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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 7: Der Krieg im Osten 1917/18   (Forts.)
Oberstleutnant Hans Garcke

5. Die Kämpfe in der Moldau im Juli und August 1917.

Bald nachdem in Galizien die Entscheidung gefallen war, begann auch die feindliche Offensive an der rumänischen Front.

Hier stand die Heeresgruppe Mackensen mit der 3. bulgarischen Armee in der Dobrudscha, am Unterlauf der Donau, mit der 9. Armee am unteren Sereth und an der Putna, von Braila bis zum Bergstock der Mgr. Odobesti. Die 9. Armee wurde, seitdem General v. Falkenhayn Oberbefehlshaber der türkischen Heeresgruppe in Palästina war, von General v. Eben geführt; sie verfügte, abgesehen von Landsturm-Formationen, über acht deutsche, zweieinhalb österreichisch-ungarische, eine bulgarische und zwei türkische Divisionen. Links schloß die zur k. u. k. 1. Armee, also zur Heeresgruppe Erzherzog Joseph gehörende Gruppe des preußischen Generals v. Gerok an. Diese stand mit den von Feldmarschalleutnant v. Ruiz befehligten Truppen, der deutschen 218. Infanterie- und der k. u. k. 1. Kavallerie-Division, am östlichen Höhenrande des Beckens von Soveja, mit dem k. u. k. VIII. Korps beiderseits des Oitoz-Tales, vor Ocna.6

Kampfgelände in der Moldau

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      Skizze 18: Kampfgelände in der Moldau.

Auf feindlicher Seite standen unter dem Oberbefehl des General Schtscherbatschew die 6. russische Armee vom Schwarzen Meer bis in die Gegend von Tecuciu, westlich anschließend die neu aufgestellte 1. rumänische Armee, weiter die 4. russische und 2. rumänische bis Onesci und schließlich bis in die Süd-Bukowina hinein die 9. russische Armee.

Die rumänischen Verbände waren, ähnlich wie seinerzeit die serbischen, nach ihren Niederlagen allmählich hinter der Front neu organisiert, unter Leitung von Entente-Offizieren kriegsmäßig geschult und mit den modernsten Kampfmitteln reichlich ausgestattet worden.

[312] Die Oberste Heeresleitung hatte die Absicht,7 nach Abwehr der erwarteten feindlichen Offensive auch in Rumänien ihrerseits zum Angriff überzugehen, im Zusammenhang mit den rasch fortschreitenden Operationen in Galizien die ganze ins Wanken kommende feindliche Südwestfront zu schlagen und den unteren Sereth zu überschreiten.

Vor der Front der 9. Armee und der Gruppe Gerok waren schon seit längerer Zeit feindliche Angriffsvorbereitungen beobachtet worden; sie wurden von der Artillerie planmäßig bekämpft. Unter Einschieben rumänischer Kräfte stellten die Russen allmählich eine starke Stoßgruppe zwischen Buzaul-Mündung und Fundeni bereit. Vom 22. bis 25. Juli lag dauernd starkes Feuer, täglich mehrmals zum Trommelfeuer gesteigert, auf den Stellungen des Verteidigers. Die verhältnismäßig schwache Artillerie der 9. Armee erwiderte es nach Kräften. Häufig wurde die feindliche Infanterie in ihren Gräben zum Sturm bereitgestellt; sie ließ sich aber nur stellenweise zum Verlassen der Deckungen bewegen und wurde überall leicht abgewiesen. Der Angriffsversuch, zu dem etwa zwölf Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen aufgeboten waren, mißlang vollkommen.

Bei dem rechten Flügel der Gruppe Gerok war bereits am 18. Juli ebenfalls ein feindlicher Vorstoß, anscheinend infolge Weigerung der Angriffstruppen, [313] nicht zustande gekommen. Am 23. aber gelang es den Russen und Rumänen, nach erneuter kräftiger Vorbereitung durch Artillerie und Minenwerfer mit starken Kräften zwischen Putna und Susita nach Westen durchzubrechen. Das Kräfteverhältnis war hier für den Verteidiger zu ungünstig, und die rechtzeitige Zuführung ausreichender Verstärkungen wurde durch die schwierigen Wegeverhältnisse verhindert. In mehrtägigen Kämpfen wurde die ganze Gruppe Ruiz gezwungen, über das Becken von Soveja hinaus bis nahe an die Grenze Siebenbürgens zurückzugehen.

Die 9. Armee mußte infolge des Einbruchs ihren linken Flügel zurückbiegen und Stellungen an der Putna bis Tulniki besetzen. Durch rechtzeitige Maßnahmen gelang es ihr, den Verlust des Odobesti-Stockes und ein Aufrollen der Front nach Süden zu verhüten.

Der Gegenstoß wurde aus der Gegend von Focsani nach Norden angesetzt. Die Absicht war, zunächst bis zur Linie Marasesci - Panciu durchzustoßen und dann - in Übereinstimmung mit einem Angriff der k. u. k. 1. Armee - durch Vorstoß auf Racoasa die in das Gebirge eingedrungenen Rumänen und Russen abzuschneiden.

Mit der Durchführung wurde der Kommandierende General des I. Reservekorps, General v. Morgen beauftragt. Außer seinen eigenen Truppen (216., 12. bayerische und 89. Division) wurden ihm hierzu unterstellt: die links anschließende k. u. k. 62. Division, die bisher zur Verfügung des Generals v. Eben zurückgehaltene 76. Reserve- und die durch Einschieben von Landsturm und Strecken anderer Verbände freigemachte 115. Infanterie-Division. Als Armeereserve wurde die 212. Division nach Focsani verschoben.

Am 6. August brachen nach dreistündiger Artillerievorbereitung und nach Vergasung der feindlichen Batterien die Truppen zum Angriff vor, durchstießen die rumänischen Stellungen östlich der Straße Focsani - Agnulu-nuou, und an demselben Tage erzwangen sie in der Gegend südöstlich Marasesci den Susita-Übergang. Starke feindliche Gegenwirkung setzte jetzt ein. In mehrtägigen, hin und her wogenden Kämpfen gelang es allmählich, die Erfolge weiter auszubauen und auch westlich der großen Straße über die Susita zu kommen.

Inzwischen war das Generalkommando XVIII. Reservekorps (bayerischer General Wenninger) und die k. u. k. 13. Schützen-Division der Armee zugeführt worden, und das Alpenkorps, das bereits bei den ersten Operationen gegen die Rumänen ruhmvoll mitgewirkt hatte, war wieder im Anrollen. General Wenninger hatte zunächst den Befehl über die k. u. k. 62. und über die 217. Division erhalten; seine Aufgabe war, mit Artillerie vom südlichen Putna-Ufer aus den linken Flügel des I. Reservekorps zu unterstützen und sich mit seinem rechten Flügel dessen Vorgehen anzuschließen.

Während die Truppen sich zur Fortsetzung des Angriffs neu gruppierten, griff der Feind am 10. August nach starker Artillerievorbereitung die ganze neu [314] gewonnene Linie der 9. Armee einheitlich an. Unter schweren Verlusten wurde er allenthalben, zum Teil im Gegenstoß, zurückgeworfen. In den folgenden Tagen wurde die deutsche Offensive nach Einsatz neuer Reserven fortgesetzt. Das I. Reservekorps kam bis dicht südlich des Bahnhofes von Marasesci vor, das XVIII. nahm nach harten Kämpfen Panciu und die umliegenden Ortschaften. Auch weiter westlich begann der Feind jetzt seine Stellungen zu räumen. Der linke Flügel der 9. Armee folgte und näherte sich Racoasa.

Am 19. August begann ein planmäßig vorbereiteter Angriff des Korps Morgen gegen die Linie Marasesci - Deocheti, der vom Korps Wenninger mit allen verfügbaren Batterien unterstützt wurde. Der Südteil des Bahnhofs von Marasesci wurde in schnellem Anlauf genommen; weiter westlich wurde die feindliche Stellung durchbrochen und aufgerollt. Im weiteren Verlauf des Kampfes entstand aber eine Lücke innerhalb der 12. bayerischen Division, die mit ihrem rechten Flügel vor dem zäh verteidigten Nordteil des Bahnhofs liegen blieb, mit dem linken in die Gegend nordwestlich des Ortes Marasesci weiter vorstürmte. In diese Lücke traf ein Gegenstoß, den der Feind mit starken Kräften, durch das Gelände begünstigt, überraschend von Nordosten, von der Sereth-Niederung her, führte. Die bayerischen Schützen durchschritten gerade ein mannshohes Maisfeld von großer Ausdehnung und hatten daher nach keiner Seite hin Überblick; auch der Artillerie war das Vorbrechen des Feindes in dem unübersichtlichen Gelände entgangen. Die im Vorgehen gebliebenen Teile der bayerischen Division sahen sich jetzt plötzlich auf nächster Entfernung in der rechten Flanke angegriffen und mußten weichen. Weiter westlich wurden feindliche Vorstöße abgewiesen.

Seit dem 6. August hatten die Angriffstruppen in fast ununterbrochenem schweren, meist bei drückender Hitze geführten Kampfe gestanden; ihre Gefechtsstärken waren durch feindliches Feuer und durch Krankheiten erheblich gesunken. Auffrischung und Neuordnung der Verbände war vor Wiederaufnahme der Offensive dringend notwendig. Da auf Zuführung von Ersatz vorläufig nicht zu rechnen war, faßte General v. Eben den Entschluß, den Angriff zunächst einzustellen und die gewonnenen Stellungen zu halten.

Inzwischen war auch bei der k. u. k. 1. Armee heftig gekämpft worden. Als General v. Morgen seinen Angriff aus Gegend Focsani nach Norden begann, bereitete General v. Gerok mit den ihm zur Verfügung gestellten deutschen und österreichisch-ungarischen Armee-Reserven einen Vorstoß beiderseits des Oitoz- und des Slanic-Tales vor, der in das Trotusu-Tal führen sollte. Im ersten Ansturm wurden am 8. August die vordersten feindlichen Stellungen genommen. Aber, wie bei der 9. Armee, so machte auch hier die zähe, angriffsweise geführte Verteidigung der Rumänen dem Angreifer jeden Schritt Bodens streitig. Immerhin hatte die Offensive den Erfolg, daß am 14. August der Feind nun auch weiter südlich, d. h. vor der Gruppe Ruiz, die von ihm gewonnenen Stellungen räumte. Die deutschen und verbündeten Truppen folgten und nahmen in den folgenden [315] Tagen die Höhen östlich des Beckens von Soveja wieder in Besitz. Auch von dem Nordflügel der Gruppe Gerok wurde weiter Gelände gewonnen; Ocna zu nehmen, gelang allerdings nicht.

Die schwierige Ersatzlage und die fortdauernden harten Kämpfe in Frankreich ermöglichten es der deutschen Obersten Heeresleitung nicht, für die rumänische Front die Kräfte freizumachen, die für eine nachdrückliche Fortführung der Offensive notwendig gewesen wären. Vielmehr mußten bald mehrere Divisionen nach dem italienischen Kriegsschauplatz abbefördert werden.

Vor dem nun unvermeidlichen Übergang zur Dauerstellung aber war es geboten, dem Feinde wenigstens noch seine beherrschenden Höhen in der Gegend nordwestlich Panciu zu entreißen. Hiermit wurde das Korps Wenninger beauftragt, auf dessen linkem Flügel starke Artillerie- und Minenwerferverbände vereinigt wurden. Am 28. August begann der Infanterieangriff des Alpenkorps und der 216. Division, an dem sich später auch die 76. Reserve-Division beteiligte. In mehrtägigen, hartnäckigen Kämpfen, die teilweise durch starken Gewitterregen und Sturm unterbrochen wurden, wurde der Ort Muncelu (dicht nordwestlich Panciu), die Höhen nordwestlich davon, sowie Iresci und die unmittelbar nördlich vorgelagerten Höhen genommen und gegen heftige, teils von Nordosten, teils von Nordwesten her geführte Gegenangriffe behauptet. Nachdem so das erstrebte Kampfziel erreicht war, wurde am 3. September das Einstellen des Angriffs und der Übergang zur Dauerstellung befohlen.

Von der Gruppe Gerok hatte sich die rechte Flügeldivision dem Angriff Wenningers angeschlossen und den zähe sich wehrenden, vom Gelände begünstigten Feind weiter in Richtung Racoasa zurückgedrängt. Nahezu die ganze alte Stellung, wie sie vor dem russisch-rumänischen Einbruch gewesen war, war hier jetzt wiedergewonnen.

Anfang September trat auf der ganzen rumänischen Front allmählich Ruhe ein. Ebenso wie in Galizien und in der Bukowina baute man beiderseits die Stellungen weiter aus und beschränkte sich auf kleinere Unternehmungen. Die Frontpropaganda wurde wiederaufgenommen.


6 [1/311]Vergleiche Band V, Seite 402 ff. ...zurück...

7 [1/312]Siehe Seite 28 und 310. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte