilfunktion oder ein gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch, militärisch scharf abgegrenzter Teil der Volksgemeinschaft das Vorrecht vor der Gesamtheit des Lebens erhält, tritt der Zustand der Diktatur ein. Er sagte:

      "Bedeutungsvoll für mich ist das soldatische Element einer Bewegung. Ich leiste ihr dann freudige Gefolgschaft, wenn sie dem Soldaten die Vorrechte zuerkennt, die er beanspruchen darf. Für das Dritte Reich deutscher Geltung, Kraft und Ehre erstrebe ich, daß der Kämpfer, der bereit ist, sein Leben einzusetzen und hinzugeben, die entscheidende Stimme hat. [300] Um gar nicht mißverstanden zu werden: nicht eine Stimme, sondern die entscheidende. Ich verlange, um es kurz zu sagen, das Primat des Soldaten vor dem Politiker. Insbesondere fordere ich dies für den enger gezogenen Rahmen der nationalistischen Bewegung. In einem Machtstaat, in einer Bewegung, die die Macht erstrebt, muß der Soldat die erste Stelle einnehmen... Ich erstrebte, die völkischen Kämpfer in einer Front zusammenzufassen."

Das war und blieb die gegen Adolf Hitler gerichtete einseitig militärisch-diktatorische Forderung Röhms auch nach der Machtübernahme. Schritt für Schritt suchte er sie gegen den Führer, der im Gegensatz zu Röhm die Totalität der Volksgemeinschaft mit Hilfe des Nationalsozialismus als sein Ziel erkannte, zu verwirklichen. Parallel zu dem vom Führer in Angriff genommenen völkischen Neubau des Reiches bemühte sich Röhm um die Vorbereitung der Militärherrschaft.

Zunächst gab Röhm die Möglichkeit, daß vom 1. bis 5. November 1933 noch zahlreiche Männer, die keine Parteigenossen waren, in SA., SS. und Stahlhelm eintreten konnten. Die alte, ehrliche, weltanschaulich zuverlässige, nur aus Parteigenossen bestehende SA. wurde jetzt, gegen den Willen des Führers, überflutet von Reaktionären und Marxisten, die keine Ahnung vom Nationalsozialismus hatten, ihm zum großen Teile innerlich ablehnend gegenüberstanden. Ende November wurde, wie bereits im 1. Kapitel gesagt, auch der Stahlhelm in die SA. übernommen. Viele Reaktionäre drangen jetzt in die SA. ein und verstanden es mit seltener Betriebsamkeit, den alten SA.-Mann, der jahrelang treu seine Pflicht getan hatte, in den Hintergrund zu drängen und die weltanschauliche Zuverlässigkeit durch Chargen und Abzeichen zu ersetzen. So geschah es alsbald, daß die alten SA.-Kämpfer für den neuen Staat dem Kommando der neuen Kämpfer für einen gegennationalsozialistischen militär-diktatorischen Staat unterworfen wurden. Die Vereinigung der Wehrverbände in der Hand Röhms und seine Berufung in die Reichsregierung erleichterten diese Entwicklung. Sehr bezeichnend für die bedenkliche Art war es schon, daß Röhm Anfang Dezember 1933 die Angehörigen der SA. auffordern [301] mußte, aus den "auffallenderweise" neu sich bildenden politischen, d. h. in der Hauptsache reaktionären und freimaurerischen Klubs auszutreten, da in der Mitgliedschaft zu solchen Vereinen das offensichtliche Bestreben sich ausdrückte, alte politische Beziehungen wieder aufzunehmen und wach zu halten, persönliche Beziehungen zum Zwecke der alten Standesabschließung zu pflegen.

Ende 1933 trat das Ziel Röhms in seinen Ausführungen noch nicht klar erkennbar hervor. In seiner Rede vom 7. Dezember zog er noch einen scharfen Trennungsstrich zwischen SA. und Reichswehr. Wahrscheinlich war ihm noch nicht die ihm durch das Gesetz vom 1. Dezember gegebene Machtfülle bewußt geworden. Damals sagte er:

      "Die SA. läßt sich mit keinem Heer, mit keiner Miliz, mit keinem sonstigen Heeressystem der Welt vergleichen. Denn sie ist keines von ihnen. Allen genannten Heeren eignet der Begriff der bewaffneten Macht. Das gerade aber ist nach dem ausgesprochenen Willen Adolf Hitlers die SA. nicht! Im Gegenteil hat er in allen Proklamationen, die sich auf das Verhältnis zwischen Reichswehr und SA. beziehen, ganz scharf und eindeutig die Trennungslinie gezogen:
      Die Reichswehr ist der alleinige Waffenträger des Reiches – die SA. ist der Willens- und Ideenträger der nationalsozialistischen Revolution! Der Reichswehr obliegt die Verteidigung der Grenzen und der Schutz der Interessen des Reiches dem Ausland gegenüber. –
      Der SA. ist zur Aufgabe gesetzt, den neuen deutschen Staat geistig und willensmäßig auf der Grundlage des nationalsozialistischen Ideengutes zu formen und den deutschen Menschen zu einem lebendigen Glied dieses nationalsozialistischen Staates zu erziehen.
      Zwischen der Reichswehr und der SA. bestehen keinerlei Bindungen." –

Mehr und mehr jedoch entfernte sich die SA. unter Röhms Führung vom Nationalsozialismus, und zwar seit Anfang 1934. Die alten Nationalsozialisten wurden nach einem bestimmten Prinzip der Nichtbeachtung hinausgedrängt. Unter der neuen SA., die der Bewegung des Führers ferne stand, [302] wurde allmählich ein Geist herangezüchtet, der in uns Politischen Leitern etwas Minderwertiges, Überflüssiges, Lächerliches sah. Der wertvolle Mensch allein war der SA.-Mann, der jetzt in der neuen Form meistens von Weltanschauung keine Ahnung hatte; was man dort nicht brauchen konnte, weil es sich bemühte, dem weltanschaulichen Willen des Führers zu dienen, wurde geringfügig belächelt und zur PO. "abgeschoben"!

Bewußt förderte Röhm diesen sich entfaltenden Geist eines überheblichen, völkischen Landsknechtstums. In seinen Reden bezeichnete er die SA. als Trägerin ewigen Soldatentums und eines neuen Lebensstils, er erklärte, daß nur vom Soldatischen, das in der SA. verkörpert sei, aus der Nationalsozialismus verständlich sei. Daß, wie er am 14. Januar sagte, die SA. das Gewissen der Revolution sei und unnachsichtlich darüber zu wachen habe, daß nicht Bürokratie und Spießertum das in der nationalsozialistischen Revolution Errungene durch Paragraphenreiterei und allzu temperierte revolutionäre Selbstgenügsamkeit zunichte machen. Es war die Auffassung Röhms, die er verbreitete, daß die SA. allein die Revolution gemacht habe, daß die Zukunft auf Soldatentum baue, kurz, daß überhaupt kein Nationalsozialismus da sei, wenn die SA. fehle. Von der Politischen Organisation hörte man in solchen Reden keine Spur, sie hatte für Röhm keine Lebensberechtigung.

Von nun an durchzieht alle Reden Röhms der Gedanke von der revolutionären Linie der SA., die darüber zu wachen habe, daß das neue Deutschland nie ein bürokratischer Staat werde. Nach seiner Ansicht hatte die SA. allein die Revolution gemacht; wohin kein nationalsozialistischer Redner drang, dahin sei die SA. gekommen. Soldatentum, immer nur wieder Soldatentum, SA. als Gewissen der nationalsozialistischen Revolution, der SA.-Mann, insbesondere der neue, als Idealgestalt des von Röhm ersehnten Staates. Alles, was da noch in diesen Reden nebenbei von Nationalsozialismus und Adolf Hitler gesagt wird, war zeitgemäße Garnierung, Tarnung. Ein inneres Verhältnis hierzu hatte die neue SA. nicht, Röhm wollte sie zu einem zuverlässigen Werkzeug [303] seiner eigenen, ehrgeizigen, herostratischen und prätorianischen Pläne machen.

In drei wesentlichen Punkten lehnte sich Röhm gegen den Willen des Führers auf: erstens, indem er die SA. von aller weltanschaulichen Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus löste und zu einer einseitig militärischen Vormachttruppe und zum Werkzeug seiner eigenen Pläne umschuf – damit erhob er sich gegen den Führer, der das Reichsheer als den alleinigen Waffenträger der Nation erklärte; zweitens, indem er die SA. einseitig über die Partei erhob, ja von ihr gänzlich losriß – während der Führer bestimmte, daß SA. und Partei gleichberechtigte und zuverlässige Säulen des politischen und weltanschaulichen Willens des Nationalsozialismus in Reich und Volk sein sollten; drittens, indem er die Revolution als Selbstzweck in Permanenz erklärte und so in unversöhnlicher Gegensätzlichkeit das Volk zerklüftete – während der Führer auf der Basis der totalen Volksgemeinschaft den Aufbau im Nationalsozialismus organisch und evolutionär sich vollziehen ließ. –

Erzeugte die wahllose Zusammenfassung aller Wehrverbände in Röhms Hand erste Spannungen im Verhältnis zum Führer, das von Adolf Hitlers Seite stets ein freundschaftliches war, so begann Röhm seit Anfang 1934 ganz bewußt auf hinterhältige Weise den schnöden Verrat gegen Adolf Hitler zu organisieren. Anlaß dazu boten die deutsch-französischen Gespräche, worin der Führer erklärte, daß er demnächst die SA. vermindern werde. Dieser Entschluß war dem Führer nicht etwa von Frankreich eingegeben worden, sondern er floß aus dem ganz natürlichen Gebot der Notwendigkeit, die SA weltanschaulich zu bereinigen, wenn sie weiterhin als Träger des Nationalsozialismus betrachtet werden sollte.

Der Führer hatte von vornherein die Vergehen Röhms scharf und deutlich erkannt. Er legte in seiner Reichstagsrede vom 13. Juli dar:

"1. Entgegen meinem ausdrücklichen Befehl und entgegen mir gegebenen Erklärungen durch den früheren Stabschef Röhm war eine Auffüllung der SA. in einem Umfange ein- [304] getreten, die die innere Homogenität dieser einzigartigen Organisation gefährden mußte.

2. Die nationalsozialistische weltanschauliche Erziehung trat in den erwähnten Bereichen einzelner höherer SA.-Dienststellen mehr und mehr zurück.

3. Das naturgegebene Verhältnis zwischen Partei und SA. begann sich langsam zu lockern. Mit einer gewissen Planmäßigkeit konnten Bestrebungen festgestellt werden, die SA. von der ihr von mir gestellten Mission mehr und mehr zu entfernen, um sie anderen Aufgaben oder Interessen dienstbar zu machen.

4. Die Beförderungen zu SA.-Führern ließen bei Nachprüfung eine vollständig einseitige Bewertung eines rein äußeren Könnens oder oft auch nur einer vermeintlichen intellektuellen Befähigung erkennen. Die große Zahl ältester und treuester SA.-Männer trat immer mehr bei Führerernennungen und Stellenbesetzungen zurück, während der in der Bewegung nicht sonderlich hoch geachtete Jahrgang 1933 eine unverständliche Bevorzugung erfuhr. Eine manchesmal nur wenige Monate dauernde Zugehörigkeit zur Partei, ja nur zur SA., genügte zur Beförderung in eine höhere SA.-Dienststelle, die der alte SA.-Führer nicht nach Jahren erreichen konnte.

5. Das Auftreten dieser zum großen Teil mit der Bewegung überhaupt nicht verwachsenen einzelnen SA.-Führer war ebenso unnationalsozialistisch wie manchesmal geradezu abstoßend. Es konnte aber nicht übersehen werden, daß gerade in diesen Kreisen eine Quelle der Beunruhigung der Bewegung auch dadurch gefunden wurde, als ihr mangelnder praktischer Nationalsozialismus sich in sehr unangebrachten neuen Revolutionsforderungen zu verschleiern versuchte."

Mit der ganz bestimmten Absicht, die weltanschauliche SA. in eine militärische Truppe zu verwandeln, sie gewissermaßen in Konkurrenz zur Reichswehr zu bringen, ließ Röhm die dem Nationalsozialismus ferne stehenden SA.-Einheiten bewaffnen und in den Waffen ausbilden. Eine heimliche Soldatenspielerei begann, die den Stabschef in die Lage versetzen sollte, mit Nachdruck seine Macht zu stärken und zu [305] konzentrieren, um sie "im gegebenen Augenblick" gegen Adolf Hitler und, wenn nötig, auch gegen die Reichswehr einzusetzen.

Zugleich verschaffte sich Röhm auf Grund seiner krankhaften Veranlagung in Führerkreisen der SA. einen Anhang, der es ihm ermöglichte, die alte, treue, nichtsahnende SA. seinen verräterischen Zwecken dienstbar zu machen. Es wurde das untergründige Gerede von der zweiten Revolution aufgebracht, die zwar Adolf Hitler selbst als Reichskanzler nicht durchführen könne, deren Durchführung er aber von seiten der SA. wünsche. Sie sei nötig, um die Rückstände der Vergangenheit aus den Amtsstellen zu entfernen. In einer für das Ausland bestimmten Rede am 19. April 1934 übte Röhm eine geradezu unverfrorene Kritik am Werk des Führers:

      "In einer unbegreiflichen Milde hat das neue Regiment in Deutschland bei der Machtübernahme mit den Trägern und Handlangern des alten und noch älteren Systems nicht rücksichtslos aufgeräumt. Heute noch sitzen in beamteten Stellen Menschen, die von dem Geist der nationalsozialistischen Revolution noch keinen Hauch verspürt haben. Wir nehmen es ihnen nicht übel, daß sie eine durch die Entwicklung überholte Gesinnung haben, obwohl wir es nicht für glücklich halten, daß man sie gleich- statt ausgeschaltet hat. Wir brechen ihnen aber bestimmt und erbarmungslos das Genick, wenn sie diese reaktionäre Gesinnung zu betätigen wagen. Als unerschütterliches Bollwerk gegen Reaktion, Spießer- und Muckertum steht die SA. – denn in ihr verkörpert sich alles, was den Begriff der Revolution ausmacht!... Die SA., das ist die nationalsozialistische Revolution!"

Auch hier von der Partei keine Spur – sie war für Röhm nicht da. Es klang überhaupt alles so, als ob er allein die deutsche Politik mache. Auf die im Glauben an den Führer und in der Treue zu ihm noch nicht gefestigten SA.-Männer mußte so etwas natürlich Eindruck machen. So trat denn bei dem hochverräterischen Geraune von der zweiten Revolution ganz von selbst Röhm in den Vordergrund, der Führer aber in den Hintergrund.

Es entwickelten sich, wie der Führer in seiner großen Rede [306] am 13. Juli ausführte, in der SA.-Führung allmählich drei Gruppen: Eine kleine Gruppe von durch gleiche Veranlagung zusammengehaltenen Elementen, die, zu jeder Handlung fähig, sich blind in der Hand des Stabschefs Röhm befanden, es waren dies in erster Linie die SA.-Führer Ernst in Berlin, Heines in Schlesien, Hayn in Sachsen, Heydebreck in Pommern. Es war eine anormale Sekte, "die den Kern einer Verschwörung nicht nur gegen die moralischen Auffassungen eines gesunden Volkes, sondern auch gegen die staatliche Sicherheit abgab. Einzelne Vorgänge enthüllten ein Bild von Zuständen, die als unerträglich angesehen werden mußten". In dieser ersten Gruppe nun wieder gab es zwei Unterkategorien: erstens die ewigen Reaktionäre, die zur Erkenntnis gekommen waren, daß sie seit dem 30. Januar ausgespielt hatten, und zweitens die ewigen Revolutionäre, "die im Jahre 1918 in ihrem früheren Verhältnis zum Staat erschüttert und entwurzelt worden sind und damit überhaupt jede innere Beziehung zu einer geregelten menschlichen Gesellschaftsordnung verloren haben. Es sind Revolutionäre geworden, die der Revolution als Revolution huldigen und in ihr einen Dauerzustand sehen möchten", – also die Nihilisten. Eine zweite Gruppe gehörte innerlich nicht zu diesem Kreise, fühlte sich aber durch ihre einfache soldatische Auffassung dem Stabschef Röhm gegenüber zum Gehorsam verpflichtet. Eine dritte Gruppe schließlich machte aus ihrer inneren Abneigung und Ablehnung kein Hehl. Diese Gruppe wurde von Lutze und Himmler geführt.

Schon im Februar 1934, als der Führer Röhm noch des öfteren auf den bedenklichen Weg der SA. hinwies, muß Röhm durch Vermittlung eines SA.-Führers und eines korrupten Reaktionärs die Verbindung mit Schleicher gefunden haben. Der ehemalige General war nach des Führers Worten "der Mann, der dem inneren Wunsche des Stabschefs Röhm den äußeren Ausdruck verlieh". General Reichenau nennt Schleicher "den geborenen Verschwörer", der mit Hilfe der SA. wieder an die Macht kommen wollte. Er hatte folgende Ansicht: das gegenwärtige deutsche Regiment sei unhaltbar, vor allem die Wehrmacht und sämtliche nationalen Verbände, [307] d. h. damals auch noch Seldtes Stahlhelm, später NSDFB., müßten in der Hand Röhms zusammengefaßt, und an Stelle Papens müsse er selbst, Schleicher, Vizekanzler werden. Es war der Plan einer Regierung Röhm–Schleicher unter aktiver Einbeziehung der Wehrmacht zu seiner Verwirklichung.

Mit der Idee, neben den "Vaterländischen Verbänden" auch die Reichswehr in die Hand Röhms zu geben, hatte dessen ursprüngliche, zunächst in Konkurrenz zur Reichswehr stehende Auffassung ein neues Stadium erreicht, jedoch noch nicht äußerlich sichtbar: Röhm betrachtete die Reichswehr doch solange als Feind, bis er sie in seiner Gewalt hatte. Noch seit der ersten Märzhälfte wurde systematisch das Geschwätz von der zweiten Revolution so propagiert: Die Reichswehr beabsichtige, die SA. aufzulösen, Hitler gebe leider diesen Bestrebungen nach (Gespräche mit Frankreich über die Abrüstung!), die SA. müsse dem Angriff zuvorkommen, in einer zweiten Revolution die Elemente der Reaktion und die Parteiwiderstände beseitigen und die Staatsgewalt auf die SA. übertragen. Röhm selbst sammelte zu diesem Zwecke 12 Millionen Mark und bildete unter der Bezeichnung "Stabswachen" Terrorgruppen. Den fernerstehenden SA.-Führern wurde allgemein mitgeteilt, eine zweite Revolution stehe vor der Tür mit dem Ziele, Adolf Hitler die Handlungsfreiheit wiederzugeben, der allerdings selbst nichts davon wissen dürfe und den Wunsch hätte, für die ersten 24 oder 48 Stunden in Haft genommen zu werden!

Durch Schleicher kam Röhm, unter Mißbrauch seines Ministeramtes, auch mit dem Ausland in Verbindung. Schleicher rechnete auf Frankreich. Bereits zur Zeit seiner Kanzlerschaft hatte Schleicher mit dem französischen Generalstab in geheimen Verhandlungen gestanden, die zur Zeit seines Sturzes einer Vereinbarung nahe gewesen waren. Nach seinem Sturz scheint die Verbindung zunächst zerrissen gewesen zu sein, doch wohl schon Ende 1933 scheint Schleicher mit einflußreichen französischen Staatsmännern "Fühlung gesucht und auch Fühlung gefunden zu haben", wie sich ein englischer Korrespondent, der in engster persönlicher Fühlung zu Schleicher stand, sich ausdrückte. General von Bredow und [308] ein gewisser von Detten waren Schleichers Mittelleute. Sie unterrichteten gewisse Kreise in Paris, dann auch in London und Moskau über die dunklen Pläne Schleichers. Bredow ist doch wohl schon Ende Januar Anfang Februar 1934 mit den Vertrauensmännern des Quai d'Orsay insgeheim zu folgender Verständigung gekommen:

1. die neue deutsche Regierung Schleicher respektiert den Status quo in Europa, erhält aber das Recht, auf friedlichem Wege für eine Abänderung zu werben.

2. Deutschland übt keinen Druck auf die Saarbevölkerung aus, von der die Verschwörer annahmen, daß sie nach Adolf Hitlers Sturz in überwältigender Mehrheit für Deutschland stimmen würde.

3. Die Frage der Saargruben soll liberal behandelt werden.

4. Deutschland verzichtet auf eine politische Vereinigung mit Österreich.

5. Frankreich wird sich für Rückgabe einiger Kolonien an Deutschland einsetzen.

6. Deutschland schließt Frieden mit der Sowjetunion.

7. Innenpolitisch wird Deutschland nach einer kurzen Übergangsperiode der Militärdiktatur in einen sozialen parlamentarischen Staat umgewandelt, in dem die Gründung politischer Parteien wieder erlaubt sein soll; die Aufrüstung wird gestoppt!

Aktuell wurde für das Ausland dies Schleichersche Programm jedoch erst dann, wenn Schleicher dem Auslande gegenüber eine Macht aufweisen konnte; das war eben nun Röhm.

Die Verbindung des Ministeramts der SA. mit dem Ausland wurde von Schleicher wohl Anfang März hergestellt. Damals gewährte der Chef dieses Ministeramtes, SS.-Gruppenführer Reiner, einem Zeitungsvertreter eine Unterredung, worin er erklärte, das Ministeramt der SA. werde sich auch mit außenpolitischen Fragen zu beschäftigen haben und dem Minister Röhm alle Unterlagen beschaffen, die die SA. in außenpolitischer Hinsicht berühren; auch würden mit ausländischen Diplomaten Besprechungen abgehalten und ihnen Aufklärung gegeben werden, wenn sie Fragen hätten; das Ministeramt sei die politische Orientierungsstelle für Röhm.

Allein hier liegt die Lösung für das undurchsichtige und unklare Verhalten Barthous, das er seit März an den Tag legte. Hier war eine Nachrichtenzentrale, die Frankreich gegebenen- [309] falls in der Abrüstungsfrage mit hochverräterischem Material versorgte, um der Reichsregierung Schwierigkeiten zu machen! Von hier aus muß im April im Einverständnis mit Röhm und Schleicher eine verhängnisvolle Zustimmung zu Pariser Plänen, die sich mit einer Wiederbesetzung des Rheinlandes beschäftigten, gegeben worden sein. Ende April äußerte Barthou, doch wohl in Warschau, Frankreich sei nicht bereit, Deutschland irgendwelche Zugeständnisse in der Abrüstungsfrage zu machen, da die Tage des Hitlerregimes gezählt seien; Barthou soll bei dieser Gelegenheit erzählt haben, daß in Deutschland ein Komplott gegen Adolf Hitler bestehe, dessen treibende Kraft Schleicher sei.

Adolf Hitler hatte von den verräterischen Vorgängen im Anfang keine Ahnung. Noch Ende Februar, als er der Wehrmacht das Hoheitszeichen der Partei verlieh, um damit die enge Verbundenheit zwischen Reichswehr und Volk und Reich darzustellen, wußte er nicht, daß unsichtbar neben ihm der Schatten des Hochverrats der Reichswehr sich zu nähern bemühte. Wie unverdächtig noch alles war, ergab sich daraus, daß das Preußische Staatsministerium Ende März der Landgemeinde Kandrzin im Kreise Cosel, Oberschlesien, mit Wirkung vom 15. Mai 1934 ab den Namen "Heydebreck (O.-S.)" verlieh. Immerhin sah sich der Führer doch schon Mitte März veranlaßt, Vorbereitungen für eine neue Propagandawelle zu treffen. Sie sollte das deutsche Volk gegen den Versuch einer neuen Vergiftung immunisieren. Gleichzeitig damit gab er aber auch an einzelne der Parteidienststellen den Befehl, den immer wieder auftauchenden Gerüchten einer neuen Revolution nachzugehen und, wenn möglich, die Quellen dieser Gerüchte aufzufinden. Es ergab sich für ihn, daß in den Reihen einiger höherer SA.-Führer Vorgänge auftraten, die zu ernstesten Bedenken Anlaß geben mußten. Es waren zunächst allgemeine Erscheinungen, deren innere Zusammenhänge dem Führer noch nicht ohne weiteres klar waren.

Die zunehmenden Klagen über die Beförderungen in der SA., ihre mangelhafte weltanschauliche Erziehung, ihre fortgeschrittene Lösung von der Partei erfüllten den Führer mit Sorge. Er sagte darüber im Juli:

      "Im Monat April und Mai [310] nahmen diese Klagen ununterbrochen zu. Zum erstenmal erhielt ich in dieser Zeit aber auch aktenmäßig belegte Mitteilungen über Besprechungen, die von einzelnen höheren SA.-Führern abgehalten worden waren und die nicht anders als mit 'grober Ungehörigkeit' bezeichnet werden mußten. Zum ersten Male wurde in einigen Fällen unableugbar bewiesen, daß in solchen Besprechungen Hinweise auf die Notwendigkeit einer neuen Revolution gegeben wurden. Stabschef Röhm versuchte, alle diese Vorgänge in ihrer Wirklichkeit abzustreiten und erklärte sie als versteckte Angriffe gegen die SA."

Die Unaufrichtigkeit und Zweizüngigkeit Röhms kam krasser nicht zum Ausdruck als am Geburtstage des Führers, dem 20. April 1934. An diesem Tage gelobte er Adolf Hitler "in unwandelbarer Treue und niemals wankendem Gehorsam seine Wege zu gehen und seine Werke zu wirken... dem nationalsozialistischen Deutschland zu dienen mit Leib und Seele bis in den Tod"..., und am gleichen Tage bestimmte er den in Aussicht genommenen Putschmonat Juli als Urlaubsmonat für die SA., um sich der ihm widerstrebenden SA.-Männer zu entledigen und nur die ihm zuverlässig dünkenden unter Waffen zu halten!

Die Aussprachen, die jetzt im April und Mai stattfanden, führten zu außerordentlich heftigen Auftritten zwischen Röhm, Heß, Göring, Goebbels, Frick, ja auch Adolf Hitler:

      "Diese Auseinandersetzungen führten zu sehr ernsten Aussprachen zwischen dem Stabschef und mir, in denen mir zum ersten Male Zweifel in die Loyalität dieses Mannes aufstiegen. Nachdem ich viele Monate lang jeden solchen Gedanken von mir zurückgewiesen hatte, begannen mir nun allmählich Warnungen – vor allem auch meines Stellvertreters in der Parteiführung, Rudolf Heß – Bedenken einzuflößen, die ich selbst beim besten Willen nicht mehr zu entkräften vermochte. Es konnte vom Monat Mai ab keinen Zweifel mehr geben, daß Stabschef Röhm sich mit ehrgeizigen Plänen beschäftigte, die im Falle ihrer Verwirklichung nur zu schwersten Erschütterungen führen konnten. Wenn ich in diesen Monaten immer wieder zögerte, eine letzte Entscheidung zu treffen, geschah es aus zwei Gründen:

1. Ich konnte mich nicht ohne [311] weiteres mit dem Gedanken abfinden, daß nun ein Verhältnis, das ich auf Treue aufgebaut glaubte, nur Lüge sein sollte.

2. Ich hatte noch immer die stille Hoffnung, der Bewegung und meiner SA. die Schande einer solchen Auseinandersetzung zu ersparen und die Schäden ohne schwerste Kämpfe zu beseitigen."

Aber der Führer handelte unverzüglich, in überlegener und zielsicherer Ruhe, nichts überstürzend. Sein Handeln galt dem Schutze der Reichswehr, des Reichspräsidenten, der Erfassung der Landespolizei in sicherer Hand und der moralischen öffentlichen Niederwerfung der Reaktion.

Am 9. April bereits hatte der Reichswehrminister eine Verfügung erlassen, daß künftig dem Unterricht über politische Tagesfragen in der Wehrmacht von allen Dienststellen erhöhte Bedeutung beizumessen und gesteigerte Aufmerksamkeit zuzuwenden sei. Ende Mai verbot der Minister aufs strengste allen Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeitern die Zugehörigkeit zur Freimaurerei. Anfang Juni wurden namens des Reichspräsidenten von Hindenburg die Berufspflichten der Soldaten neu formuliert. Der Reichswehrminister gab sie heraus mit dem Befehl, daß die Pflichten sofort den Soldaten bekanntzugeben und von ihnen zu erlernen seien. Ihr Wortlaut ist dieser:

"1. Die Wehrmacht ist der Waffenträger des deutschen Volkes. Sie schützt das Deutsche Reich und Vaterland, das im Nationalsozialismus geeinte Volk und seinen Lebensraum. Die Wurzeln ihrer Kraft liegen in einer ruhmreichen Vergangenheit, in deutschem Volkstum, deutscher Erde und deutscher Arbeit. Der Dienst in der Wehrmacht ist Ehrendienst am deutschen Volk.

2. Die Ehre des Soldaten liegt im bedingungslosen Einsatz seiner Person für Volk und Vaterland bis zur Opferung seines Lebens.

3. Höchste Soldatentugend ist der kämpferische Mut. Er fordert Härte und Entschlossenheit. Feigheit ist schimpflich, Zaudern unsoldatisch.

4. Gehorsam ist die Grundlage der Wehrmacht, Vertrauen die Grundlage des Gehorsams. Soldatisches Führertum beruht [312] auf Verantwortungsfreude, überlegenem Können und unermüdlicher Fürsorge.

5. Große Leistungen in Krieg und Frieden entstehen nur in unerschütterlicher Kampfgemeinschaft von Führer und Truppe.

6. Kampfgemeinschaft erfordert Kameradschaft. Sie bewährt sich besonders in Not und Gefahr.

7. Selbstbewußt und doch bescheiden, aufrecht und treu, gottesfürchtig und wahrhaft, verschwiegen und unbestechlich soll der Soldat dem ganzen Volke ein Vorbild männlicher Kraft sein. Nur Leistungen berechtigen zum Stolz.

8. Größten Lohn und höchstes Glück findet der Soldat im Bewußtsein freudig erfüllter Pflicht. Charakter und Leistung bestimmen seinen Wert und Weg."

Da die Verräter nicht hoffen durften, daß der Führer gemäß seinem Willen, daß die Reichswehr einziger Waffenträger der Nation sei und zwischen ihr und den völkischen Verbänden eine reine und deutliche Grenze gezogen sein müsse, den Wunsch des treulosen Röhm, an die Spitze der Reichswehr gestellt zu werden, erfüllen würde, versuchten sie durch Mittelsleute den Reichspräsidenten zu bestimmen, daß er das Reichsheer in Röhms Hand gebe und sowohl der Personalunion wie auch der Verschmelzung zwischen Reichswehr und SA. zustimme. Es war das Ziel Schleichers und Röhms, daß Hindenburg die ursprünglich zwischen der Reichswehr und der Röhmschen SA. bestehende Kluft überbrücken sollte. Diese Versuche müssen bereits im April unternommen sein, denn schon in diesem Monat erfuhr es Adolf Hitler, wie sich aus dem Ende April verkündeten Gesetz über die Einsetzung eines Volksgerichtshofes für Hochverräter schließen läßt.

In diesem am 24. April verkündeten Gesetz zur Bestrafung der Hochverräter wurde bestimmt, daß der Reichskanzler ein Volksgericht zur Aburteilung des Hoch- und Landesverrates einsetzen wird. Gegen die Entscheidung des Volksgerichts gibt es kein Rechtsmittel. Es soll mit dem Tode bestraft werden, wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Androhung mit Gewalt das Reichsgebiet ganz oder teilweise einem fremden Staate einzuverleiben oder ein zum [313] Reiche gehöriges Gebiet vom Reiche loszureißen. Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, den Reichspräsidenten oder den Reichskanzler oder ein anderes Mitglied der Reichsregierung seiner verfassungsmäßigen Gewalt zu berauben oder mit Gewalt oder durch Androhung von Gewalt oder mit einem Verbrechen und Vergehen zu nötigen oder zu hindern, seine verfassungsmäßigen Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinne auszuüben: Tod, lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter 5 Jahren sind auch hier die Strafen. Ebenso wird bestraft, wer zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einer ausländischen Regierung in Beziehungen tritt oder die ihm anvertraute Macht mißbraucht oder Mannschaften anwirbt oder in den Waffen einübt. Tod hat auch der zu erwarten, der ein Staatsgeheimnis – d. h. Zeichnungen, Schriften, andere Gegenstände, Tatsachen oder Nachrichten darüber, deren Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung für das Wohl des Reiches, insbesondere im Interesse der Landesverteidigung nötig ist – verrät.

Auch das am 11. Mai 1934 unterzeichnete, Mitte August veröffentlichte Testament des Reichspräsidenten sind eine klare Absage an die Verräterpläne Röhms und ein Bekenntnis zu Adolf Hitler. Die bedeutsamsten Stellen dieses Schriftstückes sind ohne Zweifel diese:

      "Symbol und fester Halt für den Aufbau mußte die Hüterin des Staates, die Reichswehr, sein. In ihr mußten die altpreußischen Tugenden der selbstverständlichen Pflichttreue, der Einfachheit und Kameradschaftlichkeit als festes Fundament des Staates ruhen.
      Die deutsche Reichswehr hat nach dem Zusammenbruch die Fortsetzung der hohen Tradition der alten Armee in mustergültiger Art gepflegt.
      Immer und zu allen Zeiten muß die Wehrmacht ein Instrument der obersten Staatsführung bleiben, das unberührt von allen innenpolitischen Entwicklungen seiner hohen Aufgabe, der Verteidigung des Landes gerecht zu werden, trachtet!
      Ich danke der Vorsehung, daß sie mich an meinem [314] Lebensabend die Stunde der Wiedererstarkung hat erleben lassen. Ich danke all denen, die in selbstloser Vaterlandsliebe an dem Werke des Wiederaufstiegs Deutschlands mitgearbeitet haben.
      Mein Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung haben zu dem großen Ziele, das deutsche Volk über alle Standes- und Klassenunterschiede zur inneren Einheit zusammenzuführen, einen entscheidenden Schritt von historischer Tragweite getan. Ich weiß, daß vieles noch zu tun bleibt, und ich wünsche von Herzen, daß hinter dem Akt der nationalen Erhebung und des völkischen Zusammenschlusses der Akt der Versöhnung stehe, der das ganze deutsche Vaterland umfaßt.
      Ich scheide von meinem deutschen Volk in der festen Hoffnung, daß das, was ich im Jahre 1919 ersehnte und was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Erfüllung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird..."

Die Zitierung des Testaments an dieser Stelle soll beweisen, daß Hindenburg in jener Zeit des Röhmschen Verrates sich auf die Seite des Führers stellte und die mehr oder weniger drängende Beeinflussung durch die Verräter zurückwies.

Die weitere Maßnahme der Regierung gegen eine Ausdehnung der Verratsbewegung war der oben geschilderte umfangreiche Feldzug gegen die Reaktion im Mai und Juni. Hierdurch sollte verhindert werden, daß der Verräter Röhm zu einem festen, willensstarken Kern würde, an den sich die Staatsfeinde herumkristallisieren könnten. Auch wurde Anfang Mai die preußische Landespolizeigewalt auf Ministerpräsident Göring, den treuen und zuverlässigen Freund des Führers, übertragen, damit er in der Stunde der Gefahr mit diktatorischer Machtvollkommenheit gegen Rebellen und Reaktionäre zuschlagen konnte, vorher jedoch nachdrücklich verhinderte, daß Röhm die Polizei auf seine Seite zu ziehen versuchte.

Ein Drama von atemberaubender Spannung strebte im Frühjahr 1934 seinem Höhepunkte zu: der Verräter Röhm im Bunde mit Schleicher, mit Beziehungen zu Reaktionären [315] und Juden, im Bunde mit Frankreich, die Reichswehr und den Reichspräsidenten zu umgarnen trachtend – der Führer mit sicherem Feldherrnblick den Verräter einkreisend, indem er seinem Zugriff die Reichswehr und das Reichsoberhaupt entzieht, Ministerpräsident Göring mit der Leitung der Landespolizei betraut, die unliebsamen Reaktionäre und Miesmacher in Gewahrsam nimmt und ein achtwöchiges Versammlungstrommelfeuer gegen die Staatsfeinde durchführen läßt.

Noch ein letztes Mal, Anfang Juni, hatte der Führer eine nahezu fünfstündige Aussprache mit Röhm, bis gegen Mitternacht. Adolf Hitler sagt darüber:

      "Ich führte erneut schärfste Beschwerde wegen der sich häufenden unmöglichen Exzesse und forderte die nunmehrige restlose Ausmerzung dieser Elemente aus der SA. Stabschef Röhm verließ diese Unterredung mit der Versicherung, die Gerüchte seien teils unwahr, teils übertrieben, er werde im übrigen alles tun, um nach dem Rechten zu sehen. Das Ergebnis der Unterredung aber war, daß Stabschef Röhm in der Erkenntnis, auf meine Person bei seinen geplanten Unternehmungen unter keinen Umständen rechnen zu können, nunmehr die Beseitigung meiner Person selbst vorbereitete."

Tief erschütterte es den Führer, als er jetzt zur endgültigen Gewißheit kam, von seinem besten Freunde auf das Schamloseste verraten zu werden.

Unmittelbar nach dieser Aussprache trat Röhm einen "mehrwöchigen Krankheitsurlaub" an. Jetzt traf er die letzten technischen Vorbereitungen der Revolte; d. h.: er begann mit der Verteilung des "Urlaubs"; die Zuverlässigen, die der Meuterer für seine Revolte im Juli brauchte, bekamen bereits im Juni Urlaub.

      "Es wird daher der Monat Juni für einen bemessenen Teil der SA.-Führer und ‑Männer, der Monat Juli für die Masse der SA. die Zeit voller Ausspannung und Erholung sein."

Der diesbezügliche Befehl Röhms schloß:

      "Wenn die Feinde der SA. sich in der Hoffnung wiegen, die SA. werde aus ihrem Urlaub nicht mehr oder nur zum Teil wieder einrücken, so wollen wir ihnen diese kurze Hoffnungsfreude lassen. Sie werden zu der Zeit und in der Form, in der es notwendig erscheint, darauf die gebührende Antwort erhalten. Die SA. ist und bleibt das Schicksal Deutschlands."

[316] Es ging sogar so weit, daß für den "Urlaubsmonat" ein Uniformverbot ausgegeben wurde. Die SA. sollte als "wirklicher Privatmann" leben und nur die betreffenden Teile der SA., die zur Revolte verwandt werden sollten, erhielten einen besonderen Ausweis, der sie zur Führung der Uniform berechtigte. Damit wurden im Sinne Röhms die Böcke von den Schafen gesondert und es waren durch Urlaub und Uniformverbot faktisch alle diejenigen bereits aus der SA. ausgeschlossen, die Röhm und seinen Mitverschwörern nicht zuverlässig genug erschienen. Es war der Plan, Tumulte zu erzeugen, die dann von der Röhmklique unterdrückt und bis zur Machtergreifung Röhms weitergetrieben werden sollten. Es wurde weiter angeordnet, daß Zuschriften, die nach dem 1. Juli eingehen würden, erst nach dem 1. August erledigt werden würden. Der Juli stand also ganz im Zeichen der verbrecherischen Erhebung, getarnt durch "Urlaub".

Da Röhm erkannte, daß er auf die Reichswehr nicht rechnen konnte – Blomberg erklärte in Wort und Schrift, daß das Heer aus innerster Überzeugung diesem Staat diene und ihn bejahe und zu seiner Führung stehe –, versuchte er, die Polizei in sein Netz zu ziehen. Unter Berufung auf den Namen des Führers gelang es Gruppenführer Ernst in Berlin, von nichtsahnenden Polizeioffizieren für die verbrecherische Aktion vier Panzerwagen zu erhalten. Heines und Hayn machten in Schlesien und Sachsen die Polizeioffiziere unsicher, indem sie diese aufforderten, sich bei der kommenden Auseinandersetzung der "zweiten Revolution" zwischen der SA. und den Hitlerfeinden zu entscheiden.

Hier müssen wir auch an die Bemühungen denken, die Röhm anstellte, getreu seiner Auffassung, alle vaterländischen Verbände in seiner Hand zu vereinigen, um nun auch den Nationalsozialistischen Deutschen Frontsoldatenbund in seine Hand zu bekommen oder zu zerstören. Am 28. März 1934 war der Bund der Frontsoldaten, der "Stahlhelm", in den Nationalsozialistischen Deutschen Frontsoldatenbund umgegründet worden. Seldte mußte Röhm gegenüber darum ringen, daß der Frontsoldatenbund unter seiner Führung weiterbestehen durfte. Seldte brachte als Opfer den Verzicht [317] auf wehrpolitische und wehrsportliche Betätigung, er brachte den Verzicht auf sieben Achtel seines etwa eine Million umfassenden Mitgliederbestandes. In Magdeburg erklärte Seldte am 6. Mai, daß der NS.-Deutsche Frontkämpferbund (Stahlhelm) kein Gefühl der Konkurrenz, der Rivalität oder des Neides zwischen sich und den anderen Teilen der nationalsozialistischen Bewegung oder zwischen sich und den anderen Soldatenbünden oder Soldatenvereinigungen wünsche.

Röhm jedoch suchte von Anfang an Seldte in der Führung des Bundes beiseitezudrängen und die etwa 150 000 Frontsoldaten unter seine Führung zu bringen oder, wenn ihm dies nicht gelang, den Bund zu zerstören. Es war ja richtig, daß in dem NS.-Deutschen Frontkämpferbunde gewisse reaktionäre Elemente Unruhe und Verwirrung zu stiften versuchten, daß sie wohl versuchten, den Übertritt der Stahlhelmer in die SA. zu verhindern; das bewiesen ja auch die immerhin häufigen Verhaftungen ehemaliger Stahlhelmführer. Aber gerade diese Vorfälle wurden von Röhm als seinem eigentlichen Ziel, die vaterländischen Verbände möglichst total in seine Hand zu bekommen, entgegenstehend benutzt, um durch seine Klique den NSDFB. provozieren zu lassen und dann gegen den Bund offen vorzugehen.

Mitte Mai gab Röhm einen Erlaß gegen die "SA.-feindliche Haltung des NSDFB." heraus, wobei er als Hauptgrund angab, daß dieser Bund seine Mitglieder hindere, der SA.-Reserve I beizutreten bzw. sie wieder zum Austritt zu bewegen suche. Die SA. solle den Trennungsstrich zwischen sich und dem NSDFB. ziehen, dagegen auf jede Weise den Kyffhäuserbund unterstützen, der in der SA.-Reserve II eine wertvolle Kameradschaft bilde.

Natürlich beantwortete der NSDFB. die Vorwürfe Röhms mit dem Ersuchen zur Herausgabe des Materials, das vom NSDFB. einem Sonderbeauftragten zur Prüfung übergeben werde sollte. Bei den Beschwerden handle es sich doch nur um Einzelfälle, die praktisch den Erlaß Röhms nicht genügend begründeten. Wo sich Verstöße feststellen ließen, würden sie von der Bundesleitung unnachsichtlich geahndet werden. Verschiedene Landesverbände gaben im Einverständ- [318] nis der parallelen SA.-Gruppenführungen Erklärungen ab, worin festgestellt wurde, daß weder dem Sinn noch dem Wortlaut der Gründungsverhandlung vom 28. März entgegengehandelt worden sei. Da, wo wirkliche Verstöße vorgekommen waren, wurden die verantwortlichen Führer in Haft genommen bzw. den betreffenden Ortsgruppen ein Versammlungs- und Uniformverbot auferlegt.

Von seiten der Obersten SA.-Führung setzte ein heftiger Pressefeldzug ein, in dem zum Ausdruck kam, daß die SA. allein die Erfüllung der Frontsoldatenideale gebracht habe, daß die SA. allein die nationale Revolution gemacht habe, daß die SA. aus ihrer dominierenden Stellung heraus das Recht für sich beanspruche, Erbe des Frontgeistes zu sein und zu bleiben. Der NSDFB. sei der verbliebene kleine inaktive Rest des ehemaligen Stahlhelm und bestehe aus den Mitgliedern, die infolge Alters, Krankheit oder Verwundung nicht mehr in vorderster Front verwendet werden könnten.

Der immer hitziger werdende Streit zwischen Seldte und Röhm wurde allmählich zu einer großen Unruhe für die Anhänger der SA. und des NSDFB. Röhm warf Seldte vor, er habe sich von Monat zu Monat sichtbarer gegen die SA. und damit auch gegen den Führer gestellt, und es sei kaum ein Tag vergangen, der nicht Reibungen, Zusammenstöße und Spannungen gebracht hätte in Wort und Tat, und fast immer seien die Urheber in den Reihen des NSDFB. zu finden gewesen.

Nun geschah es, daß am 23. Juni 1934 in Quetzin bei Henkenhagen, Kreis Kolberg in Pommern, anläßlich einer Sonnenwendfeier der NSDFB.-Mann Kummerow den SA.-Sturmführer Moltzahn niederstach. Ein erbitterter Streit um die Beweggründe der Tat hob an. Der NSDFB. behauptete, es seien persönliche, die Oberste SA.-Führung behauptete, es seien politische Gründe, und ihre Folgerungen schlossen mit der Feststellung, daß "ein Weiterbestehen des NSDFB. (Stahlhelm) als Einheit oder gar als Kampfgemeinschaft nach dem Dolchstich von Quetzin, der alle Deutschen traf, nicht mehr tragbar erscheine". Jetzt begab sich Franz Seldte selbst am 27. Juni zum Führer, setzte ihm Weg und Ziel des NSDFB. [319] auseinander, so daß zwischen dem Führer und dem Minister am Schlusse der Besprechung vollkommene Übereinstimmung über die Stellung des NSDFB. erreicht wurde. Röhms Ziel war nicht erreicht, er hat die Beseitigung des NSDFB. nicht mehr erlebt, sie ist nicht erfolgt. (Übrigens wurde Kummerow vom Stettiner Sondergericht am 2. August 1934 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.)

Der scharfen Überwachung Röhms durch Adolf Hitler war es zu verdanken, daß der Führer in jeder Weise dem Verräter überlegen blieb. Die großen Ministerreden in den letzten Junitagen ließen für die Eingeweihten keinen Zweifel darüber zu, daß der Punkt erreicht war, an dem die Auseinandersetzung erfolgen mußte. Ich erinnere an die Reden von Goebbels und Göring, vor allem aber an die Rede des Stellvertreters des Führers, Rudolf Heß, am 25. Juni vom Reichssender Köln aus, in der er die Persönlichkeit des Führers darstellte, der von aller Kritik ausgeschlossen bleibe:

      "Vielleicht hält Adolf Hitler es für nötig, eines Tages die Entwicklung wieder mit revolutionären Mitteln weiter zu treiben. Wir stehen seines Befehls gewärtig – im Vertrauen, daß er seine alten Revolutionäre ruft, wenn es nötig ist. Der Befehl des Führers, dem wir Treue schwören, allein hat Geltung. Wehe dem, der die Treue bricht, im Glauben, durch eine Revolte der Revolution dienen zu können!"

Bedenklich wurde der Verrat vor allem noch dadurch, daß das Ausland ein sehr starkes Interesse an den innerdeutschen Vorgängen nahm. Der Führer sagte am 13. Juli darüber:

      "Was aus Deutschland im Falle eines Sieges dieser Sekte geworden wäre, ist schwerlich auszudenken. Die Größe der Gefahr wurde aber erst recht erwiesen durch die Feststellungen, die nun vom Ausland nach Deutschland kamen. Englische und französische Zeitungen begannen immer häufiger von einer bevorstehenden Umwälzung in Deutschland zu reden, und immer mehr Mitteilungen ließen erkennen, daß von den Verschwörern eine planmäßige Bearbeitung des Auslandes vorgenommen wurde. General von Bredow, der als außenpolitischer Agent des Generals von Schleicher diese Verbindungen besorgte, arbeitete nur entsprechend der Tätigkeit [320] derjenigen reaktionären Zirkel, die – ohne mit dieser Verschwörung vielleicht direkt im Zusammenhange zu stehen – sich zum bereitwilligen unterirdischen Meldekopf für das Ausland mißbrauchen ließen. Ende Juni war ich daher entschlossen, dieser unmöglichen Entwicklung ein Ende zu bereiten..."

In diesen letzten Junitagen war es dem Führer also klar, daß er zufassen mußte und daß bei diesem Schritte die Nation nahezu geschlossen hinter ihm stehen würde. Röhm fühlte jetzt, daß für ihn höchste Gefahr im Verzuge sei. Seine Vorbereitungen waren so weit gediehen, daß er bereits ein verkommenes Subjekt, einen Standartenführer aus dem Rheinland, zur Ermordung des Führers gedungen hatte. Die verzweifelte Lage, in die sich der Verräter Ende Juni hineinmanöveriert hatte, muß ihm zum Bewußtsein gekommen sein. Er hatte seine Hände nach der Reichswehr, nach der Polizei, nach dem NSDFB. ausgestreckt; alles, was irgendwie als militärische Macht in Frage kommen konnte, wollte er an sich raffen, um Adolf Hitler zu stürzen. Nichts war ihm gelungen, ganz isoliert stand er da, die ausschlaggebenden Machtmittel waren fest in des Führers Hand. So mußte er, gestützt auf seine kleine Verräterklique, einen Verzweiflungsschritt wagen: Den ursprünglichen Plan, erst im "geeigneten Augenblick" im Juli loszuschlagen, ließ er fallen und faßte nun eine direkte und sofortige Aktion ins Auge. Zu diesem Zwecke verlängerte er den Dienst vor dem SA.-Urlaub. Adolf Hitler, hierdurch bedenklich geworden, plante, am Mittag des 30. Juni den Stabschef seines Amtes zu entheben, in Verwahrsam zu nehmen und eine Anzahl schuldiger SA.-Führer zu verhaften.

Im Laufe des 29. Juni erhielt der Führer so bedrohliche Nachrichten über letzte Vorbereitungen zur Aktion, daß er mittags die Besichtigung der Arbeitslager in Westfalen abbrechen mußte, um sich für alle Fälle bereit zu halten. Er flog nach Godesberg am Rhein. Hier erhielt er nachts 1 Uhr aus Berlin und München zwei dringende Alarmnachrichten: nämlich

1. daß für Berlin um 4 Uhr nachmittags Alarm angeordnet sei, daß zum Transport der eigentlichen Stoßfor- [321] mationen die Stellung von Lastkraftwagen befohlen und bereits im Gange sei und daß Schlag 5 Uhr die Aktion überfallmäßig mit der Besetzung der Regierungsgebäude ihren Anfang nehmen sollte, und

2. daß in München die Alarmierung der SA. bereits für 9 Uhr abends am 29. Juni angeordnet worden sei.

Und jetzt ereignete sich alles blitzartig Schlag auf Schlag. Ehe noch die Nation wußte, was vorgefallen war, war die Hauptsache schon erledigt. Um 2 Uhr morgens fliegt der Führer in Begleitung von Brückner, Schaub, Schreck, Dr. Dietrich und Dr. Goebbels von Godesberg ab, um 4 Uhr ist er in München! Hier findet er die SA. in Alarm, man hat ihr gesagt: "Der Führer ist gegen uns, die Reichswehr ist gegen uns, SA. heraus auf die Straße!" Adolf Hitler schickt die SA., die ihm sofort gehorchte, nach Hause, er fährt ins Bayerische Innenministerium, zitiert die beiden Treubrüchigen, Obergruppenführer Schneidhuber und Gruppenführer Schmid, und läßt sie verhaften. Dann hinaus nach Wießee, wo Röhm mit seiner Klique sich aufhält. Um 7 Uhr ist der Führer draußen, er trifft die Verschwörer in ekelhaften Umständen an. Voll maßloser Empörung, unbewaffnet, verhaftet Adolf Hitler den Rädelsführer Röhm und seine Mitschuldigen, die sich widerstandslos ergeben. Auf der Rückfahrt nach München begegnen dem Führer die zur angesetzten Tagung nach Wießee fahrenden Wagen der SA.-Führer. Sie werden angehalten, die Schuldigen verhaftet, die nichtsahnenden Unschuldigen werden zurückgeschickt. Auf den Münchener Bahnhöfen werden die ankommenden Verschwörer aus den Zügen heraus verhaftet, darunter als erster der Stellvertreter Röhms, von Kraußer.

Des Führers Wille ist, daß diese Pestbeulen rücksichtslos ausgerottet werden. Er will in Zukunft nicht mehr dulden, daß Millionen anständiger Menschen durch einzelne krankhaft veranlagte Wesen belastet und kompromittiert werden. Er gibt dem preußischen Ministerpräsidenten Göring den Befehl, in Berlin eine ähnliche Aktion durchzuführen und dort insbesondere die reaktionären Verbündeten dieses politischen Komplottes auszuheben.

[322] In der Mittagsstunde hat Hitler seine getreuen SA.-Führer und Politischen Leiter im Braunen Haus versammelt. Seine Rede ist, wie Dr. Goebbels sagt,

"ein einziges Strafgericht über die kleine Gilde der nunmehr dingfest gemachten Verbrecher, die im Bunde mit der Reaktion die Gewalt an sich reißen wollten und selbst nicht davor zurückschreckten, ohne Rücksicht auf die Gesamtsituation und die schwere Verantwortung, die der Führer trägt, Beziehungen zu einer ausländischen Macht anzuknüpfen, um damit ihre verruchten, ehrgeizigen Pläne schneller zum Reifen zu bringen. Sie haben die Ehre und das Ansehen unserer SA. durch ein Lotterleben ohnegleichen in Verruf und Mißkredit gebracht. Sie haben durch Protzentum und Schlemmereien den Gesetzen der Bewegung auf Einfachheit und persönliche Sauberkeit offen Hohn gesprochen. Sie waren im Begriff, die ganze Führung der Partei in den Verdacht einer schimpflichen und ekelerregenden sexuellen Abnormität zu bringen. Sie haben die Pläne des Führers, die auf weite Sicht eingestellt sind, durch engstirnige und böswillige Kurzsichtigkeit, nur ihren persönlichen Machtgelüsten zuliebe, zu durchkreuzen versucht. Auf dem ganzen Lande lag der Alpdruck eines Verhängnisses, von dem zwar niemand, außer einigen Eingeweihten, seine Ursprünge, aber jedermann sein fast unausweichliches Kommen empfand und fühlte!"

Der Führer weist in seiner Rede weiter darauf hin, daß der Dienst in der SA. Ehrendienst sei, für den Zehntausende braver SA.-Männer die schwersten Opfer gebracht hätten. Er erwarte von dem Führer jeder Einheit, daß er sich dieser Opfer selber würdig erweise und in seinem Verband als Vorbild lebe. Jahrelang habe er den Stabschef vor schwersten Angriffen geschützt, die letzte Entwicklung jedoch zwinge ihn, über jedes persönliche Empfinden das Wohl der Bewegung und damit das Wohl des Staates zu stellen; jeden Versuch, in lächerlichen Zirkeln ehrgeiziger Naturen eine neue Umwälzung zu propagieren, werde er im Keime ersticken und ausrotten.

Bereits am Nachmittag wurden die Schuldigen erschossen: Die Obergruppenführer August Schneidhuber aus München und Edmund Heines aus Schlesien, die Gruppenführer Karl [323] Ernst aus Berlin, Wilhelm Schmid aus München, Hans Hayn aus Sachsen, Hans Peter von Heydebreck aus Pommern sowie der Standartenführer Hans Erwin Graf Spreti in München. Röhm, dem Gelegenheit gegeben worden war, die Konsequenzen aus seinem verräterischen Handeln zu ziehen, tat dies nicht, er wurde daraufhin am 1. Juli erschossen.

Zur gleichen Zeit hatte Ministerpräsident Göring in Berlin durchgegriffen. Insbesondere erfaßte er außer den Verrätern in der SA. auch die damit zusammenhängenden Reaktionäre: den ehemaligen General Schleicher und seine Frau sowie Gregor Strasser, der seit Herbst 1932 mit Schleicher gegen Hitler operiert hatte. Ministerpräsident Göring erklärte vor der Presse:

      "Der Führer hat die Gefahr genauestens verfolgt. Als klar und eindeutig feststand, daß die Oberste SA.-Führung das Gerede von der zweiten Revolution zur Tat werden lassen wollte, mußte zugegriffen werden. Der Führer hat selbst blitzartig eingegriffen. Er hat in München und in Wießee, wo der Stabschef sich befand, kurzen Prozeß gemacht. Vor Tagen hat er mir den Befehl gegeben, auf Stichwort hier zuzuschlagen und mir damit vollziehende Gewalt übertragen. Die armen SA-Männer sind verführt worden. Sie wurden alarmiert und bewaffnet und wußten nicht wozu. Man sagte: gegen die Reaktion, und marschierte gemeinsam mit ihr. Das war das Verwerfliche, daß die Oberste SA.-Führung das Phantom einer zweiten Revolution gegen die Reaktion errichtete und selbst mit ihr eng verbunden war. Der Hauptmittelsmann war der frühere Reichskanzler und General Schleicher, der die Verbindung knüpfte zwischen Röhm, einer ausländischen Macht und zu jenen ewig unzufriedenen gestrigen Gestalten. Ich habe meine Aufgabe erweitert, indem ich auch gegen diese Unzufriedenen einen Schlag führte. Es war selbstverständlich, daß General Schleicher verhaftet werden mußte. Er versuchte bei der Verhaftung einen blitzartigen Überfall zu machen auf die Leute, die ihn verhaften sollten. Er ist dabei ums Leben gekommen."

Am Abend des 1. Juli war die Säuberungsaktion beendet. Etwa 1200 Verbündete oder Mitwisser der Verschwörung waren in allen Teilen des Reiches verhaftet worden. 77 Per- [324] sonen, darunter 19 höhere SA.-Führer, mußten Verrat und Verbrechen mit dem Tode büßen. –

Adolf Hitler hat, unterstützt von seinem getreuen Gefolgsmann Göring, Deutschland vor einer schweren Katastrophe bewahrt. Er hat das Reich zum zweiten Male vor dem Bolschewismus geschützt. Er hat verhindert, daß Zehntausende unschuldiger deutscher Volksgenossen in dem von Röhm beabsichtigten Blutbade zugrunde gingen. Er hat verhindert, daß die Einheit des Reiches zerstört wurde. Er hat verhindert, daß dem politischen Verfall der wirtschaftliche, d. h. die Inflation, folgte. Seine Entschlossenheit und Härte, die für ihn selbst das Bitterste seines Lebens war, galt einzig dem Volke und dem Reiche, und zwar politisch wie moralisch:

      "Ich habe Tausende unserer früheren Gegner wegen ihrer Korruption verfolgt, ich würde mir innere Vorwürfe machen, wenn ich gleiche Erscheinungen bei uns dulden würde."

Damit hat er den Nationalsozialismus gerettet, mit dem es vorbei gewesen wäre, wenn Röhms Revolte geglückt wäre.

Die Ereignisse des 30. Juni und 1. Juli waren neue Nahrung für die Greuelmärchenfabrikanten im Auslande. Die unsinnigsten Gerüchte über ein Chaos und ungeheures Blutbad in Deutschland wurden verbreitet. Es wurde erzählt, Papen und Seldte seien erschossen worden, weil sie mit den Meuterern im Bunde gestanden hätten. Aber gerade diese beiden wollte Röhm zusammen mit Hitler ermorden lassen! Die Rundfunkreden des Minister Goebbels zerstreuten alsbald diese Phantastereien.

Der Dank aller aufrechten Deutschen war dem Führer gewiß. Sie feierten ihn in begeisterten Kundgebungen in allen Teilen des Reiches, aus allen Bevölkerungsschichten gingen Ergebenheitstelegramme bei ihm ein. Hindenburg sandte aus Neudeck ein Danktelegramm: "Sie haben das deutsche Volk aus einer schweren Gefahr gerettet!" Im Namen der Reichsregierung und Wehrmacht dankte Generaloberst von Blomberg dem Führer, weil er durch sein entschlossenes und mutiges Handeln das deutsche Volk vor dem Bürgerkrieg bewahrt habe. Am 3. Juli genehmigte die Reichsregierung ein Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr, durch welches die Vor- [325] gänge des 1. und 2. Juli als rechtmäßig erkannt wurden:

      "Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni und am 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens."

Jedes weitere Handeln auf eigene Faust verbot der Führer den nachgeordneten Stellen: solche Verstöße würden als Gewalttat von den Gerichten verfolgt werden. Am 13. Juli bildete der Führer gemäß dem Gesetz vom 24. April 1934 den neuen Volksgerichtshof, der aus 12 praktischen Richtern aus allen Teilen des Reiches, aus 10 Offizieren, 5 Gruppenführern und 5 Volksgenossen bestand, und vor dem schon bald alle Hoch- und Landesverräter streng, aber gerecht zum Schutze von Volk und Vaterland abgeurteilt wurden.

Das Ende des traurigen Ereignisses bildete Adolf Hitlers große Reichstagsrede vom 13. Juli 1934, die mit folgenden Worten schloß:

      "So wie ich vor 1½ Jahren unseren damaligen Gegnern die Versöhnung angeboten habe, so möchte ich auch all denen, die mitschuldig waren an dieser Wahnsinnshandlung, von jetzt ab ebenfalls das Vergessen ansagen. Mögen sie alle in sich gehen und in Erinnerung an diese traurige Not unserer neuen deutschen Geschichte sich mit aller Kraft der Wiedergutmachung widmen. Mögen sie jetzt sicherer als früher die große Aufgabe erkennen, die uns das Schicksal stellte und die nicht gelöst wird durch Bürgerkrieg und Chaos. Mögen sie sich alle verantwortlich fühlen für das kostbarste Gut, das es für das deutsche Volk geben kann: die innere Ordnung und den inneren und äußeren Frieden! So wie ich bereit bin, vor der Geschichte die Verantwortung zu übernehmen für die 24 Stunden der bittersten Entschlüsse meines Lebens, in denen mich das Schicksal wieder gelehrt hat, in banger Sorge mit jedem Gedanken das Teuerste zu umkrallen, das uns auf dieser Welt gegeben ist: das deutsche Volk und das Deutsche Reich!" –

Die Reorganisation der SA. im alten nationalsozialistischen Sinne wurde im Juli durchgeführt. Noch am 30. Juni berief der Führer den 44jährigen Viktor Lutze, einen alten treuen Anhänger, der seit 12 Jahren in der SA. Führerstellen bekleidet hat, zum Stabschef. Allerdings, das Ministeramt der [326] SA. wurde aufgehoben, das Presseamt der Obersten SA.-Führung wurde mit der Reichspressestelle der NSDAP. vereinigt. In seinem ersten Aufruf appellierte Lutze an die Grundtugenden der SA.: Unbedingte Treue, schärfste Disziplin, hingebender Opfermut. Seine weitere Tätigkeit vollzog sich im Rahmen folgenden Befehls, den ihm der Führer am 30. Juni erteilte:

      "Wenn ich Sie heute zum Chef des Stabes der SA. ernenne, dann erwarte ich, daß Sie sich hier eine Reihe von Aufgaben angelegen sein lassen, die ich Ihnen hiermit stelle:

1. Ich verlange vom S A.-Führer, genau so wie er vom SA.-Mann, blinden Gehorsam und unbedingte Disziplin.

2. Ich verlange, daß jeder SA.-Führer wie jeder politische Führer sich dessen bewußt ist, daß sein Benehmen und seine Aufführung vorbildlich zu sein hat für seinen Verband, ja für unsere gesamte Gefolgschaft.

3. Ich verlange, daß SA.-Führer – genau so wie politische Führer – die sich in ihrem Benehmen in der Öffentlichkeit etwas zu schulden kommen lassen, unnachsichtlich aus der Partei und der SA. entfernt werden.

4. Ich verlange insbesondere vom SA.-Führer, daß er ein Vorbild in der Einfachheit und nicht im Aufwand ist. Ich wünsche nicht, daß der SA.-Führer kostbare Diners gibt oder an solchen teilnimmt. Man hat uns früher hierzu nicht eingeladen, wir haben auch jetzt dort nichts zu suchen. Millionen unserer Volksgenossen fehlt auch heute noch das Notwendigste zum Leben, sie sind nicht neidisch dem, den das Glück mehr gesegnet hat, aber es ist eines Nationalsozialisten unwürdig, den Abstand, der zwischen Not und Glück ungeheuer groß ist, noch besonders zu vergrößern. Ich verbiete insbesondere, daß Mittel der Partei, der SA. oder überhaupt der Öffentlichkeit für Festgelage und dergleichen Verwendung finden.
      Es ist unverantwortlich, von Geldern, die sich zum Teil aus den Groschen unserer ärmsten Mitbürger ergeben, Schlemmereien abzuhalten. Das luxuriöse Stabsquartier in Berlin, in dem, wie nunmehr festgestellt wurde, monatlich bis zu 30 000 Mark für Festessen usw. ausgegeben wurden, ist sofort aufzulösen. Ich untersage daher für alle Parteiinstanzen die [327] Veranstaltung sogenannter Festessen und Diners aus irgendwelchen öffentlichen Mitteln. Und ich verbiete allen Partei- und SA.-Führern die Teilnahme an solchen. Ausgenommen davon ist nur die Erfüllung der von Staats wegen notwendigen Verpflichtungen, für die in erster Linie der Herr Reichspräsident und dann noch der Herr Reichsaußenminister verantwortlich sind. Ich verbiete allen SA.-Führern und allen Parteiführern im allgemeinen, sogenannte diplomatische Diners zu geben. Der SA.-Führer hat keine Repräsentationen zu üben, sondern seine Pflicht zu erfüllen.

5. Ich wünsche nicht, daß SA.-Führer in kostbaren Limousinen oder Cabriolets Dienstreisen unternehmen oder Dienstgelder für die Anschaffung derselben verwenden. Dasselbe gilt für die Leiter der politischen Organisationen.

6. SA.-Führer oder politische Leiter, die sich vor aller Öffentlichkeit betrinken, sind unwürdig, Führer ihres Volkes zu sein. Das Verbot nörgelnder Kritik verpflichtet zu vorbildlicher eigener Haltung. Fehler können jederzeit verziehen werden, schlechte Aufführung nicht. SA.-Führer, die sich daher vor den Augen der Öffentlichkeit unwürdig benehmen, randalieren oder gar Exzesse veranstalten, sind ohne Rücksicht sofort aus der SA. zu entfernen. Ich mache die vorgesetzten Dienststellen verantwortlich dafür, daß durchgegriffen wird. Von den staatlichen Stellen erwarte ich, daß sie in solchen Fällen das Strafmaß höher bemessen als bei Nichtnationalsozialisten. Der nationalsozialistische Führer und insbesondere der SA.-Führer soll im Volke eine gehobene Stellung haben. Er hat dadurch auch erhöhte Pflichten.

7. Ich erwarte von allen SA.-Führern, daß sie mithelfen, die SA. als reinliche und saubere Institution zu erhalten und zu festigen. Ich möchte insbesondere, daß jede Mutter ihren Sohn in SA., Partei und Hitlerjugend geben kann, ohne Furcht, er könnte dort sittlich oder moralisch verdorben werden. Ich wünsche daher, daß alle SA.-Führer peinlichst darüber wachen, daß Verfehlungen nach § 175 mit dem sofortigen Ausschluß des Schuldigen aus SA. und Partei beantwortet werden. Ich will Männer als SA.-Führer sehen und keine lächerlichen Affen.

[393]  8. Ich verlange von allen SA.-Führern, daß sie meine Loyalität mit ihrer eigenen beantworten und durch ihre eigene unterstützen. Ich verlange von ihnen aber besonders, daß sie ihre Stärke auf dem Gebiet suchen, das ihnen gegeben ist, und nicht auf Gebieten, die anderen zukommen. Ich verlange vor allem von jedem SA.-Führer, daß er in bedingungsloser Offenheit, Loyalität und Treue sein Benehmen gegenüber der Wehrmacht des Reiches einrichtet.

9. Ich verlange vom SA.-Führer, daß er an Mut und Opfersinn von seinen Untergebenen nicht mehr fordert, als er selbst jederzeit einzusetzen bereit ist. Ich verlange daher, daß er in seinem Benehmen und in der Behandlung des ihm von mir anvertrauten deutschen Volksgutes sich als ein wirklicher Führer, Freund und Kamerad erweist. Ich erwarte von ihm, daß er auch in seinem Verband die Tugenden höher einschätzt als die Zahl.

10. Und ich erwarte von Ihnen als Chef des Stabes, daß der alte treue Parteigenosse, der langjährige Kämpfer in der SA., nicht vergessen wird. Ich wünsche nicht die Aufblähung mit tausend unnötigen, aber kostspieligen Stäben, und ich will, daß man bei Beförderungen nicht so sehr vom abstrakten Wissen ausgeht, als von der angeborenen Fähigkeit, Führer zu sein und der langjährigen erprobten Treue und Opferwilligkeit. Ich habe in meiner SA. einen ungeheuren Stamm treuester und bravster Gefolgsmänner. Diese haben Deutschland erobert und nicht die gescheiten Spätlinge des Jahres 1933 und seitdem.

11. Ich will, daß der SA.-Mann geistig und körperlich zum geschulten Nationalsozialisten erzogen wird. Nur in der weltanschaulichen Verankerung in der Partei liegt die einzigartige Stärke dieser Organisation.

12. Ich will, daß in ihr der Gehorsam, die Treue und die Kameradschaft als durchgehende Prinzipien herrschen. Und so wie jeder Führer von seinen Männern Gehorsam fordert, so fordere ich von den SA.-Führern Achtung vor dem Gesetz und Gehorsam meinem Befehl."

Die Reorganisationsarbeit Lutzes gipfelte also im Neuaufbau des Führertums der SA. Es hatte sich gezeigt, daß die Revolte [329] nur das Werk einer kleinen Führerklique war, der einfache SA.-Mann, nichtsahnend und unkundig, sich an der Verschwörung nicht beteiligt hatte. Nun aber mußte ein Führerstab aufgebaut werden, der nur aus Nationalsozialisten bestand, damit die Kluft zwischen SA. und Partei überwunden und die SA. wirklich wieder ein zuverlässiger Träger der nationalsozialistischen Weltanschauung wurde. Die SA.-Männer atmeten auf, daß der aufgeblähte und verdorbene Röhmsche Wechselbalg verschwand.

Ausgangs Juli war die SA.-Verjüngung in der Hauptsache beendet. Als Führer waren alte Parteigenossen mit der Nummer unter 100 000 eingesetzt, die Obergruppen waren aufgelöst, die Stäbe verringert, Einrichtungen geschaffen, die für die weltanschauliche Schulung Vorsorge trafen. Über die Hälfte aller SA.-Männer waren jetzt noch keine Parteigenossen. Deren allmähliche Ausschaltung war das nächste Ziel Lutzes. Es mußte wieder dahin kommen, daß jeder SA-Mann auch wieder Nationalsozialist war.

  Hindenburgs Tod  

4.

Bereits seit Anfang des Jahres war die Gesundheit des Reichspräsidenten erschüttert. Ausgangs Juni begab er sich nach Neudeck, wo er zu genesen hoffte. In der Frühe des 1. August erhielt der Führer, der in Bayreuth weilte, die Kunde von einer bedenklichen Verschlimmerung der Krankheit. Er flog sofort nach Berlin und von dort nach Neudeck, wo er am frühen Nachmittag am Sterbebett des Generalfeldmarschalls eintraf. Am Abend begab sich Adolf Hitler, voll banger Ahnung, daß der unerbittliche Tod dem greisen Feldherrn nahe, nach Berlin zurück und berief die Reichsregierung. Diese verkündete noch in den Abendstunden dieses Gesetz:

      "Das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Infolgedessen gehen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler über. Er bestimmt seinen Stellvertreter. Dieses Gesetz tritt mit Wirkung von dem Zeitpunkt des Ablebens [330] des Reichspräsidenten von Hindenburg in Kraft."

Am 2. August 1934, morgens 9 Uhr, senkten sich die Fahnen des Reiches in Trauer auf Halbmast: der Reichspräsident war ruhig und friedlich zur Großen Armee eingegangen, zwei Monate vor der Vollendung seines 87. Lebensjahres.

Hindenburg! – Der mythische Träger des Schicksals dreier Generationen des deutschen Volkes! Als Jüngling kämpfte er um die Errichtung des deutschen Kaiserreiches, als Mann erlebte er den tragischen Wandel von der inneren Größe des Bismarckreiches zur trügerischen Größe des wilhelmischen Reichs, als Greis fiel ihm die große Aufgabe zu, das unglückliche Reich zu schützen und zu stützen und es schließlich zu verjüngen. Die eigentliche große Bedeutung seines Lebens für das Volk lag in den beiden Jahrzehnten 1914 bis 1934. Er und Ludendorff schlugen die gewaltige Masurenschlacht gegen die Russen im Spätsommer 1914 und verhinderten weitere Zerstörung deutschen Landes, er führte das Heer im Winter 1918/19 nach Deutschland zurück und verhinderte weiteres Chaos im deutschen Volke, er wurde 1925 Reichspräsident und bemühte sich, auf isoliertem Posten die Idee des Reiches zu verteidigen gegen den Ansturm der reichsfeindlichen Mächte, so gut er konnte, er rief am 30. Januar 1933 Adolf Hitler und verhinderte dadurch die gänzliche Auflösung des Reiches in Parteienwirrwarr und Bolschewismus, und seine letzte große Tat war es, daß er im April bis Juni 1934 trotz des Andrängens der Verräter treu zu seinem Kanzler hielt und ihn bei der Abwehr des Verrates unterstützte, wo er nur konnte.

Hindenburg, der schlichte und bescheidene Preuße, hat seinem Volke als Soldat und Staatsmann gedient. Doch seine eigentliche Größe lag in seinem Charakter, seinem Menschentum. Er war ein Fels der Treue und der Pflicht, die Verkörperung jener zeitlosen, über die dahinrauschenden Jahrhunderte erhabenen deutschen Ehrenhaftigkeit, die das Fundament der Größe bildet. Diese große soldatische Tugend der Treue wurde ihm als Staatsmann gar manches Mal verhängnisvoll. Keine Minute in seinem Leben vergaß er, daß seine Ehre, seine Treue, seine Pflicht Vorbild für die ganze [331] Nation sein müsse. Gewissenlose gerissene egoistische Parteipolitiker benutzten diese einfache, unkomplizierte und daher starke Treue von Mann zu Mann, um sie gegen Reich und Volk anzuwenden. Und dennoch wurde diese Treue zum Segen und zur zuverlässigen Stütze der Gemeinschaft, als Hindenburg am 30. Januar 1933 sich selbst überwand, alles das, was vorhergegangen, vergaß, und den Führer des Nationalsozialismus neben sich rief. Es war ein unvergleichliches Beispiel von Treue, als sie in der schwersten Stunde des Volkes das Band zwischen dem berühmten Marschall und dem unbekannten Gefreiten des Weltkrieges knüpfte und bis zum 2. August 1934 nicht mehr zerriß. Es war das Band der Treue, wie es in Preußens schwerer Stunde Herbst 1862 zwischen König Wilhelm und Bismarck geknüpft wurde.

Und die andere große Tugend des Generalfeldmarschalls war seine Liebe zu Volk und Vaterland, von der noch sein politisches Testament schönes Zeugnis ablegt:

      "Nur meine feste Zuversicht zu Deutschlands unversiegbaren Quellen gab mir den Mut, die erste und zweite Wahl zum Reichspräsidenten anzunehmen. Dieser felsenfeste Glauben verlieh mir auch die innere Kraft, mein schweres Amt unbeirrt durchzuführen.
      Der letzte Abschnitt meines Lebens ist zugleich der schwerste für mich gewesen. Viele haben mich in diesen wirren Zeiten nicht verstanden und nicht begriffen, daß meine einzige Sorge die war, das zerrissene und entmutigte deutsche Volk zur selbstbewußten Einigkeit zurückzuführen.
      Ich begann und führte mein Amt in dem Bewußtsein, daß in der inneren und äußeren Politik eine entsagungsvolle Vorbereitungszeit notwendig war. Von der Osterbotschaft des Jahres 1925 an, in der ich die Nation zu Gottesfurcht und sozialer Gerechtigkeit, zu innerem Frieden und zu politischer Sauberkeit aufrief, bin ich nicht müde geworden, die innere Einheit des Volkes und die Selbstbesinnung auf seine besten Eigenschaften zu fördern. Dabei war mir bewußt, daß das Staatsgrundgesetz und die Regierungsform, welche die Nation sich in der Stunde großer Not und innerer Schwäche gegeben, nicht den wahren Bedürfnissen und Eigenschaften [332] unseres Volkes entspreche. Die Stunde mußte reifen, wo diese Erkenntnis Allgemeingut wurde. Daher erschien es mir Pflicht, das Land durch das Tal äußerer Bedrückung und Entwürdigung, innerer Not und Selbstzerfleischung ohne Gefährdung seiner Existenz hindurchzuführen, bis diese Stunde anbrach."

Er, Hindenburg, war der Vater seiner Soldaten und der Vater des Vaterlandes. Dies gab seinem Wirken eine großartige innere Harmonie; ohne daß er es ahnte, stand er im Weltkrieg an der Wiege des Nationalsozialismus, dem er 20 Jahre später selbst noch nach Recht und Gesetz das Tor ins Reich öffnen sollte, um durch ihn sein eigenes Ziel und Ideal von der Einheit des Volkes verwirklicht zu sehen.

(Vgl. hierzu meine Geschichte unserer Zeit, Bd. VI, Seite 174 ff.)

In der ganzen Welt rief der Tod Hindenburgs tiefe Bewegung hervor. Ebenso wie das deutsche Volk trauerte das Ausland um den verehrten und bewunderten großen Mann.

Der Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, gab an die NSDAP. folgenden Aufruf heraus:

      "Hindenburg ist tot! Hindenburg lebt in seinem Volke! Er lebt in unseren Herzen fort als das Symbol ruhmreicher deutscher Geschichte. – Er lebt fort als der Sieger von Tannenberg. – Er lebt fort als der Generalfeldmarschall des Weltkrieges. – Er lebt als der Vater eines großen Volkes! – Die Kämpfer für Deutschlands Freiheit senken die Fahnen vor dem großen Deutschen in Trauer, Ehrfurcht und Dankbarkeit: Hindenburg rief den Führer – Hindenburg leitete damit neue deutsche Geschichte ein. Hindenburgs lebendiges Vermächtnis für Deutschland ist der Führer. Treue zu Hindenburg heißt Treue zum Führer, heißt Treue zu Deutschland! Wir straffen uns zu neuem Kampf um die Zukunft unseres Volkes!"

Der Reichstag trat zu einer Trauersitzung zusammen, darin der Führer das Leben und die Persönlichkeit des Toten würdigte und ehrte; in allen Städten, ja Dörfern des Reiches versammelte sich das Volk in den Kirchen und die Jugend in den Schulen, um des großen Toten in Trauer zu gedenken: er war getreu bis in den Tod!

[333] Nun ging der tote Marschall zum letzten Male die Straße seiner Größe. Am Abend des 6. August verließ der Sarg das Herrenhaus von Neudeck. Im Flammenscheine der Fackeln, die in den Händen vieler Zehntausender von SA.-, SS.-Männern, Angehörigen der Hitlerjugend und des Frontsoldatenbundes ein einziges, viele Kilometer langes Spalier von Neudeck bis zum Tannenbergnationaldenkmal bildeten, geleitet von seinen Soldaten, zog der Tote vorüber am Feldherrnhügel von Tannenberg, wo er seine berühmteste Schlacht gewonnen hatte. Im Feldherrnturm des Tannenbergdenkmals, mitten unter seinen im Kampfe für Deutschland gefallenen Soldaten, sollte er seine letzte Ruhestätte finden. Hunderttausende waren aus ganz Deutschland herbeigeeilt, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Aber das ganze deutsche Volk, ja die ganze Welt wohnte der ernsten Mittagsstunde des 7. August bei. In allen Hauptstädten der Welt wehten die Fahnen auf Halbmast. Der Führer hielt dem Generalfeldmarschall die Abschiedsrede, die mit den Worten endete:

      "In seinem Namen wurde der Bund beschlossen, der die stürmische Kraft der Erhebung einte mit dem besten Können der Vergangenheit. Als Reichspräsident wurde der Generalfeldmarschall Schirmherr der nationalsozialistischen Revolution und damit der Wiedergeburt unseres Volkes. Vor nunmehr fast 20 Jahren umläuteten von dieser Stelle aus zum erstenmal in ganz Deutschland die Glocken den Namen des Generalfeldmarschalls, heute hat die Nation unter dem Läuten derselben Glocken den toten greisen Helden zurück zur großen Walstatt seines einzigartigen Sieges geführt.
      Hier inmitten der schlummernden Grenadiere seiner siegreichen Regimenter soll der tote Feldherr seine Ruhe finden. Die Türme der Burg sollen trotzige Wächter sein dieses letzten großen Hauptquartiers des Ostens.
      Standarten und Fahnen halten die Parade. Das deutsche Volk aber wird zu seinen toten Helden kommen, um sich in Zeiten der Not neue Kraft zu holen für das Leben. Denn wenn selbst die letzte Spur dieses Leibes verwest sein sollte, wird der Name noch immer unsterblich sein. Toter Feldherr, geh ein in Walhall!"

[334] Dann ertönte das Lied vom guten Kameraden. Feierliche Stille herrscht. Von den wuchtigen Türmen verwehen die schwarzen Rauchfahnen der Opferfeuer in den lichten Sonnenhimmel des hohen Sommers. Die Luft über ganz Deutschland ist erfüllt vom Klingen der ernsten Glockentöne, die hauchdünn und fein aus naher und weiter Ferne über die Burg des gewaltigen Denkmals hinschweben. Gedämpft rollen die Trommelwirbel auf, die Kanonen donnern einhunderteinen Ehrengruß hinaus ins Land, als mitten durch die aufs tiefste ergriffene Menge langsam und feierlich, bedeckt wie mit einem Ehrenschilde mit der alten unbesiegten Reichskriegsflagge und umrauscht von den stolzen Fahnen als Zeugen ungezählter deutscher Siege, der Sarg des deutschen Soldaten, des Feldmarschalls und Reichspräsidenten von Offizieren hindurchgetragen und im Feldherrnturm beigesetzt wird.

Beisetzung des Reichspräsidenten im Tannenbergdenkmal.
[Bd. 8 S. 128b]      Beisetzung des Reichspräsidenten im Tannenbergdenkmal.      Photo Scherl.

Beisetzung des Reichspräsidenten im Tannenbergdenkmal.
[Bd. 8 S. 144a]      Beisetzung des Reichspräsidenten im Tannenbergdenkmal.      Photo Scherl.

5.

Unmittelbar nach dem Tode Hindenburgs geschah von Seiten der Reichsregierung das Notwendige, um reibungslos die ungeteilte Macht auf den Führer übergehen zu lassen. Der Reichswehrminister Generaloberst von Blomberg ließ sofort die Wehrmacht auf Adolf Hitler als obersten Befehlshaber vereidigen. Zur gleichen Zeit setzte im Auftrage des Führers und mit Zustimmung des Reichskabinetts der Reichsinnenminister Frick eine Volksabstimmung über das Gesetz vom 1. August auf den 19. August an. Das Schreiben des Führers an den Minister hierüber hatte folgenden Wortlaut:

      Herr Reichsinnenminister!
      Die infolge des nationalen Unglücks, das unser Volk betroffen hat, notwendig gewordene gesetzliche Regelung der Frage des Staatsoberhauptes veranlaßt mich zu folgender Anordnung:

1. Die Größe des Dahingeschiedenen hat dem Titel Reichspräsident eine einmalige Bedeutung gegeben. Er ist nach unser aller Empfinden in dem, was er uns sagte, unzertrennlich verbunden mit dem Namen des großen Toten. Ich bitte daher, [335] Vorsorge treffen zu wollen, daß ich im amtlichen und außeramtlichen Verkehr wie bisher nur als Führer und Reichskanzler angesprochen werde. Diese Regelung soll für alle Zukunft gelten.

2. Ich will, daß die vom Kabinett beschlossene und verfassungsrechtlich gültige Betrauung meiner Person und damit des Reichskanzleramtes an sich mit den Funktionen des früheren Reichspräsidenten die ausdrückliche Sanktion des deutschen Volkes erhält. Fest durchdrungen von der Überzeugung, daß jede Staatsgewalt vom Volke ausgehen und von ihm in freier und geheimer Wahl bestätigt sein muß, bitte ich Sie, den Beschluß des Kabinetts mit den etwa noch notwendigen Ergänzungen unverzüglich dem Volke zur freien Volksabstimmung vorlegen zu lassen.

      Berlin, den 2. August 1934.
                  gez. Adolf Hitler, Deutscher Reichskanzler.

Am 8. August verkündete der Führer eine umfassende Amnestie für allgemeine und politische Vergehen. Dadurch erhielten in Preußen mehr als 400 000 Angeklagte Straffreiheit. Auch 1079 infolge der Röhmrevolte Verhaftete wurden in Freiheit gesetzt. Nur 45 blieben in Haft.

  Volksabstimmung  
und Führerwahl

Die bevorstehende Volksabstimmung war ein außerordentlich wichtiges Ereignis; zunächst hatte sie einen innenpolitischen Sinn, indem nämlich die Vereinigung des Kanzleramtes mit dem des Präsidenten vielleicht der bedeutsamste Schritt der Reichsreform war. Dadurch wurde die Teilung der Gewalten in der obersten Spitze restlos beseitigt. An die Stelle der drei politischen Willensträger: Reichspräsident, Reichskanzler und Regierung, sowie Reichstag trat jetzt nur ein einziger verantwortlicher Mann, der Führer. In seiner Hand wurde das Reich als Ganzes mit allen seinen Funktionen, deren wichtigste Reichswehr und Beamtentum sind, zusammengefaßt. So wurde das Reich in der Tat die unzertrennliche Einheit von Führer und Volk. Nicht ein einziger Staatsmann in Europa verfügte über die gleiche und restlose Totalität der Macht, wie sie jetzt Adolf Hitler besaß, und, da das Ausland so etwas aus seinem parlamentarischen Liberalismus heraus nicht begriff, nannte es diesen Vorgang Dik- [336] tatur. In Wirklichkeit aber war es nichts anderes als die Vereinigung der Volkskraft in ihrem sichtbaren Träger, dem Führer.

Zweitens sollte die Volksabstimmung, nach den Worten Fricks, auch einen außenpolitischen Sinn haben. Sie sollte auch dem Auslande zeigen,

"daß Führer und Volk eins sind, und daß es eine Lüge ist, wenn eine gehässige Auslandspresse behauptet, in Deutschland herrsche eine verantwortungslose Diktatur. Nein, in Deutschland regiert eine vom Vertrauen der übergroßen Mehrheit des Volkes getragene Regierung, deren Stärke nicht besser bewiesen werden kann als dadurch, daß der Führer jedes Jahr die Willensmeinung des Volkes in freier, geheimer Abstimmung erforscht."

Um so wichtiger war diese außenpolitische Bedeutung, als dadurch die immer wieder im Ausland verbreiteten Zweckgerüchte über Zersetzungserscheinungen, Zerfall und Zwietracht in Deutschland widerlegt werden sollten.

Schließlich aber sollte die Volksabstimmung ein Ausdruck des Dankes an Adolf Hitler und ein geschlossenes Bekenntnis zu seiner einzigartigen Führerpersönlichkeit werden, eine Treuekundgebung für diesen Mann, "der nichts anderes kennt als Liebe zu seinem Volk, als die Sorge um die Zukunft, als Arbeit für Volk und Vaterland".

Alle Verbände und Korporationen forderten ihre Mitglieder auf, es als selbstverständlich zu betrachten, daß sie dem Führer aller Deutschen ihre Jastimme geben. Die Minister selbst traten in der Woche vom 13. bis 18. August mit großer Wahlpropaganda hervor. Goebbels, Göring, Heß, Lutze, Darré, Ley, Frick, Kerrl, Rust sprachen zu den Millionen. Ich möchte sagen, daß die Rede von Heß in Kiel am 14. August gleichsam den Zentralpunkt aller Ausführungen mit diesen Sätzen ist:

      "Deutsche Arbeiter! Euch besonders möchte ich zurufen: Seid stolz darauf, daß es einer der Euren ist, dem Ihr am 19. August symbolisch zurufen könnt: Wir wollen an dem Platz des deutschen Reichskanzlers und des deutschen Reichspräsidenten Dich, Adolf Hitler, einen deutschen Arbeiter, sehen. Dort werdet Ihr ihm Eure Ja-Stimmen geben, und [337] wenn man Euch fragte, warum Ihr ihn wähltet, könnt Ihr ihm antworten: Wir wählten Adolf Hitler,

weil er der Mann ist, in dem das Fronterlebnis eine Weltanschauung reifen ließ, die die Grundlage ist für alle neue deutsche Geschichte,

weil ihn Kraft und Mut als Vorbild auszeichneten in 15jährigem Kampf,

weil er im entscheidenden Augenblick immer unter Einsatz seiner eigenen Person handelt und damit zeigt, daß er eine heldische Führerpersönlichkeit ist,

weil er bewiesen hat, daß er die Verkörperung alles Guten im deutschen Menschen ist,

weil er nichts für sich und nichts für den Augenblick tut, sondern alles für Deutschland und alles für die Zukunft seines Volkes,

weil er das Ideal der Jugend ist,

weil er uns allen einen neuen Glauben an Deutschland gegeben hat,

weil er unser Leben wieder sinnvoll machte, indem er uns erkennen lehrte, wozu wir deutsche Menschen auf der Welt sind,

weil er der Vollstrecker des Willens einer höheren Gewalt und weil er damit der Inhalt des heutigen Deutschland ist.

Kurz: Weil er wirklicher Führer ist.

Mit allen unseren Ja-Stimmen werden wir Deutschen am 19. August sagen: 'Dir, Führer, geloben wir Treue – Adolf Hitler – an Dich glauben wir: Adolf Hitler – Sieg Heil!'"

Am 15. August überbrachte Vizekanzler von Papen im Auftrage des Obersten von Hindenburg, des Sohnes des Reichspräsidenten, dem Führer das politische Testament des großen Toten, das, wie wir schon sahen, das Bekenntnis zu Adolf Hitler darstellt. Es wurde unverzüglich der Öffentlichkeit übergeben. Wir sahen bereits im einzelnen, daß der Reichspräsident auf den Führer die Hoffnung für die Zukunft des Reiches setzte, und so schloß dies Testament mit den Worten:

      "In diesem festen Glauben an die Zukunft des Vaterlandes kann ich beruhigt meine Augen schließen."

Den Abschluß des Wahlfeldzuges bildete der große Appell [338] des Führers in Hamburg am Abend des 17. August. Dreiviertel Millionen Deutsche empfingen den Führer mit einem Jubel und einer Begeisterung sondergleichen. In einer gewaltigen Rede legte er seinen Lebensgang, seine Auseinandersetzung mit dem Parteienstaate und sein Ziel dar. Nur der Nationalsozialismus sei imstande, das deutsche Volk vor dem Untergang zu bewahren. Die Rede des Führers war ein in seiner Größe und Schlichtheit gewaltiges Bekenntnis zu Deutschland: "Denn seit ich im politischen Kampfe stehe, beherrscht mich befehlend, so wahr mir Gott helfe, nur ein Gedanke: Deutschland!"

So kam der 19. August. Von rund 46 Millionen Stimmberechtigten stimmten 38⅓ Millionen für den Führer, 4,3 Millionen sagten Nein, etwa 900 000 Stimmen waren ungültig. Insgesamt wurden 43½ Millionen Stimmen abgegeben. Dies Ergebnis war die Zustimmung zu allem, was seit dem 30. Januar 1933 getan worden war, die Anerkennung alles dessen, was nach dem 19. August 1934 getan werden sollte. Ein gewaltiges Treuebekenntnis aus freiem Willen, wie es so großartig noch nicht in der deutschen Geschichte vorgekommen ist. Wie hatten sich die Dinge in zweieinhalb Jahren gewandelt! Bei der Reichspräsidentenwahl am 10. April 1932 erhielt Adolf Hitler etwa 40 Prozent der abgegebenen Stimmen, bei der Führerwahl am 19. August bekam er 90 Prozent! Das war das deutsche Wunder, das recht eigentlich das Dritte Reich als die Einheit von Führer und Volk fest begründete. Neben den 90 Prozent der gläubigen Gefolgschaft standen noch 10 Prozent abseits: diejenigen, die sich nicht verstanden fühlten und schmollten, diejenigen, die aus eigensüchtigen Gründen noch andere Ziele verfolgten als der Nationalsozialismus, und diejenigen, die von Natur aus unbelehrbar und boshaft waren. Aber auch sie hoffte der Führer im Laufe der Zeit noch zu gewinnen. Am 20. August erließ er folgende Kundgebung an Volk und Partei:

      "Nationalsozialisten, Nationalsozialistinnen, deutsche Volksgenossen!
      Ein fünfzehnjähriger Kampf unserer Bewegung um die Macht in Deutschland hat mit dem gestrigen Tage seinen Ab- [339] schluß gefunden. Angefangen von der obersten Spitze des Reiches über die gesamte Verwaltung bis zur Führung des letzten Ortes befindet sich das Deutsche Reich heute in der Hand der Nationalsozialistischen Partei.
      Dies ist der Lohn für eine unermeßliche Arbeit, für zahllose Opfer. Ich danke all denen, die gestern durch ihre Stimme mit beigetragen haben, die Einheit von Staat und Bewegung vor der ganzen Welt zu dokumentieren. Meine und unser aller Aufgabe wird es sein, diese Einheit zu vertiefen und in einem ebenso genialen wie entschlossenen und beharrlichen Kampfe auch den letzten Rest unseres Volkes für die nationalsozialistische Idee und Lehre zu gewinnen. Noch heute nacht sind die Entschlüsse für die Durchführung dieser Aktion gefaßt worden, sie selbst wird mit nationalsozialistischer Schnelligkeit und Gründlichkeit ablaufen. Der Kampf um die Staatsgewalt ist mit dem heutigen Tage beendet. Der Kampf um unser teures Volk aber nimmt seinen Fortgang. Das Ziel steht unverrückbar fest: Es muß und es wird der Tag kommen, an dem auch der letzte Deutsche das Symbol des Reiches als Bekenntnis in seinem Herzen trägt."

  Der Reichsparteitag  

6.

Nur wenige Tage nach der Führerwahl vom 19. August 1934 begann in Nürnberg, am 4. September, der siebentägige Parteitag 1934. Es war der sechste Parteitag der Bewegung, der vierte, der in Nürnberg stattfand.

Die Parteitage fanden in der Regel alle zwei Jahre statt, dieser aber war vom Führer bereits nach Jahresfrist angeordnet worden. Das hatte seine besonderen Gründe.

Zunächst war es der erste Parteitag, der wirklich die Identität von Reich, Volk und Partei bewies. Der Führer charakterisierte in seiner Schlußansprache an den Kongreß am 10. September den Sinn des Parteitages in zwei Sätzen. Einmal sei er

"das große persönliche und geistige Treffen der alten Streiter und Kampfgenossen, die Wiedersehensfeier all jener, die schon in den Zeiten der Unterdrückung und Ver- [340] folgung Glaubensträger einer Idee gewesen sind, deren sieghafte Verwirklichung sie nun in tiefinnerer Bewegtheit noch miterleben dürfen".

Sodann aber hatte der Parteitag noch eine umfassende, gewaltige Bedeutung.

      "Was sich in diesen acht Tagen in Nürnberg, der alten deutschen Reichsstadt, an festlichem Geschehen zutrug, war nicht die Feier einer kleinen wurzellosen Führerschaft, sondern das Fest eines in einer Weltanschauung geeinten und seiner Führung vertrauenden Volkes."

Diese Einheit von Partei und Volk kam dadurch sichtbar zum Ausdruck, daß auch die Reichswehr jetzt zum ersten Male an dem Parteitag teilnahm.

      "Neben den Vertretern der politischen Organisationen der Bewegung und den vom Führer und Reichskanzler berufenen obersten Leitern der Ämter in Reich und Staat tritt in diesem Jahre zum ersten Male auch die Wehrmacht an", sagte Hermann Göring. "Als einziger Waffenträger, dem die große und heilige Aufgabe des Schutzes der Nation nach außen obliegt, bekundet sie damit den Gleichklang der politischen Weltanschauung mit dem ganzen Volke. So wird der diesjährige Parteitag gerade uns alten Kämpfern die wunderbare Vollendung des 15jährigen Ringens sein."

Aber noch etwas anderes gab dem Parteitag sein einzigartiges Gepräge: er sollte Rechenschaft ablegen von der Vergangenheit und den Weg weisen in die Zukunft. Er sollte den großzügigen Blick gestalten über die 12 Monate der politischen Machtsicherung, die zwischen ihm und dem Parteitag von 1933 lagen. Hermann Göring drückte es treffend so aus:

      "Standen die Septembertage des vergangenen Jahres für uns im Zeichen des Sieges, so wollen wir in diesem Jahre uns zusammenfinden, um den Parteitag als den Tag der ersten Ernte unserer Arbeit würdig zu begehen."

Somit ist der Reichsparteitag ein Markstein in der Entwicklung des nationalsozialistischen Dritten Reiches: ein Tag der Ernte, ein Rechenschaftsbericht über das, was geleistet worden ist.

Damit ist aber das dritte verknüpft: Der Reichsparteitag war auch ein Bekenntnis für die Zukunft, eine feierliche Tat der Treue von Partei und Volk zum Führer, und dies um so mehr, da erst kurz zuvor der schwarze Schatten des [341] Verrates und der Treulosigkeit entschlossen niedergeschlagen werden mußte.

Die Bedeutung des Reichsparteitages 1934 als völkisches und politisches Ereignis erster Ordnung scheint hiermit genügend gekennzeichnet. –

Nürnberg, die feine alte Stadt mit den zierlichen Giebeln und edeln Kirchen, mit den alten, vom lebendigen Geiste stolzer Reichsvergangenheit angefüllten Straßen, ist von einem strahlend blauen Himmel überspannt. Wahre Hochsommerhitze erfüllt noch diese Septembertage eines sehr trockenen und sehr heißen Sommers. Ihr schönstes Festtagsgewand hat die Stadt angelegt. Zahllose Hakenkreuzfahnen leuchten von den Häusern, wallen im leichten Winde über den Straßen. Die Fahnen des neuen Reiches überall und überall. Dazwischen sind manche Häuser geschmückt mit den Wappenfahnen der alten Stadt, die rote Adlerjungfrau im weißen Felde darstellend. Lebende Blumenketten aus Tannengrün überspannen Straßen und Plätze. Alles, was möglich ist, wird getan, damit die Stadt sich würdig rüste zum Empfang des Führers und seiner Getreuen, und je näher der Parteitag heranrückt, desto unruhiger wird das Volk vor Erwartung der großen Ereignisse.

Die Organisation des Parteitages ist ein Meisterstück konzentrischer Willenskraft. Mehr als 500 000 Deutsche strömen als Träger und Vertreter der 67 Millionen großen Volksgemeinschaft für wenige Tage in der Stadt zusammen. Aber sie wollen von den fernsten Ecken des Reiches herangeholt und zu ihrer Zeit wieder heimgebracht werden. 525 Eisenbahnsonderzüge, deren jeder 1000 Menschen befördert, treffen im Laufe von 4 Tagen auf den Bahnhöfen von Nürnberg ein und verlassen die Stadt wieder im Verlaufe von 4 Tagen. Alle 12 Minuten dieser 8 Tage hindurch speit ein Zug 1000 Menschen aus und schluckt 1000 Menschen wieder ein, eine Leistung, die die einzigartige Organisationskraft der deutschen Reichsbahn in der Welt bewies.

Nicht minder gewaltig sind die Vorbereitungen in Nürnberg selbst. Die Bevölkerung stellt mehr als 46 000 Privatquartiere zur Verfügung. Im Durchschnitt herbergt bei jeder zweiten [342] bis dritten Familie ein Parteitagteilnehmer. Genau eine Viertelmillion Mann werden in Fabriken, Sälen und Schulen, in Massenquartieren untergebracht, und für 227 000 werden vor den Toren der Stadt riesige Zeltlager errichtet: auf 290 000 Quadratmeter Boden werden 600 Großzelte und 2400 Kleinzelte aufgeschlagen. Das Zeltlager der SA. mit 445 Großzelten ist 1400 Meter lang und durchschnittlich 50 Meter breit. In diesen Zeltlagern werden 20 000 Meter Rohr für Wasserleitung gelegt und für die Massenquartiere 80 000 Zentner Stroh, das sind etwa 520 Eisenbahnwaggons, herangeschafft. Und alles das in wenigen Tagen: ein Beweis für die Exaktheit der Leistung!

Bereits am Montag, den 3. September, morgens um 5 Uhr, treffen die ersten tausend Arbeitsdienstler aus Berlin ein. Und nun geht es von Viertelstunde zu Viertelstunde so weiter. Das Volk steht dicht gedrängt auf den Straßen und wartet von den einen tausend Mann auf die nächsten Tausend. Das Warten ist nicht ermüdend. Kaum erklingen die Marschtöne der einen marschierenden Kolonne, kaum entschwinden die letzten Männer eines braunen Bataillons den Blicken, da naht vom Bahnhof her schon neue Marschmusik, neuer dröhnender Marschtritt, und neue Fahnen des Sieges und der Treue ziehen ein in die Stadt, an der Spitze die braunen Kämpfer.

Am Dienstag nachmittag nach 17 Uhr trifft der Führer in Begleitung seines Adjutanten Brückner sowie des Ministers Goebbels und des Oberführers Schaub in Nürnberg ein. Vor seinem Hotel "Deutscher Hof" wogt eine vieltausendköpfige begeisterte Menschenmenge, wie aus einem Munde dringen ihre Heilrufe zum Führer vor, wie auf ein Kommando recken sich Tausende von Armen, als er sich am Fenster zeigt, und aus tiefster Leidenschaft strömt das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied von Tausenden von Lippen.

Als die Dämmerung sich mählich zu nächtlicher Dunkelheit zu verdichten beginnt, flammen Millionen und Abermillionen Lampen auf Straßen und in Fenstern auf, und mit ergreifender Wucht braust der eherne Rhythmus des Glockengeläutes über die froh bewegte Stadt. In den ehrwürdigen Klängen von Sankt Sebaldus und Sankt Lorenz, von Sankt Ägidien [343] und Sankt Ludwig und Unsere Lieben Frauen webte sich das Schicksalslied von 40 deutschen Generationen zum Schicksalslied der jungen deutschen Generation und ihres jungen, starken Reiches. Drinnen im Rathaussal aber, dessen Pfeiler von oben bis unten mit Tannengrün und bunten Dahlien bekleidet sind, begrüßt der Oberbürgermeister an der Spitze seines Rates den Führer der Deutschen in der Stadt Martin Behaims und Peter Vischers, Albrecht Dürers und Hans Sachsens, in der allezeit reichstreuen Reichsstadt Nürnberg. –

Das Kernstück dieses Parteitages, der die Versammlung ganz Deutschlands, aus Ost und West, aus Nord und Süd, der Arbeiter und Intellektuellen, der Armen und Reichen jenseits aller Stammes- und Standesunterschiede allein in der Idee des einigen Reiches darstellt, sind drei grundlegende Führerreden: die erste die Proklamation bei Eröffnung des Parteikongresses am 5. September, die zweite auf der Kulturtagung am Nachmittag des 5. September und die Schlußrede auf dem Kongreß am Nachmittag des 10. September.

Die Tagungen des Kongresses finden draußen vor der Stadt in der Luitpoldhalle statt. Sie liegt in einer freien, parkähnlichen Landschaft, nahe dem Dutzendteiche, dessen weiter freudiger Wasserspiegel, umsäumt von hohen rauschenden Bäumen, im Glanze der Sonne blinkt und glitzert. Die Luitpoldhalle ist ein riesiges Zelt. Die schlanken, turmhohen Eisenträger der Zeltwände und des Zeltdaches sind von oben bis unten mit lebendem Grün und bunten Dahlien bekleidet. Seit dem frühen Morgen strahlt die Sonne in Hochsommerglut über dem Zelte, aber schon Stunden, bevor der Kongreß eröffnet wird, haben 30 000 Menschen die riesige Halle besetzt, über ihren Köpfen zittert die Luft in Hitze.

Um 11 Uhr verstummt das Summen der Stimmen, die Musikzüge spielen den Badenweiler Marsch. Langsam nahen im Mittelgange des Zeltes einige hundert Standarten der Partei, der SA. und SS. aus allen Teilen des Reiches, vor ihnen aber schreitet, in schlichter Einfachheit, die Blutfahne der Partei, von demselben Manne getragen, der sie schon am 9. November 1923 trug. Die Blutfahne nimmt ihre Aufstellung neben dem Platze des Führers, während die Standarten [344] im Hintergrunde die Tribüne säumen, auf der der Führer, seine Mitarbeiter, die Spitzen der Partei und des Reiches, die Offiziere, die geladenen Gäste des In- und Auslandes Platz nehmen werden.

Jetzt erscheint der Führer, begleitet von seinem Mentor Rudolf Heß, von seinem Adjutanten Wilhelm Brückner. In seinem Gefolge befinden sich Goebbels und Frick, Himmler, Darré und Rosenberg, Göring und viele andere führende Männer des Reiches und der Partei.

Die ehrfürchtige und weihevolle Stille, die beim Einzug der Blutfahne und Standarten geherrscht hat, ist vorüber. Lauter Jubel bricht los. Endlose Siegheilrufe rollen durch die weite Halle. Die Menschen steigen auf die Stühle, um den Führer zu sehen, und immer wieder donnern die begeisterten Heilrufe über die vieltausendköpfige Menge dahin. Als der Führer und seine Umgebung Platz genommen haben und Rudolf Heß an das Rednerpult tritt, kehrt allmählich Ruhe ein.

Rudolf Heß eröffnet den Kongreß. Der Gauleiter von Mittelfranken, Julius Streicher, in dessen Hoheitsgebiet Nürnberg liegt, begrüßt den Führer und die Gäste Nürnbergs. Der Chef des Stabes der SA., Lutze, verliest die Namen aller derer, die im Kampfe für das Dritte Reich gefallen sind. Dann verkündet der Gauleiter Adolf Wagner die Proklamation des Führers, die richtunggebend und grundsätzlich ist.

In der Einleitung dieser Proklamation begründet der Führer den Zweck des Parteitages. Der Entschluß, diese Manifestation des nationalsozialistischen Kampfes heuer schon wieder stattfinden zu lassen, sei entstanden aus der Erkenntnis des Umfanges und der Bedeutung des Geschehens in dem zurückliegenden Zeitraum der zwölf Monate. Das Jahr vom September 1933 bis zum September 1934 habe die endgültige Festigung der nationalsozialistischen Macht in Deutschland gebracht, aber es sei auch ein Jahr gewaltiger Konstruktion und produktiver Arbeit gewesen, woraus sich die notwendige und unzweifelhafte Feststellung ergebe:

      "Die nationalsozialistische Revolution ist als revolutionärer rechtmäßiger Vorgang abgeschlossen. Sie hat als Revolution restlos erfüllt, was von ihr erhofft werden konnte."

[345] Nun wendet sich der Führer gegen die "Phantasten" und "Interessenten" unseligen Angedenkens vom 30. Juni, welche die Grenzen des Möglichen erkannt aber bewußt übersehen hätten. Es gebe keine Revolution als Dauererscheinung, die nicht zur vollkommenen Anarchie führen müßte, Sinn einer Revolution sei nur, Widerstände durch einen Akt volklicher Selbsthilfe und damit Notwehr zu beseitigen. Aber die

"Revolutionen in Permanenz führen zur Verrückung jeglichen völkischen, staatlichen und wirtschaftlichen Lebens. Sie sind nicht Explosionen eines vergewaltigten Selbsterhaltungstriebes einer Nation, sondern einfach Machtkämpfe beutegieriger Politiker! Wahrhafte Revolutionen sind nur denkbar als Versuch einer neuen Berufung, der der Volkswille auf diese Art einen geschichtlichen Auftrag erteilt."

Nein! Eine Revolution an sich vermöge kein Programm zu verwirklichen. Revolutionen allein beseitigen nur Machtzustände, die Evolution allein verändert Sachzustände. Das Entscheidende sei nicht Überwindung, Beseitigung oder gar Vernichtung bestimmter Lebensauffassungen, Einrichtungen usw., sondern vielmehr ihr Ersatz durch bessere. Revolutionen könnten wie Kriege nur Voraussetzungen für ein neues Leben schaffen. So besitze eine Revolution nur sekundären Charakter, während Idee und programmatisch niedergelegtes Wollen primäre Bedeutung hätten.

Eine solche Zielsetzung komme aber nie aus der Gesamtheit einer revolutionären Masse, sondern stets aus der intuitiven Erkenntnis und Einsicht eines einzelnen oder einzelner Weniger. Für dieses Ziel seien die Kämpfer der Bewegung gefallen, nicht aber, daß Wahnsinnige und Nichtskönner einen an sich schlechten Zustand durch ein schlechteres Chaos ersetzen. Die Führung habe heute die unbeschränkte Macht in Deutschland, und diese liege einzig und allein bei der nationalsozialistischen Bewegung. Und eine Bewegung, die auf dem festen Fundamente einer Weltanschauung gegründet sei, gebe ihrer Führung die Möglichkeit, in eisiger Überlegung ein Ziel ins Auge zu fassen, das durch die Ideen fixiert erscheine und nach allen Regeln der Kunst zu erreichen versucht werde. Die Taktik, die dabei angewandt werden müsse, spiele dabei nur [346] eine zweite Rolle. Sie sei immer nur Mittel zum Zweck und niemals Selbstzweck, deshalb sei es ganz belanglos, wenn mal Umwege gemacht werden müßten.

Wichtig allein sei immer nur, daß der Nationalsozialismus eine Weltanschauung sei. Ihre Verwirklichung stehe meilenweit über jedem Akt einer reinen Inbesitznahme der Staatsgewalt. Die Regierungsgewalt in einem Volke von 68 Millionen zu stürzen und zu übernehmen sei schwer. Allein aus diesen 68 Millionen Einzelwesen einer zerfahrenen Welt Seelenkämpfer einer neuen Idee zu machen, sei tausendmal schwerer. Auch hier gelte das Wort: Viele sind berufen, doch wenige auserwählt. Ausschlaggebend sei auch hier der Glaube, das Herz und die Tugenden, nicht Bildung und Wissen. Die Gläubigen, die Opferbereiten seien immer nur eine Auslese. Die letzte Verwirklichung des nationalsozialistischen Staates sei daher leider abhängig von der Durchführung der nationalsozialistischen Erziehung des deutschen Volkes, diese aber sei nicht die Angelegenheit des Augenblickes, sondern die Aufgabe einer langen Zeit.

      "Es gibt nichts Großes auf dieser Welt, das Jahrtausende beherrschte und in Jahrzehnten entstanden wäre. Der größte Baum hat auch das längste Wachstum hinter sich. Was Jahrhunderten trotzt, wird auch nur in Jahrhunderten stark. Revolutionen sind Vorgänge, die nur entscheiden, wer pflanzt, was gepflanzt wird, und bedingt noch, wie gepflanzt wird. Säen und Reifen aber überlassen sie stets der Evolution, d. h. der Zeit."

Daher sei hierüber zusammenfassend folgendes zu sagen:

      "Der Wille der nationalsozialistischen Staatsführung ist ein unbeirrbarer und ein unerschütterlicher. Sie weiß, was sie will und will, was sie weiß. Sie hat zu dieser Selbsteinschätzung das Recht; denn sie hat hinter sich das Zeugnis einer Bewährung, das geschichtlich nur selten ausgestellt wird. Denn die Staatsführung des heutigen Reiches ist die Führung der nationalsozialistischen Partei. Was dieser aber im kurzen Zeitraum von 15 Jahren gelang, wird dereinst den Kindern späterer Generationen unseres Volkes gelehrt werden als das deutsche Wunder. Sie ist daher auch entschlossen, die ihr gegebene [347] Gewalt wahrzunehmen. Sie führt und kapituliert vor niemandem.....

      Wir Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen aber haben in diesen Tagen ein Recht, in stolzer Freude den jetzigen Parteitag zu feiern, denn hinter uns liegt wahrlich ein Jahr der Arbeit, der Leistungen und des Erfolges, und vor uns liegen Aufgaben, die zu erfüllen wir uns gerade an diesen Tagen die nötige Kraft und Entschlossenheit erneut holen wollen.
      Es wird die Aufgabe des kommenden Jahres sein:

1. Die innere Ordnung der Partei und ihrer Gliederungen weiter fortzuführen. Es wird unsere Aufgabe sein, die Organisationen der alten Kämpfer, der politischen Gliederungen, der SA. und SS. in eine einzige verschworene Gemeinschaft zu verwandeln, an die jeder stoßen soll, der es wagt, an unseren Staat zu rühren.

2. Wir wollen diese Gemeinschaft säubern von allen, die nicht im bedingungslosen Gehorsam, in unerschütterlicher Treue und Loyalität zu ihr gehören wollen, von allen, die nicht das äußere Lippenbekenntnis einer nationalsozialistischen Idee gewillt sind in ein inneres Glaubensbekenntnis zu verwandeln.

3. Wir wollen einen neuen Angriff mobilisieren zur Gewinnung jener Volksgenossen, die dem Blute nach zu uns gehören und vielleicht nur aus Verblendung oder Unwissenheit noch nicht den Weg zur Bewegung gefunden haben. Wir wollen aber auch Front machen gegen jene, die glauben, daß die Zeit gekommen wäre, ihre alte Tätigkeit der Zerstörung und Unterminierung wieder aufnehmen zu können. Die Faust des nationalsozialistischen Staates wird sie treffen, wer immer sie auch sein mögen!

4. Wir wollen alles tun, um den Glauben und das Vertrauen unseres Volkes immer mehr zu stärken und zu festigen und um es damit immer mehr fähig zu machen, die Größe seiner Zeit zu erkennen und an ihr die Größe der nötigen Opfer zu ermessen, um so dem Volk und Reich zu geben, was des Volkes und des Reiches ist. Und wir wollen endlich

[348]  5. in diesem kommenden Jahr die Beharrlichkeit erwecken, um unser Volk immer mehr in den Besitz einer Tugend zu bringen, die mehr wert ist, als aufflammende Erkenntnis, schwankender Intellektualismus und irrlichterndes Talent. Sichere Nerven und eiserne Zähigkeit sind die besten Garanten für die Erfolge auf dieser Welt....."

Diese Proklamation enthält die klare und gerade Linie deutscher Führersendung, die an Wucht und Großartigkeit nichts zu wünschen übrig läßt: Das nationalsozialistische deutsche Führerreich ist geworden auf dem gesunden Boden einer völkischen Weltanschauung durch kompromißlose Befolgung der inneren Sittengesetze der Nation. Seine Zukunft ist bestimmt durch das Hineinwachsen der Nation in die nationalsozialistische Weltanschauung und in den Gehorsam gegenüber den ewigen Sittengesetzen der organischen Entwicklung dieses Volkes. Diese Proklamation ist damit zugleich das Vernichtungsurteil über alle wilden Schösslinge am Stamme des Nationalsozialismus, die, wie es im Frühjahr versucht wurde, unter Mißachtung der völkischen Weltanschauung und Sittengesetze die Partei als Trägerin der Weltanschauung mit bewaffneter Revolution niederschlagen wollten allein um des Besitzes der nackten Gewalt willen. Die Revolution ist abgeschlossen, der Nationalsozialismus hat den Staat erobert, der Nationalsozialismus erzieht das Volk in seiner neuen Weltanschauung. Aus dem Zusammenwirken dieser drei Grundtatsachen heraus ergibt sich der augenblickliche Zustand des Dritten Reiches. Man könnte diese Proklamation somit als den Schlußstein jenes ersten Bauabschnittes des Dritten Reiches bezeichnen, dessen Grundstein die Eingliederung der Partei in den Staat am 1. Dezember 1933 war.

Ebenso grundlegend ist die Rede des Führers, die er am Nachmittag des 5. September über deutsche Kulturprobleme hielt.

Auch diese Ausführungen Adolf Hitlers gründen sich auf die elementare Erkenntnis, daß einzige Richtschnur aller kulturellen Betätigung die völkische Seele ist, wie sie der Nationalsozialismus in seiner Weltanschauung erfaßt hat. Ausgehend von der Erkenntnis der rassischen Voraussetzungen des [349] Volkslebens will der Nationalsozialismus die angeborenen Veranlagungen in ihrer Gesamtheit, nicht im Spezialistentum organisieren. Deutsch sein heißt klar sein, deutsche Kunst ist also Klarheit und Wahrhaftigkeit, die Inkarnation dieser arteigenen Eigenschaften und Fähigkeiten ist der Künstler, der die Sendung zur Kunst in sich hat. Darum lehnt der Nationalsozialismus, auf blutmäßig fundierten Erkenntnissen und nicht auf altertümlichen Überlieferungen beruhend, Stil, Stilgesetze, Stilverkrampfung, Maniriertheit als etwas Lebensfremdes ab, genau wie er die dadaistischen und teutonischen Zerrgestalten im kulturellen Leben rücksichtslos ausmerzt. –

Die nächsten Tage bringen im Kongreß die Reden der Mitarbeiter des Führers aus ihren einzelnen Arbeitsgebieten, Rechenschaftsberichte über das Geleistete und Ausblicke in das zu Leistende, und sie bringen die Aufmärsche der gewaltigen Volks- und Parteiorganisationen vor dem Führer. So ist der 6. September der Tag des Arbeitsdienstes, der zum erstenmal auf dem Parteitag erscheint. Von den 232 000 deutschen jungen Männern, die im Arbeitsdienst vereinigt sind, sind 52 000 unter ihrem Reichsarbeitsführer Hierl auf der Zeppelinwiese angetreten und marschieren sodann in Nürnberger Straßen am Führer vorüber. Fast drei Stunden dauert der Vorbeimarsch, aller Verkehr ruht in der großen Stadt. Trotz der ungeheuren Hochsommerhitze marschieren die grauen Kolonnen mit dem geschulterten Spaten in vorbildlich straffer Manneszucht, Träger einer wahrhaften Volksgemeinschaft und edelgeschliffener Gemeinschaftszucht, erfüllt von jungem deutschen Glauben und junger deutscher Siegeszuversicht.

Konstantin Hierl, Reichsführer des Arbeitsdienstes.
[Bd. 8 S. 48a]      Konstantin Hierl,
Reichsführer des Arbeitsdienstes.

Photo Scherl.
Arbeitsdienst in Nürnberg.
[Bd. 8 S. 176a]      Arbeitsdienst in Nürnberg.
Photo Scherl.

Arbeitsdienst auf dem Reichsparteitag 1934.
[Bd. 8 S. 144b]      Arbeitsdienst auf dem Reichsparteitag 1934.      Photo Scherl.

Der 7. September gehört den Politischen Leitern der Parteiorganisation. Vom Gauleiter bis zum Blockwart sind von den 800 000 etwa der vierte Teil in Nürnberg erschienen. Bis zum Mittag dieses Tages brachten 200 Sonderzüge sie aus allen Teilen des Reiches heran. Es ist das Heer der unbekannten Frontkämpfer der Idee, die täglichen Kleinarbeiter, ohne die das Werk des Führers undenkbar wäre. Um 18.30 Uhr meldet Dr. Ley dem Führer, daß auf der Zeppelinwiese 181 000 [350] politische Leiter mit 21 000 Fahnen angetreten seien. Dann spricht Adolf Hitler zu seinen politischen Leitern:

Das gewaltige Werk hätte nie gelingen können ohne die Mitarbeit so vieler bisher unbekannter Volksgenossen, von denen jeder einzelne in seinem Block, in seiner Zelle, in seinem Gau nicht nur bekannt sei, sondern in Ehren genannt werde.

      "Die Bewegung, sie lebt und sie steht felsenfest gegründet! Und solange auch nur einer von uns atmen kann, wird er dieser Bewegung seine Kräfte leihen und für sie eintreten so wie in den Jahren, die hinter uns liegen. Man kann nicht dem untreu werden, was einem ganzen Leben Inhalt, Sinn und Gestalt gegeben hat."

Den Befehl zu diesem Tun habe kein irdischer Vorgesetzter gegeben,

"den gab uns der Gott, der unser Volk geschaffen hat, und der nicht dulden kann, daß sein Werk zugrunde geht, nur weil ein Geschlecht schwach geworden war."

Möge die Partei nie die Tugenden vergessen, durch die sie groß wurde!

      "Es war die grenzenlose Treue zu unserem Volke, und aus ihr abgeleitet die Treue zu unserer Bewegung. Es war die Treue untereinander, es war eine nie zerbrechende Kameradschaft, es war Gehorsam, Folgsamkeit, Bescheidenheit, es war Aufopferung, Bereitwilligkeit für unser Ideal, denn sonst wäre dieses Wunder nie gekommen."

Die Not und Sorge um das Volk habe diese Bewegung zusammengeführt, kein staatlicher Befehl!

      "Nicht der Staat befiehlt uns, sondern wir befehlen dem Staat! Nicht der Staat hat uns geschaffen, sondern wir schaffen uns den Staat! Denn wir mögen dem einen Partei sein, dem anderen Organisation, dem dritten etwas anderes, in Wahrheit sind wir das deutsche Volk."

Ziel sei die Volksgemeinschaft, daß alle Stände, alle Berufe, alle Schichten, alle Klassen zusammenstehen und eine Marschkolonne bilden.

      "Dann wird Trommel zu Trommel stoßen, Fahne zu Fahne, dann wird zur Gruppe die Gruppe kommen, zum Gau der Gau und dann wird endlich dieser gewaltigen Kolonne die geeinte Nation nachfolgen. Das früher zerrissene Volk, es wird dann in diesen Kolonnen seine Führung sehen, es wird dieser Führung dann gehorchen. Und die Führung hat die Pflicht, nie zu vergessen, daß sie Führung ist, weil sich in ihr alles das verkörpert, was sie selbst im Volke sehen will."

[351] Darum sollten die Träger der Bewegung geloben an sich zu arbeiten, sich immer noch besser zu machen, damit das deutsche Volk mit Recht in ihr seine Führung sehe.

      "Wir wollen die großen Grundsätze unseres Kampfes, die uns in den Jahren des Ringens um die Macht begleitet haben, uns erneut ins Gedächtnis zurückrufen und uns ihnen verschwören. Treue, Gehorsam, Disziplin, Opferwilligkeit, Kameradschaft, Bescheidenheit, das sollen die Prinzipien sein, die immer mehr unser Lebensgut zu werden haben."

Dann werde diese Bewegung als die wahrhafte Führerin des deutschen Volkes in Erscheinung treten unter dem herrlichen Begriffe alle für einen und jeder für alle.

      "Sie wird dann, wie schon öfters in der deutschen Geschichte erwiesen, unser Volk wieder zu seiner Größe, seiner Freiheit und seinem natürlichen Wohlergehen zurückführen können. Wir alle sind nur Diener an diesem großen Werke der deutschen Nation, wollen unser eigenes Ich gebührlich zurücksetzen gegenüber dem, was Deutschland erfordert, wollen selbst nicht vor Deutschland stehen, sondern nur dieses Deutschland führen, solange nicht Bessere an unsere Stelle treten. Wir wollen aber auch wissen, daß heute und morgen in Deutschland nichts Besseres gilt und sein wird. Denn mehr als sich aufopfern für sein Volk wird niemand können, das aber soll stets unser eigenes Gelöbnis sein.... So sei unser Gelöbnis an diesem Abend: in jeder Stunde, an jedem Tage nur zu denken an Deutschland, an Volk und Reich, an unsere große Nation."

Während dieser Ansprache des Führers ist der Jubel immer neu aufschäumend wie flutende Wogen über die Zweihunderttausend hingerauscht, als er geendet, braust ein minutenlanger Orkan der Begeisterung über das weite Feld, und das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied steigen auf zu den Sternen, die sich am Himmel zu zeigen beginnen. Zum Abschluß dieses Tages zieht der Fackelzug der politischen Leiter wie eine riesige Feuerschlange durch die nächtlichen Straßen der Stadt. Eine Stunde lang marschiert die lohende Feuerkette am Führer vorbei.

Der Führer vor der HJ. auf dem Reichsparteitag 1934.
[Bd. 8 S. 224a]      Der Führer vor der HJ. auf dem Reichsparteitag 1934.      Photo Scherl.

Der 8. September ist der Tag der jungen Generation. Mehr als 60 000 Jungen und Mädel aus allen deutschen [352] Gauen und Stämmen, an ihrer Spitze der Reichsjugendführer Baldur von Schirach, huldigen dem Führer im Stadion. Adolf Hitler grüßt die idealistisch begeisterte Jugend Deutschlands mit einer aufrüttelnden Ansprache:

      "Wir wollen ein Volk sein, und ihr, meine Jugend, sollt dieses Volk nun werden. Wir wollen einst keine Klassen und Stände mehr sehen, und ihr dürft schon in euch diesen Klassendünkel nicht groß werden lassen! Wir wollen einst ein Reich sehen, und ihr müßt euch dafür jetzt schon erziehen, in einer Organisation! Wir wollen, daß dieses Volk einst treu ist, und ihr müßt diese Treue lernen! Wir wollen, daß dieses Volk einst gehorsam ist, und ihr müßt euch im Gehorsam üben! Wir wollen, daß das Volk friedliebend und aber auch tapfer ist, und ihr müßt deshalb friedfertig sein und mutig zugleich! Wir wollen, daß dieses Volk einst nicht verweichlicht wird, sondern daß es hart sei, daß es den Unbilden des menschlichen Lebens Widerstand zu leisten vermag, und ihr müßt euch in der Jugend dafür stählen! Ihr müßt lernen, hart zu sein, Entbehrungen auf euch zu nehmen, ohne jemals zusammenzubrechen! Wir wollen, daß dieses Volk dereinst wieder ehrliebend wird, und ihr müßt euch schon in den jüngsten Jahren zu diesem Begriff der Ehre bekennen. Wir wollen aber, daß wir einst auch wieder ein stolzes Volk werden, und ihr müßt in eurer Jugend in einem wahrhaften Stolz leben, müßt stolz sein als Junggenossen eines stolzen Volkes, auf daß dereinst euer Jugendstolz zum Stolz der Generation wird. Das müßt ihr üben und das müßt ihr damit der Zukunft geben; denn was immer wir auch heute schaffen und was wir tun, wir werden vergehen, aber in euch wird Deutschland weiter leben, und wenn von uns nichts mehr übrig sein wird, dann werdet ihr die Fahne, die wir einst aus dem Nichts hochgezogen haben, in euren Fäusten halten müssen. Und ihr müßt daher feststehen auf dem Boden eurer Erde und müßt hart sein, auf daß euch diese Fahne nie entfällt, und dann mag nach euch wieder Generation um Generation kommen und ihr könnt von ihnen dasselbe fordern und verlangen, daß sie so wird, wie ihr gewesen seid. Und dann blickt auf euch auch Deutschland mit Stolz.... Und ich weiß, das kann nicht anders sein: denn ihr seid [353] Fleisch von unserem Fleisch und Blut von unserem Blut und in euren Gehirnen brennt derselbe Geist, der uns beherrscht. Ihr könnt nicht anders sein als mit uns verbunden, und wenn die großen Kolonnen unserer Bewegung heute siegend durch Deutschland marschieren, dann weiß ich, ihr schließt euch den Kolonnen an, und wir wissen alle: Vor uns liegt Deutschland, in uns marschiert Deutschland und hinter uns kommt Deutschland!"

Ein brausender Sturm der Begeisterung ergreift auch diese 60 000 Jungen und Mädel, als der Führer geendet hat, und auch dieses Thing der Jugend ist ein Gelöbnis der Führertreue, der Volkstreue, der Reichstreue.

HJ. auf dem Reichsparteitag 1934.
[Bd. 8 S. 176b]      HJ. auf dem Reichsparteitag 1934.      Photo Scherl.

Mit großer Spannung blickt Deutschland und die Welt auf den 9. September. An diesem Hochsommersonntag voll gewitterhafter Schwüle in der Atmosphäre huldigt die SA. ihrem Obersten Führer. Nach den Ereignissen des Juni gilt diesem Vorgang ganz besondere Beachtung. Denn das, was für die Partei und die Nationalsozialisten niemals anders als selbstverständlich war, nämlich daß zwischen dem Führer und seinen SA.-Männern stets das gleiche ungetrübte Verhältnis bestanden hat, das wollen die Gegner der Bewegung, die Dunkelmänner und Geschäftemacher nicht glauben. Der gewaltige SA.-Aufmarsch am 9. September zeigt der Welt, daß diese Säule der Bewegung nach wie vor unerschütterlich steht.

SA. in Nürnberg.
[Bd. 8 S. 176a]
SA. in Nürnberg.
Photo Scherl.
Seit den frühen Nachtstunden marschieren die SA.-Bataillone bereits durch die Straßen Nürnbergs. Seit Mitternacht hält das Rauschen der Schritte, hört die Musik nicht auf. Die braunen Kolonnen strömen ohne Unterlaß in die Luitpold-Arena. Unübersehbar wogen die Massen hinter ihren Stäben und Standarten, ihre blutgetränkten Fahnen zur Seite, die sichtbaren Heiligtümer, auf die tausende und abertausende Lebende und Tote ihre Hoffnungen und Verzweiflungen über die Zukunft ihres Volkes gehäuft haben. Neben den braunen Kämpfern die Schwarzen, die SS., die Grauen des Nationalsozialistischen Deutschen Frontsoldatenbundes, die Blauen der Marine. Um ½9 Uhr, nach achtstündigem reibungslosen Aufmarsch, ertönt das Kommando: "Stillgestanden!" Der Chef des Stabes Lutze meldet dem Führer 97 000 SA.-Männer mit [354] 7000 SA.-Führern, der Reichsführer der SS., Himmler, 11 000 SS.-Männer (die SS. ist seit Sommer als selbständige Formation von der SA. losgelöst worden). So stehen 115 000 Soldaten Adolf Hitlers, wie erzgegossene Bildsäulen, schnurgerade.

Der Führer im Braunhemd grüßt: "Heil SA.!" Da donnert es ihm entgegen "Heil mein Führer". In den Schalen lodern jetzt die Feuer auf, die Fahnen und Standarten ziehen unter gedämpftem Trommelwirbel zum Ehrenmal. Bei den Klängen feierlicher Musik schreitet der Führer, begleitet von Lutze und Himmler, die Stufen zum Ehrenmal empor und grüßt mit erhobener Rechten die Toten des Weltkrieges und der deutschen Freiheitsbewegung. Im stummen Schweigen verharrt der Führer vor dem Ehrenmal, und verhalten klingt das Lied vom guten Kameraden durch den warmen Morgen über die Hunderttausend hin, die von der weihevollen Macht dieses Augenblickes aufs tiefste ergriffen sind. Es ist bei den 100 000 Menschen so still, daß man das Zwitschern der Vögel in den Bäumen hört. Weithin hallen die Tritte des Führers, als er durch das gleichsam erstarrte Menschenmeer zurückkehrt. Hinter ihm folgen die Blutfahne des 9. Novembers 1923 und 263 Standarten.

Nun spricht der Führer zur SA.:

      "Wenn ich mich entschloß, schon wieder einen Parteitag anzuberaumen, um Sie, meine Kameraden der SA. und SS., hierher zu rufen, dann geschah es aber aus einem besonderen Grunde. Vor wenigen Monaten hatte sich über die Bewegung ein schwarzer Schatten erhoben. Viele Gegner glaubten die Zeit kommen sehen zu können, in der die Macht der Nationalsozialistischen Partei vielleicht ihr Ende finden würde. Ich habe Sie, meine Kameraden, hierher befohlen, um dreierlei zu dokumentieren:

1. Die SA. hat ebensowenig wie irgendeine andere Institution der Partei mit diesem Schatten etwas zu tun!

2. Um allen zu zeigen, daß mein Verhältnis zu euch, meine Kameraden, genau dasselbe ist, wie seit vierzehn Jahren, und

3. um unseren Feinden zu zeigen, daß die Partei steht und daß ihre SA. und ihre SS. stehen als Garanten der nationalsozialistischen Revolution.

Sie täuschen sich alle, die da glauben, daß auch nur ein Riß in [355] das Gefüge unserer einzigen Bewegung gekommen sei. Sie steht fest so wie dieser Block hier! Und sie wird in Deutschland durch nichts zerbrochen. Wenn sich jemand an Geist und Sinn unserer Bewegung versündigt, wenn er sich versündigt am Geist meiner SA., dann trifft das nicht diese SA., sondern nur denjenigen selbst, der es wagt, sich an ihr zu versündigen."

Ein Beifallssturm begleitet diese Ausführungen. Dann fährt der Führer fort:

      "Wir stehen fest zusammen für unser Deutschland und wir müssen zusammenstehen für dieses Deutschland. Wir wollen auch in den vor uns liegenden Jahren die Bewegung härten, indem wir die einzelnen Organisationen mehr noch als bisher zu einer einzigen Einheit zusammenfassen und miteinander verschmelzen. Unter unserer Fahne soll wirklich eine einzige und einheitliche Bewegung marschieren. Das ist unser Ziel.... In den Zeiten hinter uns, da habt ihr mir eure Treue tausendfältig bewiesen. In der Zeit vor uns kann es nicht anders sein und wird es auch nicht anders sein! So grüße ich euch denn als meine alten treuen SA.- und SS.-Männer. Sieg Heil!"

Als der Beifallsjubel verebbt, weiht der Führer unter dem Dröhnen der Salutbatterien 126 Standarten der SA. und 75 Standarten der SS. mit der Blutfahne vom 9. November. In seinem Schlußwort gelobt der Chef des Stabes der SA., Lutze, dem Führer die Treue und den Gehorsam der SA.-Männer.

SA. auf dem Reichsparteitag 1934.
[Bd. 8 S. 192a]      SA. auf dem Reichsparteitag 1934.      Photo Scherl.

Um die Mittagsstunde, um 12 Uhr, beginnt der Vorbeimarsch der SA. vor dem Führer in Nürnberg. Fünf volle Stunden dauert er. Trotz der Hitze, des Durstes, der durchwachten Nächte sind diese Hunderttausend vorbildlich in Manneszucht und Selbstbeherrschung. Gau um Gau zieht mit Musik, mit Fahnen und Standarten am Führer vorüber, begeisterte Jünglinge und ergraute, entschlossene Männer, alle Generationen sind vertreten, neben dem, der noch fast ein Knabe, marschiert der ehemalige Frontsoldat, der auf den Schlachtfeldern in Frankreich geblutet, dort ein Auge, einen Arm verloren hat, und auch die Greise fehlen nicht. Ein junges Mädchen springt vor, überreicht dem Führer einen Rosenstrauß, der aber beugt sich nieder aus seinem Wagen und gibt [356] die Blumen einem einarmigen SA.-Mann, der im vordersten Glied der gerade vorbeikommenden Gruppe marschiert. –

Dieser fünfstündige Vorbeimarsch der SA. ist ein Ereignis von höchster innerer Wucht für das ganze deutsche Volk. Es ist ein sinnfälliges Zeugnis für die unzertrennliche Einheit von Führer und Volk. Durch den Rundfunk werden die Millionen der Nation unmittelbar mit dem Erlebnis von Nürnberg verbunden.

Der letzte Tag in Nürnberg ist der Tag der Reichswehr. Vor seinem Obersten Befehlshaber führt das Reichsheer Gefechtsübungen vor: Schwadronen traben heran, Kanonen rasseln über das Feld, Schützen und Maschinengewehre, Pioniere mit Minenwerfern, Motorabteilungen und Nachrichtentrupps, Kraftfahrer und Funker, alle marschieren auf, alle für sich und alle zusammen die wehrhafte Elite der nationalen Kraft darstellend.

Reichsmarine auf dem Reichsparteitag 1934.
[Bd. 8 S. 192b]      Reichsmarine auf dem Reichsparteitag 1934.      Photo Scherl.
Reichswehr auf dem Reichsparteitag 1934.
[Bd. 8 S. 192b]      Reichswehr auf dem Reichsparteitag 1934.      Photo Scherl.

In der Abendstunde hält der Führer seine Schlußansprache an den Kongreß, in der er Partei und Volk als eine unlösliche Einheit umfaßt, die zusammengeschmiedet ist auf der Basis der rassischen Zusammengehörigkeit und keine Aufspaltungen mehr kennt. Aber dennoch gibt es Unterschiede: die große Mehrheit wird stets nur Anhänger der Idee bleiben, während eine kleine, aktive Minderheit die Auslese der wahren Kämpfer darstellt.

Der große Zapfenstreich der Reichswehr vor dem Hotel des Führers beschließt unter Teilnahme von Hunderttausenden um Mitternacht die großen Tage von Nürnberg. Was hier sieben Tage lang Mittel- und Höhepunkt des neuen zukunftsfrohen Reichswillens war, versickert nun hinaus in alle Gaue des Reiches, hinein in die Kleinarbeit des völkischen Alltags.

Der Parteitag von 1934 hatte eine große volksgeschichtliche Bedeutung. Das ist sein Sinn gewesen: Das neue deutsche Volk vor aller Welt sichtbar und sinnfällig zu gestalten, dieses Volk, das von überall auf dieser Erde seine Abgesandten nach Nürnberg, dem Herz des Volkes in diesen Tagen, ent- [357] sandt hatte. So waren auch 3000 Auslandsdeutsche aus fast sämtlichen Staaten Europas und der Welt, aus Amerika und China und Japan und Australien und Südafrika, in Nürnberg und nahmen teil an dem gigantischen Ablauf.

Und wie dieser Parteitag das einige deutsche Volk in aller Welt zeigte, so zeigte er auch das neue einige Reich, den festen Lebenskörper dieses Volkes, die höchste Sinngebung seiner innersten heroischen Kräfte. Darüber hinaus aber bewies er den Menschen dieser Erde, daß das Rückgrat, das den entscheidenden Halt gibt, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ist. Nicht deutlicher als an diesem Ereignis konnte der wunderbare Aufbau des totalen Volkes sich offenbaren: Nation, Anhänger, Kämpfer und Führer. Der Sammelbegriff ist Deutschland, das Reich, als Einheit von Führer und Volk.

Der Reichsparteitag war das zusammengefaßte Wirken aller edlen und heldischen Tugenden der Deutschen. Es war der Triumpf der inneren und äußeren Stärke, es war der Triumpf des Volkes und des Reiches. Für die Deutschen war er der Gradmesser des Lebenswillens in der Volksgemeinschaft, für das Ausland war er der Gradmesser für die Achtung vor der geeinten Stärke. Der Arbeitsdienst marschierte: für Deutschland. Die politischen Leiter marschierten: für Deutschland. Die Jugend marschierte: für Deutschland. Die SA. marschierte: für Deutschland. Die Reichswehr marschierte: für Deutschland. Dieses Deutschland aber ist das Reich, ist die Gemeinschaft von Führer und Volk, eine Gemeinschaft, die auf zwei sauber getrennten Säulen ruht, dem politisch-weltanschaulichen Willensträger, der Partei, und dem Waffenträger, der Reichswehr.



Geschichte unserer Zeit
Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra