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Teil 2 - Das andere Lidice

Der Mai 1945 war angebrochen. Die totale Kapitulation des Großadmirals Dönitz beendete den qualvollen Zustand, in dem sich die traurigen Restbestände der Deutschen Wehrmacht in den letzten Monaten befunden hatten. Das Sterben der Soldaten auf verlorenem Posten war aus.

Noch ahnten die Offiziere und Mannschaften, die dieses Ende mit förmlicher Hysterie begingen, nicht, daß ein viel furchtbareres Sterben beginnen sollte. In der letzten Nacht der Nächte lohten noch einmal die Flammen aus allen Rohren. Noch einmal wichen die Divisionen des Ostens, aus ihrem Siegestaumel aufgeschreckt, entsetzt zurück. Dann aber flogen die armseligen Restbestände der Treibstoff- und Munitionslager in die Luft. Maschinengewehre und Maschinenpistolen, Gewehre und Ausrüstungsgerät wurden mit fanatischem Eifer zerschlagen und vernichtet. Leuchtpistolenpatronen verzischten blau-rot-gelb-grün durch die Nacht. Sie riefen aber weder Verstärkung heran noch kündeten sie Sieg oder Niederlage. Sie signalisierten den kommenden Tod.

Millionen waren auf den Schlachtfeldern geblieben, Millionen waren in den bombenzerfurchten Städten elend zugrunde gegangen. Millionen waren zu siechen und hilflosen Krüppeln für ihr ganzes Leben geworden.

Kein Wunder, daß diejenigen, die übrig blieben, trotz den ganzen Sorgen und Fragen vor dem, was jetzt wohl kommen würde, einander lachend in die Arme fielen und sich nur über eines freuten: daß sie davongekommen waren. Sie hatten kein schlechtes Gewissen. Wenigstens kein schlechteres als es die amerikanischen, französischen, englischen und russischen Soldaten und Offiziere zu haben brauchten. Sie fürchteten sich jetzt so wenig vor dem Frieden, wie sie sich vor dem Krieg gefürchtet hatten. [22] Sie hatten nicht geahnt, wie der Krieg werden würde. Sie ahnten jetzt nicht, was sie im Frieden noch erwarten würde.

Und das war gut so. Denn sonst wäre wirklich jedes Haus ein Bunker und jedes Dorf eine Festung und jede Stadt eine Maginotlinie geworden, wie es die Fanatiker gefordert hatten.

Es kam anders.

Kaum hatten die deutschen Soldaten im Vertrauen auf das internationale Kriegsrecht die Waffen gestreckt, brach über das wehrlose deutsche Volk im Osten ein Sturm von Bestialität und Verbrechen herein, wie es bisher von der Weltgeschichte noch nicht berichtet worden ist.

Ein ungarischer Halbjude, Sandor Kovac, der kurz vor Kriegsschluß im KZ war und bei seinem Heimmarsch nach Budapest durch Prag kam, gab zu Protokoll:

"Im Hitlerischen KZ sah ich Sachen, die ich nie für möglich gehalten hätte, daß sie von Menschen anderen Menschen angetan würden. Als ich aber im Mai 1945 auf dem Rückmarsch in meine Heimat in Prag von dem Ausbruch des tschechischen Wahnsinns überrascht wurde, erlebte ich ein Inferno menschlicher Armseligkeit und moralischer Tiefe, gegen das meine KZ-Zeit fast eine Erholung gewesen war. Frauen und Kinder wurden bei lebendigem Leib mit Petroleum übergossen und angezündet, Männer unter unvorstellbaren Qualen ermordet. Dabei mußte ich einwandfrei feststellen, daß sich die gesamte Bevölkerung an diesen Verbrechen beteiligte, nicht nur der übliche Mob. Ich sah hochelegante junge Tschechinnen, die vielleicht noch vor kurzem mit den deutschen Offizieren geflirtet hatten, und die nun mit Revolver und Hundepeitschen durch die Straßen liefen und Menschen quälten und mordeten, ich sah offensichtlich höhere tschechische Beamte gemeinsam mit tschechischem Straßenmob johlend Frauen vergewaltigen und qualvollst umbringen. Ich fürchtete mich, und ich fürchte mich vor einer deutschen Wiedererwachung. Denn was an den Deutschen geschah, ist unbeschreiblich!"

Pater F. J. Reichenberger, jetzt amerikanischer Staatsbürger, der als römisch-katholischer Geistlicher [23] eine der stärksten Persönlichkeiten des sudetendeutschen öffentlichen Lebens und in der Hitlerzeit ein offener Gegner des hitlerischen Byzantismus war, veröffentlichte am 6. 2. 1949 in dem Wochenblatt Neue Heimat, Linz, folgenden Tatsachenbericht:

Eine Ärztin schilderte die tschechischen Teufeleien:

"Als ehemalige leitende Ärztin des tschechischen Konzentrationslagers Olomouc-Hodolany (früher Olmütz-Hodolein) lege ich folgendes protokollarisch nieder: Im Lager befanden sich z. B. der englische Staatsbürger Frederic Treyhorn, vordem Forstverwalter bei einem deutschen Adeligen in Nordmähren, die deutsche Jüdin Sternborg mit ihrer schwer herzkranken Tochter aus Olmütz, der deutsche Halbjude Schien aus Namjest, der jahrelang in Buchenwald war, weil er Jude und jetzt bei uns interniert war, weil er Deutscher ist, zwei Zigeunerinnen aus Floridsdorf bei Wien, die auf dem Heimweg aus einem Arbeitslager bei Berlin in Prerau gefangengesetzt, nackt ausgezogen durch die Stadt getrieben und dann nach Hodolany gebracht wurden. Die aktiven kommunistischen deutschen Arbeiter, die auch während des Nationalsozialismus ihrer Überzeugung treu geblieben waren, Th. Alois aus Domstadl, M. Otto und B. Florian aus Bärn, abgesehen von den vielen Kindern, deren einziges Verbrechen es war, daß sie als Deutsche geboren wurden.

Das Lager bestand aus dreizehn Baracken, davon waren neun mit Internierten belegt. Eine Baracke war normalerweise für achtzig Menschen berechnet. Unser Gesamtbelag variierte jedoch zwischen 2800 und dem Höchstbelag von 3200 nicht verurteilter, nur vorläufig internierter Personen. Sie lagen alle, Männer, Frauen und Kinder, auf dem blanken Fußboden. Meistens wurden die Leute von der Straße weg in die Lager verschleppt. Erst vom Februar 1946 an wurden Holzbetten mit Strohsäcken aufgestellt. Bis zum selben Termin waren die Menschen ohne ein Stückchen Seife, sie arbeiteten und schliefen so zehn Monate lang in derselben Wäsche, in demselben Anzug, bis alles in Fetzen von ihnen hing.

Dann wurde die Erlaubnis zum Paketempfang von zu [24] Hause gegeben. Erst im November 1945, als das ganze Lager bereits verwanzt und verlaust war, wurde auf mein andauerndes Drängen hin von der Lagerleitung eine Desinfektion beschafft. Während der nun laufenden Desinfektion mußten die Leute nackt auf ihre Kleider warten, da sie ja zum Wechseln keine hatten. Kommentar Während der strengen Wintermonate wurde pro Ofen und Tag fünf Kilogramm Kohle bewilligt, ein Nichts, wenn man bedenkt, daß auf dem blanken Fußboden geschlafen wurde. Das Essen bestand bei zwölf- bis vierzehnstündiger schwerster Arbeit früh aus ungesüßtem Kaffee und 150 Gramm Brot, abends aus einer Kartoffel- oder dünnen Nährmittelsuppe und wieder 150 Gramm Brot, für die im Lager zurückgebliebenen Arbeitsunfähigen und Kranken auch mittags eine Suppe. Durchschnittlicher Kaloriengehalt: 500 bis 600.

Bei der Einlieferung in das Lager wurde den Menschen alles weggenommen, kurz alles, was noch einen Wert hatte. Den Brillenträgern wurden durch Fausthiebe die Brillen zerschmettert. Sie wurden getreten, geschlagen, mußten Kniebeugen machen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Die WCs durften ab 22 Uhr aus Schikane nicht mehr benutzt werden, was deshalb besonders grausam war, weil alle an vermehrter Diorese litten. Da um 3.30 Uhr in der Früh schon "Wecken" war, war von einer Nachtruhe nicht die Rede. Denn die oft betrunkenen Wachthabenden machten ihre Späße mit den todmüden Menschen oft bis 2 Uhr nachts, wobei "Habt acht" gestanden und "Stand" gemeldet werden mußte. Auf unnatürliche Weise kamen von den insgesamt 17.000 Menschen, die durch das Lager gingen, 2000 ums Leben. Ich greife nur einige Fälle heraus, deren Tod mir besonders im Gedächtnis haften geblieben ist. Das Folgende kann jederzeit mit vollem Namen belegt werden.

Magistratsdirektor Dr. Z. wurde, nachdem man ihn blutig geschlagen hatte, getötet, indem man ihm einen Schlauch in das Rektum einführte und ihm so lange kaltes Wasser in den Darm einströmen ließ, bis er starb. Ing. H. wurde zweimal wieder abgeschnitten, dann mit einer Riemenpeitsche mit Bleikugeln geschlagen, daß das Gebiet [25] vom Musculuc glutaegus maximus abwärts bis zur Achillessehne ein anatomisches Präparat von bloßgelegten Sehnen, Blutgefäßen und Nerven war. Darin wimmelten in den heißen Sommermonaten Tausende von Fliegenmaden. Der starke Eiweißverlust und eine hinzutretende Dysenterie machten der Qual endlich ein Ende. In den letzten Tagen vor dem Tode holte ich den Patienten aus dem Zimmer auf den Armen in den Verbandsraum. Er wog kaum noch 30 Kilogramm. Diese Methode, jemanden langsam sterben zu lassen, war eine der häufigsten. Drei Monate hindurch waren alle Marodenzimmer mit derart zugerichteten Menschen belegt. An eine Heilung war nicht zu denken.

Der furchtbarste Fall war ein 13jähriges deutsches Mädchen, das vergewaltigt worden war und dem davon ein 30 Zentimeter langes Stück Darmschlinge aus der Scheide hing. Der tschechische Professor für Gynäkologie operierte das Mädchen. Es blieb auch am Leben. Da Dr. B. inzwischen verstorben ist, darf ich verraten, daß nach seinem Bericht der Täter ein Kapitän der tschechischen Armee war.

Wegen eines "Aufbegehrens" gegen ein Mitglied der Wachmannschaften wurde der Schlesier Ing. K. ohne Gerichtsverfahren nach einem Urteil des Majors der Moravske Brigadi S. D., der nie einen Fuß in das Lager gesetzt und mit der Lagerleitung nicht das Mindeste zu tun hatte, mit dem Tode durch Erhängen bestraft und zum Vollzug des Henkens wurde der mitinternierte tschechische Kollaborant H. gezwungen.

Vor dem Galgen waren alle Insassen des Lagers vollzählig aufmarschiert, auch die Kinder.

An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurden 68 alte Leute des Altersheims Olmütz, die in das Lager gebracht worden waren, in der Nacht von den 17- bis 19-jährigen Wachmannschaften einfach zusammengeschossen, weil sie alt und unnütz waren. Ich habe heute noch das grauenhafte Wimmern der letzten alten Weiblein im Ohr - die älteste war 92 Jahre alt und taub -, als man sie roh und unter Schimpfworten "deutsche Säue" und "germanische Huren" aus der Baracke zur Exekution zerrte.

[26] Als die Aussiedlung schon begonnen hatte, hörte der 16jährige L. aus Langendorf, Kreis Sternberg, der bei einem tschechischen Bauern als Knecht arbeitete, daß seine Eltern aussiedeln und er heimkommen möchte. Der Bauer jedoch brachte den Jungen wegen Arbeitsverweigerung nach Hodolany ins Lager, dort wurde er so lange mehrmals am Tage blutig und bewußtlos geschlagen und in Dunkel- und Einzelkammern behalten, bis er irrsinnig wurde. In seinen Wahnsinnsdelirien schrie er nach seiner Mutter, sang Hitlerjugendlieder, grüßte mit deutschem Gruß, wenn er seine Suppe bekam, was jedesmal erneut Anlaß gab, ihn wieder niederzuschlagen, obwohl er für sein Tun nicht mehr verantwortlich war. Das mußte doch jeder Laie sehen. Und dies geschah im Mai 1946, ein ganzes Jahr nach den blutigen Revolutionstagen.

Die Erinnerungstage von Lidice, Jezaške und Jaweričko und der Nationalfeiertag des Johann Hus waren Schreckenstage und -nächte. In diesen Tagen wurden auch Frauen mit völlig entblößtem Unterkörper geschlagen. Bei einigen war die seelische Depression so tief, daß sie sich in einer Periode der Melancholie am Fensterriegel erhängten oder sich im Becken des Luftschutzwasserreservoirs ertränkten.

Ein Tag brachte uns alle Frauen, Kinder und Säuglinge der deutschen Stadt Benisch, 285 an der Zahl. Auch sie lagen auf bloßer Erde. Viele Kleinstkinder starben aus Mangel an Milch, denn auch für sie gab es nur schwarzen Kaffee, wenn nach einigen Tagen die mütterliche Milch stagnierte. In den kalten Wintermonaten 1945/1946 stahlen sieben Männer ein paar Hände voll Kohlen. Daraufhin sperrte man sie unbekleidet in einen Bunker. Alle kamen nach vier Tagen mit schwersten Erfrierungen wieder heraus. Zwei mußten amputiert werden und starben nach der Operation. Unsere sogenannte Rote-Kreuz-Baracke war primitiv. Wohl hatte sie Eisenbetten mit Matratzen, teils Strohsäcken und einer Wolldecke, jedoch ohne wechselbare Überzüge, was infolge der schrecklichen Wunden besonders prekär war, da alles nach kurzer Zeit vor Schmutz, Eiter und während der Desytherieperiode vor Kot starrte und nicht gereinigt werden konnte.

[27] Auch in der Marodenbaracke konnten wir uns der Wanzen und Läuse nicht erwehren, bis um die Weihnachtszeit 1945 wie ein Geschenk des Himmels das erste amerikanische DDT verteilt wurde. Wegen des herrschenden Platzmangels lagen in einem Bett zwei bis drei Menschen. Alle Leichname der Verstorbenen und Gemordeten lagen nackt im Gras neben dem Bunker am Ende des Lagers, bis sie abgeholt wurden. In Säcken kamen sie namenlos in Gemeinschaftsgräber außerhalb der Friedhöfe. Von der Lagerleitung wollte man mich als leitenden Arzt zwingen, die Totenscheine der Gemordeten mit der üblichen Diagnose "Herzschwäche" zu unterschreiben. Ich tat dies in keinem einzigen Falle. Die Konsequenz nahm ich auf mich. Leider fanden sich andere deutsche Kollegen, die ihre Unterschrift auf diese lügnerischen Schanddokumente setzten.

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Schreckens- und Leidenszeit von 17.000 deutschen Menschen in einem einzigen der vielen tschechischen KZ in der Zeit vom Mai 1945 bis Mai 1946. Ich könnte diesen Bericht beliebig fortsetzen, will mich aber mit diesen wenigen Fällen begnügen. Ich habe nie gehaßt und trotz meiner furchtbaren Erlebnisse hasse ich auch heute nicht. Auch soll mit diesem Bericht kein Samen zu neuem Haß gelegt werden, das wäre gegen meine Absicht. Ich beeide, daß dieser Bericht die lautere Wahrheit ist.

Nicht schließen möchte ich ihn, ohne still der aufrechten, anständigen Tschechen zu gedenken, deren Namensnennung einer anderen Zeit vorbehalten bleiben muß, die halfen und Böses zu verhindern suchten, die gute Patrioten waren und Menschen geblieben sind.

Dr. F."

Man ist außerstande, ohne Beweis solchen Berichten Glauben zu schenken. Aber man ist auch außerstande, diesen Berichten nicht zu glauben, wenn die Berichter in erdrückender Fülle ihr Wissen aussagen und durch Namen und Ortsangaben belegen.



 
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Die widerlegte Lüge
vom deutschen Vertreibungsplan

Abgesehen von diesen Berichten der entsetzlichsten Greuel, die die Menschheit je erlebte, ist die tschechische Gewaltaussiedlung eine vor der ganzen Welt bewiesene Tatsache. Überall in Westdeutschland und Österreich, ja selbst in Ostdeutschland und in bescheidenem Umfang auch schon als Auswanderer in den Überseestaaten sind diese Opfer der Haßpolitik des tschechischen Staates als unwiderlegbare Zeugen vorhanden. Darüber hinaus beweisen die laut APA (Austria-Presse-Agentur) im Jänner 1949 veröffentlichten Anbote des "Fonds zur nationalen Erneuerung" (Amt für die Verwaltung des deutschen Eigentums), nach denen die bisher unbewohnten Familienhäuser mit den dazugehörigen Gärten in den Bezirken Freudenthal und Jägerndorf für 20.000 Tschechenkronen abgegeben werden, den Vollzug der Deutschenvertreibung. Der "Fonds zur nationalen Verwaltung" findet aber viel zu wenig Interessenten, so daß er sich bereits verpflichtete, im Falle eines Ankaufes das Objekt auf seine Kosten vollkommen renovieren zu lassen. Die Tschechen haben also nicht genug Menschen, um die den Deutschen geraubten Besitzungen zu besetzen. Die Č.S.R. ist in vielen Gebieten des Landes dank den infernalen Verbrechen des Staates ein Raum ohne Volk geworden.

Die Massenvertreibung der Deutschen wurde von den Tschechen als gerechte Vergeltung für die deutschen Vertreibungspläne gegen das tschechische Volk hingestellt. Abgesehen davon, daß ein angeblicher "Plan", der keine praktische Durchführung fand, keinesfalls einen Freibrief für eine derartige gewaltsame Austreibung ist, ist diese Darstellung eine glatte und verbrecherische Lüge. Niemand anderer als der rigorose Stellvertreter des amerikanischen Hauptanklägers in Nürnberg, Mr. Robert M. Kempner, widerlegt dieses "Märchen von der tschechischen Massenaussiedlung" eindeutig. Aber auch hier sind wir nicht in der Lage, eine deutsche, ja nicht einmal eine amerikanische Pressestimme zu zitieren, sondern:

"Nach Mitteilungen der inzwischen eingestellten tsche- [29] chischen sozialdemokratischen Prager Tageszeitung Pravo Lidu vom 3. September 1947 gab Mr. Robert M. Kempner, der Stellvertreter des amerikanischen Anklägers in Nürnberg, am 1. September 1947 in einer Pressekonferenz in Prag Informationen über ein aufgefundenes Dokument, in welchem über eine Audienz des seinerzeitigen Reichsprotektors K. H. Frank bei Hitler berichtet wird. Der Audienz wohnte auch der seinerzeitige Reichsjustizminister Gürtner bei.

Wie in dem Dokument ausgeführt wird, erklärte Hitler bei diesem Anlaß, es gäbe drei Möglichkeiten für die zukünftige Gestaltung des Protektorates Böhmen und Mähren:

1. Beibehaltung der Autonomie.

2. Aussiedlung der Tschechen und Besiedlung des böhmisch-mährischen Raumes mit Deutschen. Der Plan sei nicht durchführbar, weil er 100 Jahre zu seiner Ausführung benötige.

3. So verbleibe nur die dritte Möglichkeit: Assimilierung und Germanisierung des tschechischen Volkes unter Ausschluß der rassisch Unerwünschten und der Reichsfeinde. Hitler verbot gleichzeitig alle anderen Fälle zur Lösung der tschechischen Frage."

Hier wird also nach alliierter Feststellung, nach tschechischem Bericht einwandfrei der Schwindel jeder Begründung der Massenaustreibung der Deutschen als Vergeltungsmaßnahme entlarvt.

Hitler, der wirklich nicht von Skrupeln geplagt war, hielt die Aussiedlung von 7 Millionen Tschechen für unmöglich. Hitler war also ein ganz armseliger Stümper gegen die Tschechen, Jugoslawen, Polen und Magyaren, die tatsächlich nicht sieben Millionen Menschen, sondern mehr als fünfzehn Millionen Menschen in knappen drei Jahren "ausgesiedelt" haben.

Aber diese Millionen-Zwangsvertreibung ist nur ein Teil der vielen Todsünden, die die Völker im Osten auf sich geladen haben. Brand, Raub, Diebstahl, alle Formen von Gewalttätigkeiten, Mißhandlungen, Vergewaltigungen, Schändungen von Greisen und von Kindern, Mord in allen [30] Variationen - alles ungesühnte und ungestrafte Verbrechen - schreien überlaut zum Himmel.

Man könnte sagen, daß überall bedauerliche Entgleisungen vorgekommen sind. Man könnte sagen, daß die Greuel der deutschen KZs den Deutschenmassakern der Völker im Osten die Waage hielten.

Alles das stimmt so wenig wie das Vergeltungsmärchen für den großen deutschen Aussiedlungsplan gegen die Tschechen.

Nirgendwo ist von der Gesamtheit des deutschen Volkes eine solche erbarmungslose Kette von Verbrechen begangen worden, nicht einmal gegen die Juden. Das deutsche Volk, die Intelligenz und der kleine Mann auf der Straße, hatten sich in ihrer erdrückenden Mehrheit an den Ausschreitungen der Fanatiker nicht beteiligt. Abgesehen davon, daß die Ausschreitungen der Deutschen gegen die Juden mit den Deutschenmassakern im Osten, besonders in der Č.S.R., gar nicht vergleichbar sind.

Vom KZ wußte der deutsche Bürger nur Nebuloses, Verschwommenes. Viele haben erst 1945 erfahren, was dort wirklich geschehen ist. Auf keinen Fall hatten sich die Deutschen in ihrer Gesamtheit an den KZ-Maßnahmen beteiligt.

Alle diese Dinge im KZ geschahen hinter einem eisernen Vorhang Himmlerischer Geheimhaltung.

Die endlosen Massaker an den deutschen Männern, Frauen und Kindern aber geschahen in aller Öffentlichkeit auf offener Straße, am hellichten Tag unter johlendem Beifall der gesamten Bevölkerung. Wo es einen vereinzelten Tschechen gab, der tatsächlich noch ein menschliches Herz im Leibe trug, wagte sich dieser nie, auch nur den kleinen Finger für die unglücklichen Opfer zu rühren, um nicht gleich als "Kollaborateur" an die Wand gestellt zu werden. In Deutschland und in Österreich gehen jedoch die Menschen in die Tausende, die trotz den angedrohten Strafmaßnahmen wesentlich mehr als einen Finger für mehr als einen Juden oder sonstigen politisch Verfolgten gerührt haben.


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Die Tragödie der Sudetendeutschen