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[Bd. 1 S. 267]
Heinrich von Plauen, 1365/70 - 1429, von Karl Hampe

Standbild vor dem Alten Rathaus in Plauen.
Heinrich von Plauen.
Standbild vor dem Alten Rathaus in Plauen.
[Nach wikipedia.org.]
Auf dem Gelände bei Tannenberg, das den glorreichsten Sieg des Weltkrieges sah, ist am 15. Juli 1410 die größte deutsche Schlacht des Mittelalters geschlagen worden. Aber ihr Ergebnis war von jenem grundverschieden. Es war die erste und furchtbarste Niederlage des Deutschherrenordens durch die ihn umklammernde polnisch-litauische Macht. Rings um die Leiche des Hochmeisters Ulrich von Jungingen bedeckte die Blüte seiner gesamten Ritterschaft mit den deutschen Gästen und Söldnern das Schlachtfeld. Und mehr als das! Wie vier Jahrhunderte später bei Jena, brach eine überlebte Ordnung vor dem Ansturm neuer Gewalten zusammen. Der Niederlage folgte ein unerhörter Abfall fast des ganzen Preußenlandes von der Ordensherrschaft, die durch die Taufe des zum Polenkönig erhobenen Litauerfürsten Jagiello (Wladislaw II.) und die zunehmende Christianisierung ihrer östlichen Grenzgebiete den Urgrund ihrer Daseinsberechtigung: den Heidenkampf nahezu ganz eingebüßt hatte. Schrecken vor den entsetzlichen Grausamkeiten und Verheerungen der Tataren und Litauer, Entblößung der Ordensburgen von Mannschaft und Kriegsgerät, Mutlosigkeit der geringen, ihrer Oberen fast ganz beraubten Reste der Ritterbrüder, bei Städtern und Landrittern völlige Erschütterung des Glaubens an den Fortbestand des Ordensregiments, Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal dieser landfremden Herren, Verlangen nach freierer Selbstverwaltung und Mitverantwortlichkeit sowie begründete Aussicht, dergleichen von dem freigebigen Polenkönig zu erreichen – alles das wirkte zusammen, um in wenigen Tagen bis auf neun zerstreute Burgen das ganze Preußenland dem Feind als wehrlose Beute vor die Füße zu legen. Hinter den zersprengten Häuflein der kampfwunden, ermatteten Flüchtlinge von Tannenberg her führte Jagiello seine durch dreitägige Ruhe auf dem geplünderten Schlachtfeld erholten, unermeßlichen Scharen ohne Übereilung siegessicher der Marienburg als dem Hauptsitz des Ordens, der den Grundstock der Zentralverwaltung und den Rest des Schatzes barg, entgegen. Er rechnete auf rasche Einnahme, die das Ende der Ordensherrschaft bedeutet hätte. Da schlug die historische Stunde für Heinrich von Plauen.

Sein vogtländisches Geschlecht hatte sich aus unfreier Dienstmannschaft zum Range von Herren und Vögten erhoben und sollte in den beiden Linien Reuß später gar die Stellung regierender Fürsten noch im Bismarckschen Reich einnehmen. Durch die jüngeren Söhne und manche Seitenverwandten war es mit [268] dem Deutschen Orden seit dessen Anfängen verflochten und um ihn hochverdient. So war unter den vielen Heinrichen des Geschlechts auch dieser (geb. zwischen 1365 und 1370) als junger Kreuzfahrer 1391 nach Preußen gezogen, in den Orden eingetreten und in der Ämterlaufbahn zum Komtur, zuerst (1392) in der südlichen Grenzburg Nessau, dann seit 1407 in Schwetz an der Weichsel aufgestiegen. Wie den tüchtigen Offizier nicht die entsagungsvolle Friedensarbeit, sondern erst die Kriegsnot bekannt macht, so tauchte Plauen aus dem allgemeinen Elend nun plötzlich als einziger Halt empor. Der Komtur von Schwetz war der Schlacht ferngeblieben, weil er mit dreitausend Mann gegen das feindliche Pommern den Rücken zu decken und weiteren Söldnerzuzug aus Deutschland zu sichern hatte. Kaum erfuhr er die Niederlage, so führte er die allein noch erhaltene Kerntruppe schleunigst zu der ungeschützten Marienburg, die Jagiello vor ihm hätte erreichen können, und stampfte mit unerhörter Tatkraft in wenig Tagen alles aus dem Boden, was zur notdürftigsten Verteidigung der ausgedehnten Burganlage nötig war: Truppenverstärkung um weitere tausend Mann, das unentbehrlichste Kriegsgerät und Lebensmittel für einige Wochen. Nicht nur die Krieger galt es damit zu ernähren, sondern auch die Einwohnerschaft der kleinen Stadt Marienburg; denn es kennzeichnet gleich hier Plauens Art, aus erkannter Notwendigkeit rasch und schroff die Folgerung zu ziehen, daß er, um dem Feind seine Arbeit zu erschweren, die der Burg vorgelagerte Stadt sofort in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelte, auch die Nogatbrücke zerstörte. So brachte der allzu langsame Anmarsch den Polenkönig um den raschen Enderfolg. Er mußte die Burg regelrecht belagern und spürte bald, mit welcher Umsicht und Entschlossenheit Plauen, den die noch übrigen Ordensritter bis zur Neuwahl eines Hochmeisters zum Statthalter erwählt hatten, die Abwehr leitete.

Die Marienburg des Deutschen Ritterordens.
[272a]      Die Marienburg des Deutschen Ritterordens,
seit 1309 Sitz des Hochmeisters und der Hauptverwaltung.

[Bildquelle: Staatliche Bildstelle, Berlin.]

Der Große Remter des Hochmeister-Schlosses.
[271]      Der Große Remter
des Hochmeister-Schlosses der Marienburg,
um 1340 erbaut.

[Bildquelle: Helmuth Grundner, Berlin.]
Immerhin schien dadurch der Untergang des Ordens nur um kurze Frist verzögert zu sein; denn im Lager vor Marienburg vollendete sich die Huldigung nahezu des gesamten Landes vor dem Polenherrscher, der dafür reiche Vorrechte verlieh, wie sie das straffe Ordensregiment nicht gekannt hatte. Den vier preußischen Bischöfen folgten die Landesritter, allen voran die des Kulmer Gebietes, denen nach dem Tannenberger Verrat ihres Eidechsenbundes der Anschluß an Polen selbstverständlich war. Aber auch die Städte, neben Elbing nun auch Danzig, Thorn und Braunsberg, beeilten sich, dem König ihre Huldigung, solange sie noch Kurswert hatte, gegen Gebietserweiterung, Stärkung der Selbstverwaltung und wirtschaftliche Vorteile zu verhandeln. Begreiflich, daß in der nur noch für wenige Wochen verproviantierten Burg die Hoffnung sank. Ob nun unter dem Druck der Ordensbrüder oder aus eigner Einsicht – schon Anfang August versuchte Plauen den Weg persönlicher Verhandlung mit Jagiello, vor dem er zur Rettung des Ordens demütig bittend erschien. Der Austrag durch ein Schiedsgericht von Kurie, Reichsoberhaupt, Kurfürsten und Fürsten, den er anregte, hätte für sich allein der bedrängten Lage wenig entsprochen. So dürfte trotz ihrer [269] rhetorischen Einkleidung die polnische Angabe nicht von der Hand zu weisen sein, nach der er die Abtretung der seit alters von Polen als zu Recht beanspruchten Gebiete Pommerellens, des Kulmer Landes und der Michelau (im Süden, an der Drewenz) angeboten habe, von denen freilich die Abtretung Pommerellens, falls sie wirklich im ganzen Umfang gemeint war, das Ordensgebiet völlig vom deutschen Mutterland und der eignen Neumark abgetrennt haben würde. Man könnte deshalb vermuten, das Schiedsgericht habe auch über diese angeblichen polnischen Rechte entscheiden sollen. Wie auch immer – als Jagiello hochfahrend erklärte, erst nach Übergabe der Marienburg wolle er die Bedingungen diktieren, mag Plauen die stolzen Worte wirklich gesprochen haben, nie werde er aus der Burg weichen, vielmehr im Vertrauen auf den Schutz des allmächtigen Gottes und der Heiligen Jungfrau Maria sie mit aller Kraft verteidigen und lieber das Ärgste erdulden, als den Orden so leichthin dem Untergang preisgeben.

Das Ordensgebiet zu Anfang des 15. Jahrhunderts
[269]   Das Ordensgebiet zu Anfang des 15. Jahrhunderts. (Nach Krollmann.)   [Vergrößern]

Neue Massenstürme wechselten nun mit kühnen Ausfällen, ohne daß die Belagerung Fortschritte machte. Und allmählich wandte sich das Blatt. Für Plauen Aussicht auf Zuzug aus Deutschland und Livland, auf endliches Eingreifen des dem Orden zur Hilfe verpflichteten ungarischen Königs Sigismund. Für Jagiello eine Lagerseuche, die ihren Keim wohl in den unbeerdigten Pferdeleichen und Massen von Fliegen hatte, gelockerte Heereszucht, unbefriedigte Soldforderungen, endlich Abspaltungen. Der litauische Großfürst Witowd, der dem von Livland heranmarschierenden Ordensheer entgegengesandt war und mit ihm [270] einen kurzen Waffenstillstand geschlossen hatte, wandte sich bald darauf, eifersüchtig auf ein allzusehr erstarkendes Polen, mit seinen Scharen der Heimat zu; die Herzöge von Masowien folgten dem Beispiel. Nach zweimonatiger Dauer brach Jagiello selbst, der nun vergeblich auf Grund der von Plauen gebotenen Abtretungen den Frieden begehrt hatte, zum Ärger polnischer Patrioten trotz schwerer Lebensmittelnot in der Burg kleinmütig die Belagerung ab und wandte sich unter Zurücklassung von Besatzungen in mehreren Ordensburgen südwärts über die Grenze. Über eine ungeheure Übermacht hatte der heldische Wille eines einzelnen triumphiert. Was Wunder, daß man, sobald sich durch Eintreffen des Deutschmeisters und des Meisters von Livland ein den Vorschriften entsprechendes Wahlkapitel ermöglichte, den Statthalter Plauen am 9. November 1410 zum Hochmeister erkor. Was noch vor einem Menschenalter glanzvolle Würde gewesen, war nun sorgenschwerste Bürde.

Äußerlich betrachtet, hatte sich freilich seit der Befreiung Marienburgs die Lage überraschend günstig gestaltet. Ebenso schnell wie der Abfall war nun allenthalben der Umschwung erfolgt. Vom Osten war das livländisch-preußische Ordensheer durch Ermland ins Kulmerland vorgedrungen, wo binnen zwei Wochen nur noch vier Burgen in polnischer Hand blieben. Ebenso hatte der Vogt der Neumark, Michael Küchmeister aus schlesischem Adelsgeschlecht, das sich nach dem erst später erworbenen neumärkischen "Sternberg" damals noch nicht benannte, die aus Deutschland heranrückenden Söldner zu einer ansehnlichen Truppe vereinigt, war zwar selbst in einem unglücklichen Gefecht bei Polnisch-Krone in Gefangenschaft geraten, aber das ganze Gebiet westlich der Weichsel war doch wieder vom Feinde befreit worden. Damit war freilich der Krieg nicht beendet, denn der König rüstete von Kujavien her zu neuen Vorstößen. Auch waren noch die letzten Kulmer Burgen zurückzugewinnen und die Grenzen gegen die fortdauernden Einfälle zu sichern. Sobald daher der Hochmeister die oberen Ordensämter und Komturstellen mit den wenigen erfahrenen Kräften, die noch zur Verfügung standen, besetzt hatte, brach er, verstärkt durch deutschen Zuzug, ins Kulmerland auf, um vor allem die Thorner Burg zu bezwingen. Bei der unheimlichen Verräterstimmung dort in der Stadt und in der Landritterschaft, bei dem Friedensbedürfnis der Ordensgäste und der Unmöglichkeit, die Söldner noch lange zu bezahlen, war nicht allzuviel auszurichten. Da aber Jagiello in ähnlicher Lage und überdies durch die Kunde von dem endlich erfolgten ungarischen Einfall in Südpolen erschreckt war, so kam es – auch in Rücksicht auf den hereinbrechenden Winter – zum Waffenstillstand, zu einer Zusammenkunft von König und Hochmeister auf polnischem Boden, zu langen vergeblichen Verhandlungen über die Bildung eines Schiedsgerichts, schließlich unter Einwirkung des von Litauen mit Truppen herbeigeeilten Großfürsten Witowd auf der Weichselinsel bei Thorn am 1. Februar 1411 zur Vereinbarung eines "ewigen" Friedens. Man darf vermuten, daß die Unterhändler Plauens, der selbst am liebsten den Krieg fortgesetzt hätte, [271] den geheimen litauisch-polnischen Zwiespalt zu nutzen verstanden, um Bedingungen zu erzielen, die angesichts der Zerrüttung Preußens verhältnismäßig günstig genannt werden müssen. In der Tat fiel der Hauptgewinn Witowd zu. Der eigentliche Streitgegenstand, um den vornehmlich der Krieg entbrannt war, das weite, noch halb heidnische Land Samaiten, das sich trennend zwischen das preußische und livländische Ordensgebiet schob, wurde zugunsten Litauens preisgegeben, freilich nur für die Lebzeiten Jagiellos und Witowds, die beide schon über sechzig Jahre alt waren. Später konnte also ein erstarkter Orden sein noch durch Urkunde zu verbriefendes Recht auf Samaiten und die weitere Heidenbekriegung dort geltend machen. Mit Polen wurde nur gegenseitiger Verzicht auf die Eroberungen, Herausgabe der Gefangenen, Straflosigkeit der Überläufer und Schiedsgericht (letztlich des Papstes) über zwei strittige Grenzburgen der Neumark vereinbart. Die härteste Bedingung war da die hohe Kriegsentschädigung von hunderttausend Schock Groschen, die, in drei Raten zahlbar, als Lösegeld für die Gefangenen galt. In Polen erregte dieser Friedensschluß nach einem Siege ohnegleichen und hochgesteigerten Hoffnungen lebhaften Unwillen. Plauen konnte also, so schwer namentlich die Zahlung bei der völligen Finanzzerrüttung fallen mußte, mit dem Ergebnis zufrieden sein – falls die Bedingungen ehrlich gehalten wurden. In dieser Hinsicht hegte er bei der Erbitterung der Polen freilich von vornherein berechtigtes Mißtrauen und strebte daher nach erneuter Kriegsbereitschaft.

An diese Hauptaufgabe machte er sich sofort mit ganzer Entschlossenheit heran. Für eine Natur wie die seinige war sie dornenvoller als der Kampf selbst. Dort hatte das eiserne Gesetz des Krieges unbedingte Führerschaft erzwungen. Jetzt im [272] Frieden galt es tausend Hemmungen zu überwinden. Furchtbar hatte die Not den Verfall der alten Ordenszucht enthüllt. Durch Vorbild und Strenge versuchte Plauen sie herzustellen, indem er Beobachtung der Regel, karge Lebenshaltung, Opferung aller Kostbarkeiten forderte. War doch auch abgesehen von der Kriegsschuld das entsetzlich verheerte Land, Burgen, Dörfer, Gehöfte neu aufzubauen! Dafür fand er unter den Brüdern, deren Edelste die Tannenberger Erde deckte, doch nur wenige fähige, opferbereite Kräfte, die wie er selbst das fast Unmögliche kühnen Mutes erzwingen wollten. Die meisten wünschten Ruhe und Frieden um jeden Preis und schreckten in dem Elend der Gegenwart vor der Möglichkeit eines neuen Krieges zurück; und diese fanden bald ihr geistiges Haupt in dem aus Feindeshaft gelösten und zum Ordensmarschall ernannten Michael Küchmeister, der nur in nachgiebigem Diplomatisieren zwischen den Mächten Heil für den Orden erblickte und dadurch schließlich in scharfen Gegensatz zum Hochmeister geriet.

Durch solches Gestrüpp hindurch bahnte sich Plauen, der von der Unvermeidlichkeit neuen Schlagens überzeugt war, unbeirrt seinen Weg. Sein ingrimmiger Haß galt den Verrätern im Lande. Sollte man sie bei weiterem Kampfe nochmals in den eigenen Reihen dulden? Plauen wollte die im Thorner Frieden ausgemachte Straflosigkeit für sie nicht gelten lassen. Für den Ermländer Bischof Heinrich Vogelsang hatte er sich im Fall von dessen Rückkehr ausdrücklich den Rechtsweg vorbehalten. An der Kurie betrieb er hartnäckig, aber erfolglos seine Ersetzung durch einen ihm befreundeten Grafen von Schwarzburg. Noch eifriger hatte der Bischof von Kujavien und Pommerellen, Johann von Leslau, für den Polenkönig gewirkt. Auch hier drang Plauen mit dem vernünftigen Plane, die nationale Zwitterstellung des Bischofs durch Abtrennung des Archidiakonats Pommerellen vom kujavischen Sprengel zu bereinigen, gegen die polnischen Einflüsse am Hofe Papst Johanns XXIII. nicht durch. Beide Bischöfe waren für ihn "Ächter und Verräter". Es sei eine allzu harte Zumutung, erklärte er nachmals, daß er "die Natter am Busen und das Feuer im Gewandschoß hüten und hegen solle". Jene hätten zum mindesten die Freiheit aufs Spiel gesetzt, wären sie ins Land zurückgekehrt.

Die zweite Verrätergruppe, mit der Plauen aufräumte, waren die Kulmer Eidechsenritter. An ihrer geheimen Verbindung mit den Polen hatte es vor allem gelegen, daß Plauen Ende 1410 im Kulmerland nicht vorwärts gekommen war. Und nun stellte sich im Frühjahr heraus, daß sie sich damals in eine noch weit gefährlichere Verschwörung verstrickt hatten. Ein hoher Ordensbeamter, der Königsberger Großschäffer Georg von Wirsberg, dem Plauen mit der Komturei Rehden die Verfügung über Truppen und Mittel des Kulmerlands anvertraut hatte, ein ebenso leichtfertiger wie ehrgeiziger Mann, hatte die dort zusammengerafften Ordensschätze benützen wollen, um mit jenen Rittern, mit einer schlesischen Söldnerschar, mit polnischem und böhmischem Rückhalt Plauen in der Marienburg zu überwältigen, wohl gar zu ermorden und selbst das Hochmeisteramt zu gewinnen. Das war damals durch Plauens Heereszug ins Kulmerland [273] hintangehalten. Als es jetzt an den Tag kam, wollte der Hochmeister für solche Schurken die im Thorner Frieden zugesicherte Straflosigkeit nicht anerkennen. Das Haupt des Eidechsenbundes, Nitsche von Renys, der bei Tannenberg verräterisch das Banner gesenkt hatte, wurde durch raschen, listigen Zugriff verhaftet und nach seinem Schuldbekenntnis kurzerhand hingerichtet. Vier Mitverschworene, die über die Grenze entflohen und in Polen Unterhalt und Fürsprache fanden, wurden durch ein ordentliches Rittergericht geächtet, Wirsberg durch ein Ordenskapitel zu ewigem Gefängnis verurteilt.

Danzig mit der Marienkirche und dem Krantor.
[272b]      Danzig mit der Marienkirche und dem Krantor.
[Bildquelle: Otto Hagemann, Berlin-Friedenau.]
Inzwischen hatten auch die verräterischen Städte Plauens harte Hand zu spüren bekommen. Die wichtigsten, Thorn und Danzig, hatten sich dem Orden äußerlich zwar wieder unterworfen, aber solange das Kriegsglück noch schwanken konnte, eine unzuverlässige Haltung bewahrt; sie hätten die polnischen Zugeständnisse gern auch vom Orden erpreßt. Seit dem Frieden ging Plauen auch da zu entschlossenem Handeln über. Es galt, die im letzten Menschenalter allzu selbständig gewordenen Ratsoligarchien in den früheren Zustand zurückzuzwingen, in dem der Orden Einfluß auf die Wahl von Ratsmannen und Schöffen sowie auf das Hochgericht ausgeübt hatte. Dabei konnte die Unzufriedenheit der anteilbegehrenden Zünfte klug gegen die Geschlechter ausgespielt werden. In Thorn ging die Umwandlung, durch die sich Plauen (vielleicht noch vor Friedensschluß) unter Zuziehung von Handwerkern die Ratsmehrheit verschaffte, ohne Blutvergießen ab, da die Verdrängten entfliehen konnten. In Danzig, dessen verwickeltere Schicksalsfügungen hier nur angedeutet werden können, gab es rohe Gewalttat hüben und drüben. Die Stadt ging damit voran. Rückkehrende Streiter von Tannenberg wurden in einem Auflauf erschlagen und beraubt. In selbstherrlicher Ausübung des Hochgerichts ließ der Rat mehrere Anhänger des Ordens köpfen. Seitdem Plauen seinen gleichnamigen gewalttätigen Bruder zum Komtur der Danziger Ordensburg eingesetzt hatte, begannen scharfe Gegenwirkungen. Die Spannung wuchs, als der Hochmeister zur Bezahlung der polnischen Kriegsschuld bei der völligen Verarmung des Ordens gezwungen war, an Städte und Landritterschaft die bisher ungewohnte Forderung einer Notabgabe zu richten, und die Danziger nicht allein die Zahlung weigerten, vielmehr die Gegenforderung eines Ersatzes ihrer Ausgaben für die Verteidigung der Marienburg erhoben, an der in der Tat vierhundert Danziger Matrosen teilgenommen hatten. Schon bezeichnete der Komtur die Vertreter der Stadt als "Bösewichte und Hundsbuben". Plauen selbst aber verhängte nun über Danzig eine scharfe Sperre und verlegte den Stapel nach Elbing. Es kam zu feindseligen Maßnahmen hin und her, dann zu einem Stillstandsabkommen mit dem Komtur. Dieser aber nahm einen Fehdebrief des Rates an den Dirschauer Ordensvogt zum Anlaß, um durch einen Schreckensakt einen Wandel des Stadtregiments zu erzwingen. Er lud zwei Bürgermeister und einen Ratsherrn zusammen mit Gemeindevertretern auf das Schloß, und als die letzteren die Verantwortung für den Fehdebrief ablehnten, [274] nahm er jene drei in Haft und beging an ihnen am 6. April 1411 heimlich "ohne Recht und Urteil, ohne Beichte und Testament" einen schlimmen Justizmord. Als dann der Hochmeister, der um die Tat nicht wußte, auf Beschwerde der Angehörigen die Freilassung der vermeintlich noch Gefangenen gebot, gab er sie als Leichen heraus. Es war ein Frevel, der dem Orden noch lange zu schaffen machen sollte. Plauen aber war hart und staatsmännisch genug, um das einmal in Glut gebrachte Eisen rasch für den Orden zu schmieden. Indem er die Tat als rechtmäßige Hinrichtung von Verrätern, die auch die Einziehung ihres Vermögens nach sich zog, anerkannte, die klageführenden Abgesandten der Stadt in Haft nahm und einen nach Marienwerder geladenen selbständigen Städtetag, auf dem sich der Widerstand leicht versteifen konnte, verbot, setzte er die Bürgerschaft so sehr in Angst, daß er von ihr unter Ausnutzung gewisser Gegensätze zwischen Rat und Gemeinde schließlich alles, was er wollte, erreichte: Umgestaltung des Rates zugunsten des Ordens, wiederum mit Heranziehung auch von Handwerkern, Erneuerung des Zustimmungsrechtes zur Ratswahl und Zahlung einer die verweigerte Abgabe weit übertreffenden Bußsumme. Hinfort fand er in Danzig keinen Widerstand mehr bei den Steuerforderungen.

Diese waren trotz aller sonstigen Bemühungen noch weiterhin nötig zur Kriegsschuldzahlung. In der früher so glänzenden Finanzverfassung des Ordens hatte man dergleichen nicht gekannt. Die Einholung der Abgabenbewilligung in Form einer Vermögenssteuer führte zwangsläufig zur Einberufung von Ständetagen, wie sie in den Ländern des Reiches ja längst üblich waren, in Preußen aber erst jetzt begannen, zunächst freilich noch weitgehend unter Leitung des Hochmeisters, der für Nichtbewilligtes sich auch wohl an die Gemeinden selbst wandte. Plauen hatte so das Geld für die beiden ersten Raten glücklich aufgebracht, wäre auch zur dritten Zahlung auf Martini 1411 imstande gewesen, glaubte aber, da die Polen ihrerseits ihren Vertragspflichten nicht nachkamen, damit zurückhalten zu sollen, um nicht zu deren Erfüllung jedes Druckmittel aus der Hand zu geben. Von den Gefangenen waren zwar die Vornehmeren ausgeliefert, aber noch an die sechshundert geringere Leute in polnischer Gewalt, die, wie Plauen erklärte, ihm ebenso viel wert wären wie jene. Auch die versprochene Urkunde über das spätere Besitzrecht an Samaiten, gegen das sich in Polen nationaler Widerstand erhoben hatte, war nicht zu erlangen. So sah Plauen einen neuen Zusammenstoß voraus, und darum wollte er das Geld lieber zur Söldnerwerbung und Burgenbefestigung verwenden, besorgte er doch, wie er an König Wenzel schrieb, daß er das Land mit der heruntergekommenen Ordensmacht ohne fremde Hilfe nicht wohl behaupten könne. Weil nun darüber, daß er, statt die Kriegsschuld zu zahlen, vertragsbrüchig aufrüste, in Polen Erregung entstand, hielt er es für gut, Sigismund von Ungarn, der inzwischen römischer König geworden war, über die Lage aufzuklären, und entsandte an ihn den in diplomatischen Verhandlungen erfahrenen Ordensmarschall Küchmeister. Wenn er freilich hoffte, an diesem Herrscher durch gemein- [275] same Gegnerschaft zu Polen einen starken Kriegspartner gewinnen zu können, so sollte er bald bitter enttäuscht werden.

Sigismunds vielverzweigte, schillernde Politik, die in Kürze gar nicht dargelegt werden kann, hat auch in die Ordensgeschichte starke Unsicherheit gebracht. Wie mir scheint, schwebte ihm als Ziel vor, sowohl mit dem Orden wie mit Polen ein Defensivbündnis gegen den angreifenden Teil zu schließen, so den Frieden zu erhalten und über die Streitpunkte den Schiedsspruch zu fällen, aus alledem aber möglichst große Vorteile und reiche Geldspenden für sich selbst herauszuschlagen. Auch das eben von Witowd im großen betriebene Werk einer völligen Christianisierung Litauens mußte Papst und römischen König damals unbedingt für Erhaltung des Friedens stimmen. Darauf hatte doch auch der Orden Rücksicht zu nehmen. Küchmeister glaubte sicher, Gutes erreicht zu haben, als er aus Ungarn Sigismunds Angebot eines Defensivbündnisses, allerdings nur gegen ungeheure Zahlung, sowie die Zusicherung eines mit Beirat der Kurfürsten zu fällenden Schiedsspruches über die Streitpunkte und dazu noch den Entwurf eines Geheimvertrags zurückbrachte, in dem Sigismund für den Fall seiner Eroberung Polens (wohl in Ausübung seiner Defensivhilfe) dem Orden Kujavien und das Dobrzyner Land zusicherte. Plauen, der Küchmeister ausdrücklich jedes Eingehen neuer Geldverpflichtungen untersagt hatte, war entsetzt über das Unausführbare und Windige dieser Abmachungen. Er erkannte wohl schon damals, "das man anders nichten an uns suchet denne unser gelt". Indem er durch Zurückweisung der Vorschläge sowohl Eitelkeit wie Friedensdrang Küchmeisters verletzte, pflanzte er achtlos den Keim geheimer Feindschaft.

Wie kühl Sigismund tatsächlich dem verarmten Orden gegenüberstand, zeigte sich bald genug, als er am 15. März 1412 seinen Frieden mit Polen schloß. Auch da soll er (wohl für den Fall, daß Polen vom Orden angegriffen wurde) insgeheim einen Anteil an dem gemeinsam zu überwältigenden Preußenlande für sich gesichert haben. Brauchte diese Abrede, die allerdings nur mündlich erfolgt sein soll, auch nicht in vollkommenem Widerspruch mit dem Angebot an Plauen zu stehen, so würde sie, wenn wirklich erfolgt, doch einen bedenklichen Mangel an Wohlwollen für den Orden verraten. Begreiflich, daß sich nun Jagiello auf Anerkennung von Sigismunds Schiedsspruch verpflichtete, der auf einem zwei Wochen nach Pfingsten nach Ofen berufenen Tage ergehen sollte. Konnte Plauen die Entscheidung des römischen Königs, so wenig Vertrauen er ihr entgegenbringen mochte, seinerseits ablehnen? Er hätte gegen sich als Friedensstörer nahezu die ganze Welt aufgebracht und den Zuzug aus Deutschland verschüttet. So nahm er an, rüstete nun aber eine reiche Gesandtschaft aus, indem er dem Ordensmarschall Küchmeister den Erzbischof von Riga mit andern hohen Gebietigern, auch seinen eignen tatkräftigen Vetter sowie Landesritter und Bürgermeister der großen Städte, die Einblick in die Lage erhalten sollten, beiordnete. Abtretung von Land und Leuten oder weitere Geldbewilligung sollte ausgeschlossen sein.

[276] Kaum waren die Bevollmächtigten abgereist, als Witowd mit neuem Friedensbruch auf Ordensgebiet eine Grenzburg errichtete. Daraus, schrieb Plauen sofort dem Erzbischof von Riga in seinem kraftvoll bildhaften Stil, gehe klar hervor, "das sie mit großer bosheit ume geen, und mogen globen, was sie wellen, is wirt doch von in nicht gehalden; die voraldete gewonheit und missetat mag nicht wol entwenet werden, is were denne, das sie usgerodt und also usgeworzelt würde, das sie vorder nicht grünen mochte". Es waren für ihn Wochen des Wartens voll höchster Spannung. Durch ständige Gebete, Messen und Prozessionen im ganzen Lande hoffte der fromme Meister, der wohl selbst barfuß voranschritt, während es in Ofen hoch herging, vom Himmel eine günstige Entscheidung herabzuflehen. Er wußte kaum, wie schwierig mit Sigismund zu verhandeln war, wie wenig in jenem höfisch-sittenlosen Treiben noch höhere vaterländische Rücksichten zählten. So war der ohne Beteiligung der Kurfürsten verkündete Spruch vom 24. August, mochte er sich auch so ziemlich auf der Mitte zwischen den Parteiwünschen halten, für ihn eine bittre Enttäuschung. Die Thorner Friedensbestimmungen sollten durchgeführt werden, Polen die Gefangenen und die Samaiten-Urkunde ausliefern, der Orden die Restsumme der Kriegsschuld zahlen und die beiden bischöflichen Emigranten nach hoher Entschädigung wieder zulassen. Die Grenzfragen und andre Streitpunkte würde ein Abgesandter Sigismunds an Ort und Stelle prüfen. Die Zahlungsweise wurde anfänglich derart geregelt, daß jene Restschuld, die sich noch um einen bedeutenden Betrag für Sigismunds schiedsrichterliche Bemühungen erhöhte, an diesen selbst entrichtet werden sollte, der dafür an Jagiello einen Teil der Zips verpfänden und dessen Schuldbrief dem Orden zurückgeben würde. Dies wäre insofern nicht ungünstig gewesen, als das Bargeld dann wenigstens nicht dem Feinde unmittelbar zugeflossen wäre. Indes Jagiello bestand doch auf rascher, direkter Ablieferung bis zum 13. Januar 1413 und machte mit Küchmeister aus, daß ihm bei Zahlungsverzug die Neumark zu verpfänden sei. Darauf hatte er es abgesehen, denn bei der feindlichen Haltung der Pommernherzöge zum Orden wäre dessen Einkreisung und Abschneidung von Deutschland damit vollendet worden. Plauen übersah sofort die Größe der Gefahr. Würden die Polen, einmal im Besitz der Neumark, selbst durch Erstattung der Pfandsumme, wie Küchmeister leichthin meinte, daraus wieder zu vertreiben sein?

Es wird damals erregte Auseinandersetzungen mit dem heimgekehrten Ordensmarschall gegeben haben, der überdies noch für nötig befunden hatte, Sigismunds Gattin, eine Base der polnischen Königin, durch Zusage einer hohen Bestechungssumme zu gewinnen. Wollte Plauen auch deren Berechtigung durchaus nicht anerkennen und klagte er wohl bitter, seine Gesandten seien "us dem garne in den kewtel (= Netz)" gekommen und "müssen tanzen wie man in vorgyget", so wußte er doch, daß eine Ablehnung des Schiedsspruches den sofortigen Krieg nicht nur mit Polen-Litauen, sondern wohl gar mit dem römischen König [277] bedeutete und daß er dafür kaum die Zustimmung der Ordensgebietiger erlangen würde. So entschloß er sich trotz der Kürze der Frist, der Erschöpfung aller Kassen, trotz Mißernte, Ausbleiben des Heringsfangs und der allgemeinen Wirtschaftsnot zu dem verzweifelten Versuch, wenigstens die pünktliche Zahlung an Polen mit den letzten Mitteln zu erzwingen und dadurch die Neumark zu retten. Indes die äußerste eigne Einschränkung, die Einschmelzung des noch vorhandenen kostbaren Kirchengeräts, der zwangsweise verfügte Aufkauf alles Silbers im Lande und die weitere Verschlechterung der Münze erbrachten doch nur einen Teilbetrag. Von dem ausgepreßten Lande aber war die ständische Bewilligung einer neuen Abgabe nicht mehr zu erwarten. Da hat Plauen zu einem neuen Mittel gegriffen, um sich über das Bewilligungsrecht beauftragter Ständevertreter hinwegzusetzen. Auf den 28. Oktober 1412 berief er im Einvernehmen mit seinem Gebietigerrat nach Elbing selbstausgewählte Ordensanhänger aus Rittern und Knechten der Landschaften sowie Bürger aus den größeren und kleineren Städten, um sie zu einem "Landesrat" zu vereidigen. In die Lage eingeweiht und um ihre Meinung befragt, erhielten sie die Aufgabe, in den für jede Komturei zu berufenden ständischen Urversammlungen von Landschaft und Städten für die Zahlung einer nochmaligen Vermögenssteuer, die noch durch eine städtische Tisch- und Familienabgabe und einen ländlichen Hufenschoß und Dienstlohnabzug ergänzt wurde, Stimmung zu machen und die geforderten Gelder einzuziehen. Man hat in diesem Landesrat früher fälschlich eine ständisch-konstitutionelle Körperschaft mit selbständigem Anteil an der Regierung erblickt und dem Hochmeister wohl gar demokratische Neigungen zugeschrieben. Im Gegenteil: als Ausführungs- und Propagandaorgan der unverrückbaren hochmeisterlichen Absichten sollte der Rat das umgehen, was von ständischem Bewilligungsrecht schon vorhanden war, und wenn sich Plauen in zweifellos sozialem Geiste vielfach auf die Geringeren, auf kleinere Städte, Zünfte, Urversammlungen stützte, auch wohl den freien samländischen Erbbauern wirtschaftliche Vorrechte verlieh, so geschah es vornehmlich, um oligarchischen Widerstand gegen seinen Herrscherwillen zu brechen. Damit soll nicht bestritten werden, daß dieser aus der Not geborene Landesrat als Keim einer Entwicklung angesehen werden mag, die späterhin zu einer wahrhaft verantwortlichen Beteiligung der Landeseingesessenen an den bisher nur dem Orden zustehenden Regierungsgeschäften führen konnte. Zunächst hat er wesentlich dazu beigetragen, daß zu Anfang 1413 wider alles Erwarten die Restsumme an Polen tatsächlich ausgezahlt wurde.

Wollte man annehmen, Plauen hätte nach solchem Erfolg seiner durchgreifenden Energie aufatmen können, so würde man ganz in die Irre gehen. Unter der Last immer schwererer Sorgen wird der Held nun erst zur tragischen Figur, über die schließlich ein furchtbares Schicksal hereinbricht. Der inzwischen zur Prüfung der Streitfragen eintreffende juristische Bevollmächtigte Sigismunds erregte Plauens Unmut, weil er sich über die Untersuchung hinaus richterliche Entscheidung anmaßte. Bald erging an Sigismund ein Protestschreiben, er möge "einen besseren [278] Mann schicken". In Litauen ganz anders umschmeichelt und von Witowd, der jetzt fast ganz Preußen als altes litauisches Erbland erklärte, sogar zum Ritter geschlagen, glitt jener Jurist nur um so mehr ins gegnerische Fahrwasser, gab allen Anklagen gegen den Orden williges Gehör und rechtfertigte sogar die geächteten Kulmer Flüchtlinge. Dazu kam, daß die von Polen endlich überreichte Samaiten-Urkunde unbefriedigend ausfiel. Man wußte, daß gegen das nach Jagiellos und Witowds Tod wieder auflebende Recht des Ordens auf jene Provinz im Namen litauischer und polnischer Prinzessinnen Protest eingelegt war, und fand in den Text den Vorbehalt fremden Rechtsanspruchs eingefügt, während das große Staatssiegel an der Urkunde fehlte. Plauen wies sie schroff zurück, worauf die Gegner ihn natürlich als Friedensstörer hinstellten. Währenddessen drängten Sigismund und seine Gemahlin bereits wegen der ihnen versprochenen Summen. Plauen wußte sich nicht anders zu helfen als dadurch, daß er in immer schärferem Ton dem lauen Deutschmeister Befehle zur Zahlung selbst durch Verpfändung deutschen Ordensbesitzes erteilte. Da klagte er wohl, daß der Gedrang und Jammer jenem nicht in erhofftem Maße zu Herzen gegangen sei, fragte, warum er ihn in Briefen an deutsche Fürsten so unwürdig hinterrücks wider Gott und die Wahrheit lästere, und gebot endlich bei fernerer Weigerung kraft der Gehorsamspflicht seine und seiner Mitgebietiger Siegel sowie geeigneten Besitz zur Verpfändung auszuliefern. Das war eine Sprache, die man von einem Hochmeister noch nicht gehört hatte. Auch der Landmeister von Livland, der sich schon früher über die nicht gewohnte Schärfe des Tones beklagt hatte, wurde nun in Sachen der Schuldentilgung, des Kriegs und Friedens schlechthin als Untergebener behandelt, und wenn ihm geboten wurde, "mehr Ritter von andern Zungen ins Land zu nehmen, damit die Zungen sich gleich würden", so konnte das nur bedeuten, daß durch Beimischung von Oberdeutschen, die in Preußen vorherrschten, zu den niederdeutschen Balten eine engere Verschmelzung der beiden Ordensgebiete angestrebt wurde. Die herrische Führernatur Plauens, die sich in der fieberhaften Tätigkeit dieser Monate durch sachlich berechtigte, aber persönlich doch schädigende Gereiztheiten Luft machte, drohte bei allem ehrlichen Konservatismus eben doch das oligarchische Gefüge des Ordens zu zersprengen. Dies führte zu schwerstem Konflikt mit seiner nächsten Umgebung, als er jetzt aus dem Verhalten der äußeren Gegner die furchtbar klare Erkenntnis gewann, daß ein neuer Krieg unabwendbar sei, der aber dann vor der erst im nächsten Jahr zu erwartenden Vollendung der polnisch-litauischen Rüstung lieber sofort durch kühnen Angriff eröffnet werden müsse. Besser, als Schritt für Schritt vor der fremden Anmaßung zurückzuweichen und teuer erkaufte Lande preiszugeben, so meinte er, "were uns allen in die ere unser liben frowin dorvor zu sterbin".

Solchen Todesmut aber teilten mit ihm nur wenige Freunde und Verwandte. Die weit überwiegende Ordensmehrheit mit Küchmeister an der Spitze hielt einen neuen Krieg für Wahnsinn und wollte von den Angriffsvorbereitungen nichts [279] wissen. Plauen hoffte wohl, sie durch rasche Erfolge mitreißen zu können, suchte aber ihre Gegenwirkungen dadurch zu vermeiden, daß er die entscheidenden Anordnungen selbständig und heimlich traf. Indem er Jagiello noch eine Weile mit Verhandlungen hinhielt, rüstete er in äußerster Hast. Nach der genauen Angabe eines an den Ereignissen selbst beteiligten wohlunterrichteten Ritters soll er schließlich gegen Pommern sechstausend, gegen Polen fünfzehntausend Berittene außer zahlreichem Fußvolk zur Verfügung gehabt haben. Mag das vielleicht auch etwas zu hoch gegriffen sein, so kann die von allen Seiten durch Freundeszuzug, Söldnerwerbungen und Landesaufgebot zusammengebrachte Streitmacht keinesfalls unbedeutend gewesen sein. Unterhalt und Sold gedachte man sich wohl in Feindesland zu holen. Die Spannung wuchs. Proteste und Rechtfertigungsschreiben gingen über die Grenze hin und her. Mit besonderer Entrüstung warf Plauen Jagiello vor, daß er jene geächteten kulmischen Hochverräter bei sich hege und ihre Wiederaufnahme begehre; er selbst würde in ähnlicher Lage Frevler gegen des Königs Majestät nicht nur aus dem eignen Gebiet, sondern, wenn das möglich wäre, über die Grenzen der Welt hinaus vertreiben. Scharfe Antwort wegen offner Verletzung des Ofener Schiedsspruchs blieb nicht aus, und auch Sigismund untersagte streng jede kriegerische Handlung. Trotzdem waren im Herbst 1413 die militärischen Aussichten für den Orden noch verhältnismäßig günstig. Jagiello, Witowd und nahezu alle geistlichen und weltlichen Großen Polens und Litauens begingen damals fernab südlich am Bug den feierlichen Vereinigungsakt von Horodlo; in den polnischen Gebieten wütete eine böse Seuche.

Mitte September sollte der Angriff von drei starken Heerhaufen gegen die südlich angrenzenden Lande und den mit dem Feind verbündeten Pommernherzog von Stolpe einsetzen. Da ein erster Schicksalsschlag: der vermutlich überarbeitete Hochmeister selbst fiel zu Marienburg in Krankheit! Das hielt zwar den Feldzug nicht auf, gab aber den Machenschaften seiner Gegner im Orden Spielraum. Schon war ein Vortrupp von Gästen und Söldnern verheerend in Masowien eingedrungen, als Küchmeister mit den Großgebietigern, die an der Spitze der noch diesseits der Grenze sich sammelnden Haupttruppen standen, am 29. September den verhängnisvollen Entschluß faßte, sich dem Kriegswillen Plauens gewaltsam entgegenzustemmen. Nach sechzehn Tagen war der masowische Feldzug zu Ende. Als Ordensmarschall sandte Küchmeister auch an Plauens Bruder den Gegenbefehl, den Angriff auf Pommern nicht zu eröffnen. Jener gehorchte nicht, konnte aber bei solcher Spaltung seinen Feldzug nur vier Tage lang fortführen, die vielleicht besser für einen raschen Marsch nach Marienburg zur Stütze des Hochmeisters benutzt worden wären. So sollten ihm die rebellischen Gebietiger zuvorkommen.

Die Kunde von Verrat und Meuterei muß auf den kranken Hochmeister eine entsetzliche Wirkung geübt haben. Noch gab er nicht alle Hoffnung auf, sondern berief auf den 14. Oktober die Gebietiger zum Kapitel nach der Marienburg, um Küchmeister und wer sich sonst schuldig gemacht hatte, zur Verantwortung zu [280] ziehen. Mit der schon etwa eine Woche vorher erfolgenden Ankunft der Gebietiger wurde die Stimmung in der Marienburg unheimlich. Plauen fühlte sich nicht mehr sicher. Den Eingang zu seinem Gemach ließ er durch Wachen absperren, auch noch mit neuem Schloß versehen und seinen Harnisch in die anstoßende Kammer bringen. In der Tat hatten sich seine Widersacher zu einer Gegenregierung zusammengeschlossen, in der formal der oberste Spittler Hermann Gans als "Statthalter" des Hochmeisters die Leitung hatte, die treibende Kraft aber Küchmeister war. In der Nacht zum 9. Oktober, wie es scheint, erfolgte spätestens der Staatsstreich. Man weiß, wie sehr nach solchen Vorgängen die Dinge von den Siegern zu ihren Gunsten entstellt zu werden pflegen. So kann man auch hier den Verlauf nur annähernd erraten. Wahrscheinlich wußten sich die Gebietiger unter dem Vorwand einer notwendigen Beratung Eintritt in Plauens Schlafgemach zu verschaffen; dort bemächtigten sie sich seiner Siegel und Schlüssel, nahmen den kranken Meister in Haft und sperrten ihn in einen Turm. Sogleich ergingen dann an Sigismund, Wenzel, Jagiello und an den Herzog von Stolpe, später auch an Witowd und andere Fürsten rechtfertigende Briefe: Der abgesetzte Hochmeister habe in seinem verhärteten Eigensinn durch seine Kriegspolitik das Land ins Verderben gestürzt. Auch sein ungehorsamer Bruder habe von seinem Komturamt entfernt werden müssen. Nun aber seien rings an den Grenzen Friedensmaßnahmen ergriffen. Man hoffe mit dem König von Polen, dem die Absetzung des Hochmeisters zur Genugtuung für widerfahrenes Unrecht dienen möge, auf einem baldigen Verhandlungstage alle Streitpunkte zu begleichen.

Darauf trat man zusammen, um für den nahen Kapiteltag die Anklagepunkte aufzusetzen. Da spielen Steuerdruck, Münzverschlechterung, eigenmächtige Einsetzung des Ermländer Bistumsverwesers, Verletzung der im Thorner Frieden ausgemachten Straflosigkeit, sogar angebliche Abhängigkeit seiner Entscheidungen von Sterndeutern und Weissagern zwar eine Rolle. Das Wesentliche aber ist überall Plauens Eigenwilligkeit, die Zuziehung nur der nächsten Verwandten und Freunde, die Beiseiteschiebung des Rats der Gebietiger, denen auf ernstliche Warnung zur Antwort geworden sei, "her hette yn zu gebitin, her welde selbir rathen und welde ires rathis nicht volgin". Und der entscheidende Streitpunkt ist der, daß man sein Kriegstreiben für verderblich, eine nachgiebig erfüllende Friedenspolitik allein für heilbringend hielt. Dagegen bestand keine Meinungsverschiedenheit, wie man wohl irrig angenommen hat, über die Zweckmäßigkeit des Landesrates, und es ist nicht so, daß Plauen mit diesem die künftige Rettung des preußischen Staatswesens versucht, seine Gegner aber durch seinen Sturz diesen Heilsweg versperrt hätten. Küchmeister hat in diesem Punkte später kaum anders gedacht, wenn auch weniger straff und führend gehandelt. Wie weit gerade bei ihm auch persönliche Antriebe des Hasses, der Mißgunst, verletzter Eitelkeit und unbefriedigten Ehrgeizes mitgespielt haben, läßt sich nicht sicher nachweisen; aber wie könnte bei solchen Reibungen und Zusammenstößen dies [281] Menschlich-Allzumenschliche ganz fehlen? Er wird es vornehmlich auch gewesen sein, der am 14. Oktober, als noch weitere Gebietiger zum Kapitel erschienen waren, auf jene Anklagen hin die Gutheißung des Geschehenen durch seinen Einfluß durchsetzte. Nach einer Weile wurde der gesundheitlich einigermaßen hergestellte alte Meister nach Engelsburg bei Graudenz verbracht, um auch dort unter Bewachung gehalten zu werden.

Zweifellos hatte er sich in der letzten Zeit in seinen Herrschaftsmaßnahmen nicht mehr streng an die Ordensvorschriften gehalten, die ihn verpflichteten, in wichtigeren Angelegenheiten den Rat der Gebietiger einzuholen. Ohne weiteres ist auch zuzugeben, daß Plauen nach der Art seines Geschlechts nicht jene Geschmeidigkeit besaß, die bei aller Festigkeit der Ziele erfolgreichen Politikern eignen muß, daß er oftmals durch Schroffheit und Gewaltsamkeit die aus der Lage erwachsenden Widerstände unnötig verschärfte. Ebenso gewiß ist aber auch, daß seine Absetzung kein rechtmäßiger Akt war, daß, wie alsbald seine Verwandten in entrüsteten Protesten der Welt verkündeten, "unser liber herre und vetter seine wirdicheit mit willen nicht ubergeben hat, sunder mit gewalt davon gedrungen, getwungen, vorstoßen ist". Die Gegner werden ihr Vorgehen mit der dringenden Kriegsgefahr entschuldigt haben, suchten aber einen festeren Rechtsboden zu gewinnen, als Anfang Januar 1414 der Deutschmeister und der Meister von Livland, beide längst in gespanntem Verhältnis zu Plauen, mit ihren Gebietigern zur neuen Hochmeisterwahl in der Marienburg eintrafen. Dorthin wurde der frühere Hochmeister durch zwei Komture eingeholt und mußte noch einmal die Anklagen über sich ergehen lassen. Möglich, daß er nun, wie der halbamtliche Ordenschronist berichtet, auf das doch verlorene Amt formell verzichtet hat, um sich als Entgelt dafür, daß dadurch die Neuwahl auf sicheren Rechtsboden gestellt wurde, die Komturei Engelsburg übertragen zu lassen. Nachdem er dann, gewiß mit starker Selbstüberwindung, dem neuerwählten Hochmeister Michael Küchmeister, der dafür einzig in Betracht gekommen war, wie die andern Brüder Gehorsam gelobt hatte, glaubte er zu Engelsburg seines bescheidenen Amtes in Ruhe, wenn auch unter fortdauernder Überwachung, walten zu können. War so das formale Recht wieder eingerenkt, so hindert das doch nicht, den Vorgang in die ähnlichen Zeiterscheinungen einzureihen, die allenthalben eine revolutionäre Erhebung oligarchischer Gewalten über allzu scharf angespannte oder auch vernachlässigte monarchische Rechte zeigen; man braucht nur an den Sturz Richards II. von England, die kurfürstliche Absetzung Wenzels, das Parteienregiment in dem Frankreich Karls VI. und die wiederholte Absetzung gar von Päpsten durch Kardinäle oder Konzilien zu erinnern. Heldenhafte Gestalten fanden da wenig Wurzelboden; selbst Jeanne d'Arc endete nach kurzer Siegeslaufbahn auf dem Scheiterhaufen!

Heinrich von Plauen
Heinrich von Plauen.
Abbildung aus dem 16. Jahrhundert.
[Nach wikipedia.org.]
Die Hauptfrage in Plauens Schicksal bleibt die, ob er mit seiner verzweifelt kühnen Kriegspolitik recht gehabt hat oder vielmehr sein Gegner Küchmeister mit seinem diplomatisierenden Friedensstreben. Niemals wird sich natürlich aus- [282] machen lassen, ob er selbst seinen Orden zu dauernden Kriegserfolgen oder zu ehrenvollem Untergang geführt haben würde. Daß aber jene Friedenspolitik, wie er klar vorausgesehen, völlig scheiterte, sollte er nur zu bald noch mit traurigster Genugtuung erleben. Denn nachdem Küchmeister sofort gründlich abgerüstet, die Söldner ebenso wie Plauens Vettern und Freunde fortgeschickt, mit Pommern einen vorläufigen Frieden vereinbart hatte, ließ er sich von Jagiello mit leeren Hoffnungen hinhalten, bis Polen und Litauen zum Kampf voll gerüstet waren. Dann aber erhoben in den Grabauer Verhandlungen vom April 1414 die polnischen Räte für Erhaltung des Friedens so unerhörte Gebietsforderungen, daß ihre Absicht, die Ordensherrschaft völlig zu vernichten, selbst Küchmeister aufdämmern mußte. Wie ließ sich angesichts des nun doch unter so viel ungünstigeren Umständen drohenden Krieges und der wütenden Anklagen von Plauens Verwandten rings im Reiche die kläglich zusammengebrochene Friedenspolitik trotzdem rechtfertigen? Am ersten noch, wenn man alle Schuld auf den Altmeister und seinen Anhang schieben konnte, und zwar nicht nur auf seinen Friedensbruch, der Polen gereizt habe, sondern möglichst auf neuerliche Machenschaften, die den Erfolg in Grabau hintertrieben hätten. In die für solche Gerüchte aufnahmebereite Stimmung platzte nun die sichere, durch den Leslauer Bischof übermittelte Nachricht hinein, Heinrich von Plauen habe an den Polenkönig ein Aufnahmegesuch gerichtet, ihm Beistand angeboten und von jenem das Versprechen der Wiedereinsetzung erhalten. Sofort ordnete Küchmeister tunlichste Sperrung der Grenzen an, eilte selbst nach Engelsburg, nahm den Altmeister aufs neue gefangen und ließ ihn, nachdem er den Gebietigerrat von seiner Schuld überzeugt hatte, des Komturamtes berauben und als Häftling nach dem weitentfernten Brandenburg am Frischen Haff schaffen. In der halbamtlichen Darstellung wurde diese Maßregelung weiter durch die Behauptung gestützt, der Altmeister habe den Polen bei ihrem Einmarsch etliche Burgen des Kulmerlandes in die Hände spielen wollen.

Es besteht größte Wahrscheinlichkeit dafür, daß hier die launenhafte Gewohnheit des Plauen-Reußischen Hauses, alle die männlichen Angehörigen "Heinrich" zu taufen, dem Größten des Geschlechts einen argen Streich gespielt hat. Jenes Gesuch stammte in Wirklichkeit von Plauens gleichnamigem Bruder, und diesem, obwohl auch er verfolgt wurde, gelang es in der Tat, in Verkleidung über die masowische Grenze zu entwischen. Er wurde wahrhaft zum Verräter am Orden und hat dem Polenkönig durch sieben Jahre hindurch preußenfeindliche Dienste geleistet. Diese hat der große polnische Geschichtsschreiber Johannes Dlugosz zwar gebührend zu schätzen gewußt, aber er rückt doch den früheren Hochmeister zu seinem verhängnisvollen Bruder in deutlichen Gegensatz, wenn er zu Plauens Tode vermerkt: "Er war um so ruhmwürdiger, weil selbst die durch sieben Jahre hindurch von dem sinkenden und dem Untergang nahen Orden gegen ihn geübte große Grausamkeit seinen Geist in keiner Weise von der Ehrfurcht gegen den Orden hatte abwenden können."

[283] Im Grunde endet Plauens Leben mit seiner Gefangenschaft. Nur verworren mochte er in der Ferne den Strom der Ereignisse in ganz anderen Bahnen, als er sie gewollt, vorüberrauschen hören und erfahren, daß der Krieg, den er unter günstigeren Umständen in Feindesgebiet hatte tragen wollen, nun noch einmal das preußische Land auf das entsetzlichste verheerte. Das Brandenburger Gefängnis hatte er bald mit dem im Danziger Komturschlosse, dem Ort des Justizmordes von 1411, vertauschen müssen, um später noch einmal nach Brandenburg verschickt zu werden. Während aber dem zweifellos schuldigen Bruder auf die unablässigen Bemühungen der Verwandten schon 1418 der Wiedereintritt in den Orden nach Ableistung einer Buße freigestellt wurde, wollte Küchmeisters kleine Seele noch 1420 von einer Befreiung des Altmeisters, den er offenbar noch immer fürchtete, nichts wissen, wenn ihm auch wie bisher an Speise, Getränk und aller Notdurft "behagliche Güte" erzeigt werden solle. So wurde Plauens schweres Los wohl erst nach der Abdankung seines alten Widersachers durch den neuen Hochmeister Paul von Rußdorf wesentlich erleichtert, der ihm bald (1424?) Lochstedt zwischen Haff und See zu freiem Aufenthalt mit angemessenem Jahresgehalt anwies. Ging auch dort nicht alles nach Wunsch, so daß er über Vorenthaltung seines Geldes, ungenügende Kleidung und Eingriffe in seine Wirtschaft Beschwerde zu führen hatte, so erwies sich ihm Rußdorf, einmal durch Übersendung von Rock und Mantel, doch freundlicher gesinnt und verschaffte ihm 1429 sogar das vermutlich damals erst freigewordene Pflegeramt zu Lochstedt. Nur sieben Monate lang sollte Plauen es noch bekleiden, denn gegen Ende des Jahres hat ihn der Tod von einem kaum noch lebenswerten Dasein erlöst. Dem Verstorbenen erwies man immerhin die Ehre der Bestattung in der Hochmeistergruft der von ihm einst geretteten Marienburg.

Sein auf knappe drei Jahre begrenztes geschichtliches Leben kennzeichnet sein Wesen so eindeutig, daß es keiner zusammenfassenden Charakteristik bedarf. Er ragt aus seiner feigen, unheldischen Zeit als ein herrischer und willensstarker Held empor, als ein Führer, der leider ungenügende Gefolgschaft fand, als ein Staatsmann, der über das Treiben in der weiten Welt vielleicht nicht immer hinreichend unterrichtet war, in seiner sittlichen Hoheit auch gar nicht darin untertauchen wollte, der aber in dem Umkreis, den er übersah, Machtsinn, Blick für das Mögliche und Entschlußkraft für das Notwendige bewährt hat; immerhin kein strahlender, sondern ein finsterer, von Not und Unglück umwitterter Held, dessen schweres Schicksal doch auch durch die schroffe Härte seines Geschlechts mitbestimmt wurde, an den sich in der Gestalt seines Bruders auch Schuld herandrängte. Aber schon Treitschke, der als Jüngling mit der dramatischen Gestaltung dieses Stoffes rang, hat sich mit Recht gegen jene "moralisierende Nüchternheit" gewandt, "welche Menschengröße nur als das Gegenteil des Frevels zu begreifen vermag, uneingedenk der tiefen Wahrheit, daß jeder große Mensch reich begabt ist zur Sünde wie zum Segen".




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Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz